Die Inszenierung im „Kabinett des Doktor Parnassus“ läuft größtenteils auf die Charakterisierung sowie kontrastreiche Abgrenzung verschiedener semantischer Räume hinaus. Dies soll in dieser Arbeit anhand der farblichen und lautlichen Ebene dargelegt werden. Dabei kann man vor allem die „Außenwelt“, das Wandertheater selbst und die Innenwelt des Imaginariums voneinander abtrennen, wobei diese stets eine eher positive und eine eher negative Seite in sich trägt. Im letzten Punkt wird schließlich noch auf allgemein besondere Auffälligkeiten eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
1. Inhaltsangabe
2. Inszenierungsanalyse
2.1. Farben und Licht
2.2. Musik und Geräusche
2.3. Signifikantes und Auffälliges
3. Schlussbemerkung
Abbildungsverzeichnis I
Quelle I
1. Inhaltsangabe
Der Fantasyfilm „Das Kabinett des Doktor Parnassus“ von Terry Gilliam erschien im Jahr 2009 und spielt im London der Gegenwart. In ihm versucht Doktor Parnassus seine Freiheit suchende Tochter vor dem Teufel zu bewahren.
Parnassus, der durch eine Wette mit dem Teufel (auch Mr. Nick genannt) Unsterblichkeit erlangen konnte, zieht mit einer Art Wandertheater durch die Stadt. Er wird von seiner Tochter Valentina, dem kleinwüchsigen Percy und dem Jungen Anton begleitet. Durch den Spiegel in der Mitte des Theaters gelangt man ins Imaginarium, die Gedankenwelt Parnassus'. Je nachdem, welche Entscheidung man dort trifft, gewinnt Parnassus oder der Teufel eine Seele für sich.
Nick erinnert Parnassus daran, dass (aufgrund eines alten Geschäfts) mit ihrem 16ten Geburtstag in drei Tagen Valentina ihm gehört. Kurz darauf entdecken Percy und Anton einen unter einer Brücke aufgehängten Mann und schneiden ihn los. Dieser konnte dank einer verschluckten Flöte überleben, weiß jedoch nicht, wer er ist. Tony wird in die Theatergruppe aufgenommen und kann sich durch Zufall bald wieder erin- nern: Er wird gesucht weil er Organe von Kindern seiner eigenen Wohltätigkeitsgesell- schaft verkauft hatte. Dies behält er für sich. Parnassus geht auf eine weitere Wette mit dem Teufel ein: Wenn er vor Nick fünf Seelen für sich gewinnen kann, darf Valentina bei ihm bleiben. Es kommt zum Gleichstand: Beide haben vier Seelen. Anton findet die Wahrheit über Tony heraus, welcher sich gerade als fünfte Seele für Parnassus anbietet. Tony zieht Valentina mit sich in den Spiegel, wo sie in einer Wohltätigkeitsgala auftreten. Dort offenbart Anton Tonys wahres Gesicht und dessen Welt zerbricht.Trotz Nicks Versuch, sie davon abzuhalten, entscheidet sich Valentina für die Pforte des Teufels und ist somit fünfte Seele und Preis zugleich. Ob dieser Wendung bietet Nick Parnassus einen weiteren Handel: Kann Parnassus Tony zur Stecke bringen, so ist Valen- tina frei. Als Tony sich von den wütenden Galabesuchern hängen lässt, kann Parnassus dessen Flöte gegen eine Fälschung tauschen und Tony stirbt. Zwar ist Valentina nun frei, doch erfährt Parnassus erst nach Jahren des Umherirrens, wo sie sich befindet und dass sie mit Anton eine Tochter hat. Am Ende verkauft Parnassus mit Percy Spielzeug-Imagi- narien aus Pappe.
2. Inszenierungsanalyse
Die Inszenierung im „Kabinett des Doktor Parnassus“ läuft größtenteils auf die Charakterisierung sowie kontrastreiche Abgrenzung verschiedener semantischer Räume hinaus. Dies soll im Folgenden anhand der farblichen und lautlichen Ebene dargelegt werden. Dabei kann man vor allem die „Außenwelt“, das Wandertheater selbst und die Innenwelt des Imaginariums voneinander abtrennen, wobei diese stets eine eher positive und eine eher negative Seite in sich trägt. Im letzten Punkt wird schließlich noch auf allgemein besondere Auffälligkeiten eingegangen.
Alle zeitlichen Angaben sind im Format h:mm gemacht.
2.1. Farben und Licht
Besonders fällt die Abgrenzung der verschiedenen Räume durch die Farbgebung und das Spiel mit Licht und Schatten auf:
Das Theater selbst erscheint zwar als sehr bunt, doch sind die vielen Farbvarianten stark ausgeblichen und deshalb nur noch in zarteren, angegrauten Tönen zu sehen. Dies gilt für das aufgebaute Theater ebenso wie für den Alltag der Theatergruppe. Die Modernisierung stellt dabei nur einen Übergangszustand dar, das später verkaufte Spielzeugtheater ist wieder im alten Stil gehalten.
Die restliche Welt spart dagegen eher mit Farben. Wenn, dann präsentiert sie sie jedoch hell und grell, im Film meist durch bunte, oft blinkende Lichter verkörpert, wie sie zu Beginn in Szene eins und zwei auftauchen (0:01 bzw. 0:09).
Ganz anders verhält es sich dagegen im Imaginarium, in welchem man stets auf klar definierte Farben trifft. Diese lassen zum einen die erzeugte Welt, je nach Fantasie und Charakter, schöner oder schrecklicher erscheinen, als es in der Realität möglich wäre, und differenzieren zum anderen klar die beiden gegebenen Entscheidungsmöglich- keiten voneinander.
So gelangt der Trinker zu Beginn des Films in eine vor allem düstere und dunkle Welt, die Welt des Jungen vom Volksfest gibt sich stattdessen quietschbunt und eingebettet in ein helles Wolkenreich während die Frau mit Pelz ihrerseits von Glitzer und Pastelltönen umringt wird (Abb. 1).
Tony und die vier Russen gelangen in eine Welt, die bereits von Grund auf
Julia Reiterer Universität Passau
Inszenierungsanalyse Terry Gilliams „Das Kabinett des Doktor Parnassus“ 3
gespalten ist: auf der einen Seite eine grüne Landschaft mit kugeligen Büschen und Bäumen und einem blauen Himmel mit Schäfchenwolken - auf der anderen Seite ein karges, braunes Land in dem sich graue Grabsteine und ebenso graue, verdorrte Bäume unter einer gewittrig-grauen Wolkendecke zeigen. Diese beiden Bereiche sind dabei scharf durch eine tiefe, dunkle Schlucht, welche die gesamte Landschaft durchzieht, voneinander getrennt (1:14).
Als Valentina und Tony das Imaginarium betreten erscheint erst eine romantische, saftig grüne Naturlandschaft mit spiegelndem Fluss und klarem Himmel, welche nachts kurz von einer steinigen Landschaft und schließlich von Tonys Gala abgelöst wird, welche sich farblich sehr realistisch gibt. Zumindest bis diese Vorstellung in ein schwar- zes Nichts hinein zerbricht. Es folgt eine Szene, in der auch Valentina in Verzweiflung durch die Schwärze läuft, von silbrigen Spiegelscherben umkreist (alles ab 1:32).
Bei den Entscheidungsmöglichkeiten ist die farbliche Trennung besonders gut zu beobachten, denn die richtige Wahl erscheint pauschal als hell und die falsche als dunkel. Bei Trinker und Frau mit Pelz ist es jeweils der Himmel, der die zugehörigen Wege besonders charakterisiert: heller, blauer Himmel, weiße Wolken oder dunkle bis blutrot unterlaufene Wolken bei Nacht (Abb. 2). Bei den Russen ist diese Trennung nicht umge- setzt, bei Valentina jedoch wieder ganz klar: weiße Himmelstür oder rote Höllenpforte.
All diese Gegebenheiten lassen erkennen, dass die Kontraste der einzelnen Fantasiewelten oft sehr stark durch Farben umgesetzt werden und von den jeweiligen Personen abhängig gestaltet sind.
2.2. Musik und Geräusche
Auch die Ebene des Hörbaren trägt deutlich zur Abtrennung der verschiedenen semantischen Räume bei.
So wird hier der Kontrast von Außenwelt zum Theater gleich zu Anfang besonders markant dargestellt: Aus einem Haus dröhnt laute, modern-wummernde Diskomusik und es strömen immer wieder betrunkene Menschen lallend, grölend oder kreischend und kichernd heraus. Besonders unangenehm tritt dadurch ein junger Mann hervor, der folgend als erster Außenstehender im Film das Kabinett betreten wird (ab 0:01). Auch durch das Volksfest wird die Außenwelt klar charakterisiert, was den schreienden Mengen in den Fahrgeschäften und der daher tönenden Musik, aber vor allem der lauten und unfreundlichen Familie zuzuschreiben ist (ab 0:09).
Selbst nach einer Änderung des Publikums hin zu einer etwas gehobeneren Schicht brechen auch diese Damen in Geschrei aus, nachdem sie Tonys Schwärmereien glauben geschenkt haben (1:02).
Ganz im Gegensatz dazu zeigt sich der Auftritt des Wandertheaters im Film: Es ertönt ein metallenes Knarren und Klackern während sich die Bühne aufbaut, was auf eine wohl mittlerweile veraltete Mechanik schließen lässt. Eine sehr altmodische, jedoch melodische Musik leiert vom Theater ausgehend vor sich hin und wird von leisem Quiet- schen und mechanischem Rattern untermalt, welches durch das Aufziehen des Vorhangs und Hereinfahren von Parnassus entsteht (ab 0:01). Dieses Bild des Theaters wird den Großteil des Films über aufrecht erhalten und ändert sich erst mit seiner Modernisierung, welche allerdings hingehend der Töne keinen sonderlichen Ersatz liefert. Am Ende des Films wird das Spielzeug in Form der alten Version des Theaters verkauft und auch die altmodische Musik ertönt wieder.
Zwischen Außenwelt und Theater werden also durch die lautliche Ebene vor allem die Gegensätze von laut zu leise und von modern zu altmodisch hervorgehoben. Die Geräuschkulisse im Imaginarum zeigt hier kaum besondere Auffälligkeiten und charakterisiert diesen Raum weit weniger als die oben beschriebene Farbgebung. Erwähnenswert wäre jedoch der in der ersten Imagination gegebene Kontrast von Eng- elschören bei der Steintreppe im Gegensatz zur Spelunkenmusik, welche aus „Mr Nicks Lounge Bar“ ertönt (ab 6:40). Dies trägt zu einer weiteren Kontrastierung der beiden Entscheidungsmöglichkeiten bei, welche dem Trinker gegeben sind. Ansonsten sind die von dramatisch bis romantisch vertretene Filmmusik und die auftretenden Geräusche zwar gut an die jeweiligen Welten und Situationen angepasst, weisen jedoch normalerweise keine bemerkenswerten Besonderheiten auf. Zwei Ausnahmen davon sind aufgrund ihrer Art im nächsten Unterpunkt aufgeführt.
2.3. Signifikantes und Auffälliges
Vor allem Wiederholungen fallen in diesem Film besonders häufig auf. Dabei gibt es neben dem offensichtlichen (wiederholtes Betreten des Imaginariums und Entstehen neuer Welten sowie stetige Änderung des Äußeren Tonys) einige Dinge, die durch diese Wiederholungen erst ins Auge stechen und so besonders stark betont werden:
So bemerkt man ein nettes Detail bereits zu Anfang des Films (noch bevor der Titel eingeblendet wird) erst beim zweiten Anschauen: Es sind ein paar Obdachlose zu sehen, die nachts schlafend auf der Straße liegen. Dies nimmt die Entwicklung Parnassus quasi schon vorneweg. Bevor er die Liebe von Valentinas Mutter gewann, war er selbst ein Obdachloser (0:22, 0:53) und wird auch im Laufe des Films wieder zu einem (1:48).
Auch auf der kleinen goldenen Flöte Tonys wird nicht nur je einmal von Anton und Tony ein Teil von „Ode an die Freude“ gespielt (bei 0:43 bzw. 1:00), sondern es ertönen auch dreimal im Film kurze Flötenmelodien. Als man die Flöte zum ersten mal sieht, nachdem Tony sie ausspuckt hat, hört man die Melodie nur leise im Hintergrund (0:25). An den beiden Stellen, an denen Tony kurz davor ist, sie zu schlucken, ertönen die Flötenklänge klar im Vordergrund (1:16, 1:43). Durch diese Melodien wird die ohnehin schon besondere und geheimnisvolle Flöte nochmals hervorgehoben.
Eine weitere Wiederholung auf der lautlichen Ebene bildet das von Anton (0:14) bzw. Valentina (1:33) gesungene Lied „That's amore“. Die hierbei jeweils besungenen Personen sind jedoch beide (zumindest zu diesem Zeitpunkt) nicht in die Singenden verliebt, was eine gewisse Ironie darstellt da Anton Valentina nicht für sich gewinnen kann, Valentina jedoch auch von Tony keine Liebe erwarten darf.
Besonders auffällig wird auch das Glöckchenband um Valentinas Knöchel darge- stellt: In Minute 15 schüttelt sie es mit dem Verweis, sie sei doch noch minderjährig, kurz darauf beschwert sie sich bei ihrem Vater, dass sie es endlich abnehmen möchte (0:16). Auch zwischendurch hört man immer wieder das Klingeln der Glöckchen, wenn Valentina sich bewegt. In ihrer Fantasiewelt fallen sie schließlich ab und Valentina meint, sie und Tony seien frei (1:32). Für die junge Valentina symbolisieren die Glöck- chen also den Unterschied von Freiheit und Gefangenschaft. Umso spannender ist die Tatsache, dass sie das Glöckchenband später als erwachsene Frau freiwillig trägt (1:48).
3. Schlussbemerkung
Interessanterweise werden Außenwelt und Theater besonders durch Geräusche voneinander abgegrenzt, während zwischen Imaginarium und Theater sowie Außenwelt vor allem die farblichen Gegebenheiten einen großen Kontrast erzielen. So manifestiert sich quasi zusätzlich ein Kontrast im Kontrast.
Ich habe mich bei meiner Analyse für „Das Kabinett des Doktor Parnassus“ entschieden, weil schon beim ersten Anschauen die Gegensätzlichkeit der gezeigten Welten auffällt und mich interessierte, wie diese im Film konstruiert wird.
Universität Passau Julia Reiterer
Verzeichnisse I
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Gegenüberstellung verschiedener Welten (0:05, 0:10, 1:03)
Abb. 2: Optische Trennung der Entscheidungsmöglichkeiten (1:06)
Quelle
Das Kabinett des Doktor Parnassus (2009). Terry Gilliam (Regie und Drehbuch). DVD, 117 Min., Concorde Home Entertainment GmbH
- Quote paper
- Julia Reiterer (Author), 2013, Inszenierungsanalyse Terry Gilliams "Das Kabinett des Doktor Parnassus", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282825
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