Sehnsuchtsland, zauberhaftes Land der Sinnes- und Gaumenfreuden, Wiege der europäischen Moderne – Frankreich dient seit jeher als kultureller Projektionsraum deutscher Schriftsteller, Künstler und Frankophiler.
Diese Arbeit untersucht Bücher deutscher Autoren, die in die Hauptstadt der Grande Nation reisten und ihre Erfahrungen in Reiseberichten mitteilten. Der innovative Ansatz dieser Untersuchung liegt dabei in der Herkunft der ausgewählten Autoren und deren Publikationszeitraum, denn die Verfasser stammten aus der Deutschen Demokratischen Republik und veröffentlichten ihre Berichte zwischen 1961 und 1989. In dieser Zeit erschwerte die Mauer dem Gros der DDR-Bürger das Reisen in westeuropäische Länder und die Produktion von Literatur unterlag praktisch den Zensoren der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
Die Problematik „Frankreich und ‚das andere Deutschland‘“ ist Teil einer noch jungen Strömung in der romanistischen Kulturwissenschaft, denn bislang lag der Fokus auf der Erforschung der deutsch-französischen Beziehungen – will heißen: der Beziehungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland. Die „‚anderen‘“ deutsch-französischen Beziehungen“ wurden als Randerscheinung der amitié franco-allemande lange Zeit von der romanistischen Forschung vernachlässigt, bis sich Ende der 1990er Jahre erste Publikationen mit diesem bis dato noch jungfräulichen Thema beschäftigten. In seinem Plädoyer für neue Forschungsansätze macht der Historiker Edgar Wolfrum auf diese in der Wissenschaft bisher marginal behandelte Problematik aufmerksam und kritisiert deutlich eine dort dominierende einseitige „Freundschaftsrhetorik“ . Auf undifferenzierte Weise griffen die bisherigen Untersuchungen noch immer auf mittlerweile geläufige „ikonographische Verdichtungen“ zurück, die die Bedeutung des zweiten deutschen Staates in der Dreiecksbeziehung zwischen ihm, der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich völlig unberücksichtigt ließen.
Die Problemstellung der Master-Thesis „Fiktives Reisen – Paris in der Reiseliteratur der DDR“ soll diesen „weißen Fleck“ auf der Landkarte der „gesamt-“deutsch-französischen Beziehungen vermindern, indem sie sich einem Teilgebiet von Wolfrums empfohlenem Forschungsgebiet widmet: die Untersuchung von Reiseberichten von DDR-Autoren über Paris soll beispielhaft beleuchten, welche Auslandsbilder „jenseits wohlfeiler Völker-freundschaftsrhetorik“ zu dieser Zeit Bestand hatten.
Der Analyse liegt die These zugrunde ...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Grundlagen
- Reiseliteratur und Exotismus
- Zur Gattung der Reiseliteratur
- Fremdwahrnehmung in der Reiseliteratur
- Methode und Korpus
- Reiseliteratur und Exotismus
- DDR-Zeitumstände und diskursive Realitäten Frankreichs
- Bedingungen sozialistischer Reiseliteratur
- Frankreich und die DDR: Fremdbildkonstruktionen und -konjunkturen
- Die Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR
- Frankreichbilder in der DDR
- Analyse der Reiseberichte von DDR-Autoren über Paris 1961-1989
- Dozenten, Weltbürger und Naive: Die Autoren der Pariser Reiseberichte
- Die Dozenten
- Die Weltbürger
- Die Naiven
- Motive der dargestellten Paris-Bilder
- Die Exotisierungsstrategien der Paris-Reisenden
- Sinneseindrücke: Paris hören, sehen, riechen und fühlen
- Typisches und Kurioses: Realia, Gastronomie, Kulturspezifika und Exotik
- Der „Zauber von Paris": Geschichtsträchtiges und touristische Begeisterung
- Reiseberichte zwischen authentischem Reiseersatz und exotischer Reiselust - Eine Bilanz
- Dozenten, Weltbürger und Naive: Die Autoren der Pariser Reiseberichte
- Schlussbetrachtung und Ausblick
- Anhang
- Abbildungsverzeichnis
- Quellen- und Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Master-Thesis „Fiktives Reisen - Paris in der Reiseliteratur der DDR“ untersucht Reiseberichte von DDR-Autoren über Paris, die zwischen 1961 und 1989 veröffentlicht wurden. Ziel ist es, die Konstruktion von Frankreichbildern in dieser Zeit zu analysieren, insbesondere im Kontext der eingeschränkten Reisemöglichkeiten und der Zensur in der DDR. Die Arbeit beleuchtet, wie die Autoren trotz dieser Einschränkungen ein sinnlich-ansprechendes Bild von Paris schufen und gleichzeitig Reiseersatz und Reiselust bei den Lesern generierten.
- Die Konstruktion von Frankreichbildern in der Reiseliteratur der DDR
- Die Rolle der Reiseliteratur als Reiseersatz und Generator von Reiselust
- Die Exotisierungsstrategien der Autoren
- Die Bedeutung von Paris als „utopisches Traumland“ für die DDR-Bürger
- Die Auswirkungen der Zensur auf die Darstellung von Paris in der Reiseliteratur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und stellt die Forschungsfrage nach der Konstruktion von Frankreichbildern in der Reiseliteratur der DDR. Sie beleuchtet die besondere Bedeutung von Frankreich für die DDR-Bürger und die Rolle der Reiseliteratur als Medium, um dieses „Land der Sehnsucht“ zu erfahren. Die Einleitung stellt die beiden zentralen Thesen der Arbeit vor: die Konstruktion eines sinnlich-ansprechenden und entpolitisierten Paris-Bildes sowie die Generierung von Reiseersatz und Reiselust durch die Autoren.
Das Kapitel „Theoretische Grundlagen“ behandelt die Gattung der Reiseliteratur und deren Zusammenhänge mit dem kulturtheoretischen Gebiet des Exotismus. Es werden die verschiedenen Aspekte der Fremdwahrnehmung in der Reiseliteratur beleuchtet und die Methodik der Arbeit sowie das Korpus der untersuchten Reiseberichte vorgestellt.
Das Kapitel „DDR-Zeitumstände und diskursive Realitäten Frankreichs“ beleuchtet die besonderen Bedingungen der Reiseliteratur in der DDR, die Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR sowie die damaligen dort verbreiteten Frankreichbilder. Es wird die Rolle der Zensur und die politische Situation in der DDR im Kontext der Frankreichbilder analysiert.
Das Kapitel „Analyse der Reiseberichte von DDR-Autoren über Paris 1961-1989“ untersucht die verschiedenen Motive in den Paris-Darstellungen der Autoren und analysiert die Exotisierungsstrategien, die sie verwenden. Es werden die Autoren in verschiedene Kategorien eingeteilt und die Entstehungshintergründe ihrer Werke beleuchtet.
Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf mögliche weiterführende Forschungsvorhaben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Reiseliteratur der DDR, Frankreichbilder, Paris, Exotismus, Reiseersatz, Reiselust, Zensur, sozialistische Reiseliteratur, Fremdwahrnehmung, „Land der Sehnsucht“, „utopisches Traumland“, „antiimperialistischer Schutzwall“, „Frankreich des Herzens“.
- Arbeit zitieren
- Carolin Behrens (Autor:in), 2013, Fiktives Reisen. Paris in der Reiseliteratur der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280771
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