Die Arbeit stellt die Auffassungen Newtons und Kants zum absoluten Raum gegenüber.
Die neuzeitliche Naturphilosophie zum ontologischen Status des Raumes ist geprägt durch die Debatte, ob dem Raum eine selbständige Existenz neben körperlichen Objekten zukommt – so die absolute oder substanzialistische Position – oder ob es sich beim Raum allein um den Inbegriff von Beziehungen der Körper zueinander handelt, ohne selbst eigenständige Größe zu sein – wie es die relationale Position vertritt. Im ersten Fall stellt der Raum gleichsam den „Behälter“ dar, in dem alle körperlichen Objekte enthalten sind, im zweiten Fall handelt es sich um die Ordnung oder Lagerungs-Qualität der Körperwelt. Je nach Position ergibt sich somit auch das Verhältnis zwischen Raum und Körpern zueinander: Der absolute Raum ist auch ohne in ihm befindliche Körper und damit als leerer Raum, d.h. als Vakuum, denkbar, da er als von Körpern unabhängig definiert wird; dagegen konstituiert sich der Raum im relationalen Fall erst mit den Körpern, so dass ein Raum ohne körperliche Objekte undenkbar ist.
Erstmalig führt Newton den Begriff des absoluten Raumes in seinem 1687 in erster Auflage veröffentlichten Opus Magnus Philosophiae Naturalis Principia Mathematica ein. Newton gründet seine als „klassisch“ bezeichnete Mechanik darauf, dass der absolute Raum von in ihm befindlichen Körpern zu unterscheiden ist und wir in unserem Alltag die als Messwerte dienenden relativen Räume verwenden.
Kant thematisiert den absoluten Raum in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (1786) in zweifacher Hinsicht: Einerseits im ersten Hauptstück, der Phoronomie, in der Kant die Bestimmung des Begriffs der Materie als des „Bewegliche[n] im Raume“ als reinem Quantum unternimmt, andererseits im vierten Hauptstück, der Phänomenologie, welche die Modalität, die Erscheinungsweise der Materie bezüglich ihrer Bewegung und Ruhe bestimmt.
In einem ersten Hauptteil beschäftigt sich diese Arbeit mit der Physik Newtons (Kapitel 2): Wie beschreibt Newton näherhin den absoluten Raum und welche physikalischen Funktionen hat er? Lässt sich seine Existenz gar experimentell bestätigen? Und handelt es sich bei Newtons absolutem Raum um ein Postulat? Sodann soll im zweiten Hauptteil (Kapitel 3) untersucht werden, was Kant phoronomisch unter dem absoluten Raum versteht und inwiefern er die Erfahrbarkeit absoluter Bewegung gegen den absoluten Raum phänomenologisch als Paradoxon zu entlarven glaubt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der absolute Raum in Newtons Principia
- Die Unterscheidung des absoluten Raumes von relativen Räumen
- Die physikalische Funktion des absoluten Raumes bei gleichförmig-geradlinigen Bewegungen von Körpern
- Die physikalische Funktion des absoluten Raumes zur Bestimmung der „wahren Bewegungen" von Körpern
- Eigentümlichkeiten, Ursachen und Wirkungen wahrer Bewegungen
- Lässt sich die Existenz des absoluten Raumes experimentell bestätigen?
- „Hypotheses non fingo" oder das Postulat des absoluten Raumes
- Der absolute Raum in Kants Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (MAN)
- Der absolute Raum in der Phoronomie als „an sich nichts und gar kein Objekt"
- Das Paradoxon der Erfahrbarkeit absoluter Bewegung gegen den absoluten Raum innerhalb der Phänomenologie
- Kants Herleitung des Paradoxons
- Die Auflösung des Paradoxons
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Konzeption des absoluten Raumes bei Newton und Kant, wobei die Frage im Zentrum steht, wie sich die beiden Denker in ihren jeweiligen Werken mit der Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Raum auseinandersetzen. Die Arbeit analysiert die physikalischen Funktionen des absoluten Raumes in Newtons Principia, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung von „wahren Bewegungen" von Körpern. Im zweiten Teil wird Kants Auseinandersetzung mit dem absoluten Raum in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (MAN) untersucht, wobei insbesondere das Paradoxon der Erfahrbarkeit absoluter Bewegung gegen den absoluten Raum im Fokus steht.
- Die Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Raum bei Newton und Kant
- Die physikalischen Funktionen des absoluten Raumes in Newtons Principia
- Kants Kritik an der Erfahrbarkeit absoluter Bewegung gegen den absoluten Raum
- Die Rolle des absoluten Raumes in der Naturwissenschaft
- Die philosophischen Implikationen des absoluten Raumes
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Debatte um den ontologischen Status des Raumes in der neuzeitlichen Naturphilosophie vor, wobei die beiden zentralen Positionen, die absolute und die relationale Position, einander gegenübergestellt werden. Im Anschluss daran wird die Rolle Newtons in dieser Debatte beleuchtet, wobei insbesondere die Einführung des Begriffs des absoluten Raumes in den Principia hervorgehoben wird.
Kapitel 2 beschäftigt sich mit Newtons Konzeption des absoluten Raumes in den Principia. Es wird die Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Raum sowie die physikalischen Funktionen des absoluten Raumes bei gleichförmig-geradlinigen Bewegungen von Körpern erläutert. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Frage, wie Newton die „wahren Bewegungen" von Körpern gegen den absoluten Raum bestimmen möchte und ob sich die Existenz des absoluten Raumes experimentell nachweisen lässt. Schließlich wird die Frage aufgeworfen, ob man den absoluten Raum bei Newton als Postulat verstehen kann.
Kapitel 3 analysiert Kants Auseinandersetzung mit dem absoluten Raum in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft (MAN). Es wird Kants phoronomische Definition des absoluten Raumes als „an sich nichts und gar kein Objekt" erläutert. Im Anschluss daran wird das Paradoxon der Erfahrbarkeit absoluter Bewegung gegen den absoluten Raum im Kontext der Phänomenologie untersucht. Kant argumentiert, dass die Existenz von Trägheitskräften nicht auf die Absolutheit der Bewegung gegen den absoluten Raum schließen lässt, sondern vielmehr auf die Relativität der Bewegung selbst hinweist. Schließlich wird Kants Auflösung des Paradoxons anhand eines Experiments erläutert, das die Relativität der Kreisbewegung der Erde demonstrieren soll.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den absoluten Raum, den relativen Raum, die klassische Mechanik, die Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft, die Erfahrbarkeit von Bewegung, das Paradoxon der absoluten Bewegung, die Phoronomie, die Phänomenologie, Newton, Kant, und die philosophischen Implikationen des absoluten Raumes.
- Arbeit zitieren
- Michael Fetik (Autor:in), 2014, Der absolute Raum bei Newton und Kant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274632
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