Soziale Gemeinschaften beschäftigen sich seit Jahrhunderten mit einem Aspekt, der entscheidend zur Gestaltung ihres Zusammenlebens beiträgt – mit der Frage nach
Recht und Gerechtigkeit. Anfangs drückte Gerechtigkeit allein die Übereinstimmung mit dem geltenden Recht aus. Seit längerem rückt gleichermaßen ihre moralische Bedeutsamkeit stärker in den Vordergrund. Aus objektiver Sicht wird hierbei die inhaltliche Richtigkeit des Rechts sowie subjektiv die Rechtschaffenheit eines Menschen betrachtet. So scheinen beide in einem kausalen Zusammenhang zu stehen. Der Mensch als moralisches Wesen handelt nach den inhaltlichen Vorgaben ihm bekannter Rechte. Die Rechte selbst sind mitunter Ergebnis der Vorstellungen einer moralischen Wertegemeinschaft. Dabei ist das Verlangen nach Gerechtigkeit allen Kulturen gleich. In diesem Sinne spricht Otfried Höffe ferner von der „gesamte[n] Menschheit als eine[r] Gerechtigkeitsgemeinschaft“, der gemein das Gleichheitsgebot ist. Demnach sollte jedem dasselbe Recht geschehen, unabhängig
von seiner Person. Ein Zeugnis für die literarische Auseinandersetzung mit dem Thema Recht und Gerechtigkeit bildet bis heute Heinrich von Kleists 1810 veröffentliche Charakternovelle „Michael Kohlhaas“. Den Protagonisten Michael Kohlhaas und sein Verbrechen wählte Kleist nach einem historischen Vorbild aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dessen Geschichte er nutzte, um ein Werk zu schaffen, welches Recht und Unrecht, Verbrechen und Strafe in einen großen geistigen Zusammenhang stellt. Gegenstand dieser Hausarbeit wird es sein, die Momente des Verbrechens in Augenschein zu nehmen, die ausschlaggebend für die Konstituierung des Unrechts am Protagonisten sind und ihn in den angenommenen Zwiespalt zwischen Recht und Gerechtigkeit treiben. Besondere Beachtung kommt dabei den Umständen zu, die das Auslösen und den Verlauf der Tat außerhalb juristischer Normen begünstigen, sowie dem Charakter des Verbrechers.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kleist und die Rechts- und Staatsphilosophien seiner Zeit
2.1. Naturrecht bei Hobbes und Rousseau
2.2. Adam Müllers Staatstheorie
2.3. Das Recht des Staates in Europa und Preußen
3. Michael Kohlhass im Zwiespalt mit dem Recht auf dem Weg zur Gerechtigkeit
3.1. Der Anlass zur Rache
3.2. Der Rachefeldzug Michael Kohlhaas und seine Gefolgschaft
3.3. Das Gespräch mit Luther und die Amnestie
3.4. Dresden und der Rechtsspruch
3.5. Berlin und die Hinrichtung
4. Resümee
5. Bibliographie
5.1. Primärtext
5.2. Sekundärliteratur
- Citar trabajo
- Anja Brauer (Autor), 2011, Heinrich von Kleists "Michael Kohlhaas" im Zwiespalt zwischen Recht und Gerechtigkeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275865
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