Seit knapp acht Monaten sorgt ein gerichtlicher Prozess in Russland für regen Gesprächsstoff in den Medien. Von Zentralität erweisen sich in Erinnerung an diesen Vorfall und der Vergegenwärtigung dessen juristische und öffentliche Konsequenzen die Begrifflichkeiten von Demokratie, Menschrechte und Rechtsstaat.
In Russland erlangte die russische Punkband „Pussy Riot“ am 21. Februar 2012 mit ihrem protesthaften musikalischen Auftritt in der Christ-Erlöser-Kirche in Moskau weltweite Aufmerksamkeit. Ihre Kritik galt dabei Wladimir Putin, dem ehemaligen Regierungschef und jetzigen Präsidenten, sowie der engen Beziehung zwischen Kirche und Staat. Infolgedessen gerieten die drei aufgetretenen Musikerinnen der Punkband in einen langen gerichtlichen Prozess, in welchem sie der Delikte des „Rowdytums“ und der „Anstachlung zum religiösen Hass“ angeklagt wurden. Der mit dem Fall betraute Staatsanwalt forderte für die Frauen drei Jahre Haft, da er das Vortragen eines Liedes, welches sich gegen Putin als zu dieser Zeit tätigen Ministerpräsidenten richtete, in einer Kirche als solch schlimmes Verbrechen ansieht, dass es der zukünftigen gesellschaftlichen Isolation der drei Frauen bedarf. Der russisch-orthodoxe Christ sei in seiner Gefühlswelt erheblich angegriffen worden, heißt es in der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Die Forderung des Strafmaßes und die damit verbundenen Beschneidung der Meinungsfreiheit wird von der russischen Opposition, neutralen Juristen und von Menschenrechtlern als „Justizskandal“ getitelt und sei ein Spiegelbild der „politisch-religiösen Willkür“ aus dem Mittelalter. Die Welt nimmt Stellung. Das Weiße Haus, Angela Merkel, weltweite Protestaktionen, und selbst Großteile der russischen Bevölkerung kritisieren das russische Justizsystem. [...]
Die Frage erhebt sich in Anbetracht dieser Entwicklung, inwieweit Russland den Anforderungen einer Demokratie überhaupt gerecht werden kann. Befindet sich Russland im Jahr 2012 stets in der Diskrepanz zwischen Verfassungsnorm und Verfassungsrealität im Rahmen rechtsstaatlicher Prinzipien?
Inhaltsverzeichnis
- Stagniert Russlands Demokratisierung? - ein neuer Fall russischer Verfassungspraxis
- Die Vergleichende Regierungslehre im Spiegel der Verfassungen? - Eine Übersicht
- Die Verfassung als Fundament der Demokratie? – Eine Definition
- Russland als hybrides System? - Knoblochs Stellungnahme.
- Russlands Rechtsstaatlichkeit als trughafte Hülle? – Eine Einführung in das Rechtssystem der Russischen Föderation
- Der Fall „Pussy Riot“ als weiteres Beispiel eines mangelhaften Rechtsstaates? – Russlands stockende Demokratisierung
- Simulation oder Authentizität? – Russlands Rechtsstaatlichkeit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die aktuelle Situation der Rechtsstaatlichkeit in Russland anhand des Falles „Pussy Riot“. Ziel ist es, die Diskrepanz zwischen Verfassungsnorm und Verfassungsrealität im Kontext des Wertes der Rechtsstaatlichkeit aufzuzeigen. Die Arbeit untersucht, inwieweit Russland den Anforderungen einer Demokratie gerecht werden kann und ob die Judikative im Jahr 2012 abseits verfassungsmäßiger Normen agiert.
- Die Rolle der Verfassung als Fundament der Demokratie
- Die Herausforderungen der Rechtsstaatlichkeit in Russland
- Der Fall „Pussy Riot“ als Beispiel für die Diskrepanz zwischen Verfassungsnorm und Verfassungsrealität
- Die Bedeutung der Gewaltenteilung und der Kontrolle der politischen Macht
- Die Frage nach der Stabilität von System und Kontrollmechanismen in Russland
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet den Fall „Pussy Riot“ und die damit verbundenen juristischen und öffentlichen Konsequenzen. Es stellt die Frage, inwieweit Russland den Anforderungen einer Demokratie gerecht werden kann und ob sich das Land im Jahr 2012 in einer Diskrepanz zwischen Verfassungsnorm und Verfassungsrealität befindet. Die These des Kapitels lautet, dass Russlands Judikative abseits verfassungsmäßiger Normen agiert und sich von tradierten Gewohnheiten leiten lässt.
Das zweite Kapitel bietet eine Übersicht über die Vergleichende Regierungslehre und die verschiedenen Staats- und Regierungsformen. Es beleuchtet die Bedeutung der Verfassung als Fundament eines jeden konstitutionellen Staates und erörtert die Definition des Begriffs „Verfassung“ im Kontext der Machtkontrolle und der individuellen Rechte des Menschen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie, die Verfassung, die Gewaltenteilung, die politische Macht, die Verfassungsnorm, die Verfassungsrealität, der Fall „Pussy Riot“, Russland, die Judikative, die russische Föderation, die russische Punkband, die Christ-Erlöser-Kirche in Moskau, Wladimir Putin, die Meinungsfreiheit, die Menschenrechte, die politische Willkür, die Strafen, die Justiz, die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie, die Verfassung, die Vergleichende Regierungslehre, die Staats- und Regierungsformen, die Machtkontrolle, die individuellen Rechte, die Gesellschaft, die Kultur, die Machtinhaber, die Machtadressaten.
- Citar trabajo
- Jan Wetterauer (Autor), 2012, Verfassungsnorm und politische Realität. Die russische Praxis rechtsstaatlicher Prinzipien, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278718