Einleitung
Management macht einen Unterschied. Welchen Unterschied Management aber in Bezug auf Organisationen macht, darüber wird trefflich gestritten. Dass privatwirtschaftliche Unternehmen ein gewisses Maß an Management benötigen, darüber herrscht in der Regel Einigkeit. Ob dies auch für Kommunen, Schulen, Armeen, Vereine, karitative Einrichtungen, Orchester, Bundesligavereine, Parteien, Kirchen und Klöster gilt, wird weniger bereitwillig akzeptiert. Einigkeit existiert auch darüber, dass Management und Organisation miteinander zusammenhängen. Die Organisation der Organisation ist Management, so lautet der allgemeine Nenner. Management kann daher nur in Bezug auf Organisation diskutiert werden. Nur wie und in welchem Maße Management und Organisation zusammenhängen und wie Organisation zu organisieren ist, ist Sache des Beobachters, d.h. konkret die Wahl, mit der einen und nicht einer anderen Unterscheidung zu operieren.
Grundlage der vorliegenden Arbeit ist das von George Spencer-Brown formulierte Kalkül der Form (Laws of Form, 1969), mit dem man die Entstehung von Form durch die Operation der Unterscheidung nachvollziehen kann. Das Kalkül der Form von Spencer- Brown macht es möglich, mit selbstreferentiellen Fällen (Paradoxien und Tautologien) zu rechnen, also diese zu ordnen und gleichsam handhabbar zu machen. Es geht in der vorliegenden Arbeit darum, zu zeigen, welches Managementverständnis zugrunde gelegt wird, wenn man die Klammer unterschiedlich setzt und unterschiedlich hereinholt, was zuvor ausgeschlossen wurde. Die grundlegende These der vorliegenden Arbeit ist:
Die Form des Managements ist eine Unterscheidung mit zwei Seiten...
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Management - Eine Entstehungsgeschichte
2.1 Die Bedeutung von Management
2.2 Management - Funktionen
2.3 Ideengeschichte und Genese des Managements
2.3.1 Die Klassiker
2.3.2 Verhaltenswissenschaftliche Schule
2.3.3 Mathematische Schule
2.3.4 Soziologische Systemtheorie
3. Die Organisation als soziales System
3.1 Autopoiesis und Operation
3.2 Entscheidung und Unsicherheitsabsorption
3.3 Kausalität und Rationalität
3.4 Dekonstruktion/Rekonstruktion
4. Das Formkalkül
4.1 Die Form
4.2 Die primäre Arithmetik
4.3 Der Wiedereintritt in die Form
5. Die Form des Managements
5.1 Die Form des Gutenbergschen Modells
5.2 Die Konfusion - „Drop the Tools“
5.3 Eine systemtheoretische Perspektive
5.3.1 Management in der Organisation
5.3.2 Management als Oszillation
6. Management und Führung
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
„Frage einen Manager, was er tut, so wird er dir mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass er plant, organisiert, koordiniert und kontrolliert. Dann beobachte, was er wirklich tut. Sei nicht überrascht, wenn du das, was du siehst, in keinen Bezug zu diesen vier Wörtern bringen kannst.“
(Henry Mintzberg)
1. Einleitung
Management macht einen Unterschied. Welchen Unterschied Management aber in Bezug auf Organisationen macht, darüber wird trefflich gestritten. Dass privatwirtschaftliche Unternehmen ein gewisses Maß an Management benötigen, darüber herrscht in der Regel Einigkeit. Ob dies auch für Kommunen, Schulen, Armeen, Vereine, karitative Einrichtungen, Orchester, Bundesligavereine, Parteien, Kirchen und Klöster gilt, wird weniger bereitwillig akzeptiert. Einigkeit existiert auch darüber, dass Management und Organisation miteinander zusammenhängen. Die Organisation der Organisation ist Management, so lautet der allgemeine Nenner. Management kann daher nur in Bezug auf Organisation diskutiert werden. Nur wie und in welchem Maße Management und Organisation zusammenhängen und wie Organisation zu organisieren ist, ist Sache des Beobachters, d.h. konkret die Wahl, mit der einen und nicht einer anderen Unterscheidung zu operieren.
Grundlage der vorliegenden Arbeit ist das von George Spencer-Brown formulierte Kalkül der Form (Laws of Form, 1969), mit dem man die Entstehung von Form durch die Operation der Unterscheidung nachvollziehen kann. Das Kalkül der Form von SpencerBrown macht es möglich, mit selbstreferentiellen Fällen (Paradoxien und Tautologien) zu rechnen, also diese zu ordnen und gleichsam handhabbar zu machen.
Es geht in der vorliegenden Arbeit darum, zu zeigen, welches Managementverständnis zugrunde gelegt wird, wenn man die Klammer unterschiedlich setzt und unterschiedlich hereinholt, was zuvor ausgeschlossen wurde. Die grundlegende These der vorliegenden Arbeit ist:
Die Form des Managements ist eine Unterscheidung mit zwei Seiten.
Wie jene zwei Seiten bezeichnet und auch nicht bezeichnet werden können, wird im folgenden zu diskutieren sein. „Triff eine Unterscheidung“ (draw a distinction) ist eine der wesentlichen Injunktionen George Spencer-Browns. Jene Anweisung wird uns als Imperativ begleiten, da jegliches Beobachten und jegliche Ordnung der Dinge auf eine Unterscheidung zurückzuführen ist. Es gilt im Folgenden zu illustrieren, mit welchen Unterscheidungen die klassische Betriebswirtschaftlehre als auch die gegenwärtige Betriebswirtschaft operiert, wenn von Management die Rede ist. Es geht darum zu zeigen, gleichsam formtheoretisch aufgeklärt, was eingeklammert und ausgeklammert ist, bzw. was bezeichnet und eben nicht bezeichnet wird, wenn das Managementverständnis der Betriebswirtschaft gemeint ist und wo die entsprechenden Anschlussoperationen ansetzen. Es geht aber auch darum, Grenzen der betriebswirtschaftlichen Perspektive eines Managements aufzuzeigen und entsprechende, weiterführende systemtheoretische Perspektiven einzuführen. Die Überlegungen, die der Frage nachgehen, was es mit Management auf sich hat, knüpfen im Wesentlichen an die Arbeiten von Niklas Luhmann und Dirk Baecker an.
Erich Gutenberg, der Begründer der Betriebswirtschaftslehre und Vertreter der klassischen Managementlehre, definiert eindeutig in seiner Habitilationsschrift über „Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie“ (1929, S. 26), was unter Organisation zu verstehen ist und was Management zu leisten hat, damit die Organisation dass leistet, was sie zu leisten hat: „Die Unternehmung als Objekt betriebswirtschaftlicher Theorie kann nicht unmittelbar die empirische Unternehmung sein. Es muss für sie die Annahme gemacht werden, dass die Organisation der Unternehmung vollkommen funktioniert. Durch diese Annahme wird die Organisation als Quelle eigener Probleme ausgeschaltet und soweit aus ihrer wissenschaftlich und praktisch bedeutsamen Stellung entfernt, dass aus ihr keine Schwierigkeiten mehr für die theoretischen Gedankengänge entstehen können.
Die Annahme einer solchen eingestimmten, den reibungslosen Vollzug der betrieblichen Grundprozesse gewährleistenden Organisation bedeutet nicht eine Negation, sondern lediglich eine Neutralisierung der Probleme der Organisation. Gerade aus der hier weiter vorzutreibenden Einstellung heraus wird sich eine Fülle von Argumenten für die Bevorzugung organisatorischer Fragen ergeben.
Jedoch soll nunmehr der Blick von der Organisation fortgenommen und unmittelbar auf die Unternehmung als Objekt betriebswirtschaftlicher Theorie gelenkt werden“.
Ausgeklammert werden demzufolge alle theoretischen Disziplinen jenseits des ökonomischen Kalküls, jenseits der Betriebswirtschaftlehre. Erich Gutenberg neutralisiert die Probleme der Organisation, um sie der Betriebswirtschaft zugänglich zu machen.
Die Organisation wird einem Beobachtungskalkül und letztlich auch einem Prinzip unterworfen, dass ihr fremd ist: dem ökonomischen Kalkül. Gutenberg definiert nicht nur die Unterscheidung, dessen theoretische Fundierung und beständige Problembearbeitung als Optimierung die Betriebswirtschaft übernimmt, sondern er bestimmt auch den unterscheidungs-generierenden und sich dadurch selbst konstituierenden Beobachter, der die Organisation analog dem wirtschaftlichen Kalkül von außerhalb plant und organisiert: „das Management“.
Management bedeutet daher im Gutenbergschen Sinne die Durchsetzung des ökonomischen Kalküls in der Organisation durch eine stringente Zweck-Mittel Hierarchie. Die industrieökonomische relevante Unterscheidung von Management als kapitallose Funktionäre, und Eigentümer, als Kapitaleigner, wird im Folgenden nicht fortgeführt und entsprechend ignoriert, da sie die Trennschärfe der Beobachtungen nicht beeinträchtigt.
Der Gründungsakt der Betriebswirtschaftslehre besteht eben darin, dass Gutenberg die Organisation zum Objekt der Betrachtung der Betriebswirtschaftlehre macht, indem er die Organisation neutralisiert, wohlwissend, dass es in der Organisation alles andere als wirtschaftlich zugeht. Die Organisation wird erst durch die Gutenbergsche Unterscheidung von Betrieb und Wirtschaft und deren Anwendung auf die soeben neutralisierte Organisation zur wirtschaftlichen Organisation. Was dies im Einzelnen bedeutet, wird zu klären zu sein.
Die klassische betriebswirtschaftliche Kompetenz gilt als das Instrument des Managers schlechthin, um der Organisation Herr zu werden. Management unterwirft die Organisation dem wirtschaftlichen Kalkül und damit dem Kausalschema, der Herstellung von UrsacheWirkungsbeziehungen, und der damit einhergehenden eindeutigen Definition von Zweck und Mitteln in einer Organisation. Von einem externen „dispositiven Faktor“ geplant, wird die Organisation zum Mittel. Die Frage ist aber, ob das Management einer Organisation durch das ökonomische Kalkül vollständig erfasst wird, oder ob sich das Management noch anderer „Hilfswissenschaften“ bedient und bedienen muss, um dem Sachverhalt der Organisation jenseits des Kosten - Nutzenkalküls Rechnung zu tragen.
Die Betriebswirtschaftslehre seit den 1960er Jahren hat hingegen eine andere Richtung eingeschlagen. Wurde die Organisation als Quelle eigener Probleme bei Gutenberg ausgeklammert, so holt Edmund Heinen in seiner „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre“ (1968) die Organisation in die Klammer herein:
„Der Mensch ist in eine ihm fremde Welt hineingeboren, die ihn täglich vor neue Probleme der Daseinsbewältigung stellt. Seit jeher wird es als die vornehmste Aufgabe der Wissenschaft angesehen, dem Menschen bei der Daseinsbewältigung zu helfen. Hier liegen somit Ausgangs- und Bezugspunkt allen wissenschaftlichen Bemühens um Erkenntnis. Die Betriebswirtschaftslehre zählt zu den Gesellschafts- oder Sozialwissenschaften, die sich mit dem menschlichen Verhalten im allgemeinsten Sinne befassen.“ Sie versucht „auf systematische Weise und mit objektiven wissenschaftlichen Methoden Wissen über das tatsächliche menschliche Verhalten zu erarbeiten und zu vermitteln“.
Die Betriebswirtschaftslehre ist an dieser Stelle ihrer Problemstellung verlustig gegangen. Hatte Gutenberg die Organisation durch die Ausklammerung noch unterscheidbar gehalten, wird sie spätestens bei Edmund Heinen unsichtbar. Die Unterscheidung von Betrieb und Wirtschaft, die Gutenberg so brilliant gesetzt hatte, wurde keinesfalls ersetzt, sondern aufgelöst.
Die Betriebswirtschaftslehre verwendet seitdem den Begriff des Managements diffus und unterschiedslos. Wenn es um Management geht, ist alles möglich. Pragmatiker empfehlen den Griff in die Tool-Box, je nachdem, welche Werkzeuge von der aktuellen Managementmode oder vom Vorgesetzten für sinnvoll gehalten werden. Wissenschaftler empfehlen die entgegengesetzte Maxime „Drop the Tools“ (Weick,1996, S. 301-313), um überhaupt handlungsfähig zu bleiben.
Die Annäherung an den Begriff des Managements ist daher umso dringlicher, vor allem aus betriebswirtschaftlicher Perspektive.
Günter Wöhe versucht diese theoretisch bedauerliche Entwicklung in den Griff zu bekommen, wenn er in seiner „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre“ (1996, S. 2) entsprechend formuliert:
„Wir halten fest: Wirtschaft ist der Inbegriff aller planvollen menschlichen Tätigkeiten, die unter Beachtung des ökonomischen Prinzips (Rationalprinzips) mit dem Zweck erfolgen, die - an den Bedürfnissen der Menschen gemessen - bestehende Knappheit und der Güter zu verringern. (...) Es besteht heute im wesentlichen Einigkeit darüber, den Betrieb als eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit zu umschreiben, in der Sachgüter und Dienstleistungen erstellt und abgesetzt werden. Mit dieser Definition des Betriebs ist das Erkenntnissubjekt der Betriebswirtschaftslehre noch nicht bestimmt, sondern nur das Erfahrungsobjekt, dessen Probleme und Sachverhalte zu komplex sind, als dass sie von einer einzigen wissenschaftlichen Disziplin erforscht werden könnten.“
Die vorliegende Arbeit versucht, das Formkalkül George Spencer-Brown's zu nutzen, um den Begriff des Managements sichtbarer zu machen, indem geeignete Bezeichnungen möglicher Unterscheidungen eingeführt werden und lokalisiert wird, auf welcher Seite der Unterscheidung entsprechende Anschlussoperationen ansetzen.
Im Folgenden wird zunächst die Entstehungs- und Ideengeschichte des Managements erläutert.
Im Besonderen wird auf das klassische Managementverständnis und ihre prägenden Denker eingegangen (Kapitel 2). Kapitel 3 knüpft an die neueren Entwicklungen der Systemtheorie an, insbesondere an die Arbeiten von Niklas Luhmann. Besonderes Augenmerk wird in diesem Zusammenhang auf die Begriffe Entscheidung, Kausalität, Rationalität, Operation, Rekonstruktion/Dekonstruktion und Autopoiesis gelegt. Es soll an dieser Stelle ein systemtheoretisch fundiertes Instrumentarium vorgestellt werden, um eine weitere Entfaltung des Managementbegriffs vor dem Hintergrund des Formkalküls zu ermöglichen.
Die Einführung des qualitativen mathematischen Formkalküls von George Spencer-Brown ist Gegenstand von Kapitel 4. In diesem Kapitel werden die basalen Definitionen und Axiome für das formtheoretische Kalkül (calculus of indications) eingeführt, insbesondere der Wiedereintritt in die Form (re-entry), die die Identität des Beobachters als auch der getroffenen Unterscheidung nachweist:
„We see now that the first distinction, the mark, and the observer are not only interchangeable, but, in the form, identical“ (Laws of Form, 1969, S. 69 ff.).
Außerdem wird die Arithmetik des Formkalküls erläutert, um zu zeigen wie der Kalkül rechnet und damit die Dinge ordnet. Formtheoretisch aufgeklärt, werden in Kapitel 5 die betriebswirtschaftliche Managementliteratur bzw. deren Modelle dahingehend untersucht, wie sich die Form des Managements darstellt.
Konkret: Was sind die Referenzsysteme der Betriebswirtschaft, wenn Management beschrieben wird, und welche Operation vollzieht das Management genau? Im weiteren Verlauf wird die betriebswirtschaftliche Form des Managements mit dem Wissen um eine systemtheoretische Perspektive der Organisation ergänzt, d.h. die Form wird modifiziert. Management wird in den Kontext der Organisation eingebettet und nicht umgekehrt.
Im Kapitel 6 geht es im Wesentlichen um die Frage, ob eine Trennung von Management und Führung sinnvoll ist, d.h. gibt es einen Unterschied zwischen Führung und Management. Wenn ja, welchen Sinn hat diese Trennung? Genutzt wird darüber hinaus die angelsächsische Unterscheidung von Management und Leadership, die ebenso Aufschlüsse über den begrifflichen Dualismus zu geben imstande ist.
Mit dem Wissen des bis dahin erarbeiteten Managementbegriffes geht es um eine Annäherung von Führung und Management im doppelten Sinne. Wenn Management auf die reine Durchsetzung des wirtschaftlichen Kalküls reduziert bleibt, dann ergeben sich klare Differenzen zwischen Führung und Management. Wenn aber Management eine selbstreflexive, die „Neins“ von Entscheidungen mitführende Operation ist, so ergeben sich Aspekte einer Differenzverringerung.
Management könnte aber auch eine Führungsdimension darstellen, die gleichzeitig im Team zu beobachten ist und Führung wäre u.a. jene anspruchsvolle Aufgabe, die die stark trivialisierenden Tendenzen eines Managements bewältigt.
Es gilt, der paradoxen Aufgabe gerecht zu werden, eine mögliche Einheit der Differenz von Führung und Management zu diskutieren, und zu einem tiefenscharfen Management- und Führungsverständnis zu kommen, das in Anlehnung an den bis dahin systemtheoretisch erweiterten Managementbegriff kompatibel ist.
Zum Schluss (Kapitel 7) wird ein Abschlussresümee gezogen mit dem Hinweis auf die Grenzen, die eine formtheoretisch fundierte Sichtweise von Management mit sich bringt.
2. Management - Eine Entstehungsgeschichte
2.1 Die Bedeutung von Management
Die Verwendung des Managementbegriffs in der Wirtschaftspraxis ist diffus. Einerseits wird managen bzw. Management gebraucht, um einen Problemlösungsoptimismus nach amerikanischer Tradition zu veranschaulichen.[1] Andererseits ist der Managementbegriff dergestalt belegt, dass ein bestimmter Führungsstil oder mehr oder weniger elaborierte Instrumente der Unternehmensführung gemeint sind. So uneinheitlich und unscharf die Bedeutung von Management heute ist, umso eindeutiger sind die Wurzeln des Begriffs. Management ist dem italienischen maneggiare 'handhaben, gebrauchen, lenken' entlehnt. Maneggiare geht auf das italienische maneggio 'zureiten der Pferde, Schulreiten, gebrauchen' zurück, was auf die frühere überlegene italienische Dressurkunst verweist.[2] Jene etymologische Deutung ist weitgehend akzeptiert, vor allem vor dem Kontroll- und Disziplinierungshintergrund des Managements erscheint jene Interpretation plausibel. Interessant ist, dass maneggio auf eine Hand (lat. manus, ital. mano) hinweist, die gebraucht wird, um zu führen bzw. um die Dinge in den Griff zu kriegen. Anderer Meinung ist ausschließlich Boetticher (1963). Er ist der Auffassung, dass der Manager derjenige sei, der das Haus für seinen Eigentümer bestelle, denn es stamme von mansionem agere ab.[3]
Akzeptiert man die allgemein gültige und plausible etymologische Deutung von Management, so ergibt sich folgende historische Ausgangssituation: Es gibt zwei Akteure, die gemeinsam eine Bewegung ausführen - das Reiten. Es gibt den Reiter und das Pferd. Das Pferd muss erst dazu gebracht werden, sich so zu bewegen, wie der Reiter es möchte - es handelt sich um eine Dressur. Die gemeinsam ausgeführte Bewegung von Pferd und Reiter ist für das Pferd unnatürlich, es muss erst mit der Hand des Reiters dazu gebracht werden.
Unklar ist in diesem Zusammenhang, wer führt und wer geführt wird. Ist es der Reiter, der die steten aktiven Impulse des Pferdes ständig mit seinen in der Hand „geführten“ Zügeln korrigieren muss, oder ist es der Reiter der das Pferd fest ins Geschirr gespannt hat?[4]
Oder handelt es sich um eine gemeinsam ausge“führte“ Bewegung, die als koevolutiv beschrieben werden könnte? Reiten ist erst dadurch möglich, dass mal der Reiter, mal das Pferd die Richtung vorgibt. Eine Parallele, die zur Aufhellung des heutigen Managementbegriffes beitragen kann, wird indes sichtbar. Ist die Organisation die Schöpfung eines Managements, wie es der klassische plandeterminierte Ansatz der betriebswirtschaftlichen Literatur annimmt, oder ist das Management von den Vorleistungen einer Organisation abhängig? Management muss dann die Organisation als eigenes, Management prädeterminierendes, soziales System anerkennen. Ein Gedanke, der im Folgenden mitgeführt wird und später noch einmal ausführlicher aufgegriffen wird.[5]
Horst Steinmann und Georg Schreyögg gehen von zwei Dimensionen aus, die die Begriffsbildung des Managements bestimmen. Management werde einerseits als Institution verstanden und andererseits als Aufgabenkomplex zur Erfüllung bestimmter Steuerungsaufgaben.[6] Der institutionelle Ansatz (managerial roles approach)[7] umfasst alle Organisationsmitglieder, die Vorgesetztenfunktionen wahrnehmen. Dieser weit gefasste Managementbegriff ist vor allem im angelsächsischen Raum vertreten, während der deutsche Managementbegriff tendenziell der Beschreibung der oberen Führungsebenen vorbehalten ist.
Der Funktionsansatz (managerial functions approach)[8] hebt die Steuerungsaufgaben als Managementfunktionen (planen, organisieren und kontrollieren) zur Sicherstellung der originären betrieblichen Funktionen wie Einkauf, Produktion und Verkauf hervor. Deutlich wird hierbei ein Dualismus von Managementfunktionen und Sachfunktionen, der in der Zuweisung der Managementfunktionen in eine Querschnittsfunktion mündet: Management plant, organisiert und kontrolliert sowohl den Einkauf, die Produktion als auch den Verkauf. Grundlage des funktionalen Ansatzes ist die Lehre Erich Gutenbergs über den dispositiven Faktor.[9] Management wird in die Betriebswirtschaftslehre dergestalt als Teilfunktion eingebettet, dass die Anordnung bzw. Weisung zum Kern der Managementaufgabe wird, um die Elementarfaktoren (Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe) rational zu kombinieren.[10] Günter Wöhe kombiniert die Lehre des dispositiven Faktors mit dem Managementbegriff: „Man bezeichnet diese Tätigkeit der Führungsspitze als leitende (dispositive) Arbeit und die Gesamtheit aller Führungsorgane als dispositiven Faktor. Für die Führungskräfte, d.h. für die Gruppe von Personen, die anderen Personen Weisungen erteilen darf, hat sich auch im deutschen Sprachgebrauch zunehmend „Management“ eingebürgert“.[11] Management wird zu einer Dispositionslehre, die die Steuerung der betrieblichen Teilfunktionen übernimmt. Steinmann/Schreyögg gehen in diesem Sinne vom Management als Querschnittsfunktionslehre aus.[12] Im Folgenden wird ein Managementbegriff zu Grunde gelegt, der etwa die Mitglieder eines Vorstandes, einer Geschäftsführung, den geschäftsführenden Eigentümer, aber auch jene Personen, die einen eigenständigen ertragsverantwortlichen Geschäftsbereich und Profitcenter etc., umfasst - also jenen Personen, die die Verantwortung für eine abgrenzbare unternehmerische Einheit innehaben.
2.2 Management - Funktionen
Um sich dem Managementbegriff weiterhin zu nähern, ist es sinnvoll, die in der Managementlehre allgemein akzeptierten Basisfunktionen von Management zu verdeutlichen.
Allen voran ist das Werk von Gulick[13] zu nennen, welches an die Arbeiten von Henri Fayol[14] anknüpft. Gulick unterscheidet folgende Managementfunktionen:[15]
P O S D C O R B (P)- Planning
Festlegung dessen, was wie getan werden muss, um die Unternehmensziele zu erreichen. (O)- Organizing
Die Bildung einer Autoritätsstruktur, die den Arbeitsprozess definiert und im Hinblick auf die Unternehmensziele koordiniert.
(S)- Staffing
Auswahl und Ausbildung von Personal.
(D)- Directing
Treffen von fallweisen und generellen Entscheidungen.
(C)- C(O)ordinating
Verknüpfung der verschiedenen Teile des Arbeitsprozesses.
(R)- Reporting
Fortlaufende Information der vorgesetzten Ebene über den Stand des Aufgabenvollzuges i.S. eines permanenten Soll/Ist-Vergleichs.
(B)- Budgeting
Budgetaufstellung und Budgetkontrolle, d.h. Einrahmung aller Aktivitäten in eine Kostenbetrachtung, um der Maxime der Gewinnmaximierung Rechnung zu tragen. Auffallend an diesem Konzept von Gulick ist, dass Kontrolle zunächst nicht als eigenständige Kernaufgabe des Managements gesehen wird, sondern erst durch das 1955 publizierte Standard-Lehrbuch „Principles of Management - An Analysis of Managerial Functions“ von Harald Koontz und Cyrill O'Donnell explizit als Managementfunktion genannt wird.[16] [17] Koontz und O'Donnell, die Hauptvertreter der „management process school“, definieren einen Fünferkanon der Managementfunktionen, die als nacheinander abfolgende Phasen verstanden werden sollen, so dass die Vorstellung eines dynamischen, linearen Managementprozesses entsteht, der nur eines im Sinn hat: Den erstellten Plan mit Hilfe des ökonomischen Prinzips zu erreichen. Koontz und O'Donnell definieren folgende Phasen eines linearen Managementprozesses:
(P)- Planning
Die Planung erhält im klassischen Managementprozess die Rolle einer Primärfunktion. Planung bildet den Anfang jeder Managementaufgabe, und sie ist rein auf das Nachdenken darüber beschränkt, welche Ziele erreicht werden sollen, und mit welchen Mitteln diese am besten zu erreichen sind.
Es geht also um die Festlegung einer Zielrichtung und die entsprechende Selektion von zukünftigen Handlungsoptionen.
(O)- Organizing
Unter Organisation wird der Vollzug der gedanklichen Arbeit der Planung in die betriebliche Realität verstanden. Der Plan wird hier umgesetzt. Stellen und Abteilungen werden durch das Management plangerecht geschaffen, horizontale wie vertikale Verknüpfungen untereinander hergestellt und entsprechende Kommunikationssysteme geschaffen, um den notwendigen Informationsfluss der wertschöpfenden Teilbereiche zu gewährleisten.
(S)- Staffing
Die anforderungsgerechte Besetzung der Stellen als auch die beständige Sicherung und Erhaltung der „Human-Ressources“ sind Bestandteil dieser Personalverantwortlichkeit.
Personalbeurteilung und Personalentwicklung sind Teil dieser Aufgabe, um u.a. einen plangerechten Vollzug der betrieblichen Leistungserstellung sicherzustellen.
(D)- Directing
Directing wird als Führung dahingehend interpretiert, dass es im vergebenen Rahmen eine zentrale Führungsaufgabe eines jeden Managers ist, die Arbeitsausführung feinzusteuern. Der konkrete Arbeitsvollzug und die Formung dessen ist hier Bestandteil der Managementaufgabe. Motivation, Kommunikation und Führungsstil sind die vorherrschenden Themen dieser Managementfunktion.
(C)- Controlling
Die Kontrolle steht am Ende der Kette. Ein Soll/Ist Vergleich ist hier das dominierende Instrument, um die erreichten Ergebnisse mit den Plandaten zu vergleichen. Abweichungen sollen dahingehend überprüft werden, ob eine Feinkorrektur oder eine grundlegende Revision des Plans erforderlich ist.
Die Kontrolle markiert daher Ende und Anfang des Managementprozesses, da die Kontrolle auch als Ausgangspunkt für eine Neuplanung gesehen wird. Die klassische Managementlehre versteht die interdependenten Funktionen Planung und Kontrolle als Zwillingsfunktionen.
2.3 Ideengeschichte und Genese des Managements
Das Vorverständnis über das Management, wie es bisher entwickelt wurde, lässt sich weiter vertiefen, wenn man dessen Ideengeschichte genauer studiert und ebenso die historische Situation hinterfragt, in der sich ein Management zu entfalten beginnt.
Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich Management im Laufe der Industriellen Revolution voll herausgebildet hat, genauer mit der Entstehung des industriellen Großunternehmens.[18], [19] Im Vergleich zu den kleinen Handwerksbetrieben und den mittelgroßen Manufakturen in der Frühzeit der Industriellen Revolution stellte die Großunternehmung die bisherigen Koordinationsformen in Frage. War es bis dahin der Eigentümerunternehmer persönlich gewesen, der seinen Betrieb durch einen persönlichen Führungsstil steuerte, so wurden die operativen Koordinationsaufgaben innerhalb der industriellen Großunternehmung für den Eigentümer zu komplex, d.h. eine Schwelle war erreicht, an der der Eigentümer nicht mehr in der Lage war, alle Arbeitsvorgänge zu bewerten und entsprechend miteinander zu verknüpfen.[20] Jener bis dato persönliche Führungsstil sei durch folgendes Zitat illustriert: „Die beste Instruktion ist die mündliche, die der allezeit und überall gegenwärtige, alles durchschauende Unternehmer selbst gibt, und die, welche ein Beispiel den Angestellten fortwährend vor Augen hält.“[21]
Das Management wurde demnach erschaffen, um eine mögliche Antwort auf die gestiegene Komplexität innerhalb einer Großunternehmung zu finden.[22] Komplexität ist in jenem Moment erreicht, in dem es viele Ursachen und viele Wirkungen gibt und der nicht umkehrbare Kausalmechanismus nicht länger gilt. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass Management nicht mit der Delegation von Aufgaben verwechselt werden darf. Delegation beinhaltet ja nach wie vor die Möglichkeit, das was delegiert wurde, wieder zurückzunehmen.[23] Der Eigentümerunternehmer konnte dies im Falle einer Großunternehmung jedoch nicht, da ihn eine Redelegation vor eine zu komplexe Aufgabe stellen würde und damit überfordert hätte. Management wurde seitens der Eigentümer gebraucht, professionalisierte sich und wurde dadurch im Laufe der Zeit erlernbar. Steinmann und Schreyögg kommen zu dem Schluss, dass die Genese des Managements irreversibel ist.[24] Es handelt sich um eine Revolution des Managements im eigentlichen Sinne, von der auch Alfred D. Chandler, jr., spricht.[25] Das Revolutionäre ist die Fähigkeit des Managements, eben jene Querschnittsfunktion[26] so auszugestalten und auszuüben, das Management unentbehrlich wird: Entscheidungsprobleme zwischen einer Abteilung und einer anderen werden durch ein Management koordiniert, wodurch wiederum zwei neue Schnittstellen entstehen, die es ebenso zu koordinieren gilt: die Schnittstellen zwischen Management und den beteiligten Abteilungen. Management wurde und wird gebraucht, um aufeinander zu beziehen und wieder zu trennen, um wieder aufeinander beziehen und koordinieren zu können.[27] Die Einsatzmöglichkeiten von Management multiplizieren sich und man kann Steinmann und Schreyögg nur zustimmen, dass die Genese des Managements nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Im Zuge der Industriellen Revolution und der beschriebenen Entfaltung des Managements entstanden Arbeiten von Autoren, die ihre Beobachtungen im Hinblick auf die neuen organisationalen Bedingungen systematisch ordnen und niederschreiben. Es sind die Klassiker der Managementlehre, die die Vorstellungen einer Organisation und eines Managements nachhaltig prägten.
2.3.1 Die Klassiker
Zu den Klassikern gehören die Arbeiten von Frederick W. Taylor[28] (1856-1915), Henri Fayol[29] (1841-1925), Henry Ford[30] (1863-1947), Max Weber[31] [32] (1864-1920) und Erich Gutenberg (1897-1984). Gemeinsam ist allen Klassikern ihre Einigkeit darüber, dass die Organisation wie eine Maschine zu funktionieren habe und der arbeitende Mensch an die Erfordernisse der Maschine anzupassen sei.[33] [34] Management wurde als Ingenieurskunst verstanden, der die Aufgabe zukommt, die Organisation von außerhalb zu planen und entsprechend der mechanistischen Logik die richtigen Hebel zu betätigen. Die Organisation wurde einer einfachen Logik unterworfen: Mit dem richtigen Input versehen, wird die Maschine „Organisation“ den richtigen Output liefern. Darüber hinaus sahen die Vertreter der klassischen Schule die in Kapitel 2.2 dargestellten idealtypischen Phasen des Managements als Grundlage für die Ordnung des Managementbegriffes.[35] Zusammenfassend sind die Annahmen der klassischen Managementschule systematisch zusammengestellt, um Ansatzpunkte für spätere Weiterentwicklungen deutlich zu machen:
Die Annahmen sind:[36]
Die Organisation ist rational[37], sachtechnisch und zweckgerichtet bestimmt. „Irrationale“ Elemente wie Emotionen und Spontaneität sind auszuschalten. „Irrationalität“ ist ausschließlich dem Manager auf höchster Entscheidungsebene vorbehalten. Erich Gutenberg spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der „dispositive Faktor nicht durch ein Verfahren auflösbar ist“.[38] Die primäre Aufgabe des Managements ist die Erteilung von formalen aufgabenbezogenen Handlungsanweisungen innerhalb der kausal definierten Organisation.
Das Management steht außerhalb der Organisation und plant diese entsprechend der mechanistischen Perspektive, um den extern gesetzten Zweck der Organisation zu maximieren.
Effizienz und Effektivität bestimmten das Handeln in einer Organisation. Effizienz bezeichnet den Einsatz der richtigen Mittel (Wirtschaftlichkeitsprinzip). Effektivität bezieht sich auf die Zielerreichung und vor allem darauf, dass die richtigen Ziele verfolgt werden („Doing the right things“).[39] Die Organisationsmitglieder haben sich den klar definierten Aufgaben des Managements anzupassen, um Effizienz und Effektivität in einer Organisation stets zu gewährleisten. Die Organisation arbeitet überraschungs- und fehlerfrei. Ergebnisse sind wie bei einer Maschine gut zu prognostizieren.
Die Organisation ist hierarchisch gegliedert, es bestehen eindeutige Zweck-MittelHierarchien. Management arbeitet über alle Hierarchieebenen mit dem Instrument der Delegation. Die Organisationsmitglieder sind vorwiegend monetär motiviert, so dass in erster Linie finanzielle Anreizsysteme wirken.
Im weiteren Verlauf[40] wird vor allem der Begründer der Betriebswirtschaftslehre, Erich Gutenberg, im Fokus der Betrachtungen stehen, um sich, formtheoretisch aufgeklärt, dem von ihm verwendeten Managementbegriff zu nähern.
2.3.2 Verhaltenswissenschaftliche Schule
Dass Organisationen nicht nach dem Prinzip einer Maschine funktionieren, die richtig geölt, repariert und ersetzt werden kann, zeigte sich schnell. Organisationen arbeiten eben nicht stets reibungslos, effizient, trivial und formal. Die Maschinenmetapher wurde durch die Organismusmetapher ergänzt.[41] Aus dem mechanistischen System wurde ein lebendes System. Die formale Organisation des klassischen Ansatzes wurde um die Erkenntnisse der informalen Organisation ergänzt. Der Mensch als Ressource und weniger als zu minimierender Störfaktor geriet in das Zentrum des Interesses der Managementforschung. Es ist die Zeit der verhaltenswissenschaftlichen Schule, die bis in die Zeit der 1950er Jahre reicht. Die nachhaltigsten Einsichten lieferten einerseits die „Hawthorne-Experimente“, die Ende der zwanziger Jahre im Hawthorne Werk der Western Electric Company, einer Tochtergesellschaft der American Telephon und Telegraph Company (AT&T) begannen und 1932 im Zuge der Weltwirtschaftskrise endeten.[42] Es handelte sich in diesem Fall um sozialwissenschaftliche Experimente im Hinblick auf eine tayloristische Arbeitsorganisation. Die Ergebnisse widersprachen den bisher angenommenen Zusammenhängen zwischen Arbeitsbedingungen, Anreizsystemen und Leistungen. Niklas Luhmann sieht die Errungenschaften der „Hawthorne-Experimente“ darin, dass „eine Beobachtungsweise und nicht ein festes Wissen - eine Beobachtungsweise, die auf die lokalen sozialen Bedingungen des Verhaltens Einzelner achtet und dies nicht vorschnell nach dem Schema der formalen Organisation als konform bzw. abweichend klassifiziert.“ [43] Es handelt sich um eine Beobachtungsweise, die es ermöglicht, die formale und informale Organisation zusammenhängend zu betrachten und zu beobachten, wie Organisationen mit der Unterscheidung formal/informal umgehen.[44] Die „Hawthorne-Experimente“ führten letztlich zu einer Revision klassischer Positionen hinsichtlich der Arbeitsmotivation, der Rolle des Vorgesetzten, der Bedeutung der Arbeitsgruppe und des Stellenwertes der Arbeitsteilung. Andererseits gelang es Chester I. Barnard (1886-1961) mit seinen Arbeiten[45], die Klassik und neoklassisch-verhaltenswissenschaftliche Theorien miteinander zu verknüpfen.[46] Steinmann/Schreyögg gehen erweiternd davon aus, dass es sich nicht nur um eine reine Verknüpfung handelt, sondern davon, dass Barnard's Arbeiten echte Innovationen darstellen.[47] Barnard überschreitet die klassische Managementlehre dahingehend, dass er den Faktor Mensch integriert. Er interpretierte Organisationen als kooperative Systeme, d.h. Systeme, die sich aus der Bereitschaft der Individuen zur Kooperation erklären lassen. Die Organisation ist also entgegen der klassischen Managementlehre nicht ausschließlich dadurch zu erklären, dass ein extern gesetzter Zweck die eingesetzten Mittel und damit die zu vollziehenden Aufgaben innerhalb einer Organisation bestimmt. Es kommen vielmehr Wünsche und individuelle Motive der Menschen mit der gemeinsamen Aufgabe in einer Organisation zusammen, deren Zusammenspiel für die Zielerreichung erforderlich ist. Barnard schreibt zur Organisation: Es sei „...ein System von bewusst koordinierten Handlungen oder Kräften von zwei oder mehr Personen“.[48] Er stellte als Erster den Zusammenhang zwischen Motivation und Leistungsbereitschaft fest. Darüber hinaus gewinnt bei Barnard die informelle Organisation als Einflussgröße auf Betriebsergebnisse an Bedeutung. Chester Barnard prägte in seinem Klassiker das Wort der „Indifferenzzone“, um zu beschreiben, was die Organisation mit ihren „pauschalunterworfenen Mitgliedern“ machen kann und was nicht.[49] Barnard liefert die Beobachtungen für die Erklärung, dass Mitglieder in einer Organisation bereit sind, Dinge zu tun, die für sie keinen Unterschied machen, also in ihre Indifferenzzone fallen. Auf der anderen Seite sind sie nicht bereit, Dinge auszuführen, die für sie einen Unterschied machen, z.B. im Hinblick auf moralische Beweggründe, freundschaftliche Beziehungen und gewerkschaftliche Verpflichtungen etc. Auseinandersetzungen in Organisationen drehen sich zum Großteil darum, seitens eines Managements auszutesten, wo die Grenzen der Indifferenzzone eines jeden Mitarbeiters liegen und wie sie entsprechend erweitert werden können. Gerade die gesamte neuere Managementphilosophie, so Dirk Baecker, ist gerade damit beschäftigt, nicht länger die Indifferenzzone zu erweitern, sondern jedes Tun in die Differenzzone eines Mitarbeiters zu holen. Es soll mittlerweile für jeden Mitarbeiter einen Unterschied machen, wenn er tätig wird. Es soll betroffen mitgedacht, mit „am Seil gezogen“ und mitgeteilt werden.[50] Der Mitarbeiter ist nicht länger der Erfüllungsgehilfe eines Managements, sondern aktiver Gestalter und Mitdenker, um Managemententscheidungen umzusetzen und sprichwörtlich mitzutragen.
Die Einsichten Chester Barnard's wurden weiter vertieft und zu dem Lehrgebäude der „Human-Relations-Bewegung“ weiterentwickelt. Als Kerngedanke bildete sich heraus, dass „glückliche und zufriedene Arbeiter gute Arbeiter sind“. Management war nun keine Ingenieurtätigkeit mehr, sondern eine sensible Steuerungsaufgabe, die die Human Relations (die spontanen, ungeplanten zwischenmenschlichen Beziehungen) im Auge hatte. Management konnte sich nicht länger auf ein überlegenes Fachwissen verlassen, um die Organisation zu planen und zu verändern. Management war zum einen aufgerufen, die sozialen Bedürfnisse der Organisationsmitglieder zu befriedigen, um die ökonomische Effizienz der Unternehmung sicherzustellen und zum anderen in Rechnung zu stellen, dass sämtliche Entscheidungen nicht unhinterfragt seitens der Untergebenen bleiben.
[...]
[1] „Could you manage another whiskey?“ ist die Formel, auf die jener Problemlösungsoptimismus gebracht werden kann. Es handelt sich um eine pragmatische Sicht der Dinge, deren Ausgang ungewiss ist. Jedoch wird mit dem Gebrauch von Management eine signifikante Aussicht auf Erfolg zum Ausdruck gebracht. Vgl. Baecker, D., Management und Beratung im Formkalkül, 2003, S. 3.
[2] Vgl. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 2000, 5. Aufl., S. 831-833.
[3] Boetticher, K.W., Unternehmer oder Manager: Grundprobleme industrieller Führerschaft, 1963, S. 12ff.
[4] Aus Geschirr wird im 17. Jh. schirren 'anspannen', Vgl. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 2000, 5. Aufl., S. 437.
[5] Vgl. dazu Kapitel 2.3.2, S.15 und Kapitel 5.1, S. 41.
[6] Vgl. Steimann/Schreyögg, Management - Grundlagen der Unternehmensführung, 1993, 3., überarb. und erweiterte Auflage, S. 5-7.
[7] Vgl. Staehle, H., Management, 7.Auflage, 1994, S. 69.
[8] Vgl. ebd.
[9] Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1951, Bd.1, Die Produktion, 24., unveränderte Auflage, S. 133-233.
[10] Vgl. dazu Kapitel 2.3.1, S. 14ff.
[11] Wöhe, G., Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1996, S. 97.
[12] Vgl. Steimann/Schreyögg, Management, 1993, 3., überarb. und erweiterte Auflage, S. 5-9.
[13] Vgl. Gulick, L.H., Notes on the theory of organizations, 1937.
[14] Fayol, H. Allgemeine und industrielle Verwaltung, 1929. Siehe dazu auch Kapitel 2.3.1, S. 14ff.
[15] Vgl. Gulick, L.H., Notes on the theory of organizations, 1937, S. 13.
[16] Vgl. Koontz, H./O'Donnell, C., Management: A systems and contingency analysis of managerial, 1988, S. 30-41.
[17] Vgl. Steimann/Schreyögg, Management - Grundlagen der Unternehmensführung, 1993, 3., überarb. und erweiterte Auflage, S. 9-10.
[18] Vgl. Kocka, J., Unternehmer in der deutschen Industrialisierung, Göttingen, 1975, S. 80.ff.
[19] Vgl. Staehle, H., Management, 7.Auflage, 1994, S. 3-19.
[20] Vgl. Luhmann, N., Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg, 2002, S. 174.
[21] Emminghaus, A., Allgemeine Gewerkslehre, Berlin, 1868, S. 164.
[22] Chandler schildert am Beispiel der Expansion des amerikanischen Eisenbahnnetzes, dass das Komplexitätsproblem das Problem der Schwelle ist. Ein Management für bestimmte Teilbereiche wurde geschaffen, um klare Verantwortlichkeiten zu etablieren und strukturelle Unübersichtlichkeiten zu eliminieren. Vgl. Chandler, A.D., The visible hand: The managerial Revolution in American business, Cambridge/Mass., 1977, S. 80ff. Komplexität ist demzufolge in jenem Moment erreicht, indem es viele Wirkungen und viele Ursachen gibt. Management kann daher als Angebot interpretiert werden, Kausalität anzubieten. Vgl. Kapitel 3.3, S. 28.
[23] „ Bei den auf Delegation beruhenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen geht es keineswegs um eine endgültige Übertragung der Befugnisse...“, Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1951, Bd.1,
Die Produktion, 24., unveränderte Auflage, S. 247.
[24] Vgl. Steimann/Schreyögg, Management - Grundlagen der Unternehmensführung, 1993, 3., überarb. und erweiterte Auflage, S. 9-10.
[25] Chandler, jr., Alfred. D., The visible Hand: The managerial Revolution in American Business, Cambridge/Mass., 1977. Chandler spricht davon, dass „die Manager sich an den Schnittstellen eingenistet haben”. Und Dirk Baecker vergleicht den Manager mit dem Serres'schen Parasiten (Serres, 1981). Vgl. Baecker, D., Vom Kultivieren des Managements, 2001, S. 51.
[26] Vgl. 2.1, S. 10.
[27] Vgl. Baecker, D., Organisation und Management, 2003, S. 264.
[28] Vgl. Taylor, F., Principles of scientific management, 1911.
[29] Vgl. Fayol, H. Allgemeine und industrielle Verwaltung, 1929.
[30] Vgl. Ford H., Mein Leben und Werk, 1923.
[31] Vgl. Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., 1972. Eine Zusammenfassung der Weberschen Grundgedanken zur Herrschaft und Bürokratie findet sich bei A. Kieser, A./Kubicek, H., Organisationstheorien I, Stuttgart u.a., 1978, S. 84ff.
[32] Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1951, Bd.1, Die Produktion, 24., unveränderte Auflage.
[33] Die mechanistische Sichtweise über das fehlerfreie Funktionieren einer Organisation formuliert Heinz von Foerster mit der Unterscheidung von trivialen und nichttrivialen Maschinen. Unter trivialen Maschinen ist auch das Organisationsverständnis der angesprochenen Klassiker einzuordnen, also solchen Maschinen, bei denen ein bestimmter Input nach einer bestimmten Regel in Output transformiert wird. Triviale Organisationen sind demzufolge durchschaubar, berechenbar und prognostizierbar. Nichttriviale Maschinen haben selbstreferentielle Schleifen eingebaut, d.h. der eigene Output wird als Input genutzt; sie steuert sich an dem, was sie gerade produziert hat. Aussagen über eine optimale Organisation der Organisation sind i.d.S. unmöglich, da unter angemessener Würdigung der Komplexität keine Vorhersagen machbar sind. Vgl. dazu Foerster, H. v., Wissen und Gewissen: Versuch einer Brücke, 1993, S. 244 ff. und siehe auch dazu Kapitel 3.3, S. 28.
[34] Vgl. Schulman, P.R., The „Logic“ of Organizational Irrationality, in Adminstration and Societiy, Vol.21 No.1, 1989, S. 40ff.
[35] Vgl. oben S. 8-9.
[36] Vgl. Steimann/Schreyögg, Management - Grundlagen der Unternehmensführung, 1993, 3., überarb. und erweiterte Auflage, S. 9-10.
[37] Zum Rationalitätsbegriff innerhalb einer Organisation siehe auch Kapitel 3.3, S. 28.
[38] Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1951, Bd.1, Die Produktion, 24., unveränderte Auflage, S. 147.
[39] Interessant an dieser Stelle ist, dass sich die Bedeutung der Begriffe Effizienz und Effektivität im Laufe der Zeit umgekehrt hat. Effizienz bezeichnete bis in die 1930er Jahre die Zielerreichung und Effektivität die wirtschaftliche Input/Output Relation. Vgl. dazu Steimann/Schreyögg, Management - Grundlagen der Unternehmensführung, 1993, 3., überarb. und erweiterte Auflage, S. 53.
[40] Vgl. Kapitel 5, S. 40ff.
[41] Vgl. Bardmann, T.M./Groth.T., Zirkuläre Positionen 3, 1. Auflage, 2001, S. 7-10.
[42] Vgl. Roethlisberger, F.J./Dickson, W.J., Management and the Worker, Cambridge/Mass. 1939, 16.Aufl., 1975, S. 19ff.
[43] Luhmann, N., Organisation und Entscheidung, 2000, S. 23.
[44] Vgl. ebd., S. 24
[45] Vgl. Barnard, Ch.I., The functions of the executive, Cambridge/Mass., S. 73.
[46] Vgl. Staehle, H., Management, 7.Auflage, 1994, S.32.
[47] Vgl. Steimann/Schreyögg, Management - Grundlagen der Unternehmensführung, 1993, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, S. 53.
[48] Barnard, Ch.I., The functions of the executive, Cambridge/Mass.,S. 75ff.
[49] Niklas Luhmann nennt die Mitgliedschaft als hinreichendes Definitionsmerkmal einer Organisation. In der Mitgliedschaft, so Luhmann, liegt der Unterschied zu einer Party, zu Unterhaltungen als flüchtige Interaktionssysteme und anderen sozialen Systemen, z.B. dem Funktionssystem der Wirtschaft. Man kann sich frei entscheiden, Mitglied einer Organisation zu werden, aber ist die Entscheidung erst mal gefallen, so muss man sich auch als Mitglied der Organisation behandeln lassen. Luhmann spricht von einer „Pauschalunterwerfung“ des Mitglieds. Vgl. dazu, Luhmann, N., Funktionen und Folgen formaler Organisation, 1964, S. 29ff.
[50]Vgl. Baecker, D., Durch diesen schönen Fehler mit sich selbst bekannt gemacht, 1992, S. 220-221.
- Citar trabajo
- Marco Böhmer (Autor), 2004, Die Explizierung des Managementbegriffs, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28320
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.