Die in den neunziger Jahren von RAPPAPORT angefachte Shareholder-Value-Diskussion und der weit verbreitete Wunsch, im Rahmen der angehenden Globalisierung eine internationale Vereinheitlichung der Rechnungslegungsstandards zu schaffen, gehören zu den Zündungsfunken, die die starke Verbreitung der angelsächsischen Bewertungstheorie in der heutigen Wirtschaftspraxis anfachten. Deren Kernproblem besteht in abstrakten und inkompatiblen Modellwelten, auf denen die Annahmen dieser Bewertungstheorien fußen und die somit ein fragiles Fundament für die betriebswirtschaftliche Unternehmertätigkeit schaffen. Folglich ist es fragwürdig, ob eine auf den angelsächsischen DCF–Verfahren basierende Unternehmensbewertung einer angemessene Informationsbasis für Vorstandsentscheidungen im Lichte des Gesellschaftswohls gemäß der „business judgment rule“ (BJR) entspricht – oder ob Vorstände mit einer solchen Entscheidungsgrundlage, deren Fundierung vermutlich zu einer unternehmerischen Fehlentscheidung führt, eine Haftungsklage der Aktionäre provozieren.
Nachfolgende Arbeit untersucht, inwiefern Vorstände auf den Haftungsfreiraum der im deutschen Aktiengesetz kodifizierten BJR zurückgreifen können, wenn ihre Entscheidung bezüglich einer Unternehmenstransaktion auf einem der angelsächsischen DCF–Bewertungsverfahren3 basiert. Zu diesem Zwecke werden in Kapitel 2 zunächst die Funktionsweise der BJR genauer durchleuchtet und anschließend die Begriffe ihrer Tatbestandsmerkmale ausführlich ausgelegt. Daraufhin legt Kapitel 3 das betriebswirtschaftliche Fundament, welches für eine Unternehmensbewertung aufgrund einer Unternehmenstransaktion benötigt wird. Kapitel 4 widmet sich zuerst den realitätsfernen Prämissen und Verfahrensfehlern der DCF–Modelle und beschreibt dann die vorherrschende Situation eines unvollkommenen Marktes. Danach werden die aktienrechtlichen Konsequenzen für die Verwendung der angelsächsischen Verfahren in Deutschland dargelegt und alternative Modelle für eine realitätsnahe Bewertung vorgestellt.
[...]
1 Grund für die Diskussion war das Buch RAPPAPORT, ALFRED (Shareholder 1986), welches u.a empfiehlt die DCFs und damit den Eigenkapitalwert zu maximieren, um die Interessen der Anteilseigner (Shareholder) zu priorisieren statt einen Konsens unter den Interesseneignern (Stakeholder) zu finden.
2 Im Konkreten die IFRS im EU-Gebiet und die US-GAAP in den USA.
3 In seinen Hauptvarianten APV, WACC, Equity.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der Anlagen im Anhang
1. Die aktienrechtliche Sorgfaltspflicht im Rahmen einer Unternehmenstransaktion
2. Rechtsgrundlage der „business judgment rule“
2.1. Kodifizierung im deutschen Aktiengesetz
2.2. Auslegung von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG
2.2.1. Die unternehmerische Entscheidung
2.2.2. Handeln zum Wohle der Gesellschaft
2.2.3. Die Frage nach einer angemessenen Informationsbasis
3. Funktionale Unternehmensbewertung in der betriebswirtschaftlichen Praxis
3.1. Grundlagen der funktionalen Unternehmensbewertung
3.2. Entscheidungsfindung in der Praxis
4. Eignung der DCF-Verfahren als angemessene Entscheidungsbasis
4.1. Abstrakte Prämissenwelt - die Defizite der DCF-Verfahren
4.2. Darstellung der Realität durch die Unvollkommenheit der Märkte
4.3. Konsequenz der Bewertungsmethode für die aktienrechtliche Sorgfalt
4.4. Alternative Bewertungsverfahren
4.5. Ergänzende Schutzvorrichtungen für den Vorstand
4.5.1. Die Illusion der Angemessenheitserklärung
4.5.2. Die „D&O“ Versicherung - Eine Schutzweste zum Nulltarif?
5. Zusammenfassung und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Beschlüsse, Richtlinien, Verordnungen und Gesetze
- Citation du texte
- Daniel Schumbert (Auteur), Joseph Blasenius (Auteur), 2013, DCF–Verfahren und aktienrechtliche Sorgfaltspflicht. Zur Frage der Haftung von Vorständen im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275008
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