Niemand kann sich in der Normalität seines Lebens den alltäglich auftauchenden Entscheidungssituationen entziehen. Man wäre beinahe versucht zu sagen, dass Entscheidungen ebenso zu den elementaren Bestandteilen des Lebens gehören, wie die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen nach Schlaf oder der Aufnahme von Nahrung. Doch in kaum einer Situation, in der wir uns der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen stellen müssen, sind die Anforderungen, die die jeweilige Entscheidung an uns stellt, gleich. Die morgendliche Wahl zwischen Kaffee und Tee fällt den meisten wohl nicht all zu schwer. Dies liegt vor allem daran, dass die Anzahl der Alternativen, zwischen denen ge wählt werden kann begrenzt ist, die Folgen der Wahl nicht all zu schwerwiegend sind, diese Situation für die meisten nicht neu ist und somit vielleicht schon der Routine entspricht. Während routinisierte Entscheidungen dem Entscheidungsträger zumeist nicht all zu viel abverlangen, gibt es eine Vielzahl von Gegebenheiten unter denen das Treffen von Entscheidungen erhebliche Anforderungen stellt. Hierzu zählen im Besonderen...
... neuartige Entscheidungssituationen, in denen der Entscheidungsträger auf
keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen kann,
... Entscheidungssituationen, die auf Grund der immensen Anzahl an Alternativen
und möglichen Folgen der Entscheidungen sehr unüberschaubar und komplex sind, ... Entscheidungen unter Unsicherheit, bei denen die möglichen Folgen nur auf
Basis von Wahrscheinlichkeiten antizipiert werden können, ... sowie Situationen in denen die Entscheidung mit großen Risiken oder
schwerwiegenden Konsequenzen verbunden sind und somit ein großes Maß an Rationalität und Voraussicht vom Entscheidungsträger fordern.
Beispielhaft seien hier strategische Entscheidungen genannt, wie sie im Rahmen von Unternehmen getroffen werden. Sie gestalten sich häufig sehr komplex und sind oftmals mit großen Ausgaben verbunden und fordern somit wohl überdachte Entscheidungen.
Unter welchen Umständen Entscheidungen im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext als rational gelten, mit welchen Hilfsmitteln die „traditionelle“ Ökonomie 1 objektive Rationalität gewährleisten will und in welchem Maße rationales Handeln in den uns Tag täglich begegnenden Entscheidungssituationen nach Herbert Simon’s Auffassung tatsächlich möglich ist, ist Gegenstand dieser Seminararbeit.
Inhaltverzeichnis
1. Entscheidungssituationen prägen das Bild unseres Alltags
2. Rationalitätskonzepte & das wirtschaftswissenschaftliche Menschenbild
2.1 Die verschiedenen Rationalitätskonzepte der Sozialwissenschaften
2.1.1 Der allgemeine Begriff der Rationalität
2.1.2 Rationalität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
2.1.3 Abschließender Vergleich der vorgestellten Rationalitätsbegriffe
2.2 Das Menschenbild der „traditionellen“ Ökonomie
3. Ökonomische Konzepte der rationalen Entscheidungsfindung
3.1 Die Maximin-Regel – „the Max-min Rule“
3.2 Entscheidungen bei Unsicherheit – „the Probabilistic Rule“
4. Herbert Simon’s Theorie der begrenzten Rationalität
4.1 Der „Homo organisans“
4.2 Die Anforderungen der „traditionellen“ Ökonomie und ihre Grenzen
4.3 Die Grenzen menschlicher Rationalität
4.3.1 Unvollständigkeit des Wissens & der Bereich der Verhaltensmöglichkeiten
4.3.2 Reaktionen aus Gewohnheit & persönliche Antizipationen
4.4 Absolute Maximierung vs. relative Maximierung
5. Brian J. Loasby und seine Kritik an Herbert Simon’s Theorie
6. Wann sind Herbert Simon’s Erkenntnisse hilfreich?
Literaturverzeichnis
1. Entscheidungssituationen prägen das Bild unseres Alltags
Niemand kann sich in der Normalität seines Lebens den alltäglich auftauchenden Entscheidungssituationen entziehen. Man wäre beinahe versucht zu sagen, dass Entscheidungen ebenso zu den elementaren Bestandteilen des Lebens gehören, wie die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen nach Schlaf oder der Aufnahme von Nahrung.
Doch in kaum einer Situation, in der wir uns der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen stellen müssen, sind die Anforderungen, die die jeweilige Entscheidung an uns stellt, gleich. Die morgendliche Wahl zwischen Kaffee und Tee fällt den meisten wohl nicht all zu schwer. Dies liegt vor allem daran, dass die Anzahl der Alternativen, zwischen denen gewählt werden kann begrenzt ist, die Folgen der Wahl nicht all zu schwerwiegend sind, diese Situation für die meisten nicht neu ist und somit vielleicht schon der Routine entspricht.
Während routinisierte Entscheidungen dem Entscheidungsträger zumeist nicht all zu viel abverlangen, gibt es eine Vielzahl von Gegebenheiten unter denen das Treffen von Entscheidungen erhebliche Anforderungen stellt. Hierzu zählen im Besonderen...
- ... neuartige Entscheidungssituationen, in denen der Entscheidungsträger auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen kann,
- ... Entscheidungssituationen, die auf Grund der immensen Anzahl an Alternativen und möglichen Folgen der Entscheidungen sehr unüberschaubar und komplex sind,
- ... Entscheidungen unter Unsicherheit, bei denen die möglichen Folgen nur auf Basis von Wahrscheinlichkeiten antizipiert werden können,
- ... sowie Situationen in denen die Entscheidung mit großen Risiken oder schwerwiegenden Konsequenzen verbunden sind und somit ein großes Maß an Rationalität und Voraussicht vom Entscheidungsträger fordern.
Beispielhaft seien hier strategische Entscheidungen genannt, wie sie im Rahmen von Unternehmen getroffen werden. Sie gestalten sich häufig sehr komplex und sind oftmals mit großen Ausgaben verbunden und fordern somit wohl überdachte Entscheidungen.
Unter welchen Umständen Entscheidungen im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext als rational gelten, mit welchen Hilfsmitteln die „traditionelle“ Ökonomie[1] objektive Rationalität gewährleisten will und in welchem Maße rationales Handeln in den uns Tag täglich begegnenden Entscheidungssituationen nach Herbert Simon’s Auffassung tatsächlich möglich ist, ist Gegenstand dieser Seminararbeit.
2. Rationalitätskonzepte & das wirtschaftswissenschaftliche Menschenbild
Um dem Themengebiet der begrenzten menschlichen Rationalität einen Rahmen zu geben, sollen im Folgenden einige in diesem Zusammenhang wichtige Begriffe geklärt werden.
2.1 Die verschiedenen Rationalitätskonzepte der Sozialwissenschaften
Der Begriff rationalen Handelns kann und wird in den einzelnen Sozialwissenschaften unterschiedlich interpretiert – eine eindeutige Definition des Begriffs Rationalität gibt es nicht. Je nach Wissenschaftsgebiet gibt es kleine und größere Unterschiede in Aussage und Auslegung des Begriffs der Rationalität. So stimmt die allgemeine Definition rationalen Verhaltens nicht mit den in der Soziologie und Psychologie verwendeten überein. Selbiges gilt für die im Fachgebiet der Wirtschaftswissenschaft gebräuchliche Definition.
Die folgende Darstellung beschränkt sich lediglich auf die allgemeine und die wirtschaftswissenschaftliche Definition der menschlichen Rationalität – bestehende Unterschiede und wesentliche Merkmale werden aufgezeigt.
2.1.1 Der allgemeine Begriff der Rationalität
Rationalität bezeichnet im Allgemeinen ein bestimmtes, rationales Entscheidungsverhalten. Doch was kennzeichnet einen rational handelnden Menschen? Der Duden spricht in diesem Zusammenhang von einem von der Vernunft bestimmten Wesen[2] - einem Wesen, das nach eigenen Grundsätzen handelt und urteilt und dabei auf den totalen Zusammenhang der Erscheinungen gerichtet ist.
Diese sehr kryptisch formulierte Begriffsbestimmung kann jedoch erweitert werden. So handelt und entscheidet derjenige rational, der „auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die ihm am günstigsten erscheinende Alternative wählt“[3]. Ein Beispiel für den von der Vernunft bestimmten Menschen ist der „Homo oeconomicus“, der allein nach wissenschaftlichen Kriterien wie Kosten, Nutzen und Gewinn handelt.[4]
Wird die allgemeingültige Bedeutung menschlicher Rationalität mit der im ökonomischen Zusammenhang stehenden verglichen, so wird schnell klar, dass dem rationalen Handeln im allgemeinen Sinn sehr viele Freiräume gegeben sind. Was im jeweiligen Entscheidungsfall als „günstig“ betrachtet wird, wird zumeist auf subjektiven Beweggründen basieren und nicht auf festen mathematischen Grundsätzen.
2.1.2 Rationalität aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
Im Gegensatz zum allgemeinen Rationalitätsverständnis, steht der Begriff der Rationalität im Fachgebiet der Wirtschaftswissenschaften in einem sehr viel engeren, mathematisch-theoretischen Zusammenhang. Entscheidungen im wirtschaftlichen Kontext müssen meist auf Basis eines gewissen Rationalitätsdrucks getroffen werden. Die Ursachen dieses Drucks liegen hauptsächlich in...
- ... der Knappheit von zur Verfügung stehenden Gütern,
- ... bestehenden Sachzwängen, wie sie beispielsweise in Unternehmen durch den Zwang zur Kostendeckung und dem Streben nach Gewinnerzielung bestehen,
- ... gültigen Normen und dem einzelnen Individuum zugewiesenen Rollen, wie die eines Geschäftsführers, die ihn zwangsläufig zu rationalem Handeln verpflichtet.[5]
Im wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang handelt unter gegebenem Rationalitäts-druck nur rational, wer objektive Entscheidungen auf Grund fundierter wissenschaftlicher Regeln trifft, und aus der Vielzahl der bei der Entscheidung zur Verfügung stehenden Alternativen diejenige auswählt, bei der der zu erwartende Nutzen maximal ist.[6] Hierbei ist zu beachten, dass die „traditionelle Betriebswirtschaftslehre [...]“ stets von der „vollkommene[n] Voraussicht des Entscheidungsträgers“[7] ausgeht, dem keinerlei Unklarheit darüber besteht, welche konkreten Folgen jede einzelne der zur Verfügung stehenden Alternativen haben wird.
Zusammenfassend und ergänzend lässt sich sagen, dass die „wirtschaftstheoretische Modellanalyse [...] meist das Rationalprinzip als Verhaltensmaxime, Nutzenmaximierung als Zielsetzung sowie Markttransparenz und unendliche Anpassungsgeschwindigkeit als zusätzliche Voraussetzung [unterstellt]. Das Rationalitätsprinzip wird [...] nicht als inhaltlich bestimmtes, sondern als formales Durchführungsprinzip verstanden, das eine bestimmte Präferenzstruktur sowie Nutzenmaximierung als Zielsetzung voraussetzt.“[8]
2.1.3 Abschließender Vergleich der vorgestellten Rationalitätsbegriffe
Stellt man die allgemeine Definition menschlicher Rationalität der wirtschaftswissen-schaftlichen gegenüber, so ist unschwer zu erkennen, welche großen Unterschiede bestehen. Während im Allgemeinen nur von der Entscheidungsfindung unter dem Einsatz der menschlichen Vernunft gesprochen wird, ist das rationale Handeln im ökonomischen Sinn einer Vielzahl von Zielwerten und Prämissen unterworfen. Zudem wird der Gebrauch spezieller mathematisch fundierter Entscheidungsregeln vorausgesetzt.
Welche Bandbreite an Informationen, Wissen und nicht zuletzt Qualifikation zum Treffen rationaler Entscheidungen benötigt wird, und mit welchen Schwierigkeiten und Grenzen die Beschaffung und Verarbeitung von Wissen für den einzelnen Menschen verbunden ist, wird in Kapitel 4 dieser Seminararbeit behandelt werden.
2.2 Das Menschenbild der „traditionellen“ Ökonomie
Das Menschenbild der „traditionellen“ Ökonomie ist in erster Linie durch die Annahme unbegrenzter Rationalität gekennzeichnet. Für Zwecke wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnis[9] wird ein idealtypisches Bild vom Menschen gezeichnet, der in seinem Tun ausschließlich wirtschaftlich handelt. Der so genannte „Homo oeconomicus“ „[...] verfügt über ein vollständiges, widerspruchsfreies Zielsystem, handelt rational, wobei das Eigeninteresse im Sinne des Strebens nach größtmöglichem Nutzen (privater Haushalt) oder größtmöglichem Gewinn (privates Unternehmen) handlungsbestimmend ist, und kennt bei seinen Entscheidungen alle Alternativen (vollständige Markttransparenz, vollständige Information) und deren Konsequenzen (vollständige Voraussicht).“[10]
Der „Homo oeconomicus“ ist gleichsam allwissend und über jeden Zweifel erhaben. Er besitzt die Fähigkeit selbst die komplexesten Zusammenhänge zu begreifen und aus allen vorhandenen Handlungsalternativen stets diejenige auszuwählen, die den größten Nutzen in sich birgt.
3. Ökonomische Konzepte der rationalen Entscheidungsfindung
Der bestehende Rationalitätsdruck, verursacht durch die Knappheit von Gütern, sowie durch bestehende Sachzwänge, lässt dem „Homo oeconomicus“ keine andere Wahl, als alle in der jeweiligen Situation vorhandenen Handlungsalternativen einzeln bis ins Detail zu beurteilen, sie in eine Rangfolge zu bringen, und stets diejenige Alternative auszuwählen, deren Nutzwert („pay-off“, A.d.V.) als am höchsten bewertet wurde.[11]
„Ist die Bewertungsfunktion Φ gegeben [...]“ und sind die jeder Alternative a zugeordneten Nutzwerte Φ(a) bekannt, „[...] so ist die Entscheidungssituation bis auf die Durchführung einer Maximierung [...] formal bereits gelöst.“[12]
Der Entscheidungsträger wird jene Alternative a* aus A ergreifen, für die gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In diesem Fall wäre es dem „Homo oeconomicus“ möglich, seine Entscheidung durch eine direkte Situationsbewertung zu treffen. Es entspricht jedoch einer Tatsache, dass Entscheidungen mit zunehmender Komplexität kaum noch ohne die Unterstützung von wissenschaftlichen Verfahren getroffen werden können. Vor dem Hintergrund der Nutzenoptimierung ist eine systematische Erfassung und Verarbeitung der für die Entscheidung relevanten Informationen nach „traditioneller“ Sicht jedoch unabdingbar. Der Mensch braucht „formalisierte Regeln und Prozeduren, um seine teilweise unbewussten, unklaren, widersprüchlichen Erwartungen und Wünsche zu formen und transparent zu machen und um Informationen konsistent zu verarbeiten.“[13] Die Konzepte rationaler Entscheidungsfindung (auch präskriptive Entscheidungstheorien genannt, A.d.V.) sollen es dem „Homo oeconomicus“ ermöglichen, seine Entscheidungen auf Basis empirischer Gesetzte zu treffen, die zuvor im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung aufgestellt wurden. Sie sollen die „vermeintlichen Schwächen“ menschlichen Handelns ausgleichen, um so zu rationalen Entscheidungen zu führen.
Um die Entscheidungsfindung nach „traditionellen“ wirtschaftswissenschaftlichen Konzepten zu verdeutlichen, sollen nun zwei konkrete Entscheidungskonzepte vorgestellt werden.
3.1 Die Maximin-Regel – „the Max-min Rule“
Die Maximin-Regel, nach ihrem Begründer A. Wald auch Wald-Regel genannt, wird in erster Linie in der Spieltheorie und der statistischen Entscheidungstheorie eingesetzt. Bei einer Entscheidungssituation wird aus zwei zur Verfügung stehenden Alternativen, unter ökonomisch rationalen Gesichtspunkten, diejenige Alternative a aus der Summe aller Alternativen A gewählt, die den größten Zielwert inne hat. Somit ist diejenige Alternative â als optimal zu betrachten für die gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Vgl. Simon, H. (1957), S. 241.
[2] Vgl. Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (1999), S. 686.
[3] o.V. Brockhaus-Enzyklopädie (1992), Band 18, S. 85.
[4] Vgl. o.V. Brockhaus-Enzyklopädie (1992), Band 18, S. 85 f.
[5] Vgl. Wiswede, G. (1995), S. 25.
[6] Vgl. Simon, H. (1957), S. 244 f.
[7] Vgl. Bamberg, G. / Coenenberg, A. (1989), S. 3.
[8] Wiswede, G. (1995), S. 28.
[9] Zum Beispiel in der Mikroökonomie und der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie, A.d.V.
[10] Vgl. o.V. Brockhaus-Enzyklopädie (1992), Band 10, S. 218.
[11] Vgl. auch Simon, H. (1981), S. 109.
[12] Vgl. Bamberg, G. / Coenenberg, A. (1989), S. 30 f.
[13] Vgl. Eisenführ, F. / Weber, M. (1999), S. 3.
- Citar trabajo
- Stefanie Beck (Autor), 2003, Die Theorie begrenzter Rationalität - der Ansatz von Herbert A. Simon, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27773
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