„Das Karussell“ ist ein Gedicht von Rainer Maria Rilke, das er im Jahr 1906 schrieb. Es gehört zu den „Neuen Gedichten“, die im Jahr 1907 erschienen und während Rilkes Aufenthalt in Paris entstanden sind. Das Karussell, das Rilke in seinem Gedicht beobachtet, hat sich zu jener Zeit im Jardin du Luxembourg befunden, wie aus dem Untertitel des Gedichts hervorgeht.
Da auf inhaltlicher Ebene selbst nur wenig geschieht, liegt es zunächst nahe, das Gedicht anhand seiner formalen Struktur zu interpretieren. Viele Stilmittel hier unterstützen das Motiv der Bewegung, die zentrales Merkmal der klassischen Moderne war und die auch dieses Gedicht zum Thema macht. So unterstützen fast alle der beschriebenen Besonderheiten das Bild des sich drehenden Karussells.
Das Karussell (Rainer Maria Rilke, Juni 1906, Paris)
Jardin du Luxembourg
Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser roter Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.
Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,
nur dass er einen Sattel trägt und drüber
ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.
Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.
Und dann und wann ein weißer Elefant.
Und auf den Pferden kommen sie vorüber,
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge
schauen sie auf, irgendwohin, herüber -
Und dann und wann ein weißer Elefant.
Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil -.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel. . .
1. Formale Analyse
„Das Karussell“ ist ein Gedicht von Rainer Maria Rilke, der es im Jahr 1906 schrieb. Es gehört zu den „Neuen Gedichten“, die im Jahr 1907 erschienen und während Rilkes Aufenthalt in Paris entstanden sind. Das Karussell, das Rilke in seinem Gedicht beobachtet, hat sich zu jener Zeit im Jardin du Luxembourg befunden, wie aus dem Untertitel des Gedichts hervorgeht.
Das Gedicht beinhaltet insgesamt 27 Verse, die in fünf vollständige Strophen und zwei zwischengeschobene Einzelverse gegliedert sind. Auffällig ist jedoch, dass die Länge dieser Strophen im Verlauf noch einmal variiert. Während die erste Strophe aus ganzen acht Versen besteht, schließen die zweite und dritte nur jeweils drei Verse zusammen. Es folgt der erste eingeschobene Vers, der allein wohl aber nicht als Strophe gewertet werden kann. Es folgt eine vierversige Strophe, die wiederum von einem alleinstehenden Vers gefolgt wird. Am Ende steht eine Strophe mit sieben einzelnen Versen. Insgesamt besteht das Gedicht aus zehn Sätzen, zwei in der ersten Strophe, jeweils einer in Strophe zwei, drei und vier. Die eingeschobenen Verse sind auch abgeschlossen mit einem Punkt, sind aber durch das „und“ zu Beginn als Fortführung eines Gedankens aus dem Satz zuvor zu sehen. Die letzte Strophe dann besteht sogar aus drei kurzen Sätzen. Auffallend ist noch, dass sowohl der Satz der vierten Strophe und der zweite Satz der fünften Strophe offen enden mit einem Gedankenstrich. Der letzte Satz in Strophe fünf endet sogar mit drei Gedankenpunkten. Durch diese Verbindung von mehreren Zeilen hin zu einem Satz haben wir es mit vielen Enjambements zu tun, die die einzelnen Verse verbinden und ein rundes Ganzes daraus machen. Da das Gedicht fast nur aus Enjambements besteht, haben wir es mit dem sogenannten Hakenstil zu tun.
Alle Strophen folgen dem Metrum des Jambus, das heißt, dass eine unbetonte Silbe einer betonten Silbe vorausgeht und dies über den ganzen Vers fortgesetzt wird.
Das Reimschema ist in fast allen Strophen das eines umarmenden Reims, nur die letzte Strophe fällt ein wenig aus dem Rahmen. Zudem handelt es sich um eine abgewandelte Form des Kettenreims, in dem der zuvor umschlossene Reim zum umschließenden wird. Die erste Strophe folgt dem Schema ABBABCCB, hier reimt sich das Verb „dreht“ im ersten Vers auf „untergeht“ der vierten Strophe, in der zweiten und dritten Strophe reimen sich „Bestand“ und „Land“. Diese B-Reimung gibt dann wiederum den umarmenden Reim der folgenden vier Verse, „angespannt“ im fünften Vers reimt sich auf „Elefant“ im achten Vers und „Mienen“ und „ihnen“ in Vers sechs und sieben. Der umarmende Reim wird auch in den dreiversigen Strophen fortgeführt, einmal mit einem ganz neuen Reimpaar (DED) und dann mit einem Reim auf den zweiten Vers der ersten Strophe (FBF). Es folgt der eingeschobene Vers, der immer mit dem Wort „Elefant“ endet, welches auch dem Reim B folgt. Die vierte Strophe besteht dann aus EFFE, der folgende eingeschobene „Elefant“-Vers wie erwähnt wieder dem B-Reim. In der letzten Strophe dann wechselt das Reimschema kurz zu einem Kreuzreim GHG und schließt mit einem erneuten umarmenden Reim HGGH.
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- Sandra Kuberski (Author), 2011, "Das Karussell" von Rainer Maria Rilke. Analyse und Interpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275576
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