"Ich habe genug Kraft, was soll ich mit dem Messer?"– Diese Aussage würde man klischeebedingt dem männlichen Milieu einer Straßengang zuordnen. Das dies ein Zitat der quantitativen Studie Wittmanns und Bruhns aus dem Jahr 2002 zu Thema Mädchengewalt ist, und zwar die Aussage eines 14-jährigen Mädchens ist, überrascht. Diese Überraschung hingegen ist keineswegs verwunderlich. Wir haben ein klares Geschlechterbild in unserer Gesellschaft konstruiert. Ein Mädchen, dass sich gewalttätig zeigt, das physische Gewalt anwendet, um seinen gesellschaftlichen Status zu sichern und zu verteidigen, widerspricht den gesellschaftlichen Vorstellungen von Frauen, die sich eher in passiven Rollen oder vielmehr in Opferrollen von Gewaltsituationen einfinden sollen. Die Medien reagieren stark auf dieses Thema. Der Spiegel warnt in einem Artikel vor den unterschätzten "Engelsgesichtern" und das Focus Magazin hinterfragt das angeblich neue Phänomen, dass, so der Focus, Polizei und Psychologen vor große Herausforderungen stellt. Deshalb wird sich diese Arbeit mit folgenden Fragen beschäftigen: Handelt es sich um ein neues Phänomen – und wenn ja – in welcher Form tritt es in Erscheinung? Warum tritt Mädchengewalt auf und unterscheidett sie sich von männlicher Jugendgewalt? Beeinflusst die gesellschaftliche Konstruktion der Weiblicheit die Ausübung der sogenannten Mädchengewalt un ihre Ausdrucksform?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsklärungen
2.1 Aggression
2.2 Gewalt
2.2.2 Mädchengewalt
3. Sozialisationsfaktoren: Entstehung von gewalttätigem Verhalten
3.1 Familiäre Einflüsse
3.2 Peergroups
4. Mädchengewalt als gesellschaftliches Phänomen
4.1 Erscheinungsformen und geschlechtsspezifische Unterschiede
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Eidesstattliche Erklärung
1. Einleitung
„ Ich habe genug Kraft, was soll ich mit einem Messer “ (Bruhns & Wittmann, 2006, 303) - Diese Aussage würde man klischeebedingt dem männlichen Mileu einer Straßengang zuordnen. Dass dies ein Zitat der quantitativen Studie Wittmanns und Bruhns aus dem Jahr 2002 zum Thema Mädchengewalt ist, und zwar die Aussage eines 14-jährigen Mädchens, überrascht. Diese Überraschung hingegen ist keinenwegs verwunderlich. Wir haben ein klares Geschlechterbild in unserer Geselschaft konstruiert (Vgl. Heeg, 2009, S. 13). Ein Mädchen, dass sich gewalttätig zeigt, dass physische Gewalt anwendet, um seinen gesellschaftlichen Status zu sichern und zu verteidigen, widerspricht den gesellschaftlichen Vorstellungen von Frauen, die sich eher in passiven Rollen oder vielmehr in Opferrollen von Gewaltsituationen einfinden sollen. Die Medien reagieren stark auf dieses Thema. Der Spiegel warnt in einem Artikel vor den unterschätzten „ Engelsgesichtern “ (Schröder, 2006) und das Focus Magazin hinterfragt das angeblich neue Phänomen, dass, so der Focus, Polizei und Psychologen vor große Herausforderungen stellt (Vgl. Esser, 2008, S. 36). Deshalb wid sich diese Arbeit mit folgenden Fragen beschäftigen: Handelt es sich um ein neues Phänomen - und wenn ja - in welcher Form tritt es in Erscheinung? Warum tritt Mädchengewalt auf und unterscheidet sie sich von männlicher Jugendgewalt? Beeinflusst die gesellschaftliche Konstruktion der Weiblichkeit die Ausübung der so genannten Mädchengewalt und ihre Ausdrucksform?
Die Arbeit wird folgendermaßen an die Thematik heranführen: Das Kapitel „ Begriffsklärungen “ , greift das evidente Vokabular der Thematik auf und nähert sich ihm in einem Erklärungsansatz. Dabei werden die wichtigsten Termina in den Kontext der Arbeit gesetzt. Das nächte Kapitel beschäftigt sich mit der Enstehung von gewaltätigem Verhalten und nähert sich dieser über die bestehenden Sozialisationsfaktoren. Das Kapitel „ Mädchengewalt als gesellschaftliches Phänomen “ verweist auf den Forschungsstand und beschäftigt sich mit den Erscheinungsformen von Mädchengewalt, der gesellschafltichen Wahrnehmung und vermeintlichen und wirklichen geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Aussübung von Gewalt. Die Arbeiten der Autoren Kirsten Bruhns, Svendy Wittmann und Dr. Mirja Silkenbeumer werden im Fokus meiner Arbeit stehen, da sie in der Fachlieratur am häufigsten Erwähnung finden.
2. Begriffsklärungen
Es gilt eine einheitliche begriffliche Eingrenzung der hier evident verwendeten Termini Ge- walt und Aggression zu schaffen und die Definitionsrichtung festzulegen . Beide Begriffe werden in der Literatur äußerst vielschichtig verwendet und sie sind nicht klar differenziert und bestimmt. Gewalt und Aggression werden kontextual, historisch, kulturell und ebenso individuell vielfältig auf verschiedenen Begriffsebenen verwendet (Vgl. Silkenbeumer, 2007, S. 18). Aus diesem Grund und um hier ein einheitliches Verständnis festzulegen, werden an dieser Stelle Gewalt und Aggression definiert, differenziert und in den Kontext dieser Arbeit gesetzt.
2.1 Aggression
Der Begriff der Aggression (lat. aggressiō; sich nähern, angreifen) kann etymologisch neutral aufgefasst werden. So bezeichnet er lediglich eine Aktivität zur Durchsetzung und Selbstbe- hauptung. (Vgl. Hillmann, 2007, S. 11f) Ulrike Petermann differentziert stark zwischen den Ausprägungen verschiedener Aggressionen. Sie unterscheidet zwischen der konstruktiven Aggression, welche eine angemessene Selbstbehauptung aufweist, Grenzen aufzeigt und Autonomie erzeugt und der destruktiven Aggression, die sich und anderen Schaden zufügt. (Vgl. Silkenbeumer, 2007, 19) Diese sehr offene Definition geht einher mit einer gewissen gesellschaftlichen Toleranz und sogar Wertschätzung bestimmter Ausdrucksformen von Aggressivität. Renate Valtin macht einen Unterschied konkret zwischen der konstruktiven Aggression (z.B. Duchsetzung von individuellen Bedürfnissen) bis hin zu defensiver Aggression (z.B. Notwehr), der expressiven Aggression (z.B. bei Sportveranstaltungen) und der destruktiven Aggression (Vgl.Valtin, 1995, S. 9), welche in Erscheinung tritt mit einer engeren Betrachtung des Aggressionsterminus. Zimbardo beschreibt, dass Aggression als physische oder verbale Handlung bewusst eingesetzt wird, um zu „ verletzen oder zu zerstören “ (Zimbardo, 1992, S. 363) Aggression tritt zusammen auf mit entsprechenden Gefühlen, also Emotionen, die nicht unmittelbar in schädigende Handlungen übergehen müssen (Silkenbeumer, 2007, S. 21f). Aus diesem Grund wird der Aggressions-Terminus in dieser Arbeit nicht synonym mit dem der Gewalt verwendet. Aggression kann als Teil einer gewalttätigen Handlung verstanden werden, wobei zwischen Gefühlen und Handlungen die nicht zwangläufig mit Gewalt einher gehen müssen, unterschieden wird. Aggression kann also als Intention verstanden werden, als Emotion und auch als Auslöser einer Handlung, jedoch nicht unmittelbar einhergehend mit dem hier vorliegenden Verständniss von Gewalt.
2.2 Gewalt
Gewalt (aus dem althochdeutschen waltan für herrschen) beschreibt eine Anwendung von physischen oder psychischem Zwang sowie die Begründung, Aufrechterhaltung oder Überwindung bestimmter Macht- und Herrschaftssysteme im Sinne einer Handlung. In der Literatur wid allgemein unterschieden zwischen direkter und indirekter Gewalt sowie zwischen idividueller und struktureller Gewalt. (Vgl. Hillmann, 2007, S. 297f) Die strukturelle Gewalt - also Normen und Strukturen, welche die allgemeinen staatlichen, sozioökonomischen oder politischen Zwänge beschreiben (Vgl. Hillmann, 2007, S. 297), wird in diesem Definitionansatz außer acht gelassen, da diese Arbeit ihren Fokus auf personale, direkte Gewalthandlungen legt. Bei personalen, direkten Gewalthandlungen ist ein handelnder Akteur auszumachen. Diese Handlungen können physische und psychische Auswirkungen haben. (Vgl. Hillmann, 2007, S. 298) Gewalt wird im Kontext dieser Arbeit als aktiv vollzogene Aktion betrachtet, die eine Schädigung herbeiführen kann. Diese kann durch physisches Einwirken und durch psychischen Druck erzeugt werden. Gewalt bezeichnet „ Interaktionszusammmenhänge identifizierbarer Akteure “ die zur Verletzung „ körperlicher und seelischer Integrität “ führen können. (Vgl. Silkenbeumer, 2007, S. 22). Zusammenfassend kann die Definition Böttgers an dieser Stelle den Gewaltbegriff dieses Textes verdeutlichen:
„ Gewalt ist der intentionale Einsatz physischer oder psychischer Mittel, mit der die Person Schaden an anderen Personen, an sich selber oder an Gegenständen anrichtet, anzurichten droht oder bei der sie eine Schädigung in Kauf nimmt. “ (Böttger, 1998, 23)
2.2.2 Mädchengewalt
Es gilt an dieser Stelle keinen neuen Terminus der Mädchengewalt zu schaffen, sondern klar die Verwendung des Begriffs in diesem Text herauszuarbeiten.
Es handelt sich um eine Bezeichnung, die das gewalttätige Verhalten von Mädchen be- schreibt, jedoch gilt es an dieser Stelle von einer Verallgemeinerung Abstand zu nehmen. Die Gründe für die Gewaltanwendung bei gewalttätigen jungen Frauen sind ebenso vielfältig wie sie selbst es sind. (Vgl. Silkenbeumer 2000, S. 243) Es gibt also nicht „ die Mädchengewalt “. Im Folgenden wird versucht, das Phänomen der von jungen Frauen ausgeübten Gewalt zu beschreiben und als gesonderten Teil der Jungendgewalt1 zu betrachten. Dabei wird folgende
Prämisse beachtet:
„ Gewaltbereite junge Frauen sind ebenso wie gewaltbereite junge Männer sehr unterschiedlich, sowohl in der Art und Weise, wie sie Gewalt ausüben als auch hinsichtlich der Anlässe und Motive, Gewalt anzuwenden “ (Silkenbeumer 2000, S. 243).
3. Sozialisationsfaktoren: Entstehung von gewalttätigem Verhalten
Um Gewaltakzeptanz und -ausübung auf den Grund zu gehen, hinterfragt die Sozialisations- theorie, welche vorrausgegangenen sozialen Ereignisse das Erleben und Verhalten des Men- schen nachhaltig beeinflusst haben. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Familie sowie auf das soziale Umfeld, die Peergroups2, gelegt. (Vgl. Möller, 2001, S.93) Die Sozialisation, oftmals auch mit Vergesellschaftung betitelt, bezeichnet einen Prozess, in dem ein Individuum zu einem Mitglied einer Gesellschaft und Kultur wird. Es bedeutet eine Übernahme von Verhaltenserwartungen, Werten und sozialen Rollen. (Vgl. Hillmann, 2007, S. 818).
3.1 Familiäre Einflüsse
Die Familie kann als zentraler Ort der Sozialisation betrachet werden. Dort werden soziale Interaktionsformen erlernt und Anregungen sowie eine Lernbasis vermittelt (oder nicht). (Vgl. Heeg, 2009, S. 40) Ein Familienklima, das Wärme und Verbundenheit ausstrahlt, sogt für ein starkes Selbstwertgefühl und Autonomie. (Vgl. Silkenbeumer, 2007, S. 47) Dass Probleme innherhalb dieser Familienstrukturen einen erhöhten Risikofaktor für Deliquenz und gewaltbilligende Einstellungen bieten, wurde in zahlreichen empirischen Forschungen belegt. (Vgl. Silkenbeumer, 2007, S. 47) Ganz unabhängig vom Geschlecht sind deutliche Unterschiede im Sozialisationsprozess zwischen gewaltbereiten Jugendlichen und Jugendlichen, die nie gewalttätig auffielen, evident. Bei Jugendlichen mit überproportional gewaltbilligender Einstellung zeigen sich wiederholt destabilisierende Symptome wie häufiger Streit, innerfamiliäre Gewalt, wenig Zusammenhalt, inkonsequentes, strenges oder emotional kaltes Verhalten der Eltern, Konflikte zwischen den Eltern oder Scheidung.
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1 Jugendgewalt Jugenddelinquenz: Verhalten Jugendlicher (14-17 Jährigen) das gegen ein Strafgesetz einer Gesellschaft verstößt, hier insbesondere die Ausübung von Gewalt (Vgl. Hillmann, 2007, 406)
2 Peergroup: Gruppe von Gleichaltriegen / Interessensgruppen (Vgl. Hillmann, 2007, 671)
- Citation du texte
- Nicole Smith (Auteur), 2014, Mädchengewalt als gesellschafftliches Phänomen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280683