Viele Menschen, die in ihrem Leben mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen sind, werden sich schon einmal gefragt haben, mit welchem Recht und welcher Begründung die Christen ihren Glauben an Jesus als den Christos behaupten. Worin ist dieser Glaube begründet und wie kommt die Religion schließlich zu ihren Aussagen? Welcher Geltungsanspruch kann einer Aussage wie beispielsweise der folgenden Aussage Karl Rahners zugesprochen werden?
"Ich habe Gott unmittelbar erfahren. Ich habe Gott erfahren, den namenlosen und unergründlichen, schweigenden und doch nahen, in der Dreifaltigkeit seiner Zuwendung zu mir. Ich bin Gott, dem wahren und lebendigen, dem, der diesen alle Namen auslöschenden Namen verdient, wirklich begegnet. Gott selbst. Gott selbst habe ich erfahren, nicht menschliche Worte über ihn. Diese Erfahrung ist niemandem verwehrt. Ich wollte sie andern, so gut es geht, vermitteln." (Vorgrimmler, Herbert: Karl Rahner verstehen. Eine Einführung in sein Leben und Denken, Freiburg i.Br. 1985, 22.)
Neben den persönlichen Erfahrungen des Menschen mit Gott ist der Glaube begründet in Zeugnissen von Menschen über ihre Erfahrungen mit Gott und im Christentum darüber hinaus eben in Zeugnissen von Erfahrungen mit diesem Jesus Christus. Diese Zeugnisse, seien sie nun biblische Texte oder in irgendeiner anderen Form Berichte von Menschen und ihren Erfahrungen mit Gott, liegen stets, ob in schriftlicher oder gesprochener Form, als Glaubensaussagen vor.
"Glaubende sagen, was sie nicht sagten, wenn sie nicht glaubten; sie tun was sie nicht täten, glaubten sie nicht; sie leben, wie sie nicht lebten, wenn sie nicht glaubten. Zugänglich wird der Glaube der Menschen in dessen vielfältigen Artikulationen, in denen er seinen Ausdruck findet: auf sprachliche und praktische, aber auch ethische und ästhetische Weise. Solche Artikulationen des Glaubens sind das unmittelbare Material für die Theologie; nur vermittelt über sie bekommt sie es mit Gott zu tun, dessen Erfahrung sich in diesen Artikulationen spiegelt – leider und notwendigerweise in getrübter Weise." (Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie. Genese und Geltung theologischer Aussagen (= Grundlagen Theologie), Freiburg i.Br. 2010, 26.)
Inhalt
0. Einleitung
1. Charakteristika von Glaubensaussagen
1.1 Glaubenserfahrungen
1.2 Glaubensaussagen
1.2.1 Der Zeugnischarakter von Glaubensaussagen
1.2.2 Der Bekenntnischarakter von Glaubensaussagen
2. Vorüberlegungen zur weiteren Vorgehensweise und deren Auswirkungen auf die Ergebnisfindung
2.1 Die kommunikative Struktur von Aussagen
2.2 Auswirkungen einer objektivierenden Betrachtungsweise auf die Ergebnisfindung
3. Der Geltungsanspruch von Glaubensaussagen
3.1 Zeitgeist - lebensweltliche und historische Verortung der Glaubensaussage
3.1.1 Die Kontextualität von Glaubensaussagen
3.1.2 Kategorische Bestimmung von Welt und Horizont
3.2 Die Glaubwürdigkeit des Zeugen
3.2.1 Die prinzipielle Glaubwürdigkeit eines Zeugen
3.2.2 Die Glaubwürdigkeit einer konkreten Aussage
3.3 Die interpersonale Kommunikation
3.3.1 Der kommunikative Akt
3.3.2 Der ästhetische Akt
3.3.2.1 Die Bedingung der Möglichkeit für ein Gelingen erfahrungsbasierter Kommunikation
3.3.2.2 Die Frage nach dem Gelingen erfahrungsbasierter Kommunikation
3.3.2.3 Erstes Teilergebnis
3.3.2.4 Die Differenz zwischen sprachlichen und nicht sprachlichen Darstellungen ästhetischer Ereignisse
3.3.2.5 Zweites Teilergebnis
3.3.3 Die Frage nach dem Gelingen des spirituellen Aktes
4. Fazit
Literatur
Abbildungsverzeichnis
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0. Einleitung
Viele Menschen, die in ihrem Leben mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen sind, werden sich schon einmal gefragt haben, mit welchem Recht und welcher Begründung die Christen ihren Glauben an Jesus als den Christos behaupten. Worin ist dieser Glaube begründet und wie kommt die Religion schließlich zu ihren Aussagen? Welcher Geltungsanspruch kann einer Aussage wie beispielsweise der folgenden Aussage Karl Rahners zugesprochen werden?
Ich habe Gott unmittelbar erfahren. Ich habe Gott erfahren, den namenlosen und unergründlichen, schweigenden und doch nahen, in der Dreifaltigkeit seiner Zuwendung zu mir. Ich bin Gott, dem wahren und lebendigen, dem, der diesen alle Namen auslöschenden Namen verdient, wirklich begegnet. Gott selbst. Gott selbst habe ich erfahren, nicht menschliche Worte über ihn. Diese Erfahrung ist niemandem verwehrt. Ich wollte sie andern, so gut es geht, vermitteln.1
Neben den persönlichen Erfahrungen des Menschen mit Gott ist der Glaube begründet in Zeugnissen von Menschen über ihre Erfahrungen mit Gott und im Christentum darüber hinaus eben in Zeugnissen von Erfahrungen mit diesem Jesus Christus. Diese Zeugnisse, seien sie nun biblische Texte oder in irgendeiner anderen Form Berichte von Menschen und ihren Erfahrungen mit Gott, liegen stets, ob in schriftlicher oder gesprochener Form, als Glaubensaussagen vor.
Glaubende sagen, was sie nicht sagten, wenn sie nicht glaubten; sie tun was sie nicht täten, glaubten sie nicht; sie leben, wie sie nicht lebten, wenn sie nicht glaubten. Zugänglich wird der Glaube der Menschen in dessen vielfältigen Artikulationen, in denen er seinen Ausdruck findet: auf sprachliche und praktische, aber auch ethische und ästhetische Weise. Solche Artikulationen des Glaubens sind das unmittelbare Material für die Theologie; nur vermittelt über sie bekommt sie es mit Gott zu tun, dessen Erfahrung sich in diesen Artikulationen spiegelt - leider und notwendigerweise in getrübter Weise.2
Wird nun die Frage nach dem Geltungsanspruch von Glaubensaussagen gestellt, heißt das konkret: „Welchen rationalen Anspruch auf ihre Gültigkeit kann eine Aussage beanspruchen, von der behauptet wird, dass sie auf einer Glaubenserfahrung, einem Offenbarungsgeschehen beruht?“ Passend zu dieser Fragestellung spricht Gerd Neuhaus von der Aufgabe der Fundamentaltheologie, den Glauben an Jesus als den Christos auf dem Boden einer Vernunft zu begründen, die auch nicht- oder andersgläubigen Menschen zugänglich ist.
Gemäß der Aufforderung im ersten Petrusbrief (1 Petr. 3,15): „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist es vor allem wichtig, einen Mittelweg zwischen extremen Glaubenseinstellungen zu finden. Gemeint ist damit ein Mittelweg zwischen einem Offenbarungspositivismus, einer Glaubenseinstellung, bei der eine über die Offenbarungszeugnisse hinausgehende Begründung des Glaubens verweigert wird, und einem theologischen Intrinsezismus, von dem gesprochen wird, wenn die Vernunft in eigener Autonomie den Horizont entwirft, indem Gott überhaupt nur zur Sprache gelangen kann.3
Um nun der Frage nach dem Geltungsanspruch von Glaubensaussagen gerecht zu werden, ohne in das eine oder andere extreme Denken zu verfallen, und diesen Geltungsanspruch eben mit dem Anspruch auf Offenbarung und dem Anspruch auf Rationalität gleichsam behaupten zu können, möchte ich wie folgt vorgehen:
1. Zuerst gilt es die im weiteren Verlauf thematisierten, zentralen Begriffe wie Glaubensaussage und Glaubenserfahrung zu definieren.
2. Nach der Definition der zentralen Begriffe erfolgen die Vorüberlegungen zur Vorgehensweise, zur Zielsetzung und deren Auswirkungen auf die Ergebnisfindung.
3. Im Anschluss gilt es im Hauptteil den Geltungsanspruch von Glaubensaussagen unter Berücksichtigung der Kontextualität des Zeugnisses, der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Komplexität der interpersonalen Kommunikation zu diskutieren.
Es soll nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, ein Schema zur Prüfung der Echtheit von Glaubensaussagen zu entwickeln, sondern vielmehr soll es darum gehen, nachvollziehbare Gedankengänge zu formulieren, die Antworten auf die verschiedenen Fragen bezüglich des Geltungsanspruches von Glaubensaussagen zwischen Offenbarung und Rationalitätsanspruch liefern.
1. Charakteristika von Glaubensaussagen
Bevor sich tiefgreifenden Überlegungen zu den Geltungsansprüchen von Glaubensaussagen zugewendet werden kann, ist es eingangs notwendig zu definieren, welche besonderen Charakteristika Aussagen ausmachen, die im weiteren Verlauf als Glaubensaussagen gelten sollen und inwiefern sich diese von allgemeingültigen Aussagen unterscheiden. Da sich Glaubensaussagen per Definition (Punkt 1.2) aber stets auf Glaubenserfahrungen beziehen, vielmehr sogar in ihnen begründet sind, ist es jedoch sinnvoll zuerst zu klären, was gemeint ist, wenn von Glaubenserfahrung die Rede ist.4
1.1 Glaubenserfahrungen
Im weiteren Verlauf sollen auf der Basis menschlicher Erkenntnis und sinnlicher Wahrnehmung erlebte, also ä sthetische (Ästhetik als Lehre von der sinnlichen Erkenntnis)5 und persönliche Erfahrungen mit dem christlichen Gott als Glaubenserfahrungen gelten.
„Diese Bezeichnung kennzeichnet den Modus der Erfahrung, nicht deren >Gegenstand<, der mit Termini wie Gotteserfahrung oder Geisteserfahrung im Mittelpunkt stünde. Aber Gott oder der Heilige Geist sind in der hier zu bedenkenden Erfahrung, nicht >an und für sich<, sondern allein im Modus gläubiger Erfahrung >gegeben<.“6
Der Terminus der Glaubenserfahrung bezeichnet im Rahmen dieser Arbeit somit eine für das Subjekt wirkliche und sinnlich wahrgenommene Erfahrung Gottes, die im Rahmen christlicher Offenbarung und Überlieferung gedeutet und konstituiert ist.7 Die Entscheidung im weiteren Verlauf von Glaubenserfahrungen zu sprechen, die speziell im christlichen Kontext konstituiert sind, wird im Punkt 3.2 in Verbindung mit der Glaubwürdigkeit von Glaubensaussagen konkretisiert und begründet. Es ist darüber hinaus festzuhalten, dass an diesem Punkt nicht von konfessionellen oder religionsbezogenen Glaubenserfahrungen die Rede ist. Wird also von Glaubenserfahrungen gesprochen, die im christlichen Kontext gedeutet und konstituiert sind, so soll vielmehr aufgezeigt werden, dass die Reflexion und schließlich auch die Kommunikation über die Erfahrung immer bereits subjektiv geschieht. Das heißt, die Erfahrung kann auch immer nur subjektiv wiedergegeben werden.8
„Da Erfahrungen im sozialen Kontext stattfinden, sich versprachlichen lassen, mithin kommunikabel sind, kann also der Glaubende unter dem bestimmenden Licht des ihm angebotenen Glaubensinhalts aus der christlichen Erfahrungs-Geschichte am heutigen Erfahrungsmaterial seine Glaubenserfahrung machen.“9
Inwiefern die Glaubenserfahrungen schließlich tatsächlich kommunikabel sind, wird ebenfalls im späteren Verlauf dieser Arbeit noch tiefgründiger diskutiert. Es soll an dieser Stelle trotzdem kurz auf den möglichen Einwand eingegangen werden, dass eine Kommunikation von Glaubenserfahrung prinzipiell nicht möglich sei, da eine Erfahrung, in der Gott sich offenbart vom Menschen unmöglich kommuniziert werden könne. Daher ein kurzer Einschub zur Klärung des Modus der Erfahrung anhand eines biblischen Beispiels. Wenn Simon Petrus bezeugt, Jesus von Nazareth sei der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16), tut er das als Mensch, eben weil nicht anders möglich auf der Grundlage menschlicher Erkenntnis. Wenn Jesus (Mt 16,17) ihm nun zu bedenken gibt: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“, so bleibt die Erkenntnis des Petrus in ihrer Art trotzdem eine innerhalb des menschlichen Erkenntnishorizonts wahrnehmbare und auf dieser Basis auch kommunikable. Ihr Ursprung und nicht der Modus der Erkenntnis wird hier erhöht und zwar als von Gott dem Vater ausgehend.10
Alle Erkenntnis wird konsequent auf das gegründet, wovon der selbstständig gewordene Vernunftgebrauch sich aus Prinzipien vergewissert, die ihm unmittelbar evident sind oder die er aus eigener Welterfahrung selbst gewinnt. Das führt zu dem Postulat, dass eine „vera religio“ nur das enthalten könne, was grundsätzlich jedermann in eigener Vernunfterkenntnis bejahen kann. Dies muss den Kernbestand des Christentums keineswegs antasten, da man davon ausgeht, dass autonomer Vernunftgebrauch in Religionsdingen auf jeden Fall die Existenz eines einzigen, gerechten und gütigen Gottes als gewiss erweisen werde, aber auch die Unsterblichkeit der Seele bekräftigen könne und vor allem bestätigen werde, dass alle wahrhaft vernünftigen Menschen mit den vom Christentum herausgestellten Grundgehalten des sittlich Guten und Bösen übereinstimmen werden.11
Ob der Ursprung von Glaubenserfahrungen nun die Gnade Gottes, der persönliche Glaube oder gar nur die Projektion der eigenen Vorstellungen und Wünsche ist, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden; die Problematiken, die aus diesen verschiedenen Möglichkeiten bezüglich der Betrachtung und Geltung von Glaubensaussagen entstehen, allerdings schon. Diese Problematiken werden immer dann deutlich, wenn die gewonnenen Glaubenserfahrungen schließlich als Glaubensaussagen formuliert, und somit für andere zugänglich gemacht werden.
Johannes vom Kreuz, Klassiker der spanischen Mystik, macht etwas gereizt von der inflationären Rede von Erfahrung Gottes auf das Anspruchsvolle wahrer Gotteserfahrung aufmerksam, wenn er bemerkt: >>Ich wundere mich sehr über das, was in diesen Zeiten geschieht, nämlich dass jeder beliebige Mensch, der für vier Groschen Betrachtung besitzt, so manche inneren Ansprachen, die er verspürt, wenn er ein bisschen gesammelt ist, das alles gleich als von Gott kommend tauft. Und in der Annahme, dass das so ist, heißt es dann: >Gott sagte mir<, >Gott antwortete mir<; doch es ist nicht so, sondern, wie wir gesagt haben, sprechen sie meistens zu sich selbst. <<12
Konkret stellt sich an dieser Stelle die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Da die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Zeugen jedoch eine unter vielen weiteren Fragen bezüglich des Geltungsanspruches von Glaubensaussagen darstellt, ist es sinnvoll, zuerst deutlich werden zu lassen wie Glaubensaussagen überhaupt beschaffen sind. Auf dieser Grundlage kann anschließend auf die verschiedenen, bereits angedeuteten Problematiken eingegangen werden, die Glaubensaussagen im Modus intersubjektiver Kommunikation mit sich bringen.
1.2 Glaubensaussagen
Es sollen im Folgenden nun diejenigen Aussagen als Glaubensaussagen gelten, welche sich auf explizite Glaubenserfahrungen beziehen und welche versuchen diese fassbar zu machen. Um zu definieren welche besonderen Charakteristika Aussagen aufweisen, die im Kontext dieser Arbeit als Glaubensaussagen gelten, gilt es nun die wesentlichen Merkmale dieser Aussagen aufzuzeigen. Hierbei sollen zwei Charakteristika von besonderer Bedeutung sein: Zum einen der Bekenntnischarakter und zum anderen der Zeugnischarakter von Glaubensaussagen.13
1.2.1 Der Zeugnischarakter von Glaubensaussagen
Spricht man in einem religiösen Zusammenhang von Zeugnis so ist es vernünftig anzunehmen, dass sich das religiöse Zeugnis von einer Zeugenaussage im forensischen Sinn unterscheidet. Das religiöse Zeugnis will mehr als nur über etwas berichten, ist mehr als die bloße Auskunft eines Experten über einen bestimmten Sachverhalt.14
Zwar ist <<Zeugnis>> auch Wort auf einen anderen hin. Es ist aber offenbar ein Wort, das nicht irgend etwas mitteilt, sondern in dem jemand sich selbst mitteilt und zwar in der intensivsten Verfügung in Freiheit über sich selbst, so daß damit eine entsprechende Entscheidung auch im anderen aufgerufen wird.15
Der Mensch, welcher ein religiöses Zeugnis mitteilt, will nicht nur bezeugen, sondern auch überzeugen; er will zum Nachdenken über das Bezeugte anregen und weitergeben, mitteilen welch großartige (Glaubens-) Erfahrung dem Zeugnis zugrunde liegt. Es kann daher festgehalten werden, dass im Kontext dieser Arbeit diejenigen Aussagen als Glaubensaussagen gelten, durch die eine Glaubenserfahrung bezeugt wird und durch die nicht nur ein Sachverhalt geschildert, sondern eine essentielle Überzeugung wiedergegeben und weitergegeben werden will. „Artikulationen des Glaubens entspringen einer Glaubenserfahrung, […]. Im Glaubenszeugnis wird die Erfahrung und in der Erfahrung das Erfahrene […] regeneriert und wieder zu erkennen sein.“16 An dieser Stelle verdeutlicht sich bereits die Synthese von Glaubenserfahrung und Glaubensaussage, welche sich bei der folgenden Betrachtung des Belkenntnischarakters noch klarer zeigt.
1.2.2 Der Bekenntnischarakter von Glaubensaussagen
(Glaubens-)Bekenntnis meint in diesem Fall keinen, sich an der Existenz von geprägtem Formelgut orientierenden Bekenntnisakt, wie beispielsweise das Credo, sondern einen losgelöst von geprägtem Formelgut existentiellen Bekenntnisakt.17
Denn „Bekennen“ heißt in der griechisch-sprachigen christlichen Welt, wie schon im Neuen Testament, primär ὁμολογεῖν. Das davon abgeleitete Substantiv ὁμολογία aber „bezeichnet eine verbindliche, öffentliche Erklärung, durch die ein Rechtsverhältnis vertraglich hergestellt wird. […] So wenig sich der Inhalt der religiösen ὁμολογία jemals nach Analogie eines frei vereinbarten Vertrages verstehen läßt, so bleibt doch das Moment der Öffentlichkeit, der Verbindlichkeit, der Endgültigkeit und der Antwortcharakter der Homologie auch im religiösen Sprachgebrauch konstitutiv“.18
Über das Moment der verbindlichen, öffentlichen Erklärung hinaus liegt dem religiösen Bekenntnis eine weitere Eigenschaft zugrunde, welche sich bei etymologischer Betrachtung des Wortes zu erkennen gibt. „Das Bekenntnis will >>dasselbe (ὁ ó ) sagen ( έ )<<, d.h. in seiner Aussage genau dem entsprechen, das spiegeln, ganz transparent, Echo sein auf das Ereignis hin, dem ad-aequat sein, auf das sich das Glaubenszeugnis bezieht bzw. dem es sich verdankt.“19 Glaubensaussagen unterscheiden sich demnach von anderen, allgemeingültigen Aussagen durch ihren Bekenntnis- und Zeugnischarakter. In der folgenden Aussage von Jörg Splett wird noch einmal die enge Verbindung zwischen Glaubensaussage und Glaubenserfahrung deutlich und es zeigt sich, wie sehr sich Erfahrung und Aussage gegenseitig bedingen: „Wenn Gott als Gott sich zeigt, muß er sich letztlich unverwechselbar zeigen. Da dies nicht unmittelbar geschieht, gehört die Reflexion mit ihrer Aufgabe kritischer Klärung zum Gesamtereignis dieses Sich-Zeigens. Doch eben als Reflexion auf Erfahrung.“20
Nach den Begriffsdefinitionen gilt es nun für die weitere Betrachtung der Glaubensaussagen zu klären, welche Kriterien berücksichtigt werden müssen, um von einem rationalen Geltungsanspruch religiöser Aussagen sprechen zu können. Es sollen daher im Folgenden einige Vorüberlegungen bezüglich der Art und Weise getroffen werden, in der die Glaubensaussagen betrachtet werden sollten, um den Geltungsanspruch dieser Aussagen diskutieren zu können. Darüber hinaus gilt es abzuwägen, welche Konsequenzen ein bestimmtes Vorgehen auf die Ergebnisfindung haben könnte.
2. Vorüberlegungen zur weiteren Vorgehensweise und deren Auswirkungen auf die Ergebnisfindung
Um die Grundlage zu schaffen, auf der sich schließlich inhaltlich mit dem Geltungsanspruch von Glaubensaussagen auseinandergesetzt werden kann, ist es zunächst notwendig die kommunikative Struktur von Aussagen zu betrachten. Aus den gewonnenen Kenntnissen ergibt sich schließlich die Art und Weise, wie die bereits in Punkt 1.1 angedeuteten, verschiedenen Fragestellungen, die die lebensweltliche und historische Verortung von Glaubensaussagen, die generelle Glaubwürdigkeit von Zeugen und Zeugnissen und die interpersonale Kommunikation betreffen, betrachtet werden können. Da die Entscheidung über die Betrachtungsweise nicht nur eine richtungsweisende, sondern auch eine den weiteren Verlauf der Arbeit in eine bestimmte Richtung beschränkende, Schlüsselstelle darstellt, ist es ebenfalls sinnvoll im Anschluss die daraus folgenden Auswirkungen auf die weitere Ergebnisfindung zu bestimmen.
2.1 Die kommunikative Struktur von Aussagen
In der Sprachpragmatik wird, bezüglich der kommunikativen Struktur von Aussagen, zwischen einem propositionalen, einem illokutiven und einem perlokutionären Bestandteil unterschieden.
Die Äußerung ist durch eine Doppelstruktur gekennzeichnet; in ihr verbindet sich ein propositionaler Bestandteil, d.h. das, worüber die Rede ist, […] mit einem illokutiven Bestandteil. Dieser zeigt an, was getan wird, indem jemand etwas sagt. Der illokutive Anteil […] legt somit fest, in welchem Sinne der propositionale Bestandteil verstanden werden soll. Demgegenüber betrifft der perlokutionäre Akt […] das, was durch das Gesagte beim Hörer faktisch erreicht wird, die Wirkung des Sprechakts.21
Nun gibt es viele unterschiedliche und teilweise kontroverse Theorien und Modelle, die sich damit befassen wie das Geäußerte vom Rezipienten aufgenommen und gedeutet werden kann. Dies sind Modelle, die sich also stark auf den perlokutionären Akt beziehen. Beispiele wären an dieser Stelle die Überlegungen zur semiotischen Schriftauslegung von Barthes oder Eco. Barthes gibt unter anderem zu bedenken, dass auch der Leser selbst dem Gelesenen erst seinen Sinn geben könne.22
Die Überlegungen zur semiotischen Schriftauslegung führen zu einer enormen Subjektivität und Individualisierung des möglichen Gehalts von Texten, da dem Leser ein unglaublich großer Einfluss auf die inhaltliche Endredaktion eines Textes beigemessen wird.23 Für eine wissenschaftliche Betrachtung von Aussagen ist es jedoch notwendig ein gewisses Maß an Objektivität herzustellen und ein gewisses Maß an Objektivität ist notwendig, will man den Rationalitätsanspruch von Aussagen behaupten. Daher muss ein Perspektivenwechsel vollzogen werden, weg von der Ebene persönlicher Kommunikation und der Frage: „Was bedeutet eine bestimmte Aussage für mich?“, hin zu einer Metaebene, auf der sich mit den Intentionen des Autors und mit der Frage beschäftigt wird: „Was möchte der Autor mit dem was er sagt mitteilen?“. Freilich ist es nicht möglich sich ausschließlich objektiv mit dem illokutiven Bestandteil einer Aussage zu beschäftigen, ohne selbst Kommunikator dergleichen zu sein. Schließlich ist man stets Rezipient, beschäftigt man sich mit einer fremden Aussage und so beginnt jegliches sich Beschäftigen mit einer solchen Aussage mit einem perlokutionären Akt.
Situation hat eben nicht den Charakter des bloßen Gegenüber, so daß die Kenntnis der objektiven Gegebenheiten genügte, um Bescheid zu wissen. Auch eine zureichende Kenntnis der objektiven Gegebenheiten, wie sie die Wissenschaft bereitstellt, vermag nicht die Perspektivität zu antizipieren, die sich vom Standort des Situationsgebundenen her ergibt.24
Eine totale Antizipation der Perspektivität eines Kommunikators scheint daher unmöglich. Möglich ist es jedoch, je nach Betrachtungsweise, sich der Intention des Kommunikators immer weiter anzunähern. In diesem Fall würde dann der propositionale und illokutive Bestandteil der Aussage zum zentralen Element der Untersuchungen. Zur Verdeutlichung dieser Überlegungen soll an dieser Stelle ein Vergleich gewagt werden. Die Unterscheidung, die im Folgenden versucht wird deutlich zu machen, ist ähnlich wie die zwischen einer historisch kritischen
Exegese und einer hermeneutischen Theologie. Ziel einer hermeneutischen Theologie ist die Auslegung der heiligen Schrift und die Übersetzung der in ihr enthaltenen Botschaften in unsere heutige Zeit und Lebenswelt.25 Ziel einer historisch kritischen Exegese ist es hingegen, die Gesamtheit der ursprünglichen Bedingungen, die bei der Entstehung biblischer Texte einen Einfluss auf die Autoren hatten, so weit offenzulegen, dass die Einflüsse und Beweggründe die bei der Entstehung dieser Texte eine Rolle spielten mit in eine Schriftauslegung einfließen können und so die ursprünglichen Hintergründe, die zu einem bestimmten Resultat führten, offengelegt werden können. Die Schrift wird also entmythologisiert und auf ihren rationalen Ursprung hin untersucht.26 In diesem Fall ist nicht die eigentliche Aussage das zu untersuchende Objekt, sondern eben das, was der Aussage zugrunde liegt, ihre Natur und somit auch die Intention ihres Autors.
Allerdings wurde in Halle auch die allgemeine Hermeneutik durch Philosophen weiterentwickelt. Thomasius hebt die in dieser Hermeneutik übliche Unterscheidung von Meinung und Wahrheit scharf hervor: In der Hermeneutik geht es darum, „nur die Meinung an und vor sich selbst zu erklären, sie mag nun wahr seyn oder nicht, […] “27
Dort wo es in der allgemeinen Hermeneutik also um den Gehalt einer Meinung geht und diese so zum Objekt der Betrachtung wird, gilt es in unserem Fall die Frage nach der Wahrheit dieser Meinung zu stellen, sofern dies möglich ist.
2.2 Auswirkungen einer objektivierenden Betrachtungsweise auf die Ergebnisfindung
Die beschriebene Vorgehensweise hat zwei entscheidende Auswirkungen auf die Art der aus ihr resultierenden Ergebnisse. Die negative Auswirkung einer solch objektivierenden Methode ist die Inkaufnahme vom Verlust spirituellen Gehaltes vieler Glaubensaussagen. Der Ursprung dieser Verluste soll erneut durch einen Vergleich deutlich gemacht werden.
[...]
1 Vorgrimmler, Herbert: Karl Rahner verstehen. Eine Einführung in sein Leben und Denken, Freiburg i.Br. 1985, 22.
2 Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie. Genese und Geltung theologischer Aussagen (= Grundlagen Theologie), Freiburg i.Br. 2010, 26.
3 Vgl. Neuhaus, Gerd: Fundamentaltheologie. Zwischen Rationalitäts- und Offenbarungsanspruch, Regensburg 2013, 11-13.
4 Vgl. Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie, 113
5 Vgl. Kalloch, Christina / Leimgruber, Stephan / Schwab, Ullrich: Lehrbuch der Religionsdidaktik. Für Studium und Praxis in ökumenischer Perspektive (= Grundlagen Theologie), Freiburg i.Br. 2009, 220-227.
6 Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie, 151.
7 Vgl. Döring, Heinrich: Glaubenserfahrung, LThK 4, Freiburg i.Br. 31995, 709.
8 Bausenhart, Guido: Das Amt in der Kirche. Eine not-wendende Neubestimmung, Freiburg i.Br. 1999, 58f.
9 Döring, Heinrich: Glaubenserfahrung, 709.
10 Vgl. Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie, 150f.
11 Höhn, Hans-Joachim: Gott Offenbarung Heilswege. Fundamentaltheologie, Würzburg 2011, 157.
12 Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie, 151.
13 Vgl. Arens, Edmund: Bezeugen und Bekennen. Elementare Handlungen des Glaubens (= Beiträge zur Theologie und Religionswissenschaft), Düsseldorf 1989, 14.
14 Vgl. Rahner, Karl: Theologische Bemerkungen zum Begriff „Zeugnis“, in: ders. (Hg.), Schriften zur Theologie (= Schriften zur Theologie 10), Zürich, Einsiedeln, Köln 1972, 164- 180, 164f.
15 Rahner, Karl: Theologische Bemerkungen zum Begriff „Zeugnis“, 165f: „Wir setzen hier ohne weiteres voraus, daß die in dieser vorläufigen Beschreibung des Zeugnisses ausgesagten Wirklichkeiten tatsächlich gegeben sind: ein Mensch mit einem Sichselbstgegebensein in Freiheit; die Möglichkeit, in einem letzten, existentiell <<absoluten>> Sinn über sich zu verfügen (wenigstens dies zu versuchen mit der Hoffnung, es werde - mindestens im Lauf eines Lebens - auch wirklich gelingen); die Bedeutsamkeit eines solchen letzten Selbstverständnisses in Freiheit auch für einen anderen Menschen; die Möglichkeit, in dieser Selbstverfügung sich einem anderen nahezubringen, sich <<verständlich>> zu machen; der Anrufcharakter einer solchen Mitteilung; das Verstehen einer solchen Mitteilung durch den anderen in der beiderseitigen Zuwendung, die letztlich Liebe genannt werden muß. All das sei hier vorausgesetzt und einer philosophischen Existentialontologie zu weiterem Bedenken anheimgegeben.“
16 Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie, 90f.
17 Vgl. Ritter, Adolf Martin: Glaubensbekenntnis(se). Alte Kirche, in: TRE 13, Berlin 1984, 399- 412, 400.
18 Ritter, Adolf Martin: Glaubensbekenntnis(se), 400.
19 Bausenhart, Guido: Einführung in die Theologie, 48.
20 Splett, Jörg: Gotteserfahrung im Denken. Zur philosophischen Rechtfertigung des Redens von Gott, München 52005, 31.
21 Arens, Edmund: Bezeugen und Bekennen. 16f.
22 Vgl. Sebeok, Thomas A.: Theorie und Geschichte der Semiotik (= rowohlts deutsche enzyklopädie), Reinbeck bei Hamburg, 1979. Vgl. auch: Eco, Umberto: Einführung in die Semiotik (= Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste 32), München 1972.
23 Grimm, Gunter: Einführung in die Rezeptionsforschung, in: ders. (Hg.), Literatur und Leser. Theorien und Modelle zur Rezeption literarischer Werke, Stuttgart 1975, 11-84, 56f.
24 Bausenhart, Guido: Das Amt in der Kirche, 61.
25 Vgl. Bormann, Claus: Hermeneutik. Philosophisch-theologisch, in: TRE 15, Berlin 1986, 108- 137.
26 Vgl. Troeltsch, Ernst: Ueber historische und dogmatische Methode in der Theologie, in: ders. (Hg.), Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik (= Gesammelte Schriften 2), Tübingen ²1922, 729-753.
27 Bormann, Claus: Hermeneutik, 116.
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