Zugrunde liegt die bizarr und grotesk anmutende Eingangsmontage des Films PERSONA des Regisseurs Ingmar Bergman. Bergman schrieb das Drehbuch zu diesem Film während eines Krankenhausaufenthaltes und zahlreiche Kommentare betonen, dass die Eingangskollage Bilder des Unterbewusstseins seien sowie dass das metafilmische Exposé bereits eine eigene Geschichte erzähle.
„Das ‘Gedicht in Bildern’ in der Exposition streut viele Motive aus, von denen nur wenige in der Erzählung […] aufgegriffen werden.“ Diese Aussage soll auf ihre Validität überprüft werden. Ziel dieser Arbeit wird es daher sein, zu eruieren, ob und
inwieweit der Film auf die Motive rekurriert, um sie gegebenenfalls als Hypothese falsifizieren zu können.
Der Übersichtlichkeit halber werden zunächst die einzelnen Motive kurz beschrieben und daran anschließend auf ihre Rekursivität hin untersucht. Da die gesamte „surrealistische Exposition“ lediglich fünf Minuten und 38 Sekunden
umfasst und der Bildwechsel teilweise für das Auge des Rezipienten zu schnell erfolgt, wird darauf verzichtet, die einzelnen Szenen mit Zeitangaben auszuweisen.
Sie werden aber in der chronologischen Reihenfolge behandelt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Motive des „Gedichts in Bildern“.
2.1 Penis
2.2 Cartoon
2.3 Hände.
2.4 Stummfilm-Szene
2.5 Tarantel
2.6 Schlachten eines Schafes
2.7 ‘Kreuzigung’
2.8 Landschafts- und Innenaufnahmen
2.9 Junge
3. Schlussbemerkung
4. Bibliographie
4.1 Filmographische Angaben.
4.2 Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit ist in dem Seminar „Film im Film: Metatextualität und Selbstreflexivität“ unter der Leitung von Frau Dr. Stefanie Kreuzer und Herrn Dr. Thomas Köhler geschrieben worden und ist Bestandteil des Moduls „L 4 Medien - Kultur - Wissen“. Zugrunde liegt die bizarr und grotesk anmutende Eingangsmonta- ge des Films PERSONA (S 1966) des Regisseurs Ingmar Bergman. Bergman schrieb das Drehbuch zu diesem Film während eines Krankenhausaufenthaltes und zahlrei- che Kommentare betonen, dass die Eingangskollage Bilder des Unterbewusstseins seien1 sowie dass das metafilmische Exposé bereits eine eigene Geschichte erzähle2.
„Das ‘Gedicht in Bildern’ in der Exposition streut viele Motive aus, von denen nur wenige in der Erzählung […] aufgegriffen werden.“3 Diese Aussage soll auf ihre Validität überprüft werden. Ziel dieser Arbeit wird es daher sein, zu eruieren, ob und inwieweit der Film auf die Motive rekurriert, um sie gegebenenfalls als Hypothese falsifizieren zu können.
Der Übersichtlichkeit halber werden zunächst die einzelnen Motive kurz beschrieben und daran anschließend auf ihre Rekursivität hin untersucht.
Da die gesamte „surrealistische Exposition“4 lediglich fünf Minuten und 38 Sekunden umfasst und der Bildwechsel teilweise für das Auge des Rezipienten zu schnell erfolgt, wird darauf verzichtet, die einzelnen Szenen mit Zeitangaben auszuweisen. Sie werden aber in der chronologischen Reihenfolge behandelt.
2. Motive
Das Intro zeigt, gleich nachdem der Filmprojektor eingeführt ist, eine schnelle Reihe teilweise stroboskopartiger Bilder, die scheinbar keinen Zusammenhang aufweisen.
2.1 Penis
Zunächst handelt es sich um einen Vorspann mit einem auf dem Kopf stehenden Countdown für den Filmvorführer, in den Bergman einen erigierten Penis nach der ‘Sieben’ eingefügt hat und den Countdown an dieser Stelle enden lässt. Jedoch han- delt es sich bei dieser Aufnahme um ein eher unterschwelliges Bild, da es nur für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar ist.
Mit diesem Motiv könnte interpretativ von einem ‚lesbischen Phallus’ hinsichtlich homoerotischen Verlangens zwischen den zwei Protagonistinnen gesprochen werden,5 schließlich handelt es sich bei Elisabet um eine „erotische Verführerin, auf die Alma für kurze Zeit fast ekstatisch hingegeben reagiert“.6
Mit diesem Bild wird auch das des gleich zu Beginn enthüllten Kohlestabs7 abermals aufgenommen - zumindest weisen beide Silhouetten starke Ähnlichkeit auf.
2.2 Cartoon
Das auf dem Kopf stehende Bild einer sich waschenden Frau8 wird hier so vermittelt, wie der Projektor es ‘sieht’, bevor er es auf die Leinwand wirft.
Handel es sich hierbei um eine Retrospektive? Bergman könnte eine Erinnerung an seine Kindheit reflektieren, in der er solche Filme mit seinem Kinematographen be- trachtet hat.
Noch während der Einleitung wird diese Art der Einstellung wiederholt, als Top Shot auf ein Frauengesicht mit geschlossenen Augen9. Auch während des Films gibt es derartige Wiederholungen, die schlafende Alma10 und am Ende Elisabet11, wie sie von einer Filmkamera aufgenommen wird.
2.3 Hände
Unvermittelt sind kurz Kinderhände zu sehen, die Bewegungen ausführen, als ob sie sich wüschen.
Das Hände-Motiv wird später mehrfach verwendet, jedoch ohne den ‘unschuldigen’ Impetus, den Kinderhände implizieren. In einer Einstellung12 sind es Almas Hände, die diese nervös hinter ihrem Rücken verbirgt. Dann gibt es eine Szene, in der die beiden Frauen ihre Hände vergleichend betrachten13. ‘Vorausschauend’ fragt Alma Elisabet, ob diese nicht wisse, dass Hände anschauen Streit bedeute. Später sind auf dem Foto des Jungen im Warschauer Ghetto14 Hände plakativ im Vordergrund - Hände von Menschen, die in den Tod geschickt werden. Schließlich die auf dem Tisch liegenden Hände Elisabets15, die ein Foto ihres Sohnes, den sie sich tot ge- wünscht hatte, bedecken. Diese Szene wird nach dem doppelten Monolog wieder- holt.16
2.4 Stummfilm-Szene
Diese Szene stammt aus Bergmans Film GEFÄNGNIS (S 1949), der von dem inneren Gefängnis handelt, „aus dem kein Weg hinausführt - außer in den Tod.“17 Ambiva- lent ist jedoch die Semantik dieser Szene, da es sich mit Tod und Teufel eigentlich um Angst einflößende Figuren handelt, die aber an dieser Stelle eher unterhaltsamen Charakter aufweisen.
2.5 Tarantel
Die nächste Einstellung zeigt in extremer Nahaufnahme eine krabbelnde Tarantel. Dieses Motiv fand schon in seinen Filmen WIE IN EINEM SPIEGEL (S 1961) und LICHT IM WINTER (S 1963) Verwendung, in denen Gott als Spinne erschienen ist.18 Hier wird Bergmans problembehaftete Einstellung zur Religion deutlich, die er als Sohn tiefgläubiger Eltern erworben hat.19
2.6 Schlachten eines Schafes
Das Schaf, das hier geschlachtet wird, könnte ein Synonym für das unschuldige, duldsame Opferlamm sein, das wiederum symbolhaft an Alma erinnert, deren ent- sprechenden Charakterzüge im übertragenen Sinn in der ersten Filmhälfte ‚ge- schlachtet’ werden, bzw. die ihr Innerstes (die Innereien des Schafes) nach Außen kehrt.
2.7 ‘Kreuzigung’
Ein Nagel wird mittels eines Hammers durch eine Hand hindurch geschlagen und damit wird das Hand-Thema erneut präsentiert. Die Bewegung der Finger ähnelt der der zuvor gezeigten Spinne; gleichzeitig ist es aber nahezu unmöglich, nicht an Kreuzigung zu denken. Dieses Motiv erinnert auch an eine Szene aus WILDE ERD- BEEREN (S 1957), in der der Protagonist Isak seine Hand an einem Nagel verletzt: „ein christliches Passionsmerkmal, das Bergman öfter in den Sinn kommt, wenn es gilt, ein suggestives Bild für ‘einschneidenden’ Schmerz zu finden.“20
2.8 Landschafts- und Innenaufnahmen
Auf eine Mauer, eine verschneite, parkähnliche Landschaft und spitze Dornen auf einem Zaun folgen Innenaufnahmen eines Leichenschauhauses, verschiedene Einstellungen, die (vermeintlich) tote Menschen offenbaren.
Mit diesen Aufnahmen könnte der Ort des zukünftigen Geschehens eingeführt werden, das Krankenhaus, in dem die ersten Szenen spielen.
Zugleich sind sie ein Hinweis darauf, unter welchen Umständen der Film entstanden ist, denn während seines Krankenhausaufenthaltes fiel sein Blick aus dem Fenster auf eine Leichenhalle und er spielte den kleinen Jungen, der gestorben war, aber doch nicht richtig tot sein durfte.21 Bergman selber sagt dazu: „Mein Dasein bestand gerade damals aus toten Menschen und Ziegelmauern und ein paar kahlen Parkbäu- men.“22
2.9 Ein Junge
Ein auf einer Bahre liegender Junge wacht auf und versucht vergeblich, wieder einzuschlafen. Er greift nach einem Buch, um zu lesen, steht dann aber doch auf und, als wolle er ‘begreifen’ was er sieht, streicht er über das Glas des Kameraobjektives. Ein Perspektivwechsel enthüllt, dass der Junge tatsächlich eine Leinwand berührt, auf der abwechselnd die Gesichter zweier Frauen erscheinen.
Dieser Junge war bereits in DAS SCHWEIGEN (S 1963) zu sehen und es ist oft gemut- maßt worden, dass es sich hierbei um Bergman selbst handeln könnte.
[...]
1 Vgl. Steene, Birgitta: Bergman’s Persona through a Native Mindscape. In: Ingmar Bergman´s Perso- na. Hrsg. von Lloyd Michaels. Cambridge: Cambridge University Press 2000 (= Cambridge film handbooks). S. 29.
2 Vgl. Steene, Birgitta: Bergman’s Persona through a Native Mindscape. S. 33.
3 Koebner, Thomas: Ingmar Bergman. Eine Wanderung durch das Werk. Hrsg. von Thomas Koebner u. Fabienne Liptay. München: edition text + kritik 2009 (= Film Konzepte Sonderband 2009). S. 106.
4 Vgl. Koebner, Thomas: Ingmar Bergman. S. 99.
5 Vgl. Foster, Gwendolyn Audrey: Feminist Theory and the Performance of Lesbian Desire in Persona. In: Ingmar Bergman´s Persona. Hrsg. von Lloyd Michaels. Cambridge: Cambridge University Press 2000 (= Cambridge film handbooks). S. 136.
6 Koebner, Thomas: Ingmar Bergman. S. 107.
7 Vgl. PERSONA (S 1966). Regie: Ingmar Bergman. 0:00,20.
8 Vgl. PERSONA (S 1966). 0:00,57.
9 Vgl. PERSONA (S 1966). 0:03,20.
10 Vgl. PERSONA (S 1966). 0:57,42.
11 Vgl. PERSONA (S 1966). 1:18,07.
12 Vgl. PERSONA (S 1966). 0:07,33.
13 Vgl. PERSONA (S 1966). 0:21,45.
14 Vgl. PERSONA (S 1966). 0:56,33.
15 Vgl. PERSONA (S 1966). 1:03,14.
16 Vgl. PERSONA (S 1966). 1:06,58.
17 Koebner, Thomas: Ingmar Bergman. S. 24.
18 Vgl. Koebner, Thomas: Ingmar Bergman. S. 89.
19 Vgl. Michaels, Lloyd: Bergman and the necessary Illusion. In: Ingmar Bergman´s Persona. Hrsg. von Lloyd Michaels. Cambridge: Cambridge University Press 2000 (= Cambridge film handbooks). S. 8 f.
20 Koebner, Thomas: Ingmar Bergman. S. 68.
21 Vgl. Bergman, Ingmar: Bergman über Bergman. [1976 ; schwed. : Bergman om Bergman (1970)]. Interviews mit Ingmar Bergman über das Filmemachen von Stig Björkman, Tosten Manns, Jonas Sima, Übers. Von Wolfgang Butt, Justus Grohmann u. Christian Henning, Zürich: Buchclub Ex Libris 1978. S. 224.
22 Bergman, Ingmar: Bergman über Bergman. S. 223.
- Arbeit zitieren
- Claudia Rehmann (Autor:in), 2013, Selbstreflexivität oder wirrer Traum? Kohärenz zwischen einem "Gedicht in Bildern" und dem Film "Persona" von Ingmar Bergman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284192
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