Postindustrielle Gesellschaften werden in zunehmendem Maße als wissensbasierte Gesellschaften verstanden. Investitionen in Humankapital gelten vermehrt als Garanten für Wettbewerbsfähigkeit und werden politisch forciert. Um bestmögliche Bedingungen für (lebenslange) Kompetenzentwicklung gewährleisten zu können, gewinnen qualitativ hochwertige Weiterbildungsmaßnahmen an Bedeutung. In Hinblick auf die Qualität von Arbeit und Trainings verweisen Studien auf die Bedeutsamkeit funktionierender psychologischer Verträge (Motivations-, Loyalitäts- und Erwartungsstrukturen). Als Träger von informellen Strukturen und impliziten Erwartungen zwischen AkteurInnen in Organisationen schaffen psychologische Kontrakte einen Rahmen für effektives Arbeiten und positive Learning Outcomes. Im Zuge der Studie werden daher hemmende Faktoren für erfolgreiche Wissensvermittlung identifiziert um diese künftig vermeiden und bearbeiten zu können.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Relevanz der Trainerinnenbranche in der (wissensbasierten) Gesellschaft: Die Herausbildung eines quartären Bildungssektors
2. Die Weiterbildungsbranche und das Berufsbild von Trainerinnen der Weiterbildung in Österreich
3. Theoretische Einbettung der Untersuchung: Der psychologische Kontrakt
3.1. Definition und inhaltliche Komponenten des psychologischen Kontraktes
3.2. Das Spannungsfeld zwischen Organisation und Individuum und die vermittelnde Rolle des psychologischen Kontraktes
3.3. Funktionen des psychologischen Vertrags
3.4. Die psychologische Kontraktforschung: Unterschiedliche Ansätze und Forschungsstand
3.5. Verletzungen und Erfüllungen des psychologischen Vertrags
3.6. Theoretische Rahmung
4. Methodologie, Forschungsmethoden und Forschungsprozess
4.1. Methodologische Vorgehensweise und Methodentriangulation
4.2. Datenanalyse: Die Auswertungsverfahren
4.3. Die Gestaltung des Forschungsprozesses und Qualitätssicherung der Ergebnisse
4.4. Feldzugang und Forschungsethik
5. Ergebnisse der empirischen Forschung
5.1. Vertragsbrüche aufgrund von nicht erfüllten Formalkriterien
5.2. In der organisationalen Formalstruktur angelegte Verletzungen des psychologischen Vertrags
5.2.1. Zeitliche Rahmung des Organisationsgeschehens
5.2.2. Organisationsinterne Kommunikationskanäle und Schaltstellen der Kommunikation
5.2.3. Arbeitssetting und formale Arbeitsorganisation: Vertragsverletzungen aufgrund von flächendeckenden Abhandlungen
5.2.4. Mechanismen zur Bewältigung von in der Formalstruktur angelegten Verletzungen des psychologischen Kontrakts
5.3. V ertragsbrüche aufgrund von Rollenkonflikten
5.4. Informelle Strukturen als Vorbedingungen für Verletzungen des psychologischen Kontrakts
5.5. Lebensweltliche Kontextlagen: Einflussfaktoren für die Wahrnehmung von psychologischen Vertragsverletzungen
6. Zusammenfassung der Ergebnisse
Conclusio und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang:
Appendix 1: Tabellarische Übersicht über Konditionen von psychologischen Vertragsbrüchen
Appendix 2: Kurzbeschreibung der InterviewpartnerInnen und Beobachtungen
Appendix 3: Exemplarischer Auszug einer perspektivischen Bedeutungsstrukturanalyse
Appendix 4: Exemplarischer Auszug einer perspektivischen Artefaktanalyse
Appendix 5: Exemplarischer Auszug einer Feinstrukturanalyse
Appendix 6: Exemplarischer Auszug einer Systemanalyse
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Entwicklung zum quartären Bildungssektor 5
Abb.2: Verteilung der KursteilnehmerInnen auf die AnbieterInnen von Weiterbildungsmaßnahmen in Österreich 10
Abb.3: Spannungsfeld zwischen Organisationen und Personen 17
Abb.4: Die Integration von Personen in Organisationen: Drei Vertragstypen 19
Abb.5: Entstehungsbedingungen von psychologischen Kontrakten 21
Abb.6: Arten von Verletzungen des psychologischen Kontraktes 28
Abb.7: Eigens erstelltes adaptiertes Modell zur Entstehung von psychologischen Kontrakten und der Wahrnehmung von Vertragsbrüchen und -einhaltungen 30
Abb.8: Perspektivische Artefaktanalyse 43
Abb.9: Kommunikationskanäle als strukturelle Einflussgröße für die Formation von psychologischen Kontrakten 61
Abb.10: Akteurspyramide: Die Rolle der TrainerInnen in der Weiterbildung 69
Abb.11: Strukturierungsleistungen der TrainerInnen: Aufbau von Deutungsvorlagen 76
Abb.12: Lebensweltliche Kontextbezüge als Einflussfaktoren auf Dekodierungs- und Mitteilungsprozesse. Ausschnitt und Erweiterung des adaptierten Modells 80
Einleitung
Der Begriff Wissensgesellschaft erfreut sich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmender Beliebtheit (vgl. Bogner, 2012, S. 170; Heidenreich, 2003, S. 25f.). Die Entstehung jener Gesellschaftsdiagnose ist vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen und technologischen Transformationsprozesses von der industriellen hin zur postindustriellen Gesellschaft, sowie einem steigenden Bildungsniveau und AkademikerInnenquoten zu verstehen. Neben dem Erstarken des tertiären Dienstleistungssektors ab den 1970er Jahren, ist vom Aufkommen des quartären Sektors die Rede, welcher wissensintensive Sektoren und Informationsverarbeitung umfasst (vgl. Bartscher ; Huber, 2007, S. 4; Bogner, 2012, S. 170ff.).
Auch seitens der Politik wird in den letzten Jahrzehnten verstärkt auf die Bedeutung des Wissens(-managements) hingewiesen: Unter anderem forcieren die Lissabon-Strategie, sowie das Social Investment Package der EU lebenslanges Lernen und Investitionen in Humankapital (vgl. Bogner, 2012, S. 170f.; Europäische Kommission, 2013, S. 14ff.). In Zusammenhang damit wird auf die bedeutende Rolle der Trainingsbranche in einer dienstleistungs- und wissensbasierten Gesellschaft verwiesen: „[E]ducation and training policies constitute the most obvious methods of improving skills relevant to the service-based, knowledge economy“ (Nelson ; Stephens, 2012, S. 207).
Um die Wissensvermittlung erfolgreich zu gestalten, kommt der Qualität der Weiterbildungsmaßnahmen hohe Bedeutung zu. Hierbei nehmen nicht zuletzt die TrainerInnen einen zentralen Stellenwert ein: Neben fachlicher Qualifizierung verweisen diverse Studien auf den Einfluss informeller Organisationsstrukturen (vorwiegend Loyalitäts- und
Motivationsstrukturen, sowie informelle Erwartungsstrukturen) auf die Performanz der Arbeitnehmerinnen (vgl. Conway, Guest, ; Trenberth, 2011, S. 273f.; Inkson ; King, 2011, S. 43ff.).
Das von Denise Rousseau (1995) elaborierte Konzept des psychologischen Kontraktes umfasst eben jenes informelle Gefüge aus Loyalität, Motivation und Erwartungshaltungen, welches zwischen Personen - im organisationalen Kontext allen voran zwischen ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen - besteht (vgl. Rousseau, 1995, S. 9f.). Ein Strang der an Rousseau anknüpfenden psychologischen Kontraktforschung konnte bislang aufzeigen, dass Brüche des psychologischen Kontraktes weitaus schwerwiegendere (negative) Auswirkungen auf die Arbeitsmotivation nach sich ziehen, als dies bei Vertragserfüllungen feststellbar ist (vgl.
Conway et al., 2011, S. 273f.). Daraus folgernd kann angenommen werden, dass psychologische Vertragsverletzungen ebenso die Qualität der Arbeit der TrainerInnen beeinflussen.
Die Masterarbeit setzt genau an jenem Punkt an: Eine Analyse der Verletzungen und Erfüllungen der psychologischen Verträge in der TrainerInnenbranche Österreichs wurde im Rahmen einer qualitativen Untersuchung vorgenommen. Die durchgeführte qualitative Untersuchung, welche teilnehmende Beobachtungen in österreichischen Trainingsinstitutionen, Interviews mit insgesamt fünf TrainerInnen, sowie Artefaktanalysen umfasst, knüpft dabei nahtlos an die psychologische Kontraktforschung an. Das Forschungsdefizit in jenem Bereich besteht darin, dass die Vertragsverletzungen und -einhaltungen bislang lediglich als solche identifiziert und auf potentielle Auswirkungen hin untersucht wurden, aber nicht aus den strukturellen Rahmenbedingungen heraus verstehbar gemacht werden konnten (vgl. Conway et al., 2011, S. 274). Die Forschungsfrage, welche sich daraus für die vorliegende Untersuchung ergibt, lautet wie folgt: Unter welchen strukturellen Konditionen (soziale Logik/Ordnung) entstehen Verletzungen und Einhaltungen von psychologischen Kontrakten in der österreichischen TrainerInnenbranche?
Die Relevanz der Untersuchung ergibt sich demnach einerseits aus der wissenschaftlichen Anschlussfähigkeit und Verringerung eines Forschungsdefizits in der psychologischen Kontraktforschung. Die Ergebnisse der Studie, welche in dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs rund um die Wissensgesellschaft und der damit verbundenen hohen Bedeutung von Humankapital, Information ; Innovation zu verorten sind, können andererseits dazu dienen, ein besseres Verständnis über die soziale Ordnung in der Weiterbildungsbranche Österreichs zu gewinnen, wodurch sich Schlüsse für die Praxis und Qualitätssicherung des quartären Bildungssektors ziehen lassen.
Zunächst sind die ersten beiden Kapitel der Arbeit der Aufarbeitung des gegenwärtigen Trends in Richtung lebenslanges Lernen und den damit verbundenen Auswirkungen für die Weiterbildungsbranche gewidmet. Zudem geht es darum, nachzuzeichnen, wie die österreichische Trainer Innenbranche und das damit verbundene Berufsbild der TrainerInnen beschaffen sind, um die Ergebnisse der Untersuchung aus den institutionellen Strukturen in der Weiterbildungsbranche Österreichs heraus verstehen zu können. Daran anschließend erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept des psychologischen Kontraktes, sowie mit dem aktuellen Forschungsstand innerhalb der psychologischen Kontraktforschung. Ebenso wird im Zuge des dritten Kapitels die theoretische Rahmung für die empirische Untersuchung vorgestellt. Im Rahmen des daran anschließenden Methodenteils werden der methodologische Zugang, die (methodische) Vorgehensweise, die Auswertungsverfahren, sowie der Feldzugang im Sinne der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit offengelegt. Der empirische Teil zielt letztendlich darauf ab, die strukturellen Rahmenbedingungen für ein Entstehen und Wahrnehmen von Verletzungen des psychologischen Vertrags aufzuarbeiten. Neben der formellen Unternehmensstruktur und der Formation von Beziehungsstrukturen zu relevanten Bezugsgruppen der TrainerInnen stellte sich ebenso die informelle Strukturierungsleistung des Kursgeschehens seitens der TrainerInnen als bedeutend für die Wahrnehmung und Ausformung des psychologischen Kontraktes heraus.
1. Die Relevanz der Trainerinnenbranche in der (wissensbasierten) Gesellschaft: Die Herausbildung eines quartären Bildungssektors
Technologischer Fortschritt und Dynamisierungsprozesse auf zunehmend internationaler werdenden Märkten stehen insbesondere ab den späten 1990er Jahren eng in Zusammenhang mit einer Stärkung von informations- und wissensintensiven Sektoren. Die globalen Märkte basieren nicht mehr schwerpunktmäßig auf industriell gefertigten, materiellen Produkten, vielmehr sind Märkte der Wissens- und Informationsverarbeitung im Begriff zu wachsen (vgl. Reichert, 2008, S. 13). „[D]ie Entmaterialisierung und Wissensanreicherung der Wertschöpfung“ (Wilkens, 2004, S. 9) verlangen gegenwärtig auch den Arbeitskräften einiges ab: Neben Kenntnissen der Informationsverarbeitung und des Wissensmanagements wohnt der Fähigkeit sich auf die dynamischen Wandlungsprozesse einstellen zu können hohe Bedeutung inne. Durch die Zunahme des Stellenwertes der Kapitalsorte „Wissen“ werden Humankapitalaufbau und Befähigung von Individuen in allen Lebensphasen zu häufig aufgegriffenen Schlagworten. Dies deutet auf die Relevanz der Humankapitalakkumulation für die Integration von Individuen in die wissensbasierte Gesellschaft hin (vgl. Reichert, 2008, S. 13).
„Zur Bewältigung dieser Wandelprozesse reicht es nicht mehr aus, dass einer Lernphase im Kindes- und Jugendalter eine Arbeitsphase im Erwachsenenalter folgt. Lern- und Arbeitszyklen müssen sich abwechseln, um in einer sich wandelnden Umgebung handlungsfähig zu sein.“ (Reichert, 2008, S.13)
Auf jene Trends der Intensivierung von sich entwickelnden wissens- und informationsbasierten Märkten reagierend, legt auch die Politik in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt Augenmerk auf die Befähigung von Individuen durch alle Lebensphasen hindurch. Die von der EU ausgearbeitete Social Investment Agenda forciert Konzepte des lebenslangen Lernens und proklamiert Investitionen in Humankapital durch Bildungsmaßnahmen und Initiativen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik - etwa Trainings oder Beratungsgespräche für Arbeitslose (vgl. Bonoli, 2012, S. 181ff.). In einem Atemzug mit der Idee des lebenslangen Lernens wird oftmals auf die Ausbildung eines quartären Bildungssektors verwiesen, welcher sämtliche Formen der beruflichen und allgemeinen Weiterbildung vereint und für die Transformation hin zur Wissensgesellschaft als Raum für Kompetenz- und Humankapitalentwicklung in allen Phasen des Lebens dient (vgl. Reichert, 2008, S. 41). Damit einher geht eine Aufwertung und Bedeutungszunahme der Weiterbildungsbranche, was durch nachfolgende Abbildung visualisiert werden soll:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Entwicklung zum quartären Bildungssektor, entnommen von Reichert (2008, S. 41)
Aus der Grafik geht hervor, dass sich seit dem Entstehen von Qualifizierung smaßnahmen fernab der Schulbildung im Verlauf des 19. Jahrhunderts, damals noch unter der Begrifflichkeit „Volksbildung“, ein Aufwärtstrend in Hinblick auf die Bedeutung von Weiterbildungsmaßnahmen abzeichnet. Ebenso verweist die obige Darstellung darauf, dass Weiterbildungsmaßnahmen in deren zeitlicher Komponente nicht mehr lediglich auf einzelne Lebensabschnitte begrenzt werden. Vielmehr neigt man gegenwärtig dazu, (Weiter-)Bildung im Sinne des lebenslangen Lernens zu verstehen und konzeptualisieren.
Neben dem Bedeutungszuwachs der Weiterbildungsbranche per se und deren Expansion auf sämtliche Phasen des Lebens kommt auch der Qualität der Trainings ein enormes Gewicht zu, um die Wissensvermittlung und den Kompetenzaufbau bestmöglich gelingen zu lassen. Diesbezüglich herrscht im wissenschaftlichen Kontext rege Diskussion über die oftmals kritisierte intransparente Organisation der Weiterbildungsbranche und Qualifizierung der TrainerInnen. So sei nicht immer klar, welche Bildungsangebote dem quartären Bildungssektor zuzuordnen sind und wodurch TrainerInnen der Weiterbildungsbranche ihre Qualifizierung für eben jene Tätigkeit erhalten (vgl. Reichert, 2008, S. 43f.). Wie sehen nun die groben Strukturen jenes quartären Bildungssektors aus?
Der quartäre Bildungssektor umfasst all jene (Weiter-)Bildungsmaßnahmen, welche nicht im Rahmen der Regelschule (Primär- und Sekundarstufen) oder tertiären Hochschulbildung zu verorten sind (vgl. Reichert, 2008, S. 31). Eine grundlegende Unterscheidung ist zwischen Formen der formellen und informellen Weiterbildung zu vollziehen. Formelle Weiterbildung findet im Rahmen organisierter Kurse in eigens dafür geschaffenen Institutionen, oder aber in
Form von innerbetrieblichen Schulungen statt. Neben der formellen Weiterbildung bestehen zudem Arten der informellen Weiterbildung: Hierzu zählen etwa selbstorganisiertes, autodidaktisches Lernen oder aber Prozesse des Lernens während der Berufs- oder Freizeittätigkeit (learning-by-doing). Jene informellen Formen sind konzeptionell schwer zu fassen und kategorisieren, weswegen auch Bildungsministerien und statistische Institute dazu tendieren, die Untersuchungen der Weiterbildungsbranche auf die formale Weiterbildung zu priorisieren (vgl. Reichert, 2008, S. 49f.).
Eine wichtige Unterscheidung in Hinblick auf die Klassifikation von Angeboten, welche nunmehr der formellen Weiterbildungsbranche zuzuordnen sind, ist zwischen beruflicher und allgemeiner Weiterbildung zu treffen. Berufliche Weiterbildung kann in der jeweiligen Organisation selbst, durch externe Trainingsangebote, oder aber im Zuge von organisierten Trainings der öffentlichen Hand - zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose - vonstattengehen. Berufliche Weiterbildung findet im institutionellen Rahmen der Erwerbstätigkeit statt und dient der Kompetenzerweiterung in Hinblick auf die jeweiligen beruflichen Tätigkeitsbereiche (vgl. Reichert, 2008, S. 47f.). Allgemeine Weiterbildung bezieht sich hingegen auf Maßnahmen im Rahmen der klassischen Erwachsenenbildung und umfasst zum einen kulturelle, gesundheitliche oder politische Bildungsangebote. Zum anderen verfolgt sie das Ziel der „Grundbildung“. Unter diese fallen das Nachholen von Bildungszertifikaten, etwa der Reifeprüfung, sowie die Befähigung im IT-Bereich, Controlling oder in sprachlichen Belangen. Da all jene Trainingsmaßnahmen jedoch auch die beruflichen Perspektiven stärken können, ist eine eindeutige Grenzziehung zur beruflichen Weiterbildung nicht immer gegeben. Die freiwillige Teilnahme an allgemeinen Weiterbildungsmaßnahmen fernab des betrieblichen Beschäftigungsverhältnisses grenzt die Angebote der allgemeinen Weiterbildung jedoch hinreichend zu jenen der beruflichen Weiterbildung ab, sofern letztere auf die (inner-) betriebliche Weiterbildung beschränkt wird (vgl. Reichert, 2008, S. 47f.).
Die nun skizzierte Merkmalsunterscheidung zwischen allgemeiner und beruflicher Weiterbildung erweist sich ebenso für den Fokus vorliegender Untersuchung als relevant. Die innerbetriebliche Weiterbildung bringt in Hinblick auf das Untersuchungsdesign die Schwierigkeit mit sich, dass die betrieblichen Rahmenbedingungen die Strukturen des Trainings/der Trainingsbranche konterkarieren, wohingegen dieser Problematik bei einer Fokussetzung auf Weiterbildungsangebote in eigens dafür vorgesehenen Bildungsinstitutionen begegnet werden kann. In jenem Sinne begrenzt sich die Untersuchung auf Trainings der allgemeinen Weiterbildungsbranche bzw. klassischen Erwachsenenbildung.
Neben der Klassifikation der Angebote, welche der Weiterbildungsbranche zuzuordnen sind, ist auch die Frage der Beschaffenheit der Gruppe der Kursleiterinnen von Weiterbildungsmaßnahmen abzuklären. Die nachfolgend verwendete Terminologie „Trainerin“ für die Berufsgruppe der KursleiterInnen verweist auf ein spezifisches Berufsbild innerhalb der Weiterbildungsbranche. Im Gegensatz zu SeminarleiterInnen, welchen neben dem Abhalten von Kursen auch die programmhafte Planung obliegt, befassen sich BildungsmanagerInnen vorrangig mit organisatorischen Belangen. Das Berufsbild von TrainerInnen hingegen zeichnet sich durch den Schwerpunk des tatsächlichen Abhaltens von Kursen und somit den höchsten Anteil an Kurstagen im Vergleich zu SeminarleiterInnen und BildungsmanagerInnen aus (vgl. Arnold ; Mueller, 1992, S. 36ff.; Reichert, 2008, S. 53f.). Die Verwendung der Begrifflichkeit „TrainerIn“ ist synonym mit jenem der Kursleitung von Weiterbildungsmaßnahmen zu verstehen und umfasst zusammenfassend folgendes Tätigkeitsprofil: Im Rahmen von ein- oder mehrtägigen Kursen geben TrainerInnen ihre Expertise in einem Themengebiet zumeist an Personengruppen, im Einzelfall auch lediglich an ein Individuum, weiter. Neben der Verlaufsplanung der Kurseinheiten stellen die didaktische Aufbereitung der Inhalte, sowie die fachliche Kompetenz per se die Hauptanforderungen für TrainerInnen dar (vgl. Fellinger, 2008, S. 4).
Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Berufsprofil von TrainerInnen, wird oftmals auf die Heterogenität jener Gruppe hingewiesen. Klassifizierungsversuche der heterogenen Berufsgruppe der Trainerinnen basieren vor allem auf folgenden Kriterien: Ein erster Unterschied lässt sich durch das Ausmaß der Beschäftigung (haupt- oder nebenberuflich) festmachen. Ebenso die Frage, ob es sich um interne, oder aber externe TrainerInnen handelt, kann ein Unterscheidungsmerkmal innerhalb dieser heterogenen Gruppe sein. Auf diesen Grundkriterien aufbauend lassen sich bei Berücksichtigung von vertraglichen Komponenten folgende Untergruppen von TrainerInnen ausmachen (vgl. Reichert, 2008, S. 51):
1. Die erste Gruppe, welche in der Weiterbildungsbranche tätig ist, umfasst ehrenamtliche TrainerInnen, welche vor allem in kirchlichen und karitativen Bildungsinitiativen tätig sind. Die persönliche Einsatzbereitschaft erfolgt nicht auf Basis monetärer Entlohnung (vgl. Reichert, 2008, S. 51).
2. Die zweite Gruppe setzt sich aus den nebenberuflichen TrainerInnen zusammen. Diese Personengruppe macht den größten Anteil der TrainerInnen aus und kann an Volkshochschulen, Sprachinstituten und ähnlichen Einrichtungen des Weiterbildungssektors tätig sein. Deren Verträge umfassen unbefristete, als auch befristete Dienstverhältnisse. Formen flexibler Beschäftigungsverhältnisse - etwa ein geringfügiges Beschäftigungsausmaß oder freie Dienstverträge - herrschen vor allem in den letzten Jahrzehnten verstärkt vor (vgl. Reichert, 2008, S. 51).
3. Als dritte Gruppe sind freiberufliche Trainerinnen - sogenannte „Neue Selbstständige“ - zu nennen. Sie sind vorrangig im freien Bildungsmarkt beschäftigt, oder aber in Organisationen für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen tätig (vgl. Reichert, 2008, S. 51).
Im Zuge der Untersuchung wurden neben- und freiberufliche Trainerinnen untersucht, welche in österreichischen Bildungsinstitutionen Kurse abhalten. Der Ausschluss der ersten nun angeführten Personengruppe ergibt sich aus der Tatsache, dass versucht wurde, die institutionelle Rahmung der Untersuchung mit der Begrenzung auf Trainings-/ bzw. Bildungsinstitute konstant zu halten, um nicht zuletzt die Ergebnisse vergleichbar und generalisierbar zu gestalten. Betriebliche Weiterbildung oder aber Bildungsinitiativen in Gemeinde, im kirchlichen Rahmen etc. wurden auf Grund dessen ausgeschlossen.
Die nunmehr vorgestellte Systematisierung von Strukturen der Weiterbildungsbranche und dem Berufsbild von Trainerinnen sollen in weiterer Folge mit Hauptaugenmerk auf das österreichische Weiterbildungswesen beleuchtet werden. Ein Verständnis des Berufsbildes von Trainerinnen der Weiterbildung, als auch der Beschaffenheit jener Branche in Österreich, verhilft einer besseren Einbettung der Ergebnisse vorliegender Untersuchung.
2. Die Weiterbildungsbranche und das Berufsbild von Trainerinnen der Weiterbildung in Österreich
Eine wesentliche Frage bezüglich der Umsetzung der Forderung nach lebenslangem Lernen in Österreich stellen die Ressourcen dar, welche für Weiterbildungsmaßnahmen akquiriert werden können. In Hinblick auf die Finanzierung der Weiterbildungsmaßnahmen herrscht weitgehend Übereinstimmung darüber vor, dass die finanziellen Mittel neben der öffentlichen Hand auch durch Unternehmen und Privatpersonen aufgebracht werden sollen. Durch den vorherrschenden gesellschaftlichen und politischen Konsens hinsichtlich der Bedeutung von Humankapital und Befähigung für eine inklusion von individuen in den Arbeitsmarkt gerät die Finanzierung des quartären Bildungssektors in Österreich durch die Forderung nach einem Ausbau von (Weiter-)Bildungsmaßnahmen unter Druck. Trotz der Schwierigkeit in gestiegenem Maße öffentliche Mittel zu akquirieren, nicht zuletzt aufgrund des vorherrschenden Bedarfs an Budgetkonsolidierung, zeichnet sich ein Anstieg der öffentlichen Ausgaben für die Weiterbildungsbranche Österreichs ab (vgl. Lassnigg, Vogtenhuber, ; Steiner, 2006, S. 10f.):
Lag die Summe der öffentlichen Mittel für Weiterbildungsmaßnahmen[1] (ohne AMS- Weiterbildungen) 1995 noch bei 262,9 Millionen Euro, so stieg diese bis 2004 bereits auf rund 321,8 Millionen Euro an. Im Jahr 2009 flossen bereits 361,7 Millionen Euro an öffentlichen Geldern in Weiterbildungsmaßnahmen. Auch das Ausmaß an öffentlichen Geldern für AMS- Trainings war deutlich im Begriff zu steigen: Lagen sie im Jahr 2006 noch bei 667,6 Millionen Euro, so wuchsen sie bis zum Jahr 2009 auf 905,6 Millionen Euro an. Insgesamt liegt der prozentuale Anteil der öffentlichen Ausgaben für den quartären Bildungssektor bei 2,5% der Gesamtheit an öffentlichen Bildungsausgaben (vgl. Lassnigg et al., 2012, S. 36). Dies verdeutlicht, dass die Prioritäten der österreichischen Bildungspolitik auf dem Regel- und Hochschulwesen liegen. Nichtsdestotrotz ist ein Trend in Richtung Ausbau des quartären Bildungssektors - u.a. durch den Anstieg der öffentlichen Gelder für die Finanzierung jener Bildungsbranche - signalisiert. Wie ist die Weiterbildungsbranche in Österreich nun beschaffen?
Der österreichische Weiterbildungsmarkt zeichnet sich durch einen hohen Anteil an (inner-) betrieblichen Weiterbildungen aus. In Hinblick auf Teilnahmezahlen und Stundenausmaß der absolvierten Trainings fällt auf die Formen der (inner-)betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen und Weiterbildungsinitiativen der ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnenvereinigungen der höchste prozentuale Anteil (siehe Abb.2).
Verteilung der Kursteilnehmerinnen auf die Anbieterlnnen von Weiterbildungsmaßnahmen in Österreich
-Innerbetriebliche Weiterbildung
-Sozialpartner
-Privater Bildungsmarkt
-Öffentliche Anbieter
-Nicht-kommerzielle Weiterbildungsangebote
-Sonstige
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Verteilung der Kursteilnehmerinnen auf die Anbieterlnnen von Weiterbildungsmaßnahmen in Österreich, eigene Darstellung auf Basis der Berechnungen von Lassnigg et al. (2006, S. 31)
Privaten Bildungsinstitutionen (Matura- und Sprachschulen etc.) kommt hingegen in der allgemeinen Weiterbildung der höchste prozentuale Anteil zu, dicht gefolgt von öffentlichen Anbieterlnnen von Weiterbildungsmaßnahmen - etwa Volkshochschulen oder zertifizierte Kurse an Fachholschulen und Universitäten. Dies verdeutlicht, dass sich neben öffentlichen Anbieterlnnen ein privater Bildungsmarkt herausbilden konnte, welcher neben Trainings im Rahmen der allgemeinen Weiterbildung zunehmend auch für die Ausführung von AMS- Trainings zuständig ist und im Begriff ist weiterhin anzuwachsen. Der weitaus geringste Anteil fällt auf Trainings im nicht-kommerziellen Kontext (vgl. Heilinger, 2006, S. 1; Lassnigg et al., 2006, S. 31).
Betrachtet man nun jene Klassifizierung innerhalb der Weiterbildungsbranche Österreichs, so muss mitbedacht werden, dass Schwierigkeiten der eindeutigen Zuordnung von Weiterbildungsmaßnahmen zu den eben angeführten Teilbereichen - etwa durch einen Mix an Mittelaufbringungen diverser AkteurInnen (öffentliche Hand, Unternehmen und Privatpersonen) - bestehen. Die Systematisierung der am österreichischen
Weiterbildungsmarkt tätigen Institutionen und Maßnahmen wird zusehend komplexer; die Grenzziehung u.a. zwischen öffentlichen und privaten Anbieterlnnen durch Auslagerungen von AMS-Schulungen in private Bildungsinstitute verschwimmt (vgl. Heilinger, 2006, S. 1; Lassnigg et al., 2006, S. 10f.). So hält auch Anneliese Heilinger (2008) fest: „Die Erwachsenenbildung (EB) in Österreich ist ausdifferenziert. Strukturen sind gewachsen und beugen sich keiner Einheitlichkeit. Keine Frage nach Institutionen, Organisationsformen, Beschäftigungsverhältnissen und dergleichen kann übergreifend beantwortet werden“ (Heilinger, 2008, S. 2).
Neben der Heterogenität der Institutionen innerhalb der Weiterbildungsbranche Österreichs und einer Vielzahl an bestehenden Beschäftigungsverhältnissen (unbefristete, befristete, geringfügige Beschäftigung und freie DienstnehmerInnenverträge) der KursleiterInnen von Weiterbildungsmaßnahmen, zeichnet sich der quartäre Bildungssektor durch die bereits angesprochene Heterogenität der Berufsgruppe der Trainerinnen aus (siehe dazu Kapitel 1). Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass jener Beruf einer bislang „unzureichende[n] Verberuflichung“ (Reichert, 2008, S. 100) unterliegt, gestaltet sich das Feld der TrainerInnen auch in Österreich derart heterogen:
„Der Beruf TrainerIn ist keinerlei Regelungen unterworfen: Es gibt kein klares und verbindliches Berufsbild, keine einheitlichen Qualitätsstandards und damit eine breite Palette an Möglichkeiten, was alles unter ,Training‘ verstanden werden kann, wer sich ,TrainerIn‘ nennen darf, welche Wege und Ausbildungen zur Ausübung des Berufes führen und vorausgesetzt werden. Auch die Entlohnung ist völlig ungeregelt.“ (Fellinger, 2008, S. 2)
In der Praxis zeigt sich, dass TrainerInnen über verschiedenartigste Ausbildungen und berufliches Vorwissen verfügen. Eine pädagogische Grundbildung oder Teilnahme an Kursen zum Thema Lehre im Rahmen der Erwachsenenbildung ist bei einer Vielzahl der TrainerInnen nicht vorhanden. Obwohl das Ausbildungsangebot für KursleiterInnen in Weiterbildungsmaßnahmen permanent ausgedehnt wird, fehlt es bislang an einem institutionenübergreifenden Zertifizierungsverfahren für pädagogisches Bildungspersonal in der Weiterbildung. In Österreich bemüht man sich aufgrund dessen seit langem - u.a. durch die Gründung der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) und in weiterer Folge der Weiterbildungsakademie - um eine Vereinheitlichung und Qualifizierung von in der Weiterbildung tätigen Lehrenden (vgl. Heilinger, 2008, S. 3f.). Vor allem für TrainerInnen von AMS-Schulungen bestehen mittlerweile Voraussetzungen hinsichtlich deren Ausbildung. Ein Hauptkriterium um AMS-Schulungen abhalten zu dürfen stellt eine TrainerInnen- oder Coachingausbildung dar, welche jedoch von diversen BildungsanbieterInnen Österreichs angeboten wird und deren Qualität maßgeblich divergiert. In Hinblick auf die Qualifizierung und Profes sionalisierung des TrainerInnenberufes scheint demnach nach wie vor großer Handlungsbedarf zu bestehen (vgl. Fellinger, 2008, S. 3).
Wie aufgezeigt werden konnte, ist der quartäre Bildungssektor im Begriff anzuwachsen. Darüber hinaus ist ein Bedeutungsgewinn der Weiterbildungsbranche in einer zunehmend wissensbasierten Gesellschaft feststellbar (vgl. Reichert, 2008, S. 13; 41). Da eine Standardisierung und Zertifizierung des Berufsbildes von TrainerInnen der Weiterbildungsbranche in Österreich bislang nicht flächendeckend eingeführt wurde, steht jedoch die Frage der Qualität der Arbeit der TrainerInnen im Raum (vgl. Heilinger, 2008, S. 3ff.): Kann das Bildungspersonal des Weiterbildungssektors den Erwartungen von ArbeitgeberInnen und KursteilnehmerInnen gerecht werden? Wie Studien bereits aufzeigen konnten erfordern funktionierende interpersonelle Beziehungen und effektives sowie qualitativ hochwertiges Arbeiten intakte psychologische Kontrakte (siehe u.a. Conway et al., 2011). Das Konzept des psychologischen Vertrags konzeptualisiert organisationale informelle (Erwartungs-)Strukturen und liefert somit einen theoretischen Erklärungsansatz für die Formation und Beschaffenheit der informellen Beziehungsstrukturen zwischen TrainerInnen und deren Bezugsgruppen. Im Zuge des nachfolgenden Kapitels steht daher die Explikation der Komponenten und Funktionen von psychologischen Verträgen im Vordergrund.
3. Theoretische Einbettung der Untersuchung: Der psychologische Kontrakt
Die Untersuchung der Weiterbildungsbranche Österreichs nimmt Ausgang von dem Konzept des psychologischen Vertrags. Diese auf Denise Rousseau (1995) zurückgehende Ausarbeitung wird vorrangig in Verbindung mit informell wirkenden Strukturen in Organisationen gebracht. Loyalitäts- und Motivationsstrukturen sowie Erwartungshaltungen, welche den formalen Arbeitsvertrag übersteigen, sind dessen Hauptkomponenten (Rousseau, 1995, S. 9f.). Wie eine Vielzahl an Studien (vgl. u.a. Conway et al., 2011; Inkson ; King, 2011) zeigen konnte, nimmt der psychologische Kontrakt Einfluss auf die Beschaffenheit der Qualität der Arbeit. Im vorliegenden Fall gilt es, die Konstitution des psychologischen Kontraktes und im Speziellen die Entstehungsbedingungen und Wahrnehmung von Vertragsbrüchen und -erfüllungen in der Weiterbildungsbranche Österreichs zu untersuchen. Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen der psychologischen Kontraktforschung wird jenes Konzept in modifizierter Art und Weise die theoretische Rahmung der Forschung darstellen, weswegen zu Beginn des Kapitels eine Explikation des Kerns des psychologischen Vertrags erfolgen wird.
3.1. Definition und inhaltliche Komponenten des psychologischen Kontraktes
Denise M. Rousseau (1995) rückte erstmalig die über die formalen Verträge hinausgehenden (Erwartungs-)Beziehungen zwischen Individuen, welche in Organisationen eingebundenen sind, in das Zentrum ihrer theoretischen Ausarbeitung (vgl. Rousseau, 1995, S. 9). Während spätere Publikationen (vgl. u.a. Anderson ; Schalk, 1998; Hauff, 2007; Raeder ; Grote, 2001) die Verwendung des Konzeptes des psychologischen Vertrags auf die Beziehung zwischen Arbeitgeberinnen und -nehmerInnen beschränken, fasste Rousseau diesen ursprünglich weiter: Der psychologischer Kontrakt setzt auf der individuellen Perspektive an und umfasst „beliefs that individuals hold regarding promises made, accepted and relied on between themselves and another (employee, client, manager, organization)“ (Rousseau, 1995, S. 9). Der Kern des Konzeptes besteht damit in der Summe an vorherrschenden Erwartungsstrukturen zwischen diversen Personen in Organisationen (vgl. Rousseau, 1995, S. 9). Die Tatsache, dass für AkteurInnen in Organisationen ebenso Erwartungsstrukturen fernab der ArbeitgeberInnen, also etwa in der Beziehung zu KundInnen, vorherrschen, geht in der auf Rousseau aufbauenden Kontraktforschung jedoch weitgehend verloren.
Von Bedeutung für das Verständnis des Konzeptes ist die Besonderheit der Perspektivität, welche dem psychologischen Vertrag innewohnt: Der psychologische Kontrakt setzt bei der Wahrnehmung von Erwartungen und Pflichten einzelner Individuen an (vgl. Rousseau, 1995, S. 9). Das Paradoxon jenes Konzeptes liegt nun in der Gleichzeitigkeit von individueller Wahrnehmung bei parallel wirkenden interpersonellen Strukturen verborgen, schließlich zeichnen sich Verträge durch ein In-Beziehung-Treten mit einem oder mehreren Vertrag spartner Innen aus. Hierbei kann der Konnex zwischen Subjektivität und Intersubjektivität als zentral erachtet werden: Während die Perspektivität des psychologischen Kontraktes beim Individuum und dessen Wahrnehmung ansetzt, so wird eben jene aus den zwischenmenschlichen Interaktionen im organisationalen Geschehen abgeleitet. „The implied contract results from observable patterns between parties“ (Mc Farlane Shore ; Tetrick, 1994, S. 94). Um die individuelle Sicht verstehen und kontextual einbetten zu können, ist demnach auch eine Analyse der sozialen Interaktionen eines Feldes von Nöten.
Bezogen auf die inhaltlichen Aspekte, welche ein psychologischer Kontrakt umschließt, kritisieren Neil Anderson und René Schalk (1998), dass dieser abertausende Komponenten und Erwartungen umfassen könne, wodurch ein empirisch aussagekräftiges Hantieren mit diesem Konzept erschwert möglich sei (vgl. Anderson ; Schalk, 1998, S. 641). Rousseau weist diesbezüglich gemeinsam mit Snehal Tijoriwala (1998) auf die konzeptionellen Grenzen des psychologischen Kontraktes hin, was dessen inhaltlichen Umfang bedeutend schärfer gestaltet, als Anderson und Schalk dies anmuten ließen:
„Key to careful assessment of a psychological contract is the distinction between it and the broader concept of expectation. Although all psychological contracts entail expectations that a person or firm will act in a particular way, not all expectations are contractual. Expectation is a far broader concept than psychological contract [...].” (Rousseau ; Tijoriwala, 1998, S. 679)
Obwohl der psychologische Kontrakt demnach gegenseitige Erwartungsstrukturen und Pflichten umfasst, so deckt er nicht das gesamte Spektrum vorhandener Erwartungen ab. Rousseau und Tijoriwala verdeutlichen, dass lediglich jene Erwartungen Teil des psychologischen Vertrags sind, welche auf explizierten Versprechen (commitments) basieren (vgl. Rousseau, 1995, S. 9f.; Rousseau ; Tijoriwala, 1998, S. 169f.). Diese gegenseitigen Versprechen und Erwartungen „may be based on communications, customs, and past practices“ (Rousseau, 1995, S. 10). Darüber hinausgehende Erwartungen, etwa abgeleitet aus Annahmen über das jeweilige Unternehmen (Führungsstil, Belohnungssystem etc.), mögen Teil der Unternehmenskultur oder des Klimas in Organisationen sein, sind aber nicht als Komponente des psychologischen Vertrags aufzufassen (vgl. Rousseau ; Tijoriwala, 1998, S. 679f.).
Einhaltungen oder Verletzungen von informellen Erwartungen stellen darüber hinaus einen bedeutenden Einflussfaktor für das konkrete Ausgestalten weiterer informeller Strukturen, wie z.B. Motivationslagen und Loyalitätsempfindungen, dar (vgl. Hauff, 2007, S. 37f.; Raeder ; Grote, 2001, S. 353f.). Auch diese sind dem psychologischen Kontrakt zuzuordnen. Psychologische Kontrakte setzen sich demnach aus folgenden Komponenten zusammen:
-individuelle Wahrnehmung von Erwartungen basierend auf explizierten gegenseitigen Übereinkünften und Verpflichtungen (vgl. Rousseau, 1995, S. 9f.)
-Arbeitsbereitschaft, -einsatz und -eifer, Kreativität (vgl. Raeder ; Grote, 2001, S. 353)
-individuelle Wahrnehmung und Einschätzung von informellen Beziehungen zu anderen in das Organisationsgeschehen eingebundenen Personen (vgl. ebd.)
-Strukturen hinsichtlich wechselseitiger Verbundenheit und Vertrauen zwischen Individuen bzw. Individuum und Organisation (vgl. ebd.)
Hinsichtlich der Komponenten Arbeitsmotivation und Loyalität konnten diverse empirische Untersuchungen (vgl. Hauff, 2007; King, 2000; Raeder ; Grote, 2001) bislang aufzeigen, dass der Grad der wechselseitigen Verbundenheit und des Arbeitseifers von der Art und Weise des Beschäftigungsverhältnisses und dem Organisationskontext abhängt: Während die Arbeitsmotivation und Loyalität bei traditionellen/relationalen psychologischen Verträgen, welche bei unbefristeten, abgesicherten Arbeitsverhältnissen vorherrschen, stark vorhanden sind, verhält sich dies bei neuen/transaktionalen psychologischen Verträgen diametral. Bei Vorherrschen jenes Kontrakttyps, welcher sich zunehmend aufgrund von Dynamisierungs- und Flexibilisierungstendenzen am Arbeitsmarkt - etwa durch die Zunahme von befristeten Verträgen, Heimarbeit, Leiharbeit uvm. - entwickelt, sind Loyalität und Motivation geringer ausgeprägt (vgl. Hauff, 2007, S. 37f.; Raeder ; Grote, 2001). Die genaue Beschaffenheit der Bestandteile des psychologischen Kontraktes kann demnach nicht ohne Berücksichtigung der Organisations- und Beschäftigungsspezifika ausgemacht werden. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die konkrete Ausprägung des psychologischen Kontraktes einer permanenten Restrukturierung unterliegt (vgl. Makin, Cooper, ; Cox, 1996, S. 7), was folgendes Zitat verdeutlichen soll:
„The psychological contract [...] is in a constant state of change and revision; [...] virtually any change in the way work is organized, either physically or socially, will have an impact on it. As people spend longer with an organization, the area covered by the psychological contract tends to broaden. The implicit mutual expectations and obligations cover more and more of the relationship between the employee and the organization.” (Makin et al., 1996, S. 7)
Dieses Zitat verweist nicht nur auf die dem psychologischen Kontrakt inhärente Dynamik und Restrukturierungsprozesse, sondern deutet auf die Rolle des psychologischen Kontraktes in der Beziehung zwischen Arbeitgeberinnen und -nehmerInnen[2] hin. Diese Beziehung ist durch das Spannungsfeld zwischen Organisationen und Personen gekennzeichnet (vgl. Rosenstiel, 2003, S. 131f.; Strebel, 1996, S. 86f.). Um die Funktion des psychologischen Kontraktes verstehen zu können, ist es zunächst nötig, dieses Spannungsfeld zwischen Individuum und Organisation aufzurollen um anschließend aufzuzeigen, welche Rolle der psychologische Kontrakt in jener Konstellation einnimmt.
3.2. Das Spannungsfeld zwischen Organisation und Individuum und die vermittelnde Rolle des psychologischen Kontraktes
Wie nun bereits dargelegt beinhaltet der psychologische Kontrakt die individuelle Wahrnehmung von Pflichten und Erwartungen, welche sich aus zwischenmenschlichen Interaktionen oder Kommunikationen im organisationalen Kontext ergeben (vgl. Rousseau, 1995, S. 9f.). Die psychologische Vertragsforschung entwickelte sich dahingehend, allen voran den Kontrakt zwischen ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen zu untersuchen. Diese Beziehung ist wiederum geprägt von einem bestehenden Interessenskonflikt zwischen diesen beiden Akteursgruppen. Dem psychologischen Kontrakt kommt hierbei neben dem formalen und sozialen Vertrag eine spezifische Rolle in der Überbrückung jenes Spannungsverhältnisses zu. Diese Rolle sei nachfolgend erläutert.
Der Grundkonflikt zwischen Personen und Organisationen ist den unterschiedlichen Logiken geschuldet, nach welchen Individuen und Unternehmen operieren: Die Organisationslogik weist eine Funktionszentrierung auf, welche in einem Spannungsverhältnis zu den Individuen (Personenzentrierung) steht (vgl. Argyris, 2009, S. 59ff.; Deeg ; Weibler, 2008, S. 13ff.; Rosenstiel, 2003, S. 131). Bedingung jener Funktionszentrierung von Organisationen ist es, dass Personen im organisationalen Rahmen dem Austauschbarkeitsprinzip unterliegen; Personen sind demnach innerhalb von Organisationen in deren Funktion ersetzbar (vgl. Deeg ; Weibler, 2008, S. 13). Zudem kommt der Grundkonflikt zwischen Individualität und Kollektiv zum Tragen. Diesbezüglich wird das Individuum der Organisation instrumentell untergeordnet, um das Erreichen der Organisationsziele sicherstellen zu können.
Die Unterordnung der Individuen unter das Kollektiv „Organisation“ sowie Maßnahmen zur Sicherstellung der Funktionserfüllung und Zielerreichung werden entscheidend von der Organisationsleitung forciert (vgl. Deeg ; Weibler, 2008, S. 14). Positionen des mittleren Managements nehmen hierbei eine sogenannte „Sandwich-Position“ zwischen Organisationsleitung und ArbeitnehmerInnen auf unteren Hierarchieebenen ein und befinden sich direkt im vorherrschenden Spannungsfeld zwischen Organisationslogik und individueller Logik/ Personenzentrierung (vgl. Kühl, 2011, S. 27).
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Abb.3: Spannungsfeld zwischen Organisationen und Personen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Argyris (2009, S. 59fT.); Kühl (2011, S. 27); Rosenstiel (2003, S. 131)
Damit es der Führungsebene möglich ist eine Integration von Individuen in die Organisation zu vollziehen um die Organisationsziele erreichen zu können, bestehen primär drei Formen von Kontrakten (formal, psychologisch, sozial) zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. Die drei Vertragstypen vermögen es einen Brückenschlag über das Spannungsfeld zwischen Organisation/Führungsebene und ArbeitnehmerInnen hinweg zu liefern und erfüllen jeweils eine differente Funktion in der Eingliederung von Personen in Organisationen (vgl. Deeg ; Weibler, 2008, S. 11ff.; Strebel, 1996, S. 87f.):
a) Der soziale Kontrakt liefert den groben Bezugsrahmen an Normen und Werten für sämtliches organisationales Handeln und trägt damit zur Komplexitätsreduktion in diesem sozialen Gefüge bei, da die vorherrschenden Konventionen nicht permanent neu ausgehandelt werden müssen (vgl. Rappe-Giesecke, 2003, S. 89; Strebel, 1996, S. 88). Neben der Frage, was als Normen in einer Organisation Gültigkeit besitzt, sind im sozialen Kontrakt ebenso die Vorgehensweisen gegen etwaige Normenverstöße festgelegt. Aus individueller Perspektive geht es primär um die Fragen, inwiefern die eigenen Werte mit jenen der anderen Organisationsmitglieder, bzw. der Organisation als Ganzes, vereinbar sind, und ob das Unternehmen tatsächlich in Einklang mit deren proklamierten Wertvorstellungen und Normen handelt (vgl. Strebel, 1996, S. 88).
b) Der formale Kontrakt umfasst primär den Arbeitsvertrag samt den darin festgeschriebenen Arbeitsanforderungen, dem Arbeitspensum und den Tätigkeitsbereichen. Die Anerkennung jener Bedingungen ist als Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in Organisationen anzusehen (vgl. Kühl, 2011, S. 30ff.). Die Möglichkeit des Mitgliedschaftsentzuges mittels Vertragskündigung sowie die Verknüpfung der Mitgliedschaft an gewisse Voraussetzungen ermöglichen es den Organisationen ein „hohes Maß an Folgebereitschaft ihrer Mitglieder zu erreichen“ (Kühl, 2011, S. 32). Der formale Arbeitsvertrag produziert folglich einen „Konformitätseffekt“ (Kühl, 2011, S. 32). Die permanent präsente Drohung der Exklusion aus dem sozialen Verband der Organisation erzeugt eine Bereitschaft seitens der Mitglieder, sich den von den Organisationen festgelegten formalen Regeln zu unterwerfen, selbst wenn diese nicht mit den eigenen Einschätzungen von etwa effizientem Arbeiten übereinstimmen (vgl. Kühl, 2011, S. 30ff.).
c) Der psychologische Kontrakt setzt sich aus informellen (Erwartungs-)Strukturen in Organisationen zusammen. Der psychologische Kontrakt entfaltet dort seine Wirkmächtigkeit, wo das alleinige Erfüllen der Komponenten des formalen (Arbeits-) Vertrages an die Grenzen der Funktionalität stößt. Um den Stellenwert jener informellen Strukturen zu verdeutlichen, schreibt Stefan Kühl: „Wer es nicht glaubt, probiere einmal aus, über mehrere Tage nichts anderes zu tun als das, was von der Organisation vorgeschrieben wird. Vermutlich würde der Arbeitsprozess weitgehend zum Erliegen kommen“ (Kühl, 2011, S. 117). Dies deutet darauf hin, dass jene informell wirkenden Strukturen höchst funktional sind und die Komponenten des formalen Vertrags maßgeblich ergänzen. Im Gegensatz zu den im formalen Vertrag festgeschriebenen Anforderungen, wurden die dem psychologischen Kontrakt zuzuordnenden Erwartungen hingegen nie offiziell formuliert (vgl. Kühl, 2011, S. 116). Die Gründe hierfür sind mannigfaltig: Zum einen entziehen sich gewisse Anforderungen, beispielsweise an Kreativität, Kollegialität o.ä., der Formalisierbarkeit. Zudem ist es wegen dem hohen Komplexitätsgrad in Organisationen aufgrund des Zusammenspiels dutzender Personen, Praktiken, Kommunikationen uvm. unmöglich in sämtliche Unternehmensprozesse steuernd einzuwirken und für sämtliche Bereiche des Handelns formelle Regeln zu etablieren. Jenes Unvermögen der kompletten Planbarkeit wird durch die Existenz informeller Strukturen kompensiert (vgl. Kühl, 2011, S. 118ff. ; Lueger ; Froschauer, 2011, S. 248ff.).
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Abb.4: Die Integration von Personen in Organisationen: Drei Vertragstypen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Kühl (2011); Rosenstiel (2003, S. 131); Strebel (1996)PERSONEN/
Nachdem die Rolle des psychologischen Kontraktes in dem Verhältnis von ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen herausgearbeitet wurde und die Bedeutung der im psychologischen Vertrag festgelegten informellen (Erwartungs-)Strukturen für die Funktionalität von Organisationen expliziert wurde, können in weiterer Folge die Funktionen des psychologischen Kontraktes genauer erläutert werden.
3.3. Funktionen des psychologischen Vertrags
Die primäre Rolle des psychologischen Kontraktes in der Beziehung zwischen ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen liegt in der Funktionalität der in ihm festgelegten informellen (Erwartungs-)Strukturen in Organisationen. Trotz des Bestehens von formalen Kontrakten bilden sich psychologische Kontrakte aus, welche vor allem drei Funktionen erfüllen: Die Begrenzung von Unsicherheit innerhalb von Organisationen, die Absehbarkeit von Verhalten, sowie die Chance der Verhaltensbeeinflussung im Kontext einer Organisation (vgl. Mc Farlane Shore ; Tetrick, 1994, S. 93).
In erster Linie erfüllen psychologische Kontrakte die Funktion der Unsicherheitsreduktion. Die individuellen Wahrnehmungen dessen, welchen Erwartungen sich ein Individuum gegenübersieht und welche Erwartungen es selbst an sein/ihr Gegenüber hegt, tragen zur sozialen Ordnung des Geschehens in Organisationen bei und dienen somit der Reduktion von
Komplexität. Die im psychologischen Kontrakt angelegten subjektiven Deutungen von Erwartungen sind als individuelle Strukturierungsleistung in einer Fülle an präsenten Praktiken, Kommunikationen, Emotionen und zwischenmenschlichen Beziehungen zu verstehen. Diesbezüglich führt die Ausbildung informeller Strukturen dazu, dass interpersonale Beziehungs- und Erwartungsmuster nicht permanent von Neuem ausgehandelt werden müssen. Das Vorhandensein individueller Wahrnehmungen darüber, was von einem selbst sowie von anderen in die Organisation eingebundenen Personen erwartet wird, konstruiert Erwartungssicherheiten und reduziert somit Unsicherheit (vgl. Mc Farlane Shore ; Tetrick, 1994, S. 93; Rousseau, 1995, S. 9f.).
Die Reduktion von Unsicherheit durch den Aufbau von individuell konstruierten Erwartungssicherheiten stellt die Vorbedingung für die zweite Funktion dar, welche psychologischen Kontrakten innewohnt: die Absehbarkeit von Verhalten (vgl. Mc Farlane Shore ; Tetrick, 1994, S. 93f.). Jene Vorhersehbarkeit ist im organisationalen Rahmen für die Planung des Organisationsgeschehens von großer Bedeutung:
„As individuals work through their understandings of each other’s commitment over time, a degree of mutual predictability becomes possible: ‘I know what you want from me and you know what I want from you.’ [...] [M]utual predictability is a powerful factor in coordinating efforts and planning.” (Rousseau, 1995, S. 9f.)
Dieses Zitat verdeutlicht, dass die Erfüllung der Funktion der Absehbarkeit von Verhalten auf einem Austausch gegenseitiger Erwartungen - sei dies über direkte Kommunikation oder indirekt in Praktiken festgeschrieben - basiert (vgl. Rousseau, 1995, S. 9f.). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die zwischenmenschliche Verständigung durchaus voraussetzungsvoll ist. Die folgende Abbildung zeigt auf, dass Kommunikation einem Selektionsprozess unterliegt (Was teile ich aus einer Fülle an Informationen mit?) und die Übersetzung dessen, was mitgeteilt und in weiterer Folge von den Gesprächspartnerinnen verstanden wird, oftmals nicht fehlerfrei abläuft (vgl. Froschauer ; Lueger, 2009, S. 47ff.; Rousseau, 1995, S. 33).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.5: „Creating an Individual’s Psychological Contract“ entnommen von Rousseau (1995, S. 33)
Die Abbildung verdeutlicht, dass die Gefahr von Missverständnissen bedingt durch die Selektionsprozesse in der (Re-) Produktion des psychologischen Kontraktes angelegt ist. Jede Mitteilung (message framing) enthält eine kodierte Information (encoding), welche von einem Gegenüber dekodiert (decoding) wird. Darüber hinaus nehmen individuelle Veranlagungen (predispositions) und der organisationale Rahmen (social cues) einen Einfluss darauf, wie Mitteilungen ausgelegt werden (Rousseau, 1995, S. 33). So könnte ein Zwischenvorgesetzter seine Abteilung darüber informieren, dass eine Erhöhung der Gehälter in Aussicht ist, wenn die MitarbeiterInnen in Zukunft effektiver arbeiten (message framing). Mit der Aussicht auf eine Gehaltserhöhung beabsichtigte der Zwischenvorgesetzte einen positiven Anreiz zu schaffen, um die Effektivität seiner Abteilung weiter zu erhöhen (encoding). Diese kodierte Information muss jedoch nicht zwingend dem entsprechen, was die Mitglieder der Abteilung aus dem Gesagten ableiten. So könnte die Information etwa als versteckte Kritik an der bisherigen Arbeitsleistung der MitarbeiterInnen ausgelegt werden (decoding). Die im psychologischen Kontrakt angelegte Funktion der gegenseitigen Verständigung und der Absehbarkeit von Verhalten beruht demnach auf einem kommunikatorischen Balanceakt.
Eng in Verbindung stehend mit der Bedeutung der Kommunikation für jenes Konzept, umfasst die letzte Funktion des psychologischen Kontraktes das ihm inhärente Beeinflussungspotential (vgl. Mc Farlane Shore ; Tetrick, 1994, S. 93f.). Organisationale Prozesse sind aufgrund von Unzulänglichkeiten rationalen Entscheidens nie vollends steuer-und kontrollierbar. Dies ist mitunter der Tatsache geschuldet, dass die Voraussetzungen für rationales Planen, etwa die vollständige Kenntnis aller Handlungsalternativen oder die Abschätzbarkeit von Folgen, im komplexen und dynamischen Organisationsalltag nicht gegeben sind (vgl. Lueger ; Froschauer, 2011, S. 242ff.). Dennoch bestehen vielfältige Möglichkeiten des Lenkens von Organisationen, denn Steuerung kann anstatt der präzisen Planung von Einzelhandlungen als Vorgabe einer Entwicklungsrichtung aufgefasst werden. Die Kunst des Steuerns besteht darin, sich die Eigendynamik der Organisation zu Nutze zu machen, sowie die nötigen strukturellen oder prozessualen Rahmenbedingungen zu schaffen, welche als richtungsweisende Orientierung für organisationale Entwicklungen dienen können (vgl. Lueger ; Froschauer, 2011, S. 245f.; 261; 265). Hierbei nehmen die Kommunikation informeller Erwartungen und der Aufbau informeller Strukturen eine wesentliche Rolle in der Beeinflussung des Verhaltens in Organisationen ein.
Durch die Kommunikation von Erwartungen werden nun mitunter Strukturen aufgebaut, welchen das Vermögen innewohnt, die Zukunft zu formen und somit Handeln in Organisationen in gewisse Bahnen zu lenken. Rousseau führt diesbezüglich folgendes an: „Psychological contracts have the power of self-fulfilling prophecies: They can create the future. People who make and keep their commitments can anticipate and plan [...]” (Rousseau, 1995, S. 9). Sind sich Organisationsmitglieder dessen bewusst, kann die dezidierte Kommunikation von Erwartungen, oder aber der Aufbau von Motivations strukturen, zukünftiges Handeln der Organisationsmitglieder anregen und zielgerichtet dem Erreichen von Bestrebungen einer Organisation dienlich sein.
Die nun erfolgte Darstellung der drei Funktionen des Kontraktes verdeutlichte dessen Rolle im organisationalen Rahmen: Neben der Komplexitätsreduktion und der Funktion Verhalten absehbarer zu machen, verfügt er über das Potential die Zukunft zu formen (vgl. Mc Farlane Shore ; Tetrick, 1994, S. 93f.). Um in weiterer Folge die wissenschaftliche Anschlussfähigkeit der Untersuchung darzulegen, erfolgt in einem nächsten Schritt eine Auseinandersetzung mit den Hauptsträngen innerhalb der psychologischen Kontraktforschung. Im Zuge dessen gibt der aktuelle Stand der Kontraktforschung Aufschluss über bestehende Forschungslücken und zeigt auf, woran die gewählte Forschungsfrage anknüpft.
3.4. Die psychologische Kontraktforschung: Unterschiedliche Ansätze und Forschungsstand
Das vorgestellte Konzept des psychologischen Kontraktes wurde in den vergangenen Jahrzehnten von einer Vielzahl an empirischen Untersuchungen aufgegriffen und erweitert. In Bezug auf jene empirischen Untersuchungen lassen sich zwei Stränge der Kontraktforschung ausmachen: Die Typisierung der gegenwärtig vorherrschenden psychologischen Kontrakte zeichnet den ersten Strang aus. Die Forschungen verschreiben sich zudem der Analyse von Trendwenden von „traditionellen Kontrakten“ hin zu flexibleren Ausformungen des psychologischen Vertrags (vgl. u.a. Hauff, 2007; Raeder ; Grote, 2001). Dahingegen widmet sich der zweite Strang innerhalb der Kontraktforschung den Verletzungen und Einhaltungen von psychologischen Verträgen und den Auswirkungen eben jener auf Arbeitsmoral und -leistung (vgl. u.a. Conway et al., 2011; King, 2000; Turnley ; Feldman, 2000).
Dem ersten Strang der Kontraktforschung angehörend, widmen sich Gudela Grote und Sabine Raeder (2001) der Analyse des Transformationscharakters der psychologischen Kontrakte. Sie vertreten die These, dass Flexibilisierungsprozesse von Arbeitsverhältnissen, etwa bedingt durch ein Ausbreiten von atypischen Beschäftigungsformen fernab von unbefristeten Arbeitsverträgen, in Änderungen des psychologischen Kontrakts resultieren (vgl. Raeder ; Grote, 2001, S. 353f.). Der traditionelle psychologische Kontrakt, welcher sich v.a. durch die Erwartung nach Sicherheit am Arbeitsplatz, dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen, wechselseitiger Verbundenheit zwischen ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen und den Möglichkeiten des innerbetrieblichen Aufstiegs auszeichnet, unterliegt einem Wandlungsprozess hin zum Typus neuer psychologischer Verträge (vgl. Raeder ; Grote, 2001, S. 356). Dieser neue Typus des psychologischen Vertrags zeichnet sich im Gegensatz zu seinem traditionellen Vorgängermodell durch Eigenverantwortlichkeit der Beschäftigten, SelbstManagement der eigenen Kompetenzen, Flexibilität und outputorientiertes Arbeiten aus. Hierbei wurde eine Typisierung der neuen Verträge je nach Inkorporierungsgrad der zuletzt angeführten Charakteristika vorgenommen: Es herrschen sowohl „konservative“, „moderate“, sowie „drastische Veränderungen des psychologischen Vertrages“ vor, so die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung von Raeder und Grote (2001, S. 356). Die Übernahme von erfolgsorientierten neuen Kontrakten mit Schwerpunkt auf flexible und ökonomische Prozesse sei jedoch sowohl auf der Seite der ArbeitgeberInnen, als auch ArbeitnehmerInnen, noch nicht abgeschlossen, sondern befinde sich in einem Transformationsprozess, so die Forschungsergebnisse (vgl. Raeder ; Grote, 2001, S. 354ff.).
Die Ergebnisse von Sven Hauffs (2007) Untersuchung zeigten darüber hinaus auf, dass die in den traditionellen/relationalen Verträgen angelegten Erwartungshaltungen auf Seite der ArbeitnehmerInnen in hohem Ausmaß fortbestehen. In dem Festhalten an den traditionellen Verträgen spiegelt sich der Wunsch nach dauerhafter Beschäftigung, Sicherheit und Loyalität seitens der Beschäftigten wider (vgl. Hauff 2007: 48f.). Dennoch eröffnet Hauff, wie eine Vielzahl an Forscherinnen jenes Forschungsstranges, dass die traditionellen Verträge auf Grund von Flexibilisierungs- und Rationalisierungstendenzen in den Unternehmen erodieren und durch neue Formen des Kontraktes ergänzt werden (vgl. Hauff, 2007, S. 48f.; Raeder ; Grote, 2001, S. 356).
Der zweite Strang der Erforschung von psychologischen Kontrakten nimmt Vertragsbrüche und -erfüllungen in den Analysefokus und widmet sich der Frage, ob Rückschlüsse auf die Arbeitseinstellung aufgrund von Vertragsverletzungen und -erfüllungen festzumachen sind. Unter anderem konnten Neil Conway, David Guest und Linda Trenberth (2011) im Rahmen ihrer quantitativen Untersuchung aufzeigen, dass Verletzungen des psychologischen Kontraktes weitaus schwerwiegendere (negative) Auswirkungen auf die Arbeitsmotivation nach sich ziehen, als dies bei Vertragserfüllungen in Hinblick auf positive Auswirkungen festzustellen ist. In vielen Fällen entwickeln sich Vertragsbrüche - seien diese von den Arbeitgeberinnen oder -nehmerInnen initiiert - mitunter zu irreparablen Störungen in der informellen Beziehungsstruktur zwischen ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen (vgl. Conway et al., 2011, S. 268).
Zu einem ähnlichen Schluss kommen William Turnley und Daniel Feldman (2000): Auch sie betonen die negativen Effekte von Brüchen des psychologischen Kontraktes:
„[T]he negative consequences of psychological contract violations are likely to go beyond hurt feelings and disillusionment felt by employees; psychological contract violations may result in behaviors that are damaging to organizational effectiveness as well.” (Turnley ; Feldman, 2000, S.40)
Turnley und Feldman schlussfolgern, dass die Abnahme an Effektivität aus einem Sinken an Arbeitsmotivation und abnehmender Bereitschaft zur Pflichterfüllung resultiert, welche mit Brüchen des psychologischen Vertrags einhergehen (vgl. Turnley ; Feldman, 2000, S. 40). Da die interpersonellen Beziehungsstrukturen Auswirkungen auf organisationale Ziele nach sich ziehen können, ist die Erforschung eben jener Vertragserfüllungen und -verletzungen hoch praxisrelevant. Zudem kann das wissenschaftliche Interesse an jenem Themengebiet - in besonderem Maße aus sozioökonomischer Perspektive - aufgrund des wechselseitigen Zusammenspiels von sozialen und wirtschaftlichen Faktoren als spannend erachtet werden.
In Bezugnahme auf den aktuellen Forschungsstand zeigen Conway, Guest und Trenberth (2011) eine Limitation der Erforschungen von psychologischen Kontrakten innerhalb jenes Forschungsstranges auf: „In terms of psychological contract research, more needs to be known about the conditions under which breach occurs and what can be done to minimize the negative consequences in the event of breach“ (Conway et al., 2011, S. 274). Das Forschungsdefizit in jenem Bereich besteht zusammengefasst darin, dass die Vertragsverletzungen und -einhaltungen lediglich als solche identifiziert und auf potentielle Auswirkungen hin untersucht wurden. Woran es bislang fehlt sind Analysen, welche die Vertragsverletzungen und -einhaltungen aus den strukturellen Rahmenbedingungen heraus verstehbar machen. Da sich die Forschungsfrage mit eben jenen Vertragsverletzungen und -erfüllungen auseinandersetzt, werden jedoch zunächst die Charakteristika der Brüche und Einhaltungen der psychologischen Kontrakte herausgearbeitet, bevor die theoretische Rahmung der Untersuchung vorgestellt wird.
3.5. Verletzungen und Erfüllungen des psychologischen Vertrags
Bisher konnte verdeutlicht werden, dass die Auswirkungen von Brüchen des psychologischen Kontrakts schwerwiegendere und längerfristigere Folgen nach sich ziehen, als dies bei Vertragserfüllungen der Fall ist. Motivationseinbußen oder eine Abnahme an Loyalität können aus Vertragsbrüchen resultieren und die Effektivität des Arbeitens enorm einschränken (vgl. Conway et al., 2011, S. 268). Doch wodurch zeichnen sich nun psychologische Vertragsverletzungen und -erfüllungen aus?
Auf die Thematik der Vertragseinhaltungen bezugnehmend, ist es von Bedeutung zu verstehen, was Menschen dazu bewegt sich an interpersonelle Vereinbarungen zu halten. Rousseau hält diesbezüglich im Allgemeinen fest: „People think contractually. When we believe a person intends to keep a commitment he or she has made, we rely on it. Similarly, knowing someone relies on us pressures us to keep our commitments” (Rousseau, 1995, S. 23). Die Einhaltung von psychologischen Verträgen stellt sicher, dass die Funktionen von Verträgen zum Tragen kommen, allen voran die Erwartbarkeit von Verhalten, sowie die Unsicherheitsund Komplexitätsreduktion. Um die genauen Motive von Individuen zur Vertragseinhaltung verstehen zu können, müssen allen voran die dahinter wirkenden Mechanismen erschlossen werden, zu welchen gemäß Rousseau die folgenden zählen:
[...]
[1] Die dargebotenen Summen öffentlicher Gelder für Weiterbildungsmaßnahmen in Österreich wurden dem Projektbericht von Lassnigg, Vogtenhuber, und Osterhaus (2012) entnommen. Die durch das IHS erfolgten Berechnungen beruhen auf statistischen Aufzeichnungen u.a. von Statistik Austria, BMI oder AMS.
[2] Wie bereits angedeutet bezieht sich das auf Rousseau zurückgehende Konzept des psychologischen Kontraktes ursprünglich nicht nur auf die Beziehung zwischen ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen, wie dies in daran anschließenden Studien (vgl. u.a. Inkson ; King, 2011; King, 2000; Raeder ; Grote, 2001) der Fall ist, sondern auch auf die Beziehung etwa zu KundInnen, Zwischenvorgesetzten u.a. (vgl. Rousseau, 1995, S. 9; 193f.).
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