[...] Schon zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt, im Jahr 1866, scheiterte die
erfolgreiche Politik seines verstorbenen Vaters Max´ II., die er weiterzuführen suchte.
Der Gründung eines Norddeutschen Bundes unter Preußens Führung ging der Deutsche
Krieg, den Preußen 1866 gegen Österreich und verbündete süddeutsche Staaten gewann,
voraus. Bayern war als Kriegsteilnehmer an der Seite Österreichs gezwungen, sich durch
ein Bündnis an Preußen zu binden. Mit dem Norddeutschen Bund war aber die absolute
Einigung Deutschlands noch nicht erreicht: Baden bemühte sich zwar bald darum, in den
Norddeutschen Bund aufgenommen zu werden, doch Bayern, Württemberg und Hessen
setzten alles daran, ihre Eigenständigkeit zu wahren. 1 Von allen wehrten sich Bayern und
sein König, Ludwig II., am vehementesten2 gegen die Gründung eines Deutschen
Reiches, die das Ende der souveränen Herrschaft bedeutet hätte. Der Mann, der die Hauptrolle auf der politischen Bühne dieser Zeit spielte, Otto von Bismarck, hat wie kein anderer in die Entwicklung der deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert eingegriffen. Mit ihm gelangte ein Mann an die Macht, der Preußens
Vorherrschaft auf Dauer sichern wollte, und mit ihm war Ludwig II. ein beinahe
unbezwingbarer Gegner entgegengestellt. Denn Bismarcks großes Ziel war es,
Deutschland zu vereinigen, um ein Deutsches Reich unter preußischer Führung erstehen
zu lassen. In einem brillanten Schachzug gelang es ihm, im Juli 1870 eine
Kriegserklärung Frankreichs an Preußen zu provozieren. 3 Nun war es an König Ludwig
zu entscheiden, ob man sich neutral verhalten oder an der Seite Preußens in den Krieg
gegen Frankreich ziehe n würde. Dass eine bayerische Teilnahme an diesem Deutsch-
Französischen Krieg 1870/71 nicht ohne Konsequenzen für das Königreich bleiben
würde, darüber war man sich in Bayern wohl im Klaren. Auch Ludwig war sich dessen
bewusst. In meiner Arbeit soll nun das Augenmerk auf Reaktionen und Initiativen des bayerischen Königs, Ludwigs II., und dessen Beweggründe für dieselben im Hinblick auf die
Entwicklungen der Jahre 1870 und 1871 gerichtet werden. 2 Hans Rall, Bayern und die Bismarcks Lösung der deutschen Frage, in: ZBLG 22 (1959), 331-347, hier 340. 3 Eberhard Kolb, Der Kriegsausbruch 1870. Politische Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten in der Julikrise 1870, Göttingen 1970, 13.
INHALTSANGABE
I. Einleitung:
II. Hauptteil
II.1 Die französische Kriegserklärung an Preußen
II.2 Im Vorfeld des Krieges
II.3 Der Mobilmachungsbefehl
II.4 Preußische Versprechungen an Bayern
II.5 Im Verlauf des Krieges
II.6 Sedan – Die Entscheidung
II.7 Bayern zeigt Initiative
II.8 Verhandlungen in Versailles – Bayerns Eintritt in den Norddeutschen Bund
II.9 Nach den Hauptverhandlungen
III. Fazit.
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Ein menschenscheuer Träumer, realitätsentrückt, ein König mit überspanntem monarchischen Selbstbewusstsein und ohne jegliche Erfahrung: Zur Zeit der preußischen Expansion war der junge, unerfahrene Ludwig II. wohl der falsche König auf dem bayerischen Thron. Er war den großen politischen Aufgaben seiner Regierungszeit nicht gewachsen. Schon zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt, im Jahr 1866, scheiterte die erfolgreiche Politik seines verstorbenen Vaters Max´ II., die er weiterzuführen suchte. Der Gründung eines Norddeutschen Bundes unter Preußens Führung ging der Deutsche Krieg, den Preußen 1866 gegen Österreich und verbündete süddeutsche Staaten gewann, voraus. Bayern war als Kriegsteilnehmer an der Seite Österreichs gezwungen, sich durch ein Bündnis an Preußen zu binden. Mit dem Norddeutschen Bund war aber die absolute Einigung Deutschlands noch nicht erreicht: Baden bemühte sich zwar bald darum, in den Norddeutschen Bund aufgenommen zu werden, doch Bayern, Württemberg und Hessen setzten alles daran, ihre Eigenständigkeit zu wahren.[1] Von allen wehrten sich Bayern und sein König, Ludwig II., am vehementesten[2] gegen die Gründung eines Deutschen Reiches, die das Ende der souveränen Herrschaft bedeutet hätte.
Der Mann, der die Hauptrolle auf der politischen Bühne dieser Zeit spielte, Otto von Bismarck, hat wie kein anderer in die Entwicklung der deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert eingegriffen. Mit ihm gelangte ein Mann an die Macht, der Preußens Vorherrschaft auf Dauer sichern wollte, und mit ihm war Ludwig II. ein beinahe unbezwingbarer Gegner entgegengestellt. Denn Bismarcks großes Ziel war es, Deutschland zu vereinigen, um ein Deutsches Reich unter preußischer Führung erstehen zu lassen. In einem brillanten Schachzug gelang es ihm, im Juli 1870 eine Kriegserklärung Frankreichs an Preußen zu provozieren.[3] Nun war es an König Ludwig zu entscheiden, ob man sich neutral verhalten oder an der Seite Preußens in den Krieg gegen Frankreich ziehen würde. Dass eine bayerische Teilnahme an diesem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 nicht ohne Konsequenzen für das Königreich bleiben würde, darüber war man sich in Bayern wohl im Klaren. Auch Ludwig war sich dessen bewusst.
In meiner Arbeit soll nun das Augenmerk auf Reaktionen und Initiativen des bayerischen
Königs, Ludwigs II., und dessen Beweggründe für dieselben im Hinblick auf die Entwicklungen der Jahre 1870 und 1871 gerichtet werden.
II. Hauptteil
II.1 Die französische Kriegserklärung an Preußen
Die Mächte Europas und vor allem Frankreich zeigten Widerstand gegen einen Großstaat wie Preußen. Die Lage war gespannt, und die Möglichkeit eines deutsch-französischen Krieges lag bereits in der Luft. Als Spanien um Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen als Nachfolger auf seinem Thron warb, gelang es Bismarck schließlich, diplomatische Provokationen gegen Napoleon in die Wege zu leiten.
Bismarck selbst stand vollkommen hinter der Idee einer Kandidatur des Hohenzollern.[4] Er verhandelte mit den Spaniern im Geheimen. Als aber die preußischen Verhandlungen mit Spanien bekannt wurden, erklärte Frankreich, unter keinen Umständen einen Hohenzollern auf dem spanischen Thron zu dulden. Daraufhin zog Leopold seine Kandidatur zurück.[5] Damit gab Frankreich sich jedoch noch nicht zufrieden; man wollte Preußen demütigen und ihm eine diplomatische Niederlage verpassen. Deshalb trat der französische Botschafter Benedetti am 13. Juli in Bad Ems an Wilhelm I. heran und forderte das Versprechen, auch künftig nie mehr einer Kandidatur des Hohenzollern zuzustimmen. Wilhelm I. teilte Bismarck dies telegraphisch mit. Der ließ die Emser Depesche in so verkürzter Form veröffentlichen, dass die Forderungen des französischen Gesandten in aller Schärfe hervortrat und der Eindruck entstand, Wilhelm habe sich schroff geweigert, den Botschafter zu empfangen. Das Nationalgefühl Frankreichs war verletzt, und man sah dort keine andere Möglichkeit mehr, als die Waffen entscheiden zu lassen.[6] Am 19. Juli 1870 traf die Kriegserklärung Frankreichs an Preußen bei Bismarck ein . [7]
II.2 Im Vorfeld des Krieges
Ein eventueller Eklat des schon lange schwelenden Konfliktes lag für Europa im Rahmen des Möglichen. Ludwig wollte keinen Krieg, bemühte sich um Österreich als ein Gegengewicht zu Preußen. Am 11. Mai 1870 sendete er ein Glückwunschtelegramm anlässlich des Ergebnisses der Volksabstimmung an Napoleon.[8] Solchen Bemühungen entgegen, den Frieden zu erhalten, hielt Ludwig sich nach außen hin zurück, nahm sich anbietende Gelegenheiten nicht wahr, zusätzliche Vermittlungen zwischen Frankreich und Preußen zu unterstützen.[9]
Mit dem Thronverzicht Leopolds am 12. Juli 1870 schien sich die Lage dann wieder entspannt zu haben. Ludwig hielt sich – wie die anderen direkt am Konflikt beteiligten Monarchen – in diesen Tagen nicht an seinem Regierungssitz auf. Er befand sich in seiner Sommerresidenz Schloss Berg. Doch tags darauf ereignete sich die Sache in Bad Ems, und die Situation wurde äußerst kritisch.[10]
Bismarck schickte die Emser Depesche am 14. Juli nach München; mit einer zusätzlichen Bemerkung, die auf das monarchische Gefühl Ludwigs zu zielen suchte: „S. Majestät der König von Bayern wird ein Gefühl dafür haben, daß Benedetti den König auf der Promenade wider dessen Willen provozierend angeredet hat, um obige Forderung stellen zu können.“[11] Ludwig war sich der ernsten Situation durchaus bewusst, wollte aber eine friedliche Bereinigung des Konfliktes statt eines Krieges.[12] „Sehnlich wünschte er eine friedliche Lösung, und immer wieder kam er auf den Satz zurück: `Ist denn kein Mittel, keine Möglichkeit vorhanden, den Krieg zu vermeiden?´.“[13] Der bayerische Ministerratsvorsitzende Graf Bray suchte durch eine Vermittlung Englands den drohenden Kriegsausbruch zu verhindern.[14] Am gleichen Tag ließ Bismarck aber schon bei sämtlichen verbündeten süddeutschen Höfen anfragen, ob sie bereit wären, Preußen bei dem zu erwartenden französischen Angriff Hilfe zu leisten. Binnen drei Wochen nach der Mobilmachung müsse die Unterstützung eintreffen. Preußen ließ verlauten, dass schon ein Zögern ein Bruch des Bündnisses sei.[15] Man stand in Bayern unter dem Zugzwang einer möglichst raschen Entscheidung.
[...]
[1] Eberhart Weis, Vom Kriegsausbruch zur Reichsgründung. Zur Politik des bayerischen Außenministers Graf Bray-Steinburg im Jahre 1870, in: ZBLG 33 (1970), 787-810, hier 787.
[2] Hans Rall, Bayern und die Bismarcks Lösung der deutschen Frage, in: ZBLG 22 (1959), 331-347, hier 340.
[3] Eberhard Kolb, Der Kriegsausbruch 1870. Politische Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten in der Julikrise 1870, Göttingen 1970, 13.
[4] Weis, Kriegsausbruch, 790-795.
[5] Moritz Busch, Bismarcks große Tage. Ein Chronist erlebt die Reichsgründung, Landsberg am Lech 1990, 11-13.
[6] Jochen Dittrich, Ursachen und Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71, in: Theodor Schieder/Ernst Deuerlein (Hgs.), Reichsgründung 1870/71.Tatsachen.Kontroversen.Interpretationen, Stuttgart-Degerloch 1970, 64-94, hier 91-94.
[7] Michael Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns 3, München 1931, 498.
[8] Hans Rall, König Ludwig II. und das Ringen um Bayern, München 1973, 113.
[9] Ibid, 116.
[10] Franz Merta, König Ludwig II. und der Mobilmachungsbefehl von 1870. Eine Richtigstellung irritierender Augenzeugenberichte, 689-717, hier 693.
[11] Rupert Hacker (Hg.), Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, Düsseldorf 1966, 173.
[12] Ibid, Ludwig II., 173.
[13] Wilhelm Kurt, Luise von Kobell und die Könige von Bayern, München 1990, 266.
[14] Doeberl, Entwicklungsgeschichte, 117-125.
[15] Rall, König, 125.
- Quote paper
- Pia Scherb (Author), 2001, Ludwig der II. im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27498
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