Die vorliegende Arbeit ist im Bereich der Forschung und Entwicklung der Hochschuldidaktik im Fachbereich Mathematik angesiedelt. Im Speziellen geht es im Bereich Didaktik der Arithmetik um die Vorstellungen angehender Grundschullehrer zu den Prinzipien des Stellenwertsystems und der Bündelung.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
Hinweise zu Abkürzungen und Schreibweise
2 THEORIE
2.1 Einbettung der Arbeit
2.1.1 Das KLIMAGS-Projekt
2.1.2 Promotionsvorhaben Jana Kolter
2.1.3 Ausgangsbasis: bereits entwickeltes Kategoriensystem
2.2 Fachinhaltliche Aspekte
2.2.1 Historische Zahldarstellungen
2.2.2 Stellenwertsysteme - dezimal und b-adisch
2.3 Didaktische Aspekte
2.3.1 Bündelungsprinzip
2.3.2 Begründung der Behandlung der fremden Systeme
2.3.3 Bündelungsmaterial
2.3.4 Handelnder Zugang zum Bündelungsprinzip
2.3.5 Sprachliche Begleitung des Bündelungsvorgangs
3 METHODOLOGIE
3.1 Datengrundlage
3.2 Erhebungsmethode
3.3 Auswertungsmethode - Grounded Theory
4 EMPIRIE
4.1 Deskription und Interpretation der Interviews
4.1.1TPN Julia
4.1.2 TPN Verena
4.1.3 TPN Jens
4.1.4 TPN Charlott
4.1.5 TPN Daniela
4.1.6 TPN Elena
4.1.7 TPN Claudius
4.1.8 TPN Laura
4.1.9 TPN Alicia
4.1.10 TPN Annalena
4.1.11 Auffälligkeiten bei den TPN des T3
4.2 Evaluierung und Weiterentwicklung des Kategoriensystems
4.2.1 Kritische Prüfung und Ausschärfung des Kategoriensystems
4.2.2 Vorschläge zu zusätzlichen Dimensionen
4.2.3 Überarbeitete Version des Kategoriensystems
4.2.4 Anwendung des neuen Kategoriensystems auf die TPN
5 FAZIT
6 LITERATURVERZEICHNIS
7 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS
8 EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG
9 ANHANG
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
Die vorliegende Arbeit ist im Bereich der Forschung und Entwicklung der Hochschuldidaktik im Fachbereich Mathematik der Universität Kassel ange- siedelt. Im Speziellen geht es im Bereich Didaktik der Arithmetik um die Vor- stellungen angehender Grundschullehrer zu den Prinzipien des Stellenwert- systems und der Bündelung. Dieses Thema ist von besonderer Bedeutung in der Lehrerausbildung, da das Beherrschen des dezimalen Stellenwertsys- tems, welches das Ergebnis einer kulturellen Evolution von mehreren Tau- send Jahren ist, die Grundlage für das Rechnen bildet. Das tatsächliche Bün- deln von fassbaren Dingen kann dazu beitragen, den Zusammenhang zwi- schen realen Mengen und abstrakten, symbolischen Zahlen zu begreifen. An- dersherum lässt sich daran, wie dieses Bündeln von den Studenten in einem ihnen nicht vertrauten Zahlsystem mit der Entstehung einer Zifferndarstellung in Einklang gebracht wird, erkennen, ob diese die Prinzipien der Zahldarstel- lung in vom Zehnersystem abstrahierter Form verinnerlicht haben. Diesen fachlichen und didaktischen Aspekten widmet sich das erste von drei Kapiteln, dieser Arbeit.
Im zweiten Kapitel werden die Datengrundlage, an der diese Beobachtungen erfolgen sollen, Videointerviews mit Studenten, sowie deren Erhebung darge- stellt. Anschließend wird der forschungsmethodische Ansatz der Grounded Theory skizziert, bevor ein auf dieser Basis bereits entwickeltes Instrument, ein Kategoriensystem, zur qualitativen Analyse der Daten vorgestellt wird.
Dessen Anwendung auf frisch gewonnene Daten sowie seine Evaluation und Weiterentwicklung bilden den Schwerpunkt dieser Arbeit und erfolgen im drit- ten und umfangreichsten Teil. In einem ersten Schritt werden die in den neu erhobenen Interviews gemachten Beobachtungen beschrieben und interpre- tiert. In einem zweiten Schritt wird das Kategoriensystem auf die neuen Daten angewendet und damit einer Bewährungsprobe auf Verständlichkeit und An- wendbarkeit auf Vorkommnisse in den neu erhobenen Daten unterzogen. Ziel ist es, formale und inhaltliche Unstimmigkeiten zu beseitigen und es so aus- zuschärfen, dass es geeignet ist, auch neu hinzukommende Phänomene zu erfassen. Schließlich wird neuen Gesichtspunkten, die bisher keine Berücksichtigung erfuhren aber in den Interviews besonders auffällig waren, Aufmerksamkeit geschenkt und diese als neue Kategorien hinzugefügt.
Am Ende dieser Arbeit wird eine kritische Reflexion des Vorgehens ebenso Platz finden wie ein Ausblick auf die weitere Verwendung des überarbeiteten Instruments in der Zukunft.
Hinweise zu Abkürzungen und Schreibweise
Die Bündelgrößen werden in der Potenzschreibweise angegeben (z.B. 41 er-Bündel für 4er, 4²er-Bündel für 16er-Bündel).
Zahlen von Null bis Zwölf werden nur dann als Wort ausgeschrieben, wenn sie nicht als mathematische Begriffe verwendet werden.
Wenn eine Zahl als Abfolge ihrer Ziffern gesprochen wird, wird dies deutlich gemacht, indem ein Bindestrich zwischen die Ziffern gesetzt wird. Bsp: gesprochen „Einsnullnull“ wird verschriftlicht als 1-0-0.
Häufig verwendete Begriffe werden nach ihrer Einführung abgekürzt.
Die Ziffernangaben in eckigen Klammern sind im Format [mm:ss] und beziehen auf den Zeitpunkt im Video der entsprechenden TPN.
In der gesamten Arbeit schließt der generische Ausdruck Student sowohl männliche als auch weibliche Studenten ein.
2 THEORIE
2.1 Einbettung der Arbeit
Das KLIMAGS-Projekt
Diese Arbeit ist in das laufende Promotionsvorhaben von Frau Jana Kolter eingebunden, welche wiederum selbst eingebettet ist in das Teilprojekt KLI- MAGS (Kompetenzorientierte Lehr-Innovationen für das Mathematikstudium Grund-Schule) - der AG Mathematik im Lehramt Grund-, Haupt- und Real- schule (AG GHR-Math) des Kompetenzzentrums „Hochschuldidaktik Mathe- matik“ (khdm), einer Zusammenarbeit der Universitäten Paderborn und Kas- sel. Das khdm verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, „wissenschaftliche Grundlagen einer fachbezogenen Hochschuldidaktik in mathematikhaltigen Studiengängen zu entwickeln, Lehrinnovationen zu implementieren und wis- senschaftlich zu evaluieren und die Hochschuldidaktik Mathematik in Deutschland nachhaltig und international vernetzt zu verankern“ (khdm, 2013).
Die Projektleiter, sich stützend auf bisherige Forschungsergebnisse, gehen davon aus, dass Fachwissen eine notwendige Voraussetzung für das spätere Unterrichten ist. Dementsprechend ist ein Ziel der KLIMAGS die inhaltliche und methodische Verbesserung der mathematischen Fachausbildung im ers- ten Studienjahr.
Die Ziele und damit korrespondierenden Forschungsinhalte von KLIMAGS sind zunächst die Entwicklung und empirische Prüfung von Kompetenzmo- dellen für Grundschulstudierende in den Inhaltsbereichen Arithmetik und Ge- ometrie.
Weiterführende Informationen stehen auf der Internetseite des khdm zur Verfügung (khdm, 2013).
Promotionsvorhaben Jana Kolter
Das Promotionsvorhaben von Jana Kolter ist angegliedert an das oben be- schriebene KLIMAGS-Projekt. In diesem Zusammenhang wird untersucht, welche Vorstellungen Studenten des Grundschullehramts zu Bündelungspro- zessen haben und wie diese sich im Verlauf des Studiums entwickeln. Sowohl in der Grundschulmathematik wie in der Ausbildung von Grundschullehrern ist das Bündelungsprinzip ein zentrales Thema. Trotzdem gibt es zwar Be- schreibungen des Prinzips aus fachlicher und didaktischer Sicht, es wurde aber bisher nicht erforscht, wie sich Vorstellungen hierzu beim Lernenden ent- wickeln. Das Promotionsvorhaben ist bestrebt, erste Einsichten dazu zu ge- winnen. Konkret sollen zuerst adäquate Grundvorstellungen zu Bündelungs- prozessen im Stellenwertsystem theoretisch beschrieben, dann in einem In- terviewleitfaden operationalisiert und schließlich tatsächlich vorhandene Vor- stellungen hierzu sowie deren Entwicklung im Studienverlauf untersucht wer- den.
Hier setzt die vorliegende Arbeit an: sie versucht mithilfe der Grounded-The- ory-Methode, diese wird im Fortgang dieser Arbeit näher erläutert, aus vorliegenden Interviews mit Studenten deren Vorstellungen zu Bündelungsprozessen herauszuarbeiten.
Ausgangsbasis: bereits entwickeltes Kategoriensystem
Im empirischen Teil wird stetig Bezug genommen auf ein Kategoriensystem, das im vergangenen Jahr von Frau Maria-Christina Schneider entwickelt wurde. Dies geschah im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit, die in demselben Forschungskontext angefertigt wurde. Jene Arbeit hatte zum Ge- genstand, „Analysen zur Entwicklung der Vorstellungen von Grundschullehr- amts-Studierenden zu Bündelungsprozessen im Verlauf des ersten Studien- semesters“ durchzuführen. Es wurde ein Kategoriensystem entwickelt, das ermöglichen soll, die Vorstellungen der Studenten zu systematisieren. Daten- grundlage für diese Arbeit waren insgesamt zehn Interviews mit fünf Studen- ten, die je zu zwei Testzeitpunkten befragt wurden. Der erste Testzeitpunkt,
T1 abgekürzt, fand unmittelbar zu Beginn des Wintersemesters 2011/2012 statt, der zweite, T2, lag am Ende desselben Semesters.
Auf der Grundlage des Datenmaterials der Testzeitpunkte T1 und T2 wurden von Frau Schneider diese sieben verschiedene Dimensionen, Kategorien ge- nannt, identifiziert und in beobachtbaren Ausprägungsgraden spezifiziert:
1. Äußere Struktur: Werden die Steinchenbündel in eine Ordnung ge- bracht?
2. Bündelgröße: Ist die gewählte Bündelgröße korrekt im Bezug auf die Basiszahl?
3. Innere Bündelstruktur: Sind die Bündel im Innern strukturiert?
4. Zusammenhang zwischen Material und Ziffernschreibweise/ -abfolge: Ist der Zusammenhang zur Ziffernschreibweise aus der finalen Stein- chenanordnung erkennbar?
5. Auftauchen von Schwierigkeiten: Treten im Bündelungsprozess Feh- ler/ Schwierigkeiten auf und wenn ja, bei welcher Potenz?
6. Umgang mit dem Material: Souverän oder zögerlich, Ausweichen auf Notation oder mündliche Erklärungen?
7. Verständnis vom 4er-System: Ist das Bündeln im 4er-System verstan- den worden?
Dieses Kategoriensystem wird im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit anhand der vorliegenden, neuen Daten auf seine Schlüssigkeit geprüft, soweit wie möglich optimiert und um neue Gesichtspunkte, die bisher noch nicht be- trachtet wurden, erweitert. Dieser spiralförmig ablaufende Prozess der Ent- stehung des Kategoriensystems ist ganz im Sinne der zugrundeliegenden Forschungsmethode.
Im Zuge seiner Evaluierung wird das Kategoriensystem in einem späteren Kapitel abschnittweise tabellarisch vorgestellt, bevor eine überarbeitet Version entwickelt wird. Eine tabellarische Form der gesamten Basisversion befindet sich im Anhang dieser Arbeit.
2.2 Fachinhaltliche Aspekte
Unser Zahlensystem beruht auf dem dekadischen Stellenwertsystem, auch Dezimalsystem genannt. Wenn wir uns intensiver mit unserem Zahlsystem beschäftigen wollen, stehen wir vor zwei Grundschwierigkeiten, die Neubrand und Möller auf den Punkt bringen (Neubrand & Möller, 1990, S. 155). Die eine ist die Vertrautheit mit der Zahldarstellung im Zehnersystem, die dazu führt, dass wir nicht hinterfragen, welche Systematik ihr zugrundeliegt. Die andere ist, dass wir uns aufgrund der Allgegenwart des Zehnersystems kaum eine andere Art der Zahldarstellung vorstellen können.
In diesem Kapitel soll unser eigenes Zahlsystem beleuchtet werden. Um es besser zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst kontrastierende Arten der Zahl- darstellung näher zu betrachten. Es wird, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, ein kleiner Abriss der Evolution von Zahldarstellungen gegeben. Im Anschluss werden grundsätzliche Eigenheiten von Stellenwertsystemen herausgestellt, wobei im Besonderen auf den Spezialfall des Dezimalsystems eingegangen wird.
Historische Zahldarstellungen
Anfänge der Zahldarstellung
Unser heutiges Zahlensystem, unsere moderne Form der Zahldarstellung ist das Ergebnis einer Jahrtausende währenden Entwicklung, an deren Anfang die Darstellung von Anzahlen mit Hilfe unstrukturierten Zählmaterials stand. Nach Rödler (vgl. Rödler, 2006, S. 55) sind die ältesten Zahldarstellungen gekerbte Wolfsknochen, auf denen sich unstrukturierte Reihen von Kerben befinden, mit deren Hilfe man die Anzahl an Elementen in einer Menge fest- halten wollte. In Äthiopien legten Krieger, die in eine Schlacht zogen, je einen Stein auf einen Haufen. Jeder, der zurückkehrte, nahm wieder einen weg: so ermittelte man, wie viele zurückgeblieben waren (vgl. ebenda).
Ein Fortschritt bestand darin, in dieser Menge zu strukturieren. Schon seit frühester Menschheit wurden Kerbhölzer benutzt, die bei jeder Kerbe abweichend gekerbt wurden. So wird die Darstellung übersichtlicher.
Aber „alle konkreten Bündelungen, d.h. solche, die die Menge in ihrer Dimen- sion erhalten, haben den Nachteil, dass sie sich nur für kleinere Anzahlen bis maximal den Hunderterbereich eignen“ (vgl. Rödler, 2006, S. 64). Darüber hinaus würden sie unpraktisch, schon weil man eine sehr große Menge Ge- genstände braucht bzw. eine Menge Markierungen (Kerben, Striche) machen muss.
Symbolische Bündelungen
Kulturhistorisch fand hier ein Sprung statt mit der Einführung neuen Zählma- terials. Statt einen einheitlichen Gegenstand oder ein einheitliches Zeichen für jedes Element der Menge zu benutzen, wurden Symbole eingeführt, die für eine Bündelgröße standen. Diese Bündelungen begannen häufig mit dem Fünfer, in anderen Kulturen wurde ausschließlich im Zehnersystem gebündelt (vgl. Rödler, 2006, S. 66). Diese Symbole konnten dinglich sein, d.h. man tauscht eine bestimmte, größere Anzahl Objekte in eins, das sich in Form und/ oder Größe unterschied, also z.B. fünf oder zehn kleine Objekte gegen ein großes, oder eine bestimmte Anzahl Kugeln in einen Kegel.
„Die Bündelung ist die wichtige Erhebung über das ungegliederte Reihenzäh- len“ konstatiert Menninger (Menninger, 1979, S. 53). Ist einmal mit der Bün- delung begonnen, könne diese Aufwärtsbündelung unbegrenzt fortgesetzt werden. Menninger führt als Beleg für die Tragweite dieses Bündelns an, „dass die Abbildung dieser Aufwärtsbewegung zur frühen Zahlschrift der Völ- ker führt“ (Menninger, 1979, S. 53). Als Beispiele für frühe Zahlschriften kön- nen die Hieroglyphen der Ägypter oder die Keilschrift der Babylonier angeführt werden.
Ägyptische Zahlzeichen - dezimales Additionssystem
Bei den Ägyptern findet sich bereits ein Dezimalsystem. In der hieroglyphi- schen Schrift benutzten sie je ein Schriftzeichen für jede Zehnerpotenz. Ihre Methode, Zahlen so zu schreiben, war rein additiv: das Zeichen jeder Potenz
wurde so oft wiederholt wie nötig. Man brauchte aber immer noch Anzahl der gleichartigen Symbole b-1, sowie ein andersartiges Zeichen je Bündelgröße.
Abb. 1 Beispiel Zahldarstellung in ä gyptischer Hieroglyphenschrift, in Anlehnung an M ü ller, Steinbring, H. & Wittmann, 2004, S. 142
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der späteren hieratischen und noch jüngeren demotischen Schrift konnten Zahlen kürzer dargestellt werden, es wurden aber erheblich mehr verschie- dene Zeichen dafür benötigt. Beide Schriften hatten für jede der neun mögli- chen Ziffern je Position ein eigenes Zeichen. Das war zwar platzsparend, er- forderte jedoch das Beherrschen einer großen Menge an Symbolen. Für die Null war kein Zeichen erforderlich, da die 10er Potenz am Zeichen ablesbar war.
„Die Ägypter benutzten kein Stellensystem, bei dem für die Einer, Zehner, Hunderter usw. immer dieselben Ziffern benutzt werden. Vielmehr gebrauchten sie in ihrer gesamten Geschichte für Einer, Zehner, Hunderter usw. je eigene Zahlzeichen. Mit solchen Zahlen ist genauso schwer zu rechnen wie mit den römischen Zahlen“ (Hoffmann, 2000, S. 112).
Die Sumerische bzw. Babylonische Zahlschrift - unbestimmten Stellenschrift zur Basis 60
Wenn hier von der sumerischen bzw. der babylonischen Zahlschrift die Rede ist, so liegt das daran, dass das Gebiet, in dem die Sumerer lebten, von den Babyloniern erobert wurde. Diese übernahmen jedoch deren Zahlenkultur und entwickelten sie weiter. Von daher entwickelten sich die spätere babylonische Zahlschrift und Zahldarstellung unmittelbar aus der früheren sumerischen.
Wie die Ägypter besaßen die Sumerer zu Anfang eine Zahlschrift, die jeder Einheit ein eigenes Zeichen gab, diese aneinanderreihte und sie dann zu ei- ner neuen Einheit bündelte. Zunächst wurden die Zahlzeichen mithilfe eines Rundstäbchens in Tontafeln eingedrückt. Später ging man zu einer Keilschrift über, bei der statt des an den Enden abgerundeten Stäbchens ein kantiger Zahlengriffel verwendet wurde (vgl. Menninger, 1979, S. 176f).
Die in der Keilform verwendeten Zeichen für die Werte 1 und 60 (daneben gab es weitere Zeichen für die Werte 10, 60*10, 60², 60²*10 und 60³) unterschie- den sich lediglich in ihrer Größe: ein kleiner Keil stand für die 1, ein großer für die 60. Mit der Zeit wurde die Unterscheidung der Klein- und Großschreibung vernachlässigt, woraus, nach Menninger einmalig in der Geschichte der Zahl- schrift, die Stellenschrift hervorging (vgl. Menninger, 1979, S. 177f). Es wur- den in der Folge nur noch zwei Zeichen verwendet, der Keil für die 1 und der Winkel für die 10, aus denen alle Ziffern von 1 bis 59 additiv gebildet werden konnten.
In der Zahldarstellung herrschte nunmehr das Gesetz der Größenfolge: die linke Zahl ist größer als die jeweils rechts davon. Da aber eine Innen- oder Schlussnull fehlt, ist aber das Gesetz der Größenordnung nicht gewahrt: man weiß zwar, dass das Zeichen weiter links größer ist, man weiß aber nicht, um welche Potenz von 60 (vgl. ebenda).
Die Babylonier arbeiteten mit der Ordnungszahl 60, wobei diese nach Men- ninger eher zufällig entstanden ist. Der Alltag der Babylonier machte es erfor- derlich, zwei gebräuchliche Maße, ein Großmaß und ein Kleinmaß miteinan- der zu verbinden. Geläufig wurde mit den Brüchen 1/2, 1/3, 2/3 gearbeitet. Die 60 wurde als Anschlusszahl eingeführt. Die kleinstmögliche Kittzahl 6 hätte die beiden sehr weit auseinanderliegenden Maße zu dicht aufeinandergerückt, von daher ist man auf das Zehnfache, die 60, als Trennung ausgewichen (vgl. Menninger, 1979, S. 175).
Stellenwertsysteme - dezimal und b-adisch
Das Zahlensystem, in das wir durch Sozialisierung hineingewachsen sind, und das von uns daher als natürlich empfunden wird, ist ein Stellenwertsystem zur Basis 10. Dies ist aber, wie sich in den folgenden Ausführungen zeigen wird, nur ein Spezialfall. Im Vergleich zu ihren Vorläufern bedeutet unsere heutige Zahlschrift einen Sprung vorwärts. Ihre Effizienz wird aber, so gibt Padberg zu bedenken, „erkauft durch einen deutlichen Verlust an Anschau- lichkeit und eine starke Steigerung der Abstraktion“ (Padberg, 1996, S. 82).
Frühere Zahlsysteme hatten teils bereits das Problem der großen Menge be- nötigter Zahlzeichen in den Griff bekommen, das babylonische Zahlsystem hatte, wie eben dargestellt nur zwei Zahlzeichen. Diese mussten aber in ihrer Zahldarstellung noch mehrere Zeichen bis zum gewünschten Wert addieren. In einem Stellenwertsystem wird diese Information von einem einzigen Zei- chen, der Ziffer, getragen.
Als Stellenschrift folgte die babylonische Zahlschrift auch bereits dem Prinzip der Größenfolge, nicht aber dem der Größenordnung. Auch dies kann ein Stellenwertsystem leisten, da an leeren Stellen eine Null als Platzhalter ein- gefügt wird.
Bündelung und Stellenwert
Stellenwertsysteme sind durch zwei zentrale Prinzipien gekennzeichnet. Zum einen den Begriff des Stellenwerts und zum anderen den Begriff der Bündelung (vgl. Krauthausen & Scherer, 2007, S. 17f).
„‘Bündeln‘ bedeutet, die Elemente einer vorgegebenen Menge […] zu gleich großen ('gleichmächtigen') Gruppierungen zusammenzufassen“ (Krauthausen & Scherer, 2007, S. 17). Wie viele Elemente diese Teilmengen besitzen, gibt die strukturgebende Zahl, die Basis vor. Im Dezimalsystem ist diese Strukturzahl die Zehn, allgemein gesprochen in einem b-adischen Sys- tem ist es b. Eine der Basis b entsprechende Anzahl von Elementen wird zu Bündeln 1. Ordnung zusammengefasst, bleibt bei diesem ersten Schritt ein Rest, so werden diese ungebündelten Elemente als Einer notiert. Wiederum b Bündel der Größe b werden zusammengefasst zu Bündeln 2. Ordnung, die dann b² Elemente enthalten. Der Vorgang, immer weiter Bündel n-ter Ordnung zu größeren Bündeln n+1ter Ordnung zusammenzufassen, bricht erst ab, wenn kein größeres Bündel mehr gebildet werden kann.
Der Vorteil besteht darin, dass nur b Ziffern benötigt werden, in unserem Zeh- nersystem die zehn Ziffern 0 bis 9, um jede beliebige Zahl zu notieren. Grö- ßere Anzahlen, die über 9 hinausgehen, können immer wieder zu Bündeln höherer Ordnung zusammengefasst werden, ohne dass neue Ziffern benötigt werden. Es ist Konsens, dass die Ziffern nach dem ansteigenden Wert ihrer Bündel von rechts nach links notiert werden (Krauthausen & Scherer, 2007, S. 17).
Notiert man die Ergebnisse solcher Bündelungsvorgänge, so erhält man eine bestimmte Folge von Ziffern. Neben der Information über die Anzahl der je- weiligen Bündel besitzt jede der Ziffern einen Stellenwert. Durch die Position bzw. die Stelle einer Ziffer innerhalb der Zahl erschließt sich der Wert dieser Ziffer. Die Zahl 999 beispielsweise besteht aus drei Mal der Ziffer neun, jede davon trägt aber einen anderen Wert, nämlich, von rechts nach links im Dezi- malsystem: neun, neunzig und neunhundert (Padberg, 1996, S. 82) bzw. neun Einer, neun Zehner, neun Hunderter. Diese Wert-zuweisenden Stellen, die Potenzen der Basiszahl, nennt man auch Stufenzahlen (vgl. Krauthausen & Scherer, 2007, S. 18).
Aus diesen beiden Prinzipien der Bündelung und des Stellenwerts ergibt sich, dass in Stellenwertsystemen jede Ziffer einer beliebigen Zahl gleich zwei In- formationen trägt (vgl. Krauthausen & Scherer, 2007, S. 17f; Padberg, 1996, S. 82):
1. Die Ziffer selbst gibt uns die Anzahl der Bündel der jeweiligen Mächtigkeit an (Anzahlaspekt, Zahlenwert der Ziffer)
2. die Position der Ziffer gibt Auskunft über die Mächtigkeit des jeweiligen Bündels (Stellenwert der Ziffer).
Konkret an einem Beispiel: was bedeutet die Zahl 123? Die Ziffern 1, 2 und 3 geben uns die Anzahlen der Bündel in aufsteigender Mächtigkeit der Poten- zen der Basiszahl von rechts nach links an. Da keine abweichende Basis an- geben wurde, wird die Zehn als Strukturzahl benutzt: also drei Einer, zwei Zehner und ein Hunderter, bzw. in abstrakterer Potenzenschreibweise 1*10²+2*101 +3*100.
Das Dezimalsystem
Das gegenwärtig dominante Zahlsystem ist ein Stellenwertsystem, das auf der Basis Zehn aufbaut. Jede Stelle einer Zahl repräsentiert eine ganzzahlige Potenz von 10, daher charakterisieren wir unsere Zahlschrift als dezimales Stellenwertsystem (vgl. Padberg, 1996, S. 82). Ganz links steht die größte, ganz rechts die kleinste ganzzahlige Potenz von 10. Innerhalb dieses Sys- tems haben alle ganzen Zahlen bis zehn einen eigenen Namen, ebenso wer- den die Zehnerpotenzen eigenständig benannt. Die Namen der übrigen Zah- len werden durch Zusammenfügen der Namen der vorangegangen Zahlen zusammengesetzt (vgl. Ifrah, 1987, S. 53).
Die fast universale Verwendung der Zehn als Basis, in allen mongolischen indoeuropäischen und semitischen Sprachen sind die Zahlsysteme auf der Zehn aufgebaut, geht wohl darauf zurück, dass der Mensch zehn Finger hat und das Zählen anhand seiner Finger gelernt hat (vgl. Ifrah, 1987, S. 55).
Abgesehen von ihrem Nutzen, wenn man an den Fingern abzählen will, hat die Zahl Zehn mathematisch wie praktisch kaum Vorteile gegenüber anderen Zahlen. Hätte man die Auswahl eines Zahlensystems einer Kommission von Fachleuten überlassen, so liest man bei Ifrah, der an dieser Stelle Dantzig zitiert (vgl. Ifrah, 1987, S. 58), so hätten die Praktiker unter ihnen für eine Zahl mit vielen Teilern, z.B. die 12 gestimmt, die Mathematiker dagegen wohl für eine Primzahl, weil dann eine Zahl nur in einer einzigen Weise dargestellt werden könnte.
Trotzdem hat die Basis Zehn gewisse Vorteile gegenüber einer sehr viel grö- ßeren Zahl wie der 60 oder der 100, denn ihre Größenordnung ist für das menschliche Gedächtnis gerade noch zu überschauen. Auch braucht man nur wenige Zahlwörter und das Einmaleins ist nicht zu groß, um es auswendig zu lernen. Gegenüber einer kleinen Basis wie zwei oder drei hat die Basis zehn den Vorteil, dass auch recht große Zahlen durch eine überschaubarere An- zahl an Ziffern wiedergegeben werden können (vgl. Ifrah, 1987, S. 58).
b-adische Stellenwertsysteme
Die 10 ist aber nicht die einzig mögliche Strukturzahl, sie ist ein „Spezialfall“. Möglich sind Systeme zu jeder Basis >1. Handelt es sich bei den Stufenzahlen um Potenzen zur Basis 2,3,4,…, dann spricht man vom Binärsystem (Dual- system), Dreiersystem, Vierersystem, bzw. allgemein von einem b-adischen System, wenn b die Basiszahl des Stellenwertsystems ist. Die Ziffern des je- weiligen Systems bezieht es aus der Menge {0,1, 2,…,b-1}. Im Vierersystem gibt es also z.B. nur die vier Ziffern 0, 1, 2 und 3 (vgl. Krauthausen & Scherer, 2007, S. 18). Um Zahlenangaben zu einer anderen Basis, hier speziell im Vie- rersystem, von Zahlenangaben im Dezimalsystem unterscheiden zu können, müssen diese Zahlen besonders gekennzeichnet werden. Hier geschieht das, indem sie in Klammern gesetzt und die 4 als Basiszahl kenntlich gemacht wird. Die Zahl 123 wird entsprechend im Vierersystem notiert als (1323)4.
Jede natürliche Zahl kann im Vierersystem angeben werden, indem sie in Viererpotenzen notiert wird. Als Beispiel diene wieder die Zahl 123:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Zahl 123 lässt sich auch völlig analog zur weiter oben gegebenen ausführlichen Schreibweise in der Zehnerbasis in der Form
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ausschreiben. Jedoch fällt die erstere Schreibweise in Viererpotenzen durch Rückgriff auf die vertraute Sprache des dezimalen Stellenwertsystems leichter (Padberg, 1996, S. 85).
Kulturgeschichtlich hatten und haben auch Systeme zu anderen Basen neben der Zehn Bedeutung. Vertiefende Ausführungen und Beispiele finden sich bei- spielsweise bei Ifrah (Ifrah, 1987) und Menninger (Menninger, 1979). Hier sei exemplarisch nur auf zwei verwiesen, die noch heute verwendet werden.
Zunächst sei das Sexagesimalsystem erwähnt, das die Zahl Sechzig als Basis verwendet und dessen wir uns noch im Zusammenhang mit der Zeitbestimmung und der Winkelberechnung bedienen. Zur Geschichte und Verwendung des 60er-Systems sei hier auf Ifrah verwiesen, der sich diesem ausführlich widmet (Ifrah, 1987, S. 69ff).
Ein modernes Beispiel für die Verwendung eines von der Zehn abweichenden Stellenwertsystems ist das im Kontext der Informatik verwendete Binärmodell, in dem die Ziffern 0 und 1 benutzt werden. Dies ist in diesem Bereich zweck- mäßig und technisch bedingt, da die Digitalrechnung ein logisches System ist, das auf genau zwei konträre Zuständen aufbaut: Strom an oder Strom aus, für die je eine Ziffer benötigt wird (vgl. Ifrah, 1987, S. 83).
2.3 Didaktische Aspekte
B ü ndelungsprinzip
Hinter unsrem Stellenwertsystem steckt, wie eben dargelegt wurde, die Idee der Bündelung. Es gibt zwei unterschiedliche Verfahrensweisen, die Zahldar- stellung einer Menge zu erzeugen. Die Algorithmen zu beiden Verfahrenswei- sen werden auch in der Fachvorlesung Arithmetik an der Universität Kassel gelehrt. Entsprechend der Reihenfolge, in der man die die Ziffern der gesuch- ten Zahl erhält, wird unterschieden in „von rechts nach links“ und „von links nach rechts“. Krauthausen und Scherer unterscheiden zwischen der Benen- nung fortgesetzte Division durch b (mit Rest) für das erstgenannte und Aus- wiegen für das letztere.
Anschauliches Bündeln am Beispiel
In den Interviews mit Studenten, welche die Grundlage dieser Arbeit sind, sollten 123 Dekosteine im 10er bzw. im 4er System gebündelt werden. Dies ist mit der gegebenen Menge an Material mit beiden Methoden, die im Folgenden geschildert werden, denkbar.
Um auf Besonderheiten der individuellen Lösungswege besser eingehen zu können bzw. diese zu bemerken, werden im Folgenden die idealtypischen Lösungen, wie sie den beiden Verfahren entsprechen, beschrieben.
Divionsalgorithmus bzw. „von rechts nach links“
Gegeben ist eine Menge mit einer unbekannten Anzahl an Elementen deren Anzahl ermittelt werden soll. Die Basis des Systems, muss gegeben sein. Ziel ist es nun, die Elemente der Menge auszuzählen und zu der Zifferndarstellung der Anzahl zu kommen. Von „von rechts nach links“ bedeutet, dass die Ziffern der Zahl von rechts nach links, also von der b0 Stelle zur höchsten Stelle er- mittelt werden. Die theoretische Grundlage hierfür ist die Division mit Rest. Sukzessiv werden Bündel der Größe b gebildet, es werden nacheinander gleichmächtige Teilmengen gebildet, mathematisch wird die Menge immer wieder durch b geteilt. Bei diesem Bündeln bleibt entweder ein Rest kleiner b oder die Division geht ohne Rest auf, d.h. es lassen sich alle Elemente in b Bündel zusammenfassen. Durch die erste Bündelung in Gruppen mit der Mächtigkeit b ergibt sich ein Rest <b, der die letzte Ziffer der Zahldarstellung im b-adischen System ist.
Im nächsten Schritt werden nun je die Anzahl b der eben gebildeten Bündel der Größe b zu Bündeln der Größe b² zusammengefasst. Die zweite Ziffer von rechts ergibt sich durch den bei diesem Vorgang bleibenden Rest, der wieder kleiner als b ist. Dieser Vorgang wird so lange fortgeführt bis er ab- bricht, wenn kein nächstgrößeres Bündel mehr gebildet werden kann. Dies kann auch bereits bei der Bündelgröße b0 der Fall sein, dann ist die Zahl nur einstellig.
Die Zahldarstellung der Menge ergibt sich also durch fortgesetztes Bündeln. Hierbei wird immer wieder bis b gezählt, wobei der Zahlname b die Zahl 10 zur Basis b darstellt. Dadurch, dass jedes Element einzeln abgezählt wird, kann die Zahl auch innerlich strukturiert werden, indem immer die Bündel der Größe b erhalten bleiben.
Enaktives Bündeln: idealtypisch nach Divisionsmethode
Zehnersystem
Zunächst werden sukzessiv Zehnerpäckchen gebildet. Dabei entstehen zwölf, es bleibt ein Rest von drei Einzelnen, welche beiseite gelegt werden. Im nächsten Schritt werden zehn der zwölf Zehnerpäckchen zu einem Hunderter vereinigt. So ergeben sich drei Gruppierungen: ein Hunderter, zwei Zehner und drei Einer. Diese sollten idealerweise so auf dem Tisch angeordnet werden, dass sie der aufsteigenden Größe der Bündel nach von rechts nach links angeordnet sind. Diese Steinhäufchen repräsentieren die Ziffern der dreistelligen Zahl, die nun abgelesen werden kann: 123.
Vierersystem
Es werden jeweils vier Steinchen abgezählt und zusammengelegt, bis kein Viererbündel mehr gebildet werden kann. So erhält man 30 Viererpäckchen und drei einzelne Steine. Vier Viererpäckchen werden im nächsten Schritt wieder zu einem größeren Bündel zusammengelegt, sodass sieben 4²-Päck- chen entstehen. Vier dieser sieben können noch einmal zu einem Bündel der Größe 4³ zusammengefasst werden, drei 4²er bleiben als Rest. Werden die in jedem Bündelungsschritt gebliebenen Reste nach aufsteigender Größe von rechts nach links angeordnet, lässt sich die Zahldarstellung im Vierersystem ablesen: (1323)4.
Dies wäre idealtypisch. Es ist aber nicht unbedingt notwendig, die Bündel in dieser Reihenfolge und Anordnung hinzulegen, es genügt auch, sich einen Überblick zu verschaffen und das Ordnen zur Zahl im Kopf vorzunehmen.
„Potenzenfischen“ bzw. „von links nach rechts“
Beim zweiten Algorithmus ist wieder eine Menge mit einer zu ermittelnden Anzahl an Elementen gegeben. Die in den Potenzen der einzelnen Stellen in diesem b-adischen System enthaltenen Anzahlen müssen bekannt sein bzw. ermittelt werden, zumindest beim schriftlichen Verfahren. Beim enaktiven Ver- fahren ist dies nicht zwingend notwendig, dies wird weiter unten begründet. Doch zunächst zum schriftlichen Algorithmus. Zuerst muss herausgefunden werden, welche maximale Potenz von b in welcher Anzahl in der Menge ent- halten ist. Die Anzahl der ermittelten größtmöglichen Bündel ergibt die links stehende Ziffer der gesuchten Zahl. Mit der verbleibenden Restmenge wird das Verfahren mit der nächstniedrigeren Potenz erneut durchgeführt, bis das Verfahren abbricht. Ist es an einer Stelle nicht möglich, ein Bündel mit der Anzahl der entsprechenden Potenz zu füllen, wird eine Null notiert. So wird weiter verfahren, bis eine Restmenge kleiner als b1 übrigbleibt, die an der Ei- nerstelle notiert wird. Dieses Verfahren ließe sich auch mit dem Begriff „Po- tenzenfischen“ oder „Auschöpfungsalgorithmus“ beschreiben.
Wenn die Zahl symbolisch gegeben ist, kann probiert, welche größte Potenz der Basis hineinpasst. In diesem Fall ist auch die Mächtigkeit der Menge klar.
Im enaktiven Fall, wenn das fassbare Material vorliegt, kann bei einer kritischen Anzahl von Elementen nicht mehr abgesehen werden, welche die größte hineinpassende Potenz ist. Dann wären entweder Werkzeuge hilfreich oder es muss eine Strukturierung gefunden werden, die frustrierende Versuche ersparen kann, diese größte Potenz zu finden.
Zunächst kurz zu den erwähnten Werkzeugen: denkbar wäre es, eine Art „Rüttelsieb“ zu benutzen. Dieses Sieb hätte Vertiefungen, in denen bei Bewegung in horizontaler Ebene je ein Element liegenbliebe. Zweckmäßig wäre eine Reihe dieser Siebe mit verschiedenen Anzahlen von Vertiefungen, die den Potenzen der Basiszahl entsprechen. So könnte man von oben nach unten vorgehen: zuerst mit einem geeigneten Sieb die größte Potenz abfischen, dann den Vorgang mit kleineren Sieben fortsetzen.
Ein anderes Hilfsmittel können Behältnisse sein, deren Fassungsvermögen dem Rauminhalt von bn Elementen entspricht. Dann könnte man die größte Potenz abschöpfen.
Im Folgenden möchte ich eine Struktur vorstellen, die dazu geeignet ist, das Verfahren auch händisch ohne Hilfsmittel umzusetzen. Wichtig ist, dass von vornherein gemäß der Basis des b-adischen Systems strukturiert wird. Auch bei diesem Verfahren werden, genau wie beim ersten, Bündel der Größe b gebildet. Diese werden in einer Reihe angeordnet. Ist die Reihe b Elemente lang, wird darunter die nächste Reihe der Länge b gelegt. Nach b Reihen wird zur besseren Übersicht eine Lücke gelassen. Idealerweise werden die b Reihen der Länge b zu einem Quadrat gelegt.
Unterhalb (auch neben oder über, das ist unerheblich) wird dies Verfahren fortgesetzt, bis b Quadrate nebeneinanderliegen. Bei b-adischen Systemen, deren Basis eine Quadratzahl ist, können diese Quadrate auch wieder zu einem größeren Quadrat gelegt werden.
Neben die Reihe der b Quadrate der Größe b*b werden noch b-1 gleichartige Reihen auf dieselbe Weise gelegt, bzw. im Fall einer Quadratzahl wird das Quadrat der Größe b*b zu einem Quadrat der Größe b*b*b vergrößert. Dieses Strukturierte Legen wird solange fortgesetzt, bis auf dem Weg die Elemente ausgehen.
Dann ist die gelegte Struktur zu betrachten: Wie viele der größtmöglichen Rei- hen gibt es, wie viele der jeweils kleineren Größe, bis die einzelnen Elemente erfasst werden. Dabei ist die Anzahl der Strukturen der größten Ausdehnung die höchste Ziffer der Zahl, die in der Zahldarstellung ganz links steht. Die jeweils eins niedrigere Struktur ist die nächste Stelle von links. Ist eine Bün- delgröße nicht vorhanden, wird an dieser Stelle eine Null notiert.
Es wird hier also angestrebt, möglichst große Bündel zu legen. Natürlich lässt sich die Zahl auch von rechts nach links ablesen, ihre Entstehung entspricht aber vom Prinzip her dem Verfahren „von links nach rechts“.
Von links nach rechts
Zehnersystem
Zunächst werden zehn Steinchen abgezählt und in eine Reihe gelegt. Oberhalb dieser ersten Reihe werden weitere Zehnerreihen angelegt, bis zehn Reihen übereinanderliegen. Werden idealerweise zwischen den Steinchen immer die gleichen Abstände eingehalten, ensteht so ein 10x10 Steinchen großes Quadrat, der Hunderter.
Mit ein wenig mehr Abstand werden weiter Zehnerreihen angelegt. Es ist mög- lich, noch zwei weitere komplette Zehnerreihen zu legen. Wiederum mit etwas Abstand werden jetzt die verbleibenden Steine angelegt. Der Abstand kann im Nachhinein noch eingefügt werden und dient der besseren Übersichtlich- keit der Anordnung.
Aus dieser strukturierten Anordnung lässt sich die Zahl ablesen: ein Hunderter(quadrat), zwei Zehner(linien), drei Einer(steinchen).
Abb. 2: Strukturierte Anordnung von 123 Elementen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mögliche Variante, wenn die Anzahl der Steinchen bekannt ist:
Ist bekannt, dass 123 Steine auf dem Tisch liegen, so können die TPN leicht ermitteln, dass in 123 ein Hunderter enthalten ist mit dem Rest 23. Sie müssen dann nur 23 Steine abzählen, die sie aus der Menge herausnehmen. Eigentlich genügt es, zwanzig Steine bzw. zwei Mal zehn Steine abzuzählen, die der 10²er Stelle; den Rest von drei einzelnen Steinen können auch mit einem Blick simultan erfasst und mit einem Griff beiseite genommen werden. So kommt man mit geringem Aufwand zur Zahldarstellung.
Vierersystem
Im ersten Schritt werden 4 Steinchen nebeneinandergelegt. In den folgenden legt man Steinchen weiter so an, bis möglichst exakt ein Quadrat von 4x4 Steinchen entsteht. Mit etwas Abstand legt man eine weitere Viererreihe, die man zu einem weiteren Quadrat erweitert. Dieses Verfahren führt man fort, bis vier 4x4 Quadrate, die wiederum in einer Quadratstruktur liegen, also 64 bzw. 4³ Elemente strukturiert gelegt wurden. Mit dem Ziel, wenn möglich ein Quadrat der Größe 4x4x4x4 zu bilden, fährt man nun fort, indem man mög- lichst exakt die Struktur einhaltend, d.h. anknüpfend an das 4³er-Quadrat, da- mit beginnt, weitere 4er Reihen zu Quadraten zu legen. So lassen sich noch drei weitere 4x4 Quadrate vervollständigen. Weitere Quadrate dieser Größe können nicht mehr gebildet werden, es können aber noch zwei vollständige Viererreihen gelegt werden. In der letzten unvollständigen Reihe liegen am Ende des Prozesses drei einzelne Steinchen. Das 4*4 er ist das größte Quad- rat mit einer Seitenlänge eines Vielfachen der Zahl vier, das gebildet werden konnte, die nächsthöhere Quadratstruktur, also 44, konnte nicht mehr erreicht werden. Auf dem Tisch liegen nun ordentlich strukturiert ein Quadrat der Größe 4*4*4, also 1*4³, drei Quadrate der Größe 4*4 (also 3*4²), zwei Vierer- reihen (2*41 ) und drei Einzelne Steine in einer unvollständigen Reihe (3*40 ). Daraus lässt sich die Zahldarstellung (1323)4 ablesen. Zur Verdeutlichung diene die folgende Abbildung 3.
Abb. 3: Strukturierte Anordnung von (1323) 4 Elementen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dies ist die Art, in der idealerweise verfahren werden sollte. Doch es gibt meh- rere Faktoren, die dazu beitragen können, dass sich die TPN entscheiden, abweichend vorzugehen. Dann können auch die Methoden „von links nach rechts“ und fortgesetztes Abzählen im Zehner oder Vierersystem erscheinen.
Die Ausgangslage in den Interviews unterscheidet sich vor Beginn der Zeh- nerbündelung: Manche TPN bekommen mitgeteilt, wie groß die Menge der Steine ist, dass es 123 Stück sind, andere erhalten diese Information nicht. Erstere könnten also bei der enaktiven Bündelung des Materials die Methode „von links nach rechts“ anwenden, selbst wenn sie nicht dermaßen strukturiert vorgehen, wie es hier für deren händische Umsetzung beschrieben wurde. Für diejenigen, die diese Information nicht haben, ist die alternative Methode geeignet.
Doch bei der Bündelung im Vierersystem wissen alle TPN, wie viele Steine auf dem Tisch liegen, denn sie haben die Anzahl bereits ermittelt. Hier hätten alle TPN die Möglichkeit, eines der beiden Verfahren zu nutzen.
Vergleich / Verwendung der Methoden
Diese zwei unterschiedlichen Methoden sind in unterschiedlichen Kontexten nützlich und zweckmäßig. Die erste Methode eignet sich zum Abzählen von Elementen einer Menge auch wenn diese sehr groß ist. Sie insofern einfach, als dass immer nur wiederholt bis b gezählt werden muss.
Die Methode „von links nach rechts“ bietet sich als Verfahren an, wenn man eine gegebene Menge konkreter Gegenstände in maximalgroße Bündel- bzw. Verpackungsgrößen füllen möchte, ohne alle Elemente zunächst in die kleins- ten Bündel zu packen und anschließend fortgesetzt zu bündeln, bis man bei der maximalen Bündelgröße angelangt ist. Beispielsweise möchte man losen Reis in Behälter füllen. Man beginnt mit einer Containerfüllung, nur die Reste, die einen Container nicht ausfüllen, kommen in einen Sack. Bleiben wiederum Reste, die einen solchen Sack nicht füllen, werden diese in einen Beutel ver- packt usw. bis zur kleinsten vorgesehenen Verpackungsgröße bzw. einzelnen Reiskörnen. Der kritische Punkt ist hier der Anfang des Verpackungsprozes- ses: Welche maximale Verpackungseinheit kann komplett befüllt werden?
Will man aber zu einer symbolischen, abstrakten Zahldarstellung kommen, muss man sich einer geometrischen Anordnung der Elemente bedienen, wie oben beschrieben. Dies wird zunehmend schwieriger, umso größer die Anzahl der Elemente ist. Daher ist diese Methode für das händische Bündeln unstruk- turierten Materials, wie es in den Interviews verwendet wurde, begrenzt ge- eignet: übersteigt die Anzahl der Elemente eine gewisse Menge, so ist es sehr aufwändig, sie in eine exakte Struktur zu bringen. Auch wird viel Platz benö- tigt.
Wenn man aber auf rein formaler Ebene arbeitet, ist dieses Verfahren in jeder Größenordnung geeignet. Möchte man die Zahldarstellung eines b-adischen Systems in ein anderes übertragen, ist dieses Verfahren ebenfalls geeignet. Der kritische Punkt bleibt aber derselbe: zu ermitteln, welche die höchste Po- tenz der Strukturzahl des Zielzahlsystems ist, die in der gegebenen Anzahl steckt.
Zu den Überlegungen zur Wahl des Verfahrens kommt hinzu, inwiefern die Teilnehmer gebeten wurden, „die Steine zu zählen“ oder „den Zusammenhang zwischen der Stellenwerttafel und der Zahl zu erfahren“ oder „die Steine zu bündeln“. Unter Gesichtspunkten der Grundschuldidaktik sollte das fortgesetzte Bündeln klar bevorzugt werden.
[...]
- Arbeit zitieren
- Christine Wilhelm (Autor:in), 2013, Evaluierung und Weiterentwicklung eines Kategoriensystems zur Beschreibung der Vorstellungen von Grundschullehramts-Studierenden zu Bündelungsprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281213
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