Diese Arbeit thematisiert sowohl die Herausforderungen als auch die Folgen, welche durch das Riesenreich China als Global Player entstehen können. Wie und durch was wurde das frühere Entwicklungsland China zu einem, für fast jedes Land, unabdingbaren Handelspartner? Welche Position nimmt das bevölkerungsreichste Land für Europa und die USA ein? Und was kann man in der Zukunft von der neuen Wirtschaftskraft erwarten, was fordern? Was bildet die Grundlage für einen wirtschaftlichen Aufstieg wie den von China, welcher sich während der Globalisierung in Konkurrenz zu den gleich- oder weiterentwickelten Ländern vollzieht? Was sind die Geheimnisse der im ostasiatischen Raum angesiedelten Nation? Kann man China eher aus dem Kontext seiner Geschichte und Kultur verstehen, oder ist es das Neue China, welches die Möglichkeiten erkannt und mit einem anderen Gesellschaftsmodell reagiert hat? Kann man das, was streckenmäßig über 12.000 km von Deutschland entfernt wirtschaftlich passiert, überhaupt verstehen, wenn man gar nicht aus China kommt? Es gilt zu klären, wie der vor fast 30 Jahren beginnende Prozess der Wirtschaftsreformen und die damit einhergehende Öffnungspolitik die Position Chinas in der Welt verändert haben.
Aufbauend auf der Einführung werde ich die kulturellen und mentalen Implikationen der chinesischen Modernisierung darlegen. Anschließend gehe ich auf die Geschichte Chinas ein, welche die wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungen hervorhebt. Das politische System Chinas habe ich in den Grundzügen dargelegt, weil es ein wesentlicher Faktor für
das Verständnis der wirtschaftlichen Entfaltung Chinas ist.
In meinem thematischen Schwerpunkt Strukturen der chinesischen Wirtschaft erläutere ich die wirtschaftliche Entwicklung, die industrielle Struktur und die Rohstoffe, welche das Land vorzuweisen hat. Weiterhin thematisiere ich in diesem Kontext den Außenhandel mit den Handelsbeziehungen. In Auswirkungen auf die Weltwirtschaft lege ich detailliert die
gegenwärtige Position Chinas dar und gehe auf mögliche Auswirkungen des rasanten Aufstiegs ein.
Im Ausblick habe ich meine Ergebnisse als Fazit zusammengefasst und mögliche Szenarien für die Zukunft der Weltwirtschaft dargelegt. Aufgrund der weitreichenden thematischen
Dispositionen sind hier weiterhin diverse Ansätze als Anregungen zum Weiterforschen berücksichtigt worden.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kulturelle und mentale Implikationen der chinesischen Modernisierung
3. Die Geschichte Chinas im Hinblick auf die wirtschaftlichen Strukturen
3.1 Die Anfänge Chinas (ab 16. Jahrhundert v. Chr.)
3.2 Mao Zedong (1954-1959)
3.3 Deng Xiaoping (1978-1992)
3.4 Hu Jintao (2003-2012)
3.5 Chinas neue Führung: Xi Jinping (ab 2013)
4. Das politische System als Rahmen für die Volkswirtschaft
4.1 Der Sieg der Kommunisten
4.2 Die Geschichte der KPCh
4.3 Aufgaben und Ziele
5. Strukturen der chinesischen Wirtschaft
5.1 Wirtschaftliche Entwicklung der VR
5.2 Industrielle Struktur
5.3 Chinas Rohstoffe
5.4 Außenhandel
5.4.1 Außenhandelsprodukte
5.4.2 Handelspartner
5.5 Chinas wichtigste Handelsbeziehungen
5.5.1 China und USA
5.5.2 China und Europa
5.5.3 China und Deutschland
6. Auswirkungen auf die Weltwirtschaft
6.1 Chinas Position in der Weltwirtschaft
6.2 Die Nebenwirkungen des Aufstiegs
7. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabelle 2: Laufende ADI (inflows), in Mrd. US-Dollar54
Abbildung 9: Passing the buck. BIP-Wachstum von China und den USA im Vergleich.…..55
Abbildung 10: China: Gesamtbevölkerung von 2003 bis (in Millionen Einwohner)
Eidesstattliche Versicherung
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1:
Preliminary Verifield GDP Data in 2011
Tabelle 2:
Laufende ADI (inflows), in Mrd. US-Dollar
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1:
China: Inflationsrate von 2003 bis 2013 (gegenüber dem Vorjahr)
Abbildung 2:
China: Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in jeweiligen Preisen von 2003 bis 2013 (in US-Dollar)
Abbildung 3:
China: Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2001 bis 2011
Abbildung 4:
Reserven an Seltenen Erden in ausgewählten Ländern im Jahr (REO* in 1.000 Tonnen)
Abbildung 5:
China: Handelsbilanzsaldo von 2001 bis 2011 (in Milliarden US-Dollar)
Abbildung 6:
China: Wichtigste Exportländer im Jahr 2011
Abbildung 7:
USA: Arbeitslosenquote von 2003 bis 2013
Abbildung 8:
Die zehn Länder mit den weltweit höchsten Militärausgaben im Jahr (in Milliarden US-Dollar)
Abbildung 9:
Passing the Buck. BIP-Wachstum von China und den USA im Vergleich
Abbildung 10:
China: Gesamtbevölkerung von 2003 bis 2013 (in Millionen Einwohner)
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Gegenwärtig findet ein Prozess der globalen Umwälzung statt, allerdings nicht zum ersten Mal. Zur tektonischen Verschiebung der Machtverhältnisse kam es in den letzten fünfhundert Jahren, inklusive der gegenwärtig vorzufindenden Transformation, insgesamt drei Mal. Im 15. Jahrhundert konnte sich der Westen an die Spitze der globalen politischen Macht etablieren. Der westliche Aufstieg brachte Naturwissenschaft genauso wie Technik hervor und der Handel sowie der Kapitalismus wurden entwickelt. Kurzum war die Ära der Moderne geboren. Nach dem Ende der ersten Umwälzung kam es wieder zur Neugestaltung der Welt, indem sich zum Ende des 19. Jahrhunderts die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) industrialisierten. Das Phänomen der amerikanischen Nation, die seit der Zeit des Römischen Reiches das mächtigste Land sind, ließ alle anderen staatlichen Zusammenschlüsse als verhältnismäßig unbedeutend erscheinen. Kultur, Politik, Wissenschaft - die USA dominierten die Weltwirtschaft und zeigten dadurch ein unübertreffliches Maß an Stärke.[1]
Der Prozess der drastischen wirtschaftlichen Neugestaltung der Welt ist zurzeit in China vorzufinden. Das Land arbeitet deshalb bereits seit einigen Jahren zielorientiert an einem Wirtschaftswachstum.[2] Zu den 124 Staaten, welche in den Jahren 2006 und 2007 ihre Volkswirtschaften um mindestens 4 % expandierten, gehörten dreißig afrikanische Staaten.[3] Laut einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung befinden sich zwei chinesische Konzerne gegenwärtig unter den 20 größten transnationalen Unternehmen weltweit. Sinopec (Platz 4) und PetroChina (Platz 6) sind in der Mineralölbranche angesiedelte Unternehmen aus China.[4] Darüber hinaus hat das weltweit größte Einkaufszentrum seinen Sitz nicht in den Staaten, sondern in Peking, der Hauptstadt Chinas.[5] Die größte Aktiengesellschaft ist unter chinesischer Führung und die größten Fabriken der Welt stehen ebenfalls in der Volksrepublik (VR).[6] Eines der weltweit größten Internetunternehmens namens Yahoo wurde von David Filo und seinem Kollegen, Jerry Yang Chih Yuan, welcher Chinese ist und gebürtig aus der Republik China auf Taiwan stammt, gegründet.[7] Im Jahr 2013 soll das höchste Gebäude der Welt entstehen – im chinesischen Changsa. Der 838 Meter hohe Sky City One wird damit sogar den in Dubai vorzufindenden Burj Khalifa überragen.[8]
China war bereits im 18. Jahrhundert für die damaligen Verhältnisse sehr fortschrittlich, doch keineswegs vergleichbar mit dem gegenwärtigen (neuen) China.[9] In Sätzen wie „Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit kehrt damit eine ehemalige Weltmacht zurück“[10] kommt die Annahme von Chinas Wiedergeburt deutlich zum Ausdruck. Zur damaligen wirtschaftlichen Position Chinas waren die globalen Verflechtungen nicht in der Form gegeben, wie es gegenwärtig der Fall ist. Darüber hinaus gibt es in der heutigen Zeit viele Konkurrenzländer mit ähnlichem Potenzial. Kurzum sind ganz andere Bedingungen gegeben.[11] Und dennoch hat schon Marco Polo in seinen Reiseerinnerungen China als Land mit „volkreichen Städten“[12] festgehalten und von einem wirtschaftlichen Entwicklungsstadium geschrieben, „wie man sich ihn im damaligen Europa nicht vorstellen konnte.“[13]
Diese Arbeit thematisiert sowohl die Herausforderungen als auch die Folgen,[14] welche durch das Riesenreich China als Global Player entstehen können. Wie und durch was wurde das frühere Entwicklungsland China zu einem, für fast jedes Land, unabdingbaren Handelspartner? Welche Position nimmt das bevölkerungsreichste Land für Europa und die USA ein? Und was kann man in der Zukunft von der neuen Wirtschaftskraft erwarten, was fordern? Was bildet die Grundlage für einen wirtschaftlichen Aufstieg wie den von China, welcher sich während der Globalisierung in Konkurrenz zu den gleich- oder weiterentwickelten Ländern vollzieht? Was sind die Geheimnisse der im ostasiatischen Raum angesiedelten Nation? Kann man China eher aus dem Kontext seiner Geschichte[15] und Kultur verstehen,[16] oder ist es das Neue China, welches die Möglichkeiten erkannt und mit einem anderen Gesellschaftsmodell reagiert hat? Kann man das, was streckenmäßig über 12.000 km von Deutschland entfernt[17] wirtschaftlich passiert, überhaupt verstehen, wenn man gar nicht aus China kommt?
Es gilt zu klären, wie der vor fast 30 Jahren beginnende Prozess der Wirtschaftsreformen und die damit einhergehende Öffnungspolitik die Position Chinas in der Welt verändert haben.[18]
Aufbauend auf der Einführung werde ich die kulturellen und mentalen Implikationen der chinesischen Modernisierung darlegen. Anschließend gehe ich auf die Geschichte Chinas ein, welche die wichtigsten wirtschaftlichen Entwicklungen hervorhebt. Das politische System Chinas habe ich in den Grundzügen dargelegt, weil es ein wesentlicher Faktor für das Verständnis der wirtschaftlichen Entfaltung Chinas ist.
In meinem thematischen Schwerpunkt Strukturen der chinesischen Wirtschaft erläutere ich die wirtschaftliche Entwicklung, die industrielle Struktur und die Rohstoffe, welche das Land vorzuweisen hat. Weiterhin thematisiere ich in diesem Kontext den Außenhandel mit den Handelsbeziehungen. In Auswirkungen auf die Weltwirtschaft lege ich detailliert die gegenwärtige Position Chinas dar und gehe auf mögliche Auswirkungen des rasanten Aufstiegs ein.
Im Ausblick habe ich meine Ergebnisse als Fazit zusammengefasst und mögliche Szenarien für die Zukunft der Weltwirtschaft dargelegt. Aufgrund der weitreichenden thematischen Dispositionen sind hier weiterhin diverse Ansätze als Anregungen zum Weiterforschen berücksichtigt worden.
2. Kulturelle und mentale Implikationen der chinesischen Modernisierung
Möchte man China verstehen, ist es wichtig, dass man dafür die Perspektive Chinas einnimmt.[19] Francis Fukuyama, ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler, sagte in Bezug auf Chinas wirtschaftliches Voranschreiten Folgendes:[20] „Die Tatsache, dass chinesische Gesellschaften, wo immer es die Regierungen zulassen, ein ähnlich erfolgreiches Muster wirtschaftlichen Verhaltens entwickeln, spricht dafür, dass dieses Verhalten ein natürliches Element der chinesischen Kultur ist.“[21]
Schon die Gegebenheit, dass China für die Verdreißigfachung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nur eine Generation gebraucht hat, ist nicht vorstellbar.[22] Doch dass China dies mithilfe einer Besinnung auf traditionelle Werte[23] eines vor knapp 2.500 Jahren verstorbenen Mannes geschafft haben soll, erscheint noch irrealer.[24] Kong Qui ist der Name, welcher von Jesuitenpater auf einer im 17. Jahrhundert durchgeführten Missionierung Chinas ins Lateinische übersetzt wurde und in Europa unter Konfuzius bekannt wurde.[25] Humanität, Gerechtigkeit und die Einhaltung von Riten und Regeln gehörten zum menschlichen Grundverständnis von Konfuzius genauso dazu wie, dass für die Eltern gesorgt und den Anweisungen von Vorgesetzen Folge geleistet werden soll.[26] Der Kommunist Mao vertrat, entgegengesetzt zu Konfuzius, nicht Humanität und Respekt, sondern Gewalt,[27] was zur Ausschaltung des Konfuzianismus führte. Dies vollzog sich, indem konfuzianische Schriften verboten, chinesische Bräuche verlernt wurden,[28] „die kleine rote Mao-Bibel“[29] die chinesischen Wurzeln zerstörte und so einer Kultur die Identität verloren ging.[30]
Jedoch ist der Konfuzianismus in China immer noch allgegenwärtig, sind doch die von Konfuzius gepredigten Werte wie Bildung und Lernen überall in China weiterhin sehr hoch angesehen.[31] Dass China zu den Wurzeln zurückfinden will, ist deutlich erkennbar und weiß auch Sinologe Spengler einzuordnen,[32] denn der Konfuzianismus kehrt nach China zurück, weil „eine Kultur irgendeine Identität braucht.“[33] Konfuzius´ Worte „Unter dem Himmel dient alles der Gemeinschaft“[34] sind im heutigen China noch präsent. Widersprüchlichkeit entsteht aus europäischer Sichtweise aber dann, wenn weiterhin Mao Zedong auf einem Bild am Tor des Himmlischen Friedens empor ragt und auch eine verfassungsmäßige Abkehr von dem kommunistischen Herrscher nicht vollzogen wird.[35] „Das entspricht unserer chinesischen Tradition.“[36]
Fest steht, dass die konfuzianischen Lehren von den kommunistischen nicht immer ganz genau abgegrenzt werden können, und das wird in chinesischen Schulen am deutlichsten: Fächer wie „Gesundheitserziehung und Etikette“[37] werden ebenso gelehrt wie „Moral und Soziales“[38] und dazu predigt das für alle Schüler verpflichtende Schulradio[39] zu „fleißigem Lernen und Ordnung.“[40]
Wie bereits in der Einführung erwähnt, kann das, was sich in China wirtschaftlich vollzieht, auch der Ertrag einer neuen Gesellschaft sein. Eine Gesellschaft die ihr Potential nutzt um sie mit ihren Ressourcen zum Erfolg zu führen.[41] Das Werk Chinas Megatrends – Die acht Säulen einer neuen Gesellschaft verdeutlicht das Handeln von China differenziert und lässt zudem erkennen, auf welchem Fundament die Gesellschaft aufgebaut ist. Das Konzept der sogenannten acht Säulen und deren dahinter stehende Interpretation sowie Beschreibung wurden von den Autoren des Werkes selbst entwickelt und unterliegen daher keiner wissenschaftlichen Empirie. Jedoch sind die ausgewählten Säulen nachvollziehbar und im Handeln chinesischer Führungskräfte und der Bevölkerung wiederzuerkennen, was die Möglichkeit einräumt, dass die Grundlage des chinesischen Aufstiegs auch diese Säulen sein könnten.
Folgendermaßen sind diese benannt: Die Emanzipation des Denkens; der Balanceakt zwischen Spitze und Basis; dem Wald Grenzen setzen, doch die Bäume wachsen lassen; ein Teil der Weltgemeinschaft sein; von Stein zu Stein ertasten wir unseren Weg durch den Fluss; Freiheit und Fairness; künstlerische und intellektuelle Interpretation; von olympischen Gold zu Nobelpreisen.[42] Um einerseits die Wurzeln und den Werdegang der Nation bezüglich ihrer jetzigen wirtschaftlichen Position hinreichend berücksichtigen und andererseits das chinesische Denken und Handeln verstehen zu können bedarf es einer Erläuterung von sechs der insgesamt acht Säulen.
Die erste Säule (Emanzipation des Denkens), welche das Fundament der neuen chinesischen Gesellschaft bildet, geht auf die wirtschaftliche Öffnung unter Deng Xiaoping im Jahr 1978 zurück.[43] Seine Worte an das Volk waren „Sprengt die Ketten, die unser Denken fesseln.“[44] Für den Westen mag freiheitliches Denken eine Selbstverständlichkeit sein, doch aus der Perspektive Chinas betrachtet, wo zu jener Zeit der Klassenkampf der Kulturrevolution das Milliardenvolk spaltete, schien dies unerreichbar zu sein. Chinas Ziel war es, aus der dezentralisierten Wirtschaftsreform ein marktwirtschaftlich ausgerichtetes Land entstehen zu lassen. Für diese Modernisierung musste zuerst das Land vereint werden, wobei emanzipatives Denken die Basis bilden sollte.[45]
Doch was für einen Deutschen eine freie Entscheidung ist, muss noch lange nicht für einen Chinesen mit freiheitlicher Entscheidungs- und Meinungsäußerung zu tun haben. Individualistische Länder, wie bspw. Deutschland, tendieren zu einem universalistischen Denken, in dem sie die Sichtweise, es gäbe Wahrheiten, die Bestandteil des Menschseins und folglich selbstverständlich für alle sind, vertreten. „Was für mich richtig ist, ist nicht notwendigerweise auch für dich richtig“[46] ist der Standpunkt einer partikularen Gesellschaft, die meistens in gruppenorientierten Ländern, wie China, vorzufinden ist.[47] Die Position von der aus man etwas betrachtet ist wesentlich und wichtig für die Beurteilung. Diese Erkenntnis ist genauso wichtig wie die, dass das was für uns gut ist, nicht zwangsläufig für die Chinesen gut sein muss und auch Anschauungen nicht übereinstimmen müssen.[48] Als sich Deng mit den Worten „Unser Denken bedarf einer entscheidenden Emanzipation“[49] an sein Volk richtete, begann der Dialog zwischen der Basis, dem Volk, und der Spitze, welche die Führungspersonen Chinas bilden. Die Auswirkungen machten sich über Chinas Grenzen hinaus bemerkbar. Durch die Emanzipation des Denkens entwickelten die Chinesen ein Selbstbewusstsein und die staatliche Kontrolle wurde gelockert, was zu Freiräumen in der Gesellschaft führte. Außerdem brachte die zunehmende Distanz zum alten System individuelle Talente und Leistungen der Menschen hervor.[50]
Die wichtigste Säule ist die des Balanceaktes zwischen der Spitze und der Basis. Die Spitze gibt entsprechende Richtlinien vor und die Basis ergreift die Initiativen. Die Kräfte vereinen sich zu einer Dynamik und wirken von der Spitze ab- und der Basis aufwärts, was als vertikale Demokratie bezeichnet wird. Genauso wie die Emanzipation bedeutet auch Freiheit für jeden Menschen etwas anderes, zumal wenn die Menschen unterschiedlichen Kulturen angehören
Die traditionelle chinesische Sichtweise besagt, dass die Harmonie mit anderen die Grundlage für ein gemeinschaftliches Leben ist und alle Menschen von Geburt an miteinander verbunden sind. Daraus resultiert, dass die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen eine weitaus höhere Anerkennung hat, als das Tragen von Verantwortung seitens der Individuen. Nach Konfuzius kann Freiheit nur durch (soziale) Ordnung gewährleistet werden, indem ein Rahmen, in welchem Freiheit stattfinden darf, vorgegeben wird. Für Chinesen bedeutet Freiheit also, wenn sie sich innerhalb eines festgelegten Rahmens frei bewegen können.[51] Eine von oben nach unten strenge Feudalherrschaft war Jahrtausende lang für China bis zu dem Zeitpunkt normal, als Initiativen von Basis und Spitze gleichermaßen etabliert, gefördert und Anpassungen, lediglich zu Gunsten des gemeinsamen Ziels, vorgenommen wurden.[52] Hätte die politische Führung bei dem Wandel das Volk nicht miteinbezogen, wäre der wirtschaftliche Aufbau Chinas gescheitert.[53] Durch die vertikale Demokratie, welche durch ein Zusammenspiel von Regierung und Volk agieren kann, hat China ein neues gesellschaftliches System erschaffen. Vor allem unternehmerisches Denken prägt dieses System.[54] China hat sich von den alten Strukturen des Kommunismus entfernt und befindet sich auf einen Weg in eine andere Richtung. „Sozialismus mit chinesischen Charakteristika“[55] bezeichnet Chinas derzeitige Situation am eindeutigsten.
Deng Xiaoping war sich darüber bewusst, dass die noch vor über 30 Jahren vorherrschende Monokultur auf Dauer nicht lebensfähig ist und ein Fortbestehen Chinas nur unter veränderten Bedingungen Zukunft hat. Aus diesem Grund ergibt sich die dritte Säule, die besagt, dass dem Wald Grenzen gesetzt werden müssen, aber die Bäume trotzdem wachsen dürfen.[56] Überträgt man diese Metapher auf die chinesische Gesellschaft, so legt die Regierung den Handlungsrahmen fest, wozu das Setzen von Prioritäten und die politische Ausrichtung gehören.[57] Innerhalb dieses Rahmens mit festgelegten Grenzen darf das Volk „wachsen“[58], folglich seine jeweilige Rolle selbst gestalten.[59] Für die Erneuerung Chinas müssen Änderungen vorgenommen werden, wenngleich am Sozialismus mit den wirtschaftlichen und politischen Bedingungen weiterhin festgehalten wird.
China ist ein Land, das durch Widersprüche gekennzeichnet ist.[60] So soll einerseits die Basis, durch ein Mitspracherecht und freie Meinungsäußerung, Stärkung erfahren.[61] Andererseits wird den Menschen in China aber nur in einem, von der Führung festgelegten Rahmen, Freiraum gewährt. Gerade in dieser gegenseitigen Abhängigkeit zwischen der Basis und der Spitze sieht die Führung Chinas die Balance der Kräfte erfüllt.[62] Für europäisches Verständnis ist das „Balancieren von Widersprüchen“[63] schwer nachzuvollziehen, für das chinesische Volk jedoch üblich, weil es damit aufgewachsen und somit vertraut ist.[64] Jenes, früher noch verstärkt vorzufindende, Denkmuster macht sich durch die Reformen von Deng Xiaoping in der gegenwärtigen chinesischen Gesellschaft immer noch bemerkbar, wenn auch in abgemildertem Maß. Die Chinesen haben sich über viele Jahre als Projekt des Staates verstanden, indem sie lernten Anweisungen zu befolgen, sich nur über das Kollektiv zu identifizieren und nur den Freiraum im diktatorisch angeordneten Rahmen zu verwenden.[65] Die Chinesen scheinen mit dem vom Ein-Parteien-System eingeräumten Pluralismus zurechtzukommen und deshalb braucht sich kein (westliches) Land, stellvertretend für die chinesische Gesellschaft, nach einer Änderung des Systems zu bemühen. Die chinesische Gesellschaft weiß das Alte wertzuschätzen und dennoch ein Bewusstsein für das Neue zu haben.[66] Um die Ziele erreichen zu können, müssen die Rahmenbedingungen Chinas in Bereichen Soziales, Politik und Wirtschaft an die Bedürfnisse der Gesellschaft angepasst und auf kontinuierlich verändernde Bedingungen der Globalisierung zugeschnitten werden.
Dies ist auch Voraussetzung für die nächste Säule, ein Teil der Weltgemeinschaft sein zu wollen, auf die das Milliardenvolk seine Zukunft aufbauen will.[67] Präsident Hu Jintaos Worte, dass „die Türe Chinas zu allen Märkten der Welt entschlossen aufgerissen“[68] werden soll, bekräftigt den Wunsch, der Weltgemeinschaft angehören zu wollen am deutlichsten.[69] China hat seit der Öffnungspolitik des Jahres 1978 gegenüber diesem Bestreben kontinuierlich die Distanz verringert[70] und schließlich im Jahr 2001 durch den Beitritt in die Welthandelsorganisation (WTO) einen wichtigen Schritt vollzogen. Daraus resultierte ein Anstieg des Exports um bis zu 30 % pro Jahr.[71] Chinas Bemühungen, in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht, zielen darauf ab, ein fester Bestandteil der internationalen Gemeinschaft werden zu wollen. Die dafür nötigen Rahmenbedingungen müssen je nach dem angepasst bzw. erschaffen werden.[72] China darf beim wirtschaftlichen Voranschreiten z. B. die Umweltproblematik nicht unberücksichtigt lassen. Eine wirtschaftliche Entwicklung muss auch unter umweltfreundlichen Gesichtspunkten möglich sein, indem verantwortungsvoll und nachhaltig mit den Ressourcen umgegangen wird.
Doch auch wenn China bemüht ist, was durch den Beitritt in die WTO deutlich wird, waren bei Weitem nicht alle positiv gestimmt. In Gorden G. Changs Werk namens The Coming Collapse of China bezeichnet dieser die Entwicklung Chinas als Trugbild.[73] Dennoch ist der Handel mit China kein einseitiges Agieren, sondern ein Bestreben, weitere Auslandsbeziehungen zu knüpfen. China ist Produzent auf dem Weltmarkt und folglich würde ein Anstieg des chinesischen Anteils an der globalen Produktion zu einer größeren Nachfrage an natürlichen Rohstoffen, wie z. B. Zink, Baumwolle und Öl, führen. Es ist fraglich, ob dieser Rohstoffbedarf dauerhaft vom Weltmarkt gedeckt werden kann.[74]
Die Säule Von Stein zu Stein ertasten wir unseren Weg durch den Fluss spiegelt die Einstellung und das Bemühen Chinas wider,[75] das Ziel, die Errichtung eines sozialökonomisches Systems und einer harmonische Gesellschaft, zu erreichen. Zur Zielerreichung dienen Erkenntnisse der Supraplanung, welche sich lediglich durch die Festlegung eines groben Rahmens bei der Zieldefinition kennzeichnen.[76] China ist ein Land, das durch „Versuch und Irrtum“[77] lernt, experimentiert aber auch, stolpert und scheitert. Die Durchführung von Pilotprojekten zur Feststellung der Brauchbarkeit wird nicht nur in wirtschaftlichen, sondern auch in kulturellen Belangen angewendet und schließt sich damit der Denkart der Chinesen, dass jede Erkenntnis aus der Praxis entstammt, an.[78] „Tausende Dörfer auf dem Land“[79] kann stellvertretend für die anderen Pilotprojekte aufgeführt werden. Den Dorfbewohnern in Heilongjiang sollten Einkaufsmöglichkeiten eingeräumt werden, wie sie die Bewohner in der Stadt bereits hatten. Zudem sollte die Vereinheitlichung der Geschäfte hinsichtlich Vertrieb, Service und Management etc. den Status einer Einkaufskette suggerieren.[80] Dass das Projekt in andere chinesische Provinzen Zugang gefunden hat, ist auf die Ergebnisse dieses Experiments zurückzuführen. Es kann festgehalten werden, dass das Angebot minderwertiger Ware ab diesem Zeitpunkt rückläufig war und die Vorgehensweise der Führung von Geschäften positiv voranschritt.[81]
[...]
[1] Vgl. Zakaria 2009, S. 29.
[2] Vgl. Hirn 2005, S. 9.
[3] Vgl. Zakaria 2009, S. 30.
[4] Vgl. Giersberg 2012.
[5] Vgl. Zakaria 2009, S. 30 f.
[6] Vgl. ebd., S. 30.
[7] Vgl. Hirn 2005, S. 55.
[8] Vgl. Dometeit/Hirzel 2012, S. 58.
[9] Vgl. Hirn 2005, S. 9.
[10] Ebd. S. 9.
[11] Vgl. ebd., S. 9 f.
[12] Klausing/Maryanski/Schultze 1989, S. 9.
[13] Ebd., S. 9.
[14] Vgl. Hirn 2005, S. 21.
[15] Vgl. Schmidt-Glintzer 2009, S. 12.
[16] Vgl. Naisbitt 2009, S. 175.
[17] Vgl. Carto Travel Verlag GmbH & Co.KG 2004, S. 2 f.
[18] Vgl. Fischer 2007, S. 332.
[19] Vgl. Naisbitt 2009, S. 203.
[20] Vgl. Hirn 2005, S. 51.
[21] Ebd., S. 51.
[22] Vgl. Aust/Geiges 2012, S. 11.
[23] Vgl. ebd., S. 16.
[24] Vgl. ebd., S. 13.
[25] Vgl. ebd., S. 17.
[26] Vgl. ebd., S. 18 f.
[27] Vgl. ebd., S. 32.
[28] Vgl. ebd., S. 14.
[29] Ebd., S. 14.
[30] Vgl. ebd., S. 15 f.
[31] Vgl. ebd., S. 80.
[32] Vgl. ebd., S. 15.
[33] Ebd., S. 15.
[34] Ebd., S. 20.
[35] Vgl. ebd., S. 34.
[36] Ebd., S. 34.
[37] Ebd., S. 82.
[38] Ebd., S. 82.
[39] Vgl. ebd., S. 83.
[40] Ebd., S. 83.
[41] Vgl. Naisbitt 2009, S. 8.
[42] Vgl. ebd., S. IX.
[43] Vgl. ebd., S. 17.
[44] Ebd., S. 17.
[45] Vgl. ebd., S. 17.
[46] Ebd., S. 40.
[47] Vgl. ebd., S. 40.
[48] Vgl. ebd. S. 23.
[49] Ebd., S. 17.
[50] Vgl. ebd., S. 53.
[51] Vgl. ebd., S. 55 ff.
[52] Vgl. ebd., S. 58.
[53] Vgl. ebd., S. 60.
[54] Vgl. ebd., S. 86.
[55] Ebd., S. 80.
[56] Vgl. ebd., S. 87.
[57] Vgl. ebd., S. 88.
[58] Ebd., S. 87.
[59] Vgl. ebd., S. 87.
[60] Vgl. ebd., S. 88 f.
[61] Vgl. ebd., S. 84.
[62] Vgl. ebd., S. 88.
[63] Ebd., S. 89.
[64] Vgl. ebd., S. 89.
[65] Vgl. ebd., S. 88.
[66] Vgl. ebd., S. 114.
[67] Vgl. ebd., S. 113.
[68] Ebd., S. 196.
[69] Vgl. ebd., S. 196.
[70] Vgl. ebd., S. 193.
[71] Vgl. ebd., S. 195.
[72] Vgl. ebd., S. 191.
[73] Vgl. ebd., S. 195.
[74] Vgl. ebd., S. 196.
[75] Vgl. ebd., S. 115.
[76] Vgl. ebd., S. 116.
[77] Ebd., S. 116.
[78] Vgl. ebd., S. 116.
[79] Ebd., S. 118.
[80] Vgl. ebd., S. 118.
[81] Vgl. ebd., S. 118.
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.