Im Rahmen des im WS 1999/2000 stattfindenden interdisziplinär durchgeführten
Seminars Cross over: WIEN, an welchem neben Studenten der Stadt- und
Regionalsoziologie auch Studenten der Fächer Deutsch als Fremdsprache und
Angewandte Sprachwissenschaft teilnahmen, unternahmen wir vom 16. bis 21.
November 1999 eine Exkursion nach Wien.
Ziel der Stadt- und Regionalsoziologiestudenten war es, einige Projekte zum
Thema Wohnen in Wien kennenzulernen und durch Gespräche mit den jeweiligen
Verantwortlichen einiges über die Hintergründe der Wohnprojekte zu erfahren.
Nach einer Besichtigung des Karl - Marx - Hofes, welcher als historisches Beispiel
für eine gelungene Architektur von Arbeiterwohnungen im beginnenden
Industriezeitalter gelten kann, wurden gegenwärtig im Bau befindliche, wie z.B. das
Projekt Autofreies Wohnen oder die Wiener Gasometer, als auch bereits laufende
Projekte, wie die Wiener Sargfabrik begangen.
Auffallend bei allen Projekten war die Absicht, Wohnen neu zu deuten, Alternativen
zu den herkömmlichen Wohnformen zu bieten, was jedoch unter den
verschiedensten Blickwinkeln geschah. So lag die Absicht des Projektes "Autofreies
Wohnen" eindeutig darin, in ökologischer Hinsicht neue Perspektiven zu eröffnen,
während man in den Wiener Gasometern mehr Gewicht auf eine fast futuristisch
anmutende Gestaltung legte. Unsere Aufgabe jedoch war es, das Wohnprojekt
"Sargfabrik" näher ins Auge zu nehmen, was wohl zu den erfolgreichsten seiner Art
in Wien zählen dürfte, nicht nur wegen des ausgefallenen Namens, der leichter zu
erklären ist, als man denken mag.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines, Geschichte des Vereins für integrative Lebensgestaltung
3. Architektur
4. "Miss Sargfabrik"
5. Finanzierung, Lastenaufteilung
6. Konflikte, Mitbestimmung im Verein
7. Umsetzung der Theorie in die Praxis?
8. Geplante Gemeinschaft?
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen des im WS 1999/2000 stattfindenden interdisziplinär durchgeführten Seminars Cross over: WIEN, an welchem neben Studenten der Stadt- und Regionalsoziologie auch Studenten der Fächer Deutsch als Fremdsprache und Angewandte Sprachwissenschaft teilnahmen, unternahmen wir vom 16. bis 21. November 1999 eine Exkursion nach Wien.
Ziel der Stadt- und Regionalsoziologiestudenten war es, einige Projekte zum Thema Wohnen in Wien kennenzulernen und durch Gespräche mit den jeweiligen Verantwortlichen einiges über die Hintergründe der Wohnprojekte zu erfahren. Nach einer Besichtigung des Karl - Marx - Hofes, welcher als historisches Beispiel für eine gelungene Architektur von Arbeiterwohnungen im beginnenden Industriezeitalter gelten kann, wurden gegenwärtig im Bau befindliche, wie z.B. das Projekt Autofreies Wohnen oder die Wiener Gasometer, als auch bereits laufende Projekte, wie die Wiener Sargfabrik begangen.
Auffallend bei allen Projekten war die Absicht, Wohnen neu zu deuten, Alternativen zu den herkömmlichen Wohnformen zu bieten, was jedoch unter den verschiedensten Blickwinkeln geschah. So lag die Absicht des Projektes "Autofreies Wohnen" eindeutig darin, in ökologischer Hinsicht neue Perspektiven zu eröffnen, während man in den Wiener Gasometern mehr Gewicht auf eine fast futuristisch anmutende Gestaltung legte. Unsere Aufgabe jedoch war es, das Wohnprojekt "Sargfabrik" näher ins Auge zu nehmen, was wohl zu den erfolgreichsten seiner Art in Wien zählen dürfte, nicht nur wegen des ausgefallenen Namens, der leichter zu erklären ist, als man denken mag.
2. Allgemeines, Geschichte des Vereins für integrative Lebensgestaltung
Das Wohnheim Matznergasse, wie der offizielle Name lautet, entstand tatsächlich auf dem Gelände einer ehemaligen Sargfabrik, von der heute allerdings nur noch ein Teilgebäude und ein alter Schornstein übrig sind.
Die alte Sargfabrik war ab 1989 das Domizil des Vereins "für integrative Lebensgestaltung", welcher hervorgegangen ist aus einer kleinen Gruppe von Wienern unterschiedlicher Herkunftsmilieus (Anti-AKWler, Alt-68er, Hausbesetzer). Gemeinsam war allen die Unzufriedenheit mit den traditionellen Wohnformen, verbunden mit ständig steigenden Wohnstandards und demzufolge explodierenden Kosten, sowie der nicht nur in solchen Wohngegenden um sich greifenden Vereinzelung der Menschen. In einem Verein, welcher in den ersten Jahren "Verein utopisches Zentrum" genannt wurde und erst im Verlaufe des Projektes Wohnheim Sargfabrik in "Verein für integrative Lebensgestaltung" umbenannt wurde, wollte man zusammen nach gemeinschaftlichen Lebensentwürfen suchen und diese Idee in die Praxis umsetzen. Ziel der zahlenmäßig wachsenden Gruppe war es, in einem völlig neuen Konzept unterschiedliche Lebensformen und Menschen verschiedener Kulturen zusammenzubringen und Raum für urbanes Leben zu schaffen.
Nach langer Suche nach einem bevorzugt gründerzeitlichen Zinshaus stieß die Gruppe schließlich auf die ehemalige Sargfabrik im Wiener Bezirk Penzing und erwarb das Gelände 1989 für 13 Mio. Schilling.
Die Gebäude der Sargfabrik waren zu diesem Zeitpunkt in einem heruntergekommenen, aber noch restaurierungsfähigen Zustand, so daß nach der eigentlichen Planung auch beabsichtigt war, die ursprünglichen Gebäudestrukturen zu erhalten, was für die späteren Wohneinheiten nur nordseitig ausgerichtete Fenster bedeutet hätte. Als weiteres Problem ergab sich die Widmung des Geländes als Gewerbegebiet, auf welchem keine Wohnungen errichtet werden durften. Durch eine Umwidmung, die vom Verein beantragt wurde, konnte dieses Problem allerdings gelöst werden.
Kurz vor Beginn der Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten jedoch, alle nötigen Genehmigungen waren bereits erteilt, erhob ein Nachbar Einspruch gegen das Projekt und bekam auch recht, was das ganze Vorhaben ins Schwanken brachte und um zwei Jahre verzögerte.
Das Ergebnis war, daß die alte Bausubstanz nicht mehr erhalten werden konnte und abgerissen wurde, was den Verein zu einem fast vollständigen Neubau zwang. Von den alten Gebäuden der Sargfabrik sind heute nur noch ein altes Zinshaus und der Fabrikschornstein übrig geblieben.
3. Architektur
Architektonisch jedoch eröffnete der Neubau vollkommen neue Möglichkeiten. Das "Baukünstlerkollektiv" BKK 2 um Johann Winter (der selbst auch dem Verein für integrative Lebensgestaltung beitrat) orientierte sich in der Neuplanung an den Abmessungen der alten Fabrikhallen, was für die Nutzung der Räumlichkeiten als Wohneinheiten höchst ungewöhnliche Folgen hatte. So beträgt die eigentliche Raumhöhe 4,80 m , was aus praktischer und energetischer Sicht für Wohnungen nicht sinnvoll erscheint. Architektonisch interessant ist deshalb die Lösung, die Raumhöhe durch eine stiegenartige Konstruktion teilweise zu halbieren. In den Nebenräumen Küche und Bad ergeben sich daraus sehr geringe Höhen von 2,24 m, während die Deckenhöhe der Wohnzimmer unverändert 4,80 m beträgt und diesem Zimmer einen schon hallenartigen Eindruck verleiht. Die Wohnungen selbst (auch Box genannt), sind somit eigentlich zweigeschossig.
Auffallend sind auch die großen Fensterflächen, die ungehindert Einblicke in die Privatsphäre der Mieter erlauben, interessanterweise jedoch nur selten durch Jalousien verdeckt sind. Überhaupt gehört Offenheit zu den zu den wohl bedeutendsten Merkmalen des Wohnprojektes Sargfabrik, stellt sie doch nicht nur Wohnraum zur Verfügung, sondern integriert auch vielfältige kulturelle Angebote, die man in sonst üblichen Wohngegenden und auch anderen Wohnprojekten wohl vergeblich sucht. Neben einem Kindergarten mit 50 Plätzen findet man beispielsweise ein aufwendig gestaltetes Schwimmbad mit Gegenstromanlage und türkischem wie finnischen Dampfbad, Seminarräume, die für verschiedenste Gelegenheiten auch an "Nicht - Sargfabrikler" vermietet werden, sowie ein Lokal und einen für Musiker- und Theaterauftritte geeigneten Veranstaltungssaal. Bemerkenswert dabei ist, daß diese "Luxuseinrichtungen" keineswegs nur für die Mieter der Sargfabrik gedacht sind, sondern gegen ein Entgelt auch für "Auswärtige" benutzbar sind (dies gilt insbesondere für das Schwimmbad).
Neben dieses festen "Institutionen" organisieren die Betreiber auch bunt übers Jahr verstreute Festivitäten, wie bspw. einen jährlich stattfinden multikulturellen Kirtag. Somit leistet die Sargfabrik einen bedeutenden Beitrag zur Bereicherung des urbanen Lebens nicht nur im Bezirk Penzing.
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