Hannah Arendt ist eine der wenigen Intellektuellen, die bereits wenige Jahre nach Kriegsende das Ausmaß des Holocaust erkannte. Als beispielloses Ereignis in der Geschichte stellt Auschwitz einen Wendepunkt dar: ein „Krieg ohne Hass", in dem die Tötung von Menschen zu einem „methodische[n], technisch-administrativen“ Akt wurde. Die Pflicht zur Erinnerung geht einher mit der Aneignung einer neuen Ethik, einem, mit Adornos Worten, „neuen kategorischen Imperativ“: die Menschen müssten so denken und handeln, dass eine Wiederholung von Auschwitz ausgeschlossen werden könne. In der Literatur gilt Celan als einer der ersten, die versuchten für den Zivilisationsbruch Worte zu finden. Auf der Suche nach neuen Ausdrucksmitteln entwickelte er eine bis dahin nicht existente „Sprache der Trauer“ .
Wie positionier(t)en sich dagegen die bildenden Künste zum „Unvorstellbaren“? Welcher Mittel bedien(t)en sich die „memory-artists“ um dem „Unsagbaren“ Ausdruck zu verleihen und mit welcher Intention?
James E. Young, der sich als Professor für „Judaic Studies“ und Direktor der „Association of Jewish Studies“ intensiv mit der Erinnerung an den Holocaust und mit künstlerischen Verarbeitungsformen beschäftigt hat, beschreibt mit seiner These des „Counter-Monument“ eine Form der Auseinandersetzung, welche er vor allem in den 1980er Jahren in Deutschland beobachtet hat. Diesen „Gegen-Denkmälern“ liegt der Skeptizismus der Künstler zugrunde, die jede Verknüpfung von Erlösung und Vernichtung, ob religiöser, ästhetischer oder politischer Art, ablehnen.
Doch wie sieht das kontemporäre Denkmal aus? Am Beispiel des „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ soll diese Frage erörtert werden. Handelt es sich auch hier um ein „Counter-Monument“?
Zur Beantwortung der Frage soll in der vorliegenden Arbeit zunächst die Bezeichnung „Counter-Monument“ definiert und anhand von Beispielen näher erläutert werden. Im Anschluss wird das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in seiner Entstehung von der Bürgerinitiative 1988, über die Wettbewerbe 1995 und 1997 bis zur Fertigstellung 2005 in stark komprimierter Form vorgestellt, um das Monument anschließend unter dem Gesichtspunkt des „Counter-Monument“ zu betrachten und zu bewerten.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Youngs These des „Counter-Monument”
- 2.1 Definition nach James E. Young
- 2.2 Ausgewählte Beispiele: Jochen Gerz und Sol LeWitt
- 3. Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“
- 3.1 Vorgeschichte von der Bürgerinitiative bis zur Realisierung
- 3.2 Das Ergebnis: Stelenfeld und Ort der Information
- 4. Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ als „Counter-Monument“
- 4.1 Intendierte Wirkung des Mahnmals von Seiten des Architekten
- 4.2 Vergleich des Konzepts mit Eigenschaften des „Counter-Monument“
- 4.3 Das Mahnmal in der Wahrnehmung des Betrachters
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Konzeption des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ im Kontext von James E. Youngs These des „Counter-Monument“. Ziel ist es, die Einordnung dieses bekannten Holocaust-Mahnmals in den Diskurs um alternative Gedenkformen zu beleuchten und dessen Wirkung auf den Betrachter zu analysieren.
- Definition und Charakteristika des „Counter-Monument“
- Analyse des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ im Hinblick auf seine Entstehung und Gestaltung
- Bewertung des Denkmals im Lichte der „Counter-Monument“-Theorie
- Betrachtung der Rezeption und Wirkung des Denkmals beim Betrachter
- Vergleich mit anderen Beispielen von „Counter-Monuments“
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Frage nach der Positionierung der bildenden Künste gegenüber dem Holocaust und der Suche nach neuen Ausdrucksmitteln. Sie verweist auf Hannah Arendts Beschreibung von Auschwitz als Bruch in der westlichen Geschichte und die Notwendigkeit einer neuen Ethik der Erinnerung. Die Arbeit kündigt die Analyse des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ als Fallbeispiel an, um die These des „Counter-Monument“ von James E. Young zu beleuchten.
2. Youngs These des „Counter-Monument”: Dieses Kapitel definiert den Begriff „Counter-Monument“ nach James E. Young. Es beschreibt die Abkehr von traditionellen Denkmälern, die oft heroisierend oder verherrlichend waren, und die Entwicklung neuer Formen der Erinnerung, die den Holocaust in seiner Einzigartigkeit und Unerklärlichkeit widerspiegeln. Es hebt die „anti-erlöserische“ Qualität des „Counter-Monument“ hervor und betont die aktive Rolle des Betrachters im Prozess der Erinnerung. Anhand ausgewählter Beispiele wird die These illustriert.
3. Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“: Dieses Kapitel beschreibt die Entstehung des „Denkmals für die ermordeten Juden Europas“, von der Bürgerinitiative bis zur Realisierung. Es skizziert den Entstehungsprozess, die verschiedenen Entwürfe und die letztliche Umsetzung. Der Fokus liegt auf der komprimierten Darstellung der Geschichte, um das Denkmal für die spätere Analyse vorzubereiten.
4. Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ als „Counter-Monument“: Dieses Kapitel analysiert das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ im Hinblick auf seine Einordnung als „Counter-Monument“. Es untersucht die intendierte Wirkung des Denkmals von Seiten des Architekten und vergleicht es mit den Eigenschaften, die Young für „Counter-Monumente“ beschreibt. Ein zentraler Punkt ist die Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung des Denkmals durch den Betrachter und die damit verbundenen Fragen und Reflexionen.
Schlüsselwörter
Counter-Monument, Holocaust-Mahnmal, Denkmal für die ermordeten Juden Europas, James E. Young, Erinnerungskultur, kollektive Erinnerung, Gedenkstätte, moderne Kunst, Architektur, Betrachterrolle.
Häufig gestellte Fragen zur Arbeit: Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas als Counter-Monument
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ und analysiert dessen Einordnung in den Diskurs um alternative Gedenkformen, speziell im Kontext von James E. Youngs These des „Counter-Monument“. Sie beleuchtet die Entstehung, Gestaltung und Wirkung des Denkmals und vergleicht es mit anderen Beispielen solcher alternativer Gedenkstätten.
Was ist ein „Counter-Monument“ nach James E. Young?
Die Arbeit definiert den Begriff „Counter-Monument“ gemäß James E. Young. Es beschreibt alternative Gedenkformen, die sich von traditionellen, oft heroisierenden Denkmälern abgrenzen. „Counter-Monumente“ sollen den Holocaust in seiner Einzigartigkeit und Unerklärlichkeit widerspiegeln und die aktive Rolle des Betrachters im Prozess der Erinnerung hervorheben. Sie besitzen eine „anti-erlöserische“ Qualität.
Wie wird das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in dieser Arbeit analysiert?
Die Arbeit analysiert das Denkmal in mehreren Schritten: Zuerst wird seine Entstehungsgeschichte von der Bürgerinitiative bis zur Realisierung nachgezeichnet. Anschließend wird es im Hinblick auf seine Gestaltung und intendierte Wirkung untersucht und mit den Merkmalen eines „Counter-Monument“ verglichen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Rezeption und Wirkung des Denkmals beim Betrachter.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und was sind die jeweiligen Schwerpunkte?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung) führt in die Thematik ein. Kapitel 2 definiert den Begriff „Counter-Monument“. Kapitel 3 beschreibt die Entstehung des Denkmals. Kapitel 4 analysiert das Denkmal als „Counter-Monument“, einschließlich der Betrachtung der Betrachterrezeption. Kapitel 5 (Fazit) fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Counter-Monument, Holocaust-Mahnmal, Denkmal für die ermordeten Juden Europas, James E. Young, Erinnerungskultur, kollektive Erinnerung, Gedenkstätte, moderne Kunst, Architektur, Betrachterrolle.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ als „Counter-Monument“ einzuordnen, seine Wirkung auf den Betrachter zu analysieren und den Diskurs um alternative Gedenkformen zu beleuchten. Sie untersucht die Definition und Charakteristika des „Counter-Monument“, analysiert die Entstehung und Gestaltung des Denkmals und bewertet es im Lichte der „Counter-Monument“-Theorie.
Welche Beispiele für „Counter-Monumente“ werden genannt?
Die Arbeit nennt als Beispiele für „Counter-Monumente“ die Arbeiten von Jochen Gerz und Sol LeWitt. Weitere Beispiele werden im Kontext des Vergleichs mit dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas implizit diskutiert.
Welche Rolle spielt Hannah Arendt in der Arbeit?
Hannah Arendts Beschreibung von Auschwitz als Bruch in der westlichen Geschichte und die daraus resultierende Notwendigkeit einer neuen Ethik der Erinnerung wird in der Einleitung erwähnt und bildet den Kontext für die Suche nach neuen Ausdrucksmitteln in der Erinnerungskultur.
- Citar trabajo
- Corinna Gronau (Autor), 2010, Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ von Peter Eisenman. Ein „Counter-Monument“?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277867