„Die mächtigsten Menschen haben immer die Architektur inspiriert. (...) Im Bauwerk soll sich der Stolz, der Sieg über die Schwere, der Wille zur Macht versichtbaren; Architektur ist eine Art Macht-Beredsamkeit in Formen, bald überredend, selbst schmeichelnd, bald bloß befehlend. Das höchste Gefühl von Macht und Sicherheit kommt in dem zum Ausdruck, was großen Stil hat.“
Architektur ist angesiedelt zwischen Kunst und Alltag. Der Gestaltungsanspruch von Architekten und Stadtplaner läßt sich jedoch selten auf ästhetische und funktionale Kriterien beschränken, sondern schließt, explizit oder implizit, wie Nietzsche es in der zitierten Passage energisch hervorhebt, auch einen gesellschaftspolitischen Gestaltungsanspruch ein.
Bauwerke fungieren immer auch als Zeichenträger, die sich indirekt auf Verhaltensweisen von Menschen auswirken. Es bleibt jedoch zu diskutieren, welchen Grad an manipulativer Kraft man ihnen zuspricht.
In architektonischen Entwürfen verkörpern sich aber ebenso individuelle Vorstellungen, ja Träume. Die utopischen Visionen, welche während der Zeit der Weimarer Republik entstanden, geben diesen unmittelbaren Ausdruck.
Innerhalb des Architekturdiskurses geht es immer wieder um die Frage, welches Programm einem Bauwerk zugrunde gelegt werden soll. Bei der konkreten Ausführung eines Bauprojekts spielen außerdem praktische Aspekte eine Rolle wie z.B., auf welche Weise ein Gebäude genutzt werden soll und welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.
Das Thema Architektur, wie ich bereits versucht habe anzudeuten, eröffnet einen komplexen Problemhorizont, der unterschiedlichste Aspekte, wie soziologische, philosophische, ästhetische etc. beinhaltet. Die Hausarbeit hat die Architektur der Zwanziger Jahre zum Thema. Das Ziel der Arbeit soll darin bestehen, sich dem ‚Neuen Bauen‘ als kulturhistorischem Phänomen anzunähern und weniger darin, die Entwürfe jener Zeit detailliert zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Neues Bauen in der Weimarer Republik
3. Der Deutsche Werkbund
4. Architektonische Form der Utopie. Bruno Taut und „Die Gläserne Kette“
5. Das Bauhaus: die Entwicklung einer Idee 1919-1932
6. Schluß
Literaturverzeichnis
FORM IST WOLLUST[1]
Form und Riegel muß erst zerspringen,
Welt durch aufgeschlossne Röhren dringen:
Form ist Wollust, Friede, himmlisches Genügen,
Doch mich reißt es, Ackerschollen umzupflügen.
Form will mich verschnüren und verengen,
Doch ich will mein Sein in alle Weiten drängen –
Form ist klare Härte ohn‘ Erbarmen,
Doch mich treibt es zu den Dumpfen, zu den Armen,
Und im grenzenlosen Michverschenken
Will mich Leben mit Erfüllung tränken.
Ernst Stadler
Zuvor
In dem Gedicht „Form ist Wollust“ von Ernst Stadler tauchen Motive auf, welche den Architekturdiskurs der Vorkriegszeit und der Weimarer Republik maßgeblich prägten: l’art pour l’art und politische Kunst, auf der einen Seite die Lust an der klaren, schlichten Form, welche die ‚kubische‘ Ästhetik ausmacht, auf der anderen das politische Engagement, sich für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen.
Das metaphysische Element, die Sehnsucht nach der Transzendenz findet besonders in der architektonischen Form der Utopie ihren Ausdruck. Interessant ist Stadlers ambivalente Charakterisierung des Formbegriffs, „Wollust“ und „Härte ohn‘ Erbarmen“. Spinnt man diesen Gedanken weiter, ist er vielleicht ein Ansatzpunkt hinsichtlich der Frage, warum die Architektur des Neuen Bauens mit ihrem Ideal der ‚reinen Form‘ in Deutschland sich nicht durchsetzen konnte.
1. Einleitung
„Die mächtigsten Menschen haben immer die Architektur inspiriert. (...) Im Bauwerk soll sich der Stolz, der Sieg über die Schwere, der Wille zur Macht versichtbaren; Architektur ist eine Art Macht-Beredsamkeit in Formen, bald überredend, selbst schmeichelnd, bald bloß befehlend. Das höchste Gefühl von Macht und Sicherheit kommt in dem zum Ausdruck, was großen Stil hat.“[2]
Architektur ist angesiedelt zwischen Kunst und Alltag. Der Gestaltungsanspruch von Architekten und Stadtplaner läßt sich jedoch selten auf ästhetische und funktionale Kriterien beschränken, sondern schließt, explizit oder implizit, wie Nietzsche es in der zitierten Passage energisch hervorhebt, auch einen gesellschaftspolitischen Gestaltungsanspruch ein.
Bauwerke fungieren immer auch als Zeichenträger, die sich indirekt auf Verhaltensweisen von Menschen auswirken. Es bleibt jedoch zu diskutieren, welchen Grad an manipulativer Kraft man ihnen zuspricht.
In architektonischen Entwürfen verkörpern sich aber ebenso individuelle Vorstellungen, ja Träume. Die utopischen Visionen, welche während der Zeit der Weimarer Republik entstanden, geben diesen unmittelbaren Ausdruck.
Innerhalb des Architekturdiskurses geht es immer wieder um die Frage, welches Programm einem Bauwerk zugrunde gelegt werden soll. Bei der konkreten Ausführung eines Bauprojekts spielen außerdem praktische Aspekte eine Rolle wie z.B., auf welche Weise ein Gebäude genutzt werden soll und welche finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.
Das Thema Architektur, wie ich bereits versucht habe anzudeuten, eröffnet einen komplexen Problemhorizont, der unterschiedlichste Aspekte, wie soziologische, philosophische, ästhetische etc. beinhaltet. Die Hausarbeit hat die Architektur der Zwanziger Jahre zum Thema. Das Ziel der Arbeit soll darin bestehen, sich dem ‚Neuen Bauen‘ als kulturhistorischem Phänomen anzunähern und weniger darin, die Entwürfe jener Zeit detailliert zu untersuchen.
2. Neues Bauen in der Weimarer Republik
Schon seit 1900 ist eine Wende in der Architektur sichtbar, die sich durch den Abkehr vom Individualismus und vom Ornamentalen des Jugendstils hin zu einem ‚kubischen Purismus‘ auszeichnet. Der bewußten Verzicht auf Ornamentik ist zu verstehen im Hinblick des Neuen Bauens als ‚purer Zweckerfüllung‘, als eine demonstrative Gegenerklärungen zu allen historischen Vorgaben. Viele Architekten sind der Meinung, daß eine moderne Industriegesellschaft auch neue ,Bauorganismen‘ fordere.
Während der Zeit der Weimarer Republik entsteht ein weites Spektrum moderner Strömungen in der Architektur: zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit. Daneben gibt es aber auch eine nicht kleine Anhängerschaft der traditionellen Bauweise.
Innerhalb des ausufernden Pluralismus‘ von künstlerischen Ausdrucksformen lassen sich jedoch bestimmte Gegensätze ausmachen: Moderne steht gegenüber ‚konservativer‘ Architektur, die für einen Anschluß an die ‚deutsche Tradition‘ und eine Weiterentwicklung der Architektur unter Berücksichtigung von Bewährtem plädiert,[3] Politisierung gegen die bewußte Abkehr von der Politik, Sozialismus gegen Taylorismus. Auf der einen Seite entstehen eine Vielzahl von utopischen Entwürfen, auf der anderen ein intensives Engagement im Bereich des sozialen Wohnungsbaus.
Innerhalb der modernen Bewegung ist der Willen zur Utopie oft gepaart mit einem ‚emphatischen Kunstwollen‘, welcher der Tendenz zur Rationalisierung und zur ‚Zweckarchitektur‘ diametral entgegensteht, wenn man will der Gegensatz von Expressionismus und Neuer Sachlichkeit in der Architektur. Der technische Fortschritt wird demgemäß unterschiedlich bewertet: zwischen Faszination, begeistertem Fortschrittsoptimismus und tiefer Skepsis.[4]
Walter Gropius fordert bereits 1911 in seinem Vortrag „Monumentale Kunst und Industrie“ eine neue Bauästhetik angesichts der rasanten technischen Entwicklung. Es geht um eine neue Formensprache, die sich durch Klarheit und Strukturiertheit auszeichnet:
„Denn das moderne Leben braucht neue Bauorganismen entsprechend den Lebensformen unserer Zeit. Warenhäuser, Fabriken verlangen ihren eigenen modernen Ausdruck und können gar nicht im Stil der vergangenen Jahrhunderte gelöst werden, ohne daß man in leeren Schematismus und historischen Mummenschanz verfällt (...) Die exakt geprägte Form, jeder Zufälligkeit bar, klare Kontraste, Ordnen der Glieder, Reihung gleicher Teile und Einheit von Form und Farbe sind die Grundlagen zur Rhythmik des modernen baukünstlerischen Schaffens.“[5]
Bezeichnenderweise spricht Gropius von „Bauorganismen“, welche sich in die moderne Lebensform einfügen und diese mitgestalten. Es geht in diesem Sinne um eine neue Harmonie zwischen Mensch und Technik.
Die Formen eines jeweiligen Gruppenstils sind sehr eng mit ästhetischen, weltanschaulichen und auch gesellschaftlichen Vorstellungen verknüpft. Ein bestimmtes Architekturprogramm ist zu verstehen als ein Bekenntnis zu einer Kunstrichtung, die eine Weltanschauung und letzten Endes auch eine Gesellschaftsform impliziert. Aufgrund der stark eingeschränkten Bautätigkeit im wirtschaftlich geschwächten Deutschland ist der Beginn der modernen Bewegung in der Architektur am frühesten in der Kritik zu erkennen.
Der Erste Weltkrieg hat Auswirkungen auf die Architekturavantgarde. Technischer Fortschritt wurde durch das Kriegserlebnis plötzlich als zerstörerische Kraft am eigenen Leib erfahren. Unmittelbar nach dem Krieg, während der Revolution und der beginnenden Inflation, zeichnet sich eine ‚technikkritische‘ Phase unter den jungen Architekten ab. Schon vor dem Krieg finden sich expressionistische und utopische Tendenzen; nach diesem jedoch nimmt die Anzahl utopischer Entwürfe inflationär zu. Hieran knüpft sich die Frage, ob die ‚utopische Phase‘ auf die Kriegsjahre entwicklungspsychologisch zurückzuführen ist. Dazu äußert sich Adolf Behne in der von Bruno Taut initiierten Zeitschrift „Frühlicht“:
„Als nach dem Kriegsende die Welle des Utopischen und Romantischen auch die jungen Architekten ergriff, (...) war das als Folge der jahrelangen Isolierung, als Reaktion des Gefühls auf die Nutzlosigkeit der geopferten Jahre verständlich. Aber wohl alle Utopisten haben sich inzwischen vom Kult des Phantastischen zum Lebendigen und zur Selbstbesinnung zurückgefunden.“[6]
In diesem Artikel äußert sich Behne darüber hinaus zu den Aspekten, welche für eine neue Baukunst bestimmend sein sollen: Die Verwendung von Ergebnissen der modernen Malerei solle zu einem „Übergang von der naturhaft zufälligen zur geistigen, notwendigen Form“ führen. Dieses impliziere die Befreiung von traditionellen Formen und vom Ornament. In diesem Zusammenhang äußert er sich zu den neuen Mitteln, welche die technischen Entwicklungen für die Architekten bereitstellen: „Weit entfernt, sich gegen ihren revolutionierenden Einfluß zu stemmen, erkennt er ihre berechtigte Macht und die neuen Möglichkeiten, die sie für den Architekten bietet.“[7]
Diese Äußerungen kann man auch vor dem Hintergrund einer neuen Affinität zur Technik, vor dem, was als ‚Neue Sachlichkeit‘ bezeichnet wird, lesen.
Auch Mies van der Rohes Plädoyer für ein vernünftiges, zweckorientiertes Bauen, welches drei Jahre später erscheint, setzt diese Linie fort:
„Das ganze Streben unserer Zeit ist auf das Profane gerichtet. Die Bemühungen der Mystiker werden Episode bleiben. Trotz einer Vertiefung unserer Lebensbegriffe werden wir keine Kathedralen bauen. Auch die große Geste der Romantiker bedeutet uns nichts, denn wir spüren dahinter die Leere der Form. Unsere Zeit ist unpathetisch, wir schätzen nicht den großen Schwung, sondern die Vernunft und das Reale.“[8]
Seit den 20er ist das Vorbild Ford‘scher Massenproduktion und der Begriff der Rationalisierung auch in die Architektur eingegangen. Die ‚Mechanisierung der Welt‘, die Entwicklung zur Maschine, zum Großbetrieb, die Verschärfung der Arbeitsteilung und die Steigerung von Geschwindigkeit und Menge in den Bereichen von Produktion und Transport, wird mehr und mehr als eine natürlicher, unaufhaltsamer Prozeß, „ein natürlicher Entwicklungsvorgang“ gesehen.[9] Oft ist die Bejahung der Technik gepaart mit Vorstellungen einer Zukunftsgesellschaft ohne Klassengegensätze. Die sozialutopischen Elemente sind also wie bereits in den utopischen Entwürfen Bestandteil architektonischer Vorstellungen, nur daß sich diese nun stärker an den realen Gegebenheiten und Möglichkeiten orientieren. Die rationalisierte Produktion soll zu einer Senkung der Preise führen und so den Bedürfnissen der Masse entgegenkommen. Besonders Gropius setzt sich mit den Konsequenzen der maschinellen Produktionsverfahren auseinander.
[...]
[1] Das Gedicht ist dem Buch „Menschheitsdämmerung. Symphonie jüngster Dichtung“ (Berlin 1920), herausgegeben von Kurt Pinthus entnommen.
[2] Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, hg. von Karl Schlechta, München 1966, S. 997.
[3] In diesem Zusammenhang sind in erster Linie Schumacher, Poelzig, Tessenow und Schmitthenner zu nennen.
[4] Vgl. Norbert Huse: ‚Neues Bauen‘ 1918 bis 1933. Moderne Architektur in der Weimarer Republik, Berlin 1985, S. 9-14.
[5] Walter Gropius: Monumentale Kunst und Industrie, Vortrag gehalten in Hagen i.W. am 29. Januar 1911.
[6] Adolf Behne: Architekten, in: Bruno Taut: Frühlicht. Eine Folge zur Verwirklichung des neuen Baugedankens, Magdeburg 1921/22, S. 127.
[7] Ebenda, S. 128.
[8] Ludwig Mies van der Rohe: Baukunst und Zeitwille!, in: Der Querschnitt IV (1924): Heft 1, S. 24.
[9] Vgl. Walter Gropius: Der Architekt als Organisator der modernen Bauwirtschaft und seine Forderungen an die Industrie, in: F. Block (Hg.): Probleme des Bauens, Potsdam 1928.
- Arbeit zitieren
- Jessica Heyser (Autor:in), 2001, Schönes neues Wohnen. Architektur und Wohnen in der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28252
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