Als der erste Vorsitzende der CDU-Fraktion Werner Jöhren diese Worte im Schweriner Landtag aussprach, waren die Wunden des Zweiten Weltkriegs noch frisch: Das NS-Regime hatte am 8. Mai 1945 endgültig kapituliert und eine Trümmerlandschaft hinterlassen. Die britischen und amerikanischen Besatzungsarmeen waren aus dem Westen bis zur Elbe vorgedrungen, Ostdeutschland und Berlin hatte die Rote Armee allein erobert. Entsprechend den alliierten Verhandlungsergebnissen auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde das Deutsche Reich in mehrere Besatzungszonen aufgeteilt. Das Land Mecklenburg, das im Westen zunächst die Briten eingenommen hatten, und der östliche Teil der preußischen Provinz Pommern fielen in das sowjetische Einflussgebiet.
Nachdem die sowjetische Besatzungsmacht am 10. Juni 1945 die Bildung „antifaschistischer Parteien“ in ihrer Zone erlaubt hatte, formierten sich vier Parteien: KPD und SPD bestanden bereits vor ihrem Verbot 1933 und waren jene beiden maßgeblichen Arbeiterparteien im Parteiensystem der Weimarer Republik, die sich über den Weg zum Sozialismus – revolutionär oder evolutionär – von einander getrennt und zerstritten hatten. CDU und LDPD hatte es vor 1933 nicht gegeben. Die Liberaldemokraten versuchten die schon vor dem Kaiserreich existierende Spaltung des Liberalismus zu überwinden, die Christdemokraten wollten eine überkonfessionelle Brücke zwischen dem politisch organisierten Katholizismus einerseits und dem Protestantismus andererseits schlagen.
Deshalb rief der zentrale Berliner Gründungsaufruf der CDU vom 26. Juni 1945 die „christlichen, demokratischen und sozialen Kräfte“ vor dem „Trümmerhaufen sittlicher und materieller Werte“ zur Sammlung. Als eine regionale Besonderheit fühlten sich in Mecklenburg und Vorpommern von diesem Aufruf zahlreiche Mitglieder aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Partei angesprochen. Schon vor dem Kriegsende hatten sie sich in Schwerin im privaten Kreis heimlich und illegal versammelt, um sich über die Nachkriegsordnung zu verständigen. Am 5. Juli 1945 gründeten sie die CDU Mecklenburg-Vorpommern als „Unterabteilung“ der Berliner Union.
„Deutschland wird nur leben, wenn wir klare und wahrhaftige Demokraten bleiben…“ – Zur Geschichte der CDU-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern
1. Gründerjahre: Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern 1945/1946
Als der erste Vorsitzende der CDU-Fraktion Werner Jöhren diese Worte im Schweriner Landtag aussprach, waren die Wunden des Zweiten Weltkriegs noch frisch: Das NS-Regime hatte am 8. Mai 1945 endgültig kapituliert und eine Trümmerlandschaft hinterlassen. Die britischen und amerikanischen Besatzungsarmeen waren aus dem Westen bis zur Elbe vorgedrungen, Ostdeutschland und Berlin hatte die Rote Armee allein erobert. Entsprechend den alliierten Verhandlungsergebnissen auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde das Deutsche Reich in mehrere Besatzungszonen aufgeteilt. Das Land Mecklenburg, das im Westen zunächst die Briten eingenommen hatten, und der östliche Teil der preußischen Provinz Pommern fielen in das sowjetische Einflussgebiet.
Nachdem die sowjetische Besatzungsmacht am 10. Juni 1945 die Bildung „antifaschistischer Parteien“ in ihrer Zone erlaubt hatte, formierten sich vier Parteien: KPD und SPD bestanden bereits vor ihrem Verbot 1933 und waren jene beiden maßgeblichen Arbeiterparteien im Parteiensystem der Weimarer Republik, die sich über den Weg zum Sozialismus – revolutionär oder evolutionär – von einander getrennt und zerstritten hatten. CDU und LDPD hatte es vor 1933 nicht gegeben. Die Liberaldemokraten versuchten die schon vor dem Kaiserreich existierende Spaltung des Liberalismus zu überwinden, die Christdemokraten wollten eine überkonfessionelle Brücke zwischen dem politisch organisierten Katholizismus einerseits und dem Protestantismus andererseits schlagen.
Deshalb rief der zentrale Berliner Gründungsaufruf der CDU vom 26. Juni 1945 die „christlichen, demokratischen und sozialen Kräfte“ vor dem „Trümmerhaufen sittlicher und materieller Werte“ zur Sammlung. Als eine regionale Besonderheit fühlten sich in Mecklenburg und Vorpommern von diesem Aufruf zahlreiche Mitglieder aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Partei angesprochen. Schon vor dem Kriegsende hatten sie sich in Schwerin im privaten Kreis heimlich und illegal versammelt, um sich über die Nachkriegsordnung zu verständigen. Am 5. Juli 1945 gründeten sie die CDU Mecklenburg-Vorpommern als „Unterabteilung“ der Berliner Union.
Zum Schweriner Gründungskreis gehörten mit Reinhold Lobedanz, Rudolf Behrens, Martin Karsten, Hans Wittenburg und Werner Pöhls wichtige Funktionsträger des ehemaligen DDP-Landesverbandes Mecklenburg-Schwerin. Aus ihnen bildete sich ein vorläufiger Orts- und Landesvorstand. Zum Landesvorsitzenden wurde der Ministerialbeamte Reinhold Lobedanz gewählt. Sein Stellvertreter, der Volkswirt Hans Krukenmeyer, stellte als ehemaliges Zentrumsmitglied eher eine Ausnahme in dem liberal-protestantisch dominierten Führungsgremium dar. Der CDU-Landesverband wuchs auf Kosten der liberalen Konkurrenz rasch: Bereits im Dezember 1945 zählte man mit 7.807 Mitgliedern fast viermal so viele Anhänger wie Liberalen, deren Landesverband erst 1946 gegründet werden konnte. Im März 1946 – zum 1. Landesparteitag – hatte sich die Mitgliederzahl der CDU verdoppelt.
In Greifswald spiegelte sich die starke liberale Tradition der nordostdeutschen Union im Streit um den Parteinamen wider. Hier war noch vor dem Berliner Gründungsaufruf am 24. Juni 1945 eine „Demokratische Partei“ ins Leben gerufen worden, der sich konservative Rechtsanwälte ebenso anschlossen wie christlich orientierte Hochschullehrer, katholische Theologen, liberale Lehrer und Handwerker. Gerade die Liberalen taten sich mit der Umbenennung der Greifswalder Ortsgruppe im September 1945 schwer. Einige stiegen aus und engagierten sich für die LDPD, die aufgrund des liberal ausgerichteten CDU-Landesverbandes allerdings in Mecklenburg und Vorpommern kaum Fuß fassen konnte. Die Greifswalder CDU verstand sich als Sprachrohr der Union in Vorpommern, half bei Gründung auf dem Lande und in den benachbarten Städten wie Anklam. Es gelang ihr aber nicht, einen eigenständigen vorpommerschen Bezirksverband zu gründeten, weil sich die sowjetische Besatzungsmacht dagegen aussprach.
Die sowjetische Militärverwaltung Mecklenburgs tat alles, um den bürgerlichen Parteiaufbau zu behindern. Sie bevorzugte einseitig die kommunistische Partei, indem sie Fahrzeuge und Büros bereitstellte, während sozial-, christ- und liberaldemokratische Funktionäre nur mühsam zu Fuß aufs Land gelangten. Die bürgerliche Presse unterlag bis 1947 einer sowjetischen Vorzensur. Papierknappheit, Druck- und Lizenzschwierigkeiten verzögerten die Herausgabe eines CDU-Parteiorgans bis in den Dezember 1945. Nachdem die Sowjets im April 1946 mit Druck und Zwang bei der Fusion von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) nachgeholfen hatte, gerieten die bürgerlichen Parteien vollends ins Hintertreffen. Bei Personalentscheidungen war von Parität keine Rede mehr, alle Schaltstellen im Bereich der inneren Verwaltung, der Polizei und Volksbildung wurden mit SED-Kadern besetzt. Bürgerliche Verwaltungsbeamte waren nur übergangsweise, vor allem wegen ihrer Fachkenntnisse geduldet. Sie wurden nach und nach aus ihren Ämtern vertrieben durch stramme Kommunisten verdrängt.
Besonders deutlich wurden die Benachteiligungen bürgerlicher Parteien im Vorfeld der Kommunal- und Landtagswahlen 1946. Die politischen Offiziere der sowjetischen Kommandanturen schüchterten Mitglieder ein, verlangten Auskünfte über Parteiinterna, verboten willkürlich Veranstaltungen und griffen in die Vorstandswahlen ein. Im Zusammenspiel mit den Bürgermeistern der Einheitspartei verzögerten die sowjetischen Besatzungsbehörden die Ausstellung der Registrierungsbescheinungen, die eine Voraussetzung für die Einreichung von Wahlvorschlägen waren. Infolgedessen konnte die CDU bei den Gemeindewahlen nur in 237 von 2.404 Gemeinden antreten.
Bei den Kreistagswahlen gab es in 6 von 21 Landkreisen keine Unionskandidaten. Von einem fairen Wahlkampf war nichts zu spüren: Die SED überzog das Land mit einer regelrechten Flut an Wahlplakaten und Propagandaveranstaltungen, während Werbematerialien von CDU und LDPD durch geringe Papierzuteilung und Verbote der Kommandaturen künstlich verknappt wurden. Vor den Landtagswahlen polemisierte die SED-Landeszeitung heftig gegen die Union und ihre Kandidaten, die sie u. a. als „Sammelbecken der Reaktion“ diskreditierte. Die Einheitssozialisten versuchten, CDU-Kandidaten abzuwerben und die Union auf diese Weise zu schwächen. In einigen prominenten Fällen gelang dies: Der Greifswalder Oberbürgermeister Paul Hoffmann verließ die CDU im Juni 1946 und kandidierte als Parteiloser auf der SED-Liste; der Vizepräsident der Landesverwaltung Otto Möller blieb zwar bis 1948 in der CDU, ließ sich aber von der SED-nahen Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe nominieren.
Im Vergleich zu den Gemeindewahlen am 15. September 1946 konnten die bürgerlichen Parteien bei den Kreistags- und Landtagswahlen am 20. Oktober 1946 Stimmen hinzugewinnen. Demgegenüber musste die SED Verluste hinnehmen, weil bei den Landtagswahlen überall bürgerliche Konkurrenz zugelassen war. Waren die Einheitssozialisten aufgrund ihrer stärken Organisations- und Personalstrukturen vor allem in den Kleinstgemeinden und Dörfern bis zu 2.000 Einwohnern erfolgreich, so reüssierten die Christdemokraten in den Kleinstädten (bis 10.000 Einwohner). Die LDPD als klassische Stadtpartei besaß ausgeprägte Hochburgen in den Städten Neustrelitz, Parchim und Stralsund. Auffällig war auch, dass die CDU in Vorpommern durchschnittlich mehr Stimmen erzielte als in Mecklenburg.
Tab. 1: Die Kommunal- und Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern 1946 in Prozent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Der Demokrat, 18.9., 23.10.1946.
2. Gegen den Gleichschritt: Die Landtagsfraktion 1946 bis
Die Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone waren von Anfang an im Blockausschuss der antifaschistischen Parteien zwangsorganisiert (deshalb Blockparteien). Dieser Ausschuss, der auf gemeindlicher, kreislicher, Landes- und Zentralebene bestand, war Ausfluss kommunistischer Volksfrontpolitik. Die bürgerlichen Politiker sahen in den Ausschüsse zunächst vorparlamentarische Gremien, die nach demokratischen Wahlen verschwinden würden. Tatsächlich blieben die Ausschüsse bestehen und lenkten wichtige Entscheidungen aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in kommunistische Bahnen. Darüber hinaus behielt sich die sowjetische Besatzungsmacht letztinstanzliche Entscheidungen vor und scheute nicht davor zurück, auf die Zurücknahme unerwünschter Fraktionsanträge zu bestehen. Landesregierungen und -parlamente in der Sowjetischen Besatzungszone erweckten nur den Anschein von Souveränität und demokratischem Pluralismus.
Der Konstituierung des Landtags am 19. November 1946 ging die Einberufung beratender Versammlungen voraus, die allerdings nur eine kurze geschichtliche Episode darstellten. Dem neuen Landtag Mecklenburg-Vorpommern gehörten vier Fraktionen an, wobei SED und die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe über eine absolute Mehrheit der Mandate verfügten. Dennoch war die CDU im Landtag so stark wie in keinem anderen der Länder und Provinzen der Sowjetischen Besatzungszone, hatte sie doch in Mecklenburg-Vorpommern ihr bestes Wahlergebnis erzielt. Aufgrund der großen Wählerkonkurrenz im bürgerlichen Lager war die LDP indessen nirgendwo schwächer als hier.
Tab. 2: Mehrheitsverhältnisse im Landtag Mecklenburg-Vorpommern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Landtag 1947.
Die CDU-Fraktion formierte sich im Zusammenhang mit der Konstituierung des Landtags und wählte den Verlagsbuchhändler Werner Jöhren zu ihrem Vorsitzenden. Jöhren war ursprünglich Architekt und vor 1933 politisch in der Deutschen Staatspartei – die Nachfolgepartei der DDP – beheimatet. Später hatte er in Berlin den Ost-West-Verlag gegründet und war nach der Ausbombung Berlins nach Usedom übergesiedelt. Dort baute Jöhren eine starke CDU-Parteiorganisation aus, erreichte bei den Kreistagswahlen mit 51,4 Prozent die absolute Mehrheit und war fortan Landrat der Insel. Zum 1. Stellvertreter Jöhrens wählte die Landtagsfraktion den Pharmaziefabrikanten Siegfried Witte, nach dessen Wahl zum Wirtschaftsminister trat der Landwirt Ernst Kosegarten an seine Stelle. 2. Stellvertreter wurde der Ministerialrat Karl Heinz Kaltenborn.
Tab. 3: Abgeordnete der CDU-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schwabe 1996.
Während der CDU-Landesvorstand um Reinhold Lobedanz gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht und den Funktionären der SED-Landesleitung eher kompromissbereit auftrat, entwickelte sich die Landtagsfraktion schnell zum oppositionellen Zentrum gegen die totalitären Anmaßungen der Einheitspartei. Allerdings war die Widerstandskraft der Fraktion durch die Absprachen im Landesblockausschuss, die Interventionen der Besatzungsmacht und die Einbindung der Union in eine – damals auch in westlichen Landesparlamenten übliche – Allparteienregierung von Vorneherein enge Grenzen gesetzt.
Bei der Verabschiedung der Landesverfassung 1947 kämpften die Christdemokraten vor allem für die Garantie der Religionsfreiheit und Institutionen des Verfassungsschutzes. Auf den SED-Verfassungsentwurf regierte die Union mit einem Gegenentwurf des Berliner Parteijuristen Helmut Brandt, der die Verwässerung der Gewaltenteilung, den unzureichenden Verfassungsschutz, die Gefährdung der zivilen Rechtssicherheit und verschiedene Einzelbestimmungen kritisierte. Sie konnte jedoch gegen die kirchenfeindliche SED keine umfassende Garantie der Religionsfreiheit in der Landesverfassung (z. B. staatliches Einmischungsverbot, Nutzung der Schulräume für den Religionsunterricht) durchsetzen. Trotz gemeinsamer Kooperation mit den Liberaldemokraten gelang es den Christdemokraten nicht, die Verfassung durch eine besondere Gerichtsbarkeit, einen Landesverfassungsrat oder einen Verfassungsprüfungsausschuss zu schützen.
Die bürgerlichen Parteien solidarisierten sich im Landtag gegen die Ideologisierung der Schulen und Hochschulen im Lande. Vergeblich versuchten Christ- und Liberaldemokraten das Leistungsprinzip bei der Zulassung zu einem Universitätsstudium zu verteidigen, das die SED mit dem Hinweis auf die Benachteiligung der Arbeiter- und Bauernkinder unterminierte. Allenfalls Teilerfolge in gewissen Einzelfällen erzielte die CDU-Landtagsfraktion beim Schutz von Privateigentümern vor unrechtmäßiger Enteignung. Die SED hatte auf Grundlage der Direktive Nr. 24 des alliierten Kontrollrates Unternehmer enteignet, die der NSDAP angehörten oder nahe standen. Unter dem Deckmantel der Entnazifizierung suchte der Innenminister Johannes Warnke (SED/KPD) – zugleich Vorsitzender der Landesentnazifizierungskommission – weitere kleine und mittelständische Unternehmen in Staatseigentum zu überführen.
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- Quote paper
- Christian Schwießelmann (Author), 2010, Geschichte der CDU-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278475
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