Im Folgenden soll die Herkunft und Genese der Begriffe „digital“ und „Digitalcomputer“ analysiert werden. Der technologische Begriff „digital“ schreibt eine bestimmte Ökonomie des elektronisch-binären Taktens an. Um diesen Sachverhalt historisch zu fundieren, vergleicht beispielsweise Paul Ceruzzi in William Asprays „Computing Before Computers“ von 1990 den Begriff „digital“ mit „analog“ im Sinne einer Opposition. Der Autor stellt fest, dass der Atanasoff-Berry-Computer (ABC) von 1942 und der ENIAC von 1945 digital rechneten. Ein indirekter Beleg für Ceruzzis Endnote findet sich in der Dissertation des Physikers und Wissenschaftssoziologen Friedrich-Wilhelm Hagemeyer. In „Die Entstehung von Informationskonzepten in der Nachrichtentechnik“ von 1979 nennt er zwei unveröffentlichte Dokumente, in denen Stibitz die Worte „binary places“ und „digital computer“ verwendet.
In sämtlichen Texten zur Computergeschichte wird das von William Eccles und Frank Jordan 1919 vorgestellte „trigger relay“ als direkte Vorgängerschaltung des Flipflops angeführt. Vergleicht man jedoch beide Schaltungen, erkennt man, dass Eccles Schaltung nicht symmetrisch ist. Die Symmetrie ist aber das entscheidende Merkmal des bistabilen Kippschalters, genannt Flipflop. Mindestens eine direkte Nachfolgeschaltung des „Trigger relays“ von 1919 oder eine erste Anwendung müsste sich doch finden lassen. Eine frühe Erwähnung des onomatopoetischen Namens „Flipflop“ findet sich in A. T. Starrs Aufsatz „A Trigger Peak Voltmeter Using »Hard« Valves“ von 1935. Im April 1920, also etwa ein halbes Jahr nach dem Erscheinen des Trigger relay-Aufsatzes, stellt Laurence Beddome Turner sein so genanntes „Kallirotron, an Aperiodic Negative-Resistance Triode Combination“ vor.
Der Begriff „Digitalcomputer“ (Stibitz 1942) und das “Flipflop” (Turner 1920)
[T]he computer is not one thing but many different things, and the same holds true of computing (Michael Mahoney) and many indeed have struggled to give the computer and computation its historical due.
2nd international conference on the History and Philosophy of Computing (HaPoC), Paris 2013
Im Folgenden soll die Herkunft und Genese der Begriffe „digital“ und „Digital- computer“ analysiert werden. Der technologische Begriff „digital“ schreibt eine bestimmte Ökonomie des elektronisch-binären Taktens an. Um diesen Sachverhalt historisch zu fundieren, vergleicht beispielsweise Paul Ceruzzi in William Asprays „Computing Before Computers“ von 1990 den Begriff „digital“ mit „analog“ im Sinne einer Opposition. Der Autor stellt fest, dass der Atanasoff-Berry-Computer (ABC) von 1942 und der ENIAC von 1945 digital rechneten. Diese Feststellung ist jedoch nur möglich, weil Ceruzzi Atanasoffs deskriptiven Begriff „direct“ durch „digital“ ersetzt:
“If Atanasoff is the inventor of the electronic digital computer, as the courts judged in 1973, then it is in the restricted sense outlined here. At the same time […] Mauchly had only vague and ill-defined ideas about how to use vacuum tubes to build circuits that could perform digital calculation. Atanasoff, by contrast, was skilled at circuit design and had a thorough understanding of the difference between electronic circuits used for analog as opposed to digital applications.[7] [Endnote] 7. Indeed, Atanasoff was the first to use the word »analogue« to describe that type of computer [from 1936, not the ABC]; »digital« was first used by George Stibitz in 1942.”1
Über Stibitz (Abbildung 1) Schriften ist wenig bekannt, weil sein gesamter Nachlass unveröffentlicht im Archiv des Darthmouth College in Hanover im US-Bundesstaat New Hampshire liegt. Anlässlich einer Preisverleihung des renommierten Institute of Electrical and Electronic Engineers im Jahre 1977 beschreibt einer der Redner das Verdienst Stibitz’, wobei er fast beiläufig die allgemeinen Eigenschaften des Digitalcomputers mit Binärlogik, Gleitkommaarithmetik, Speicheradressierung und Programmsteuerung definierte:
“For pioneering contributions to the development of computers, utilizing binary and floating-point arithmetic, memory indexing, operation from a remote console, and programm-controlled computations.”2
Abbildung 1: George Robert Stibitz (1904-1995)
Ein indirekter Beleg für Ceruzzis Endnote findet sich in der Dissertation des Physikers und Wissenschaftssoziologen Friedrich-Wilhelm Hagemeyer. In „Die Entstehung von Informationskonzepten in der Nachrichtentechnik“ von 1979 nennt er zwei unveröffentlichte Dokumente, in denen Stibitz die Worte „binary places“ und „digital computer“ verwendet:
„Kurz nach dieser Konferenz [Conference on Electronic Fire Control Computers] stellte George Stibitz die Vorzüge digitaler Computer in einem Memorandum, »Digital Computation A(nti) A(ircraft) Directors« (23.4.1942) noch einmal zusammen. […] Mit dieser Arbeit prägte Stibitz sehr wahrscheinlich 1942 den Begriff des »digital computer« als Gegenstück zum analogen - und zwar in bewusster Absetzung von dem bis dahin gelegentlich verwendeten Begriff des »pulse computer«, der die Verwandtschaft zwischen Nachrichtenverarbeitung und -übertragung noch eher betonte. Ebenso ist bemerkenswert der hier bereits verwendete Begriff der »binary places« […].“3
Für jene „Conference on Electronic Fire Control Computers“ am 16. April 1942 verfasst er einen 110seitigen „Report on electronic predictors for anti-aircraft fire control“, in dem er zwei grundsätzliche Klassen von Rechnersystemen unterscheidet - das „impulse system“ und das „direct system“ (Abbildung 2). Allerdings weist Stibitz zugleich darauf hin, dass in der Praxis eine solche Unterscheidung rein akademischer Natur sei, weil eine tatsächlich gebaute Maschine wahrscheinlich stets beide Eigenschaften aufwiese.
Abbildung 2: Titelseite von „Report on Electronic Predictors for Anti-aircraft Fire Control“, Stibitz 1942.
Analogcomputer addieren kontinuierlich sich verändernde Signale. Das „direct system“ (Abbildung 3b) addiert aus ihnen erzeugte binäre Signale für die logischen Werte Null und Eins. Stibitz geht explizit auf den ökonomischen Aspekt des Binärsystems ein, prägt den Terminus „binary places“ und antizipiert damit den Terminus „Bit“:
“The question of the most suitable number system was examined critically and it was found that for most purposes the binary system (radex 2) is the most economical. […] This number system lends itself very well to electrical computing devices where elements are used to represent binary places. Its advantage lies in the fact that each element only requires two states to represent the coefficients or digits.”4
Stibitz modifiziert das „impulse system“ (Abbildung 3a), indem die binären Impulse nicht gleichzeitig über parallele Datenleitungen zur Addierung bringt wie beim „direct system“, sondern nacheinander als so genannten „number train“ (Abbildung 3c).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3a-c.
“Fig. III-1 shows two computing devices, (a) being of the impulse type and (b) being of the direct type. A number is introduced into the direct device by applying voltage to the leads A. [...] The number remains in the device only so long as the voltage are maintained. In the impulse device a number is introduced by applying an impulse to each wire representing a place having a digit 1 and no impulse on the others. [...] The number is only removed when the device is cleared. [...] The sum may be considered registered by the indicators i. With the direct calculator one number is introduced onto wires A and the other [number] onto the wires B, while their sum, as before, is registered on indicators i. […] A modification of the impulse system employs number trains. Instead of transmitting the number as a simultaneous group of impulses on separate wires for each binary position, the number is a train of impulses whose ordering designates the binary places. […] Thus the number 10110101[181] would be transmitted over a single wire by the impulse train shown in Fig. III-1c. Number train systems are inherently slower than ordinary impulse systems but frequently result in a considerable simplification of equipment.”5
[...]
1 Aspray 1990, S. 239 und 247.
2 Loveday 1977, S. 80.
3 Hagemeyer 1979, S. 359.
4 Stibitz 1942a, S. 3 und 39.
5 Stibitz 1942a, S. 40f.
- Citation du texte
- Dr. phil. Robert Dennhardt (Auteur), 2013, Der Begriff "Digitalcomputer" (Stibitz 1942) und das "Flipflop" (Turner 1920), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276693
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