„Die einzelnen Sprachen sind nicht als Gattungen, sondern als Individuen verschieden, ihr Charakter ist kein Gattungscharakter, sondern ein individueller. Das Individuum, als solches genommen, füllt aber allemal eine Classe für sich.“ Dieser Aussage des deutschen Universalgelehrten Wilhelm von Humboldts (1767-1835) zufolge ist es nicht unproblematisch, Sprachen zu vergleichen und sie nach bestimmten Merkmalen in Gattungen oder Klassen zu kategorisieren. Es gilt dabei die Individualität einer Sprache, ihre Besonderheit zu berücksichtigen. Der Begriff des Individuums impliziert aber zugleich eine Zugehörigkeit zu einer Familie.
Demnach bietet es sich an, mit Blick auf die Subjektpronomen, verschiedene Sprachen wie das Lateinische, das Altfranzösische und das moderne Französisch vergleichend nebeneinander zu stellen, auf die „genetische Zusammengehörigkeit“ dieser drei hinzuweisen und damit der sprachgeschichtlichen Entwicklung Rechnung zu tragen. Dabei stellt sich die Frage, warum im modernen Französisch die Subjektpronomen, anders als im Latein und im Altfranzösisch und anders auch als in anderen romanischen Sprachen, obligatorisch sind.
In dieser Arbeit werden, nach einem kurzen Blick auf die Typologie von Sprachen, die einzelnen historischen Stufen, die Entwicklungslinie der Subjektpronomen dargestellt und mithilfe der Grammatikalisierungstheorie von Lehmann sowohl diese als auch eine mögliche zukünftige Entwicklung beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sprachbetrachtung
2.1 Typologie von Sprachen
2.2 Diachronie / Synchronie
3. Die Entwicklung der Subjektpronomen
3.1 Das Lateinische
3.2 Das Altfranzösische
3.3 Das moderne Französisch
3.4 Betonte und unbetonte Subjektpronomen
4. Klassifizierung der Subjektpronomen
4.1 Die traditionelle Grammatik
4.2 Die moderne Grammatik
5. Die Theorie von Lehmann
5.1 Die Grammatikalisierungsskala
5.2 Parameter der Grammatikalisierung
5.3 Einschränkungen
6. Fazit
7. Bibliographie
1. Einleitung
„Die einzelnen Sprachen sind nicht als Gattungen, sondern als Individuen verschieden, ihr Charakter ist kein Gattungscharakter, sondern ein individueller. Das Individuum, als solches genommen, füllt aber allemal eine Classe für sich.“[1]
Dieser Aussage des deutschen Universalgelehrten Wilhelm von Humboldts (1767-1835) zufolge ist es nicht unproblematisch, Sprachen zu vergleichen und sie nach bestimmten Merkmalen in Gattungen oder Klassen zu kategorisieren. Es gilt dabei die Individualität einer Sprache, ihre Besonderheit zu berücksichtigen. Der Begriff des Individuums impliziert aber zugleich eine Zugehörigkeit zu einer Familie.
Demnach bietet es sich an, beispielsweise mit Blick auf die Subjektpronomen, verschiedene Sprachen wie das Lateinische, das Altfranzösische und das moderne Französisch vergleichend nebeneinander zu stellen, auf die „genetische Zusammengehörigkeit“[2] dieser drei hinzuweisen und damit der sprachgeschichtlichen Entwicklung Rechnung zu tragen. Dabei stellt sich die Frage, warum im modernen Französisch die Subjektpronomen, anders als im Latein und im Altfranzösisch und anders auch als in anderen romanischen Sprachen, obligatorisch sind.
Jedes Wort, und das gilt auch für die einzelnen Pronomen, hat seine ‚Individualgeschichte’, seine „histoire lexico-sémantique“[3]. Diese Erkenntnis verhindert jedoch nicht, dass in der Linguistik nach Gesetzmäßigkeiten gesucht wird, denen der „Entwicklungsgang vom republikanischen Latein zum heutigen Romanisch“[4], in diesem Fall zum heutigen Französisch und darüber hinaus zu einer denkbaren zukünftigen französischen Sprache unterliegen könnten.
Im Folgenden wird es darum gehen, nach einem kurzen Blick auf die Typologie von Sprachen, die einzelnen historischen Stufen, die Entwicklungslinie der Subjektpronomen darzustellen und im Anschluss, mithilfe der Grammatikalisierungstheorie von Lehmann sowohl diese als auch eine mögliche zukünftige Entwicklung zu beschreiben.
2. Sprachbetrachtung
Ein Interesse an der besonderen Fähigkeit des Menschen zu sprechen hat es sicher zu allen Zeiten gegeben. Der wissenschaftliche Blick auf Sprache, wie er heute in der Linguistik üblich ist, entwickelte sich allerdings erst seit der Romantik, in der mit einer „subjektiven, dynamischen und historischen Erfassung“[5] von Sprachen die „Epoche der historisch-vergleichenden Methode“[6] einsetzte. In diese Phase der Sprachbetrachtung, in der jede Sprache als Individuum, als „Organismus“[7] verstanden wurde, der, ähnlich „unsre(r) Erdkugel, (die) grosse Umwälzungen durchgegangen ist“[8] „einer ständigen Evolution unterworfen“[9] ist, lässt sich neben dem eingangs zitierten Wilhelm von Humboldt auch August Wilhelm von Schlegel (1767-1845) einordnen, von dem noch die Rede sein wird.
Für die moderne Sprachwissenschaft gilt Ferdinand de Saussure (1857-1913) als maß-geblicher Gründervater. Er postulierte nicht nur das Arbeitsziel der Linguistik als „wertfreie [...] Beschreibung der Sprache“[10], sondern prägte auch die Begriffe parole, langue und language zur Unterscheidung zwischen dem individuellen Sprechakt, dem überindividuellen, konventionellen Sprachsystem und der allgemeinmenschlichen Sprachfähigkeit.[11] Besonders das formale System der Sprache, die langue, wird von ihm zum Gegenstand der Wissenschaft erklärt.
2.1 Typologie von Sprachen
In der Linguistik wurde und wird versucht, die Elemente der langues zu analysieren und damit das System der jeweiligen Einzelsprache, ihr Funktionieren, die ihr eigene Entwicklungen zu beschreiben und zu erklären. Vergleicht man nun die Systeme verschiedener Sprachen, ergeben sich auf unterschiedlichen Ebenen Gemeinsamkeiten oder Unterschiede, die immer wieder Wissenschaftler dazu herausgefordert haben, Einzelsprachen zu klassifizieren, sie nach Typen zu ordnen.
Schlegel unterschied beispielsweise in seinen 1818 erschienen „Observations sur la langue et la littérature provençales“ zwischen Sprachen ohne grammatische Struktur („langues sans aucune structure grammaticale“[12] ), genauer: Sprachen, die keine Affixe kennen und deren Worte keine erkennbare innere Grammatik aufweisen wie beispielsweise das Chinesische, sowie Sprachen mit Affixgebrauch („langues qui emploient des affixes“[13] ), bei denen die Beziehung zwischen lexikalischer Form und grammatischer Bedeutung innerhalb eines Wortes nur vage festgelegt ist wie im Türkischen und flektierenden Sprachen („langues à inflexion“[14] ) wie dem Lateinischen.
In ähnlicher Weise, nur mit anderer Terminologie unterscheidet Humboldt in der Einleitung zu seinem Werk „Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java“ (1836-39) isolierende Sprachen, deren Wörter meist unveränderbar sind (wie das Chinesische), agglutinierende Sprachen, bei denen zwar Affixe an den Wortstamm angehängt werden können, die Grenzen zwischen den Morphemen aber sehr klar sind (wie im Türkischen) und flektierende Sprachen, bei denen Wörter ihre Form je nach grammatischer Form ändern können und der Wortstamm (anders als bei agglutinierenden Sprachen) nicht ohne Affix gebraucht werden kann.
Innerhalb der Kategorie der flektierenden Sprachen wurde schon von Schlegel Unter-scheidungen getroffen, deren Bezeichnungen bis in die moderne Typologie gebräuchlich blieben. Das Gegensatzpaar „synthetisch / analytisch“[15] differenziert zwischen Sprachen, bei denen lexikalische und grammatikalische Informationen in getrennten Wörtern repräsentiert werden (Analyse) und Sprachen, in denen ein Wort sowohl lexikalische als auch grammatikalische Komponenten in sich vereint (Synthese). Nach Schlegel finden sich bei analytischen Sprachen beispielsweise Artikel vor den Substantiven, Personalpronomen vor den Verben und Hilfsverben bei der Konjugation der Verben,[16] während synthetische Sprachen diese Strukturen nicht zeigen, wobei es keine strikte Trennung zwischen beiden Sprachtypen gibt („la ligne de division entre les deux genres n’est pas tranchée“[17] ).
Eine als analytisch klassifizierte Sprache kann also durchaus auch synthetische Elemente aufweisen. Für Schlegel war das Sanskrit ein Paradebeispiel für synthetische Sprachen, und auch das Griechische und Lateinische gehören in diese Klasse, während die „langues dérivées du latin“[18], also auch das Französische für ihn eine „völlig analytische(...) Grammatik“[19] aufweisen. Für die germanischen Sprachen stellte Schlegel dagegen fest, dass sie zwar ursprünglich synthetisch gewesen seien und sich davon Spuren finden lassen, sich jedoch zu analytischen Sprachen entwickelten.[20]
[...]
[1] Humboldt, 1829 / 1963, S. 189.
[2] Albrecht in Albrecht/ Lüdtke/Thun, 1988, S. XXVIII.
[3] Lüdtke in Raible, 1987, S. 4.
[4] Ebd.
[5] Gaudino Fallegger, 1998, S. 8.
[6] Ebd.
[7] Humboldt, 1820, S. 11.
[8] Ebd. S. 7.
[9] Gaudino Falleger, 1998, S. 8.
[10] Ebd, S. 11.
[11] Vgl. Ebd. S. 11f.
[12] Vgl. Geckeler in Raible, 1989, S. 164.
[13] Ebd.
[14] Ebd.
[15] Vgl. Geckeler in Raible, 1989, S. 164.
[16] Vgl. Zitat von Schlegel bei Geckeler in Raible, 1989, S. 165.
[17] Ebd.
[18] Schlegel ebd.
[19] Geckeler, ebd.
[20] Vgl. Geckeler in Raible, 1989, S. 165.
- Citar trabajo
- Sandra Schmidt (Autor), 2004, Entwicklung der Subjektpronomen vom Lateinischen über das Altfranzösische zum Neufranzösischen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27827
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