Thema des Aufsatzes ist der so genannte Familienaltar mBerlin 14145 aus der Regierungszeit des Echnaton. Zentrales Thema der Arbeit ist die Besprechung der Raumhaftigkeit der Darstellung.
Das Objekt mBerlin 14145 - ein „Hausaltar“
Das hier vorgestellte Stück gehört in die Gruppe der „Hausältere“ bzw. Familienbildnisse. Diese stellen innerhalb der Objekte aus Amarna eine eigene, größere Fundgruppe dar. Sie zeigen - in unterschiedlicher Zusammenstellung - verschiedene Mitglieder der königlichen Familie von Amarna. Der König ist dabei auf jeder dieser Stelen abgebildet. Oftmals zusammen mit der Königin Nofretete. Diese beiden Personen werden auf einigen der Bildnisse um mehrere Kinder des Königspaares ergänzt. Auch im Ägyptischen Museum Berlin befinden sich einige dieser außergewöhnlichen Stelen. Die wohl bekannteste unter ihnen ist das so genannte Familienbildnis 14145. Neben diesem sehr berühmten Stück werden im Moment noch weitere (Fragmente) solcher Bildnisse im Neuen Museum gezeigt: eine unfertige Stele, die ein sich küssendes königliches Paar zeigt, das Fragment einer Stele mit Echnaton und Nofretete im Moment eines Kusses sowie eine Stele, welche die Königin beim Einschenken eines Getränkes in den Becher ihres Gemahls zeigt.
Wir wollen nun im Folgenden zuerst eine Beschreibung des berühmten Altares 14145 im ÄMP geben und dann einen Schlüssel zur Lesung des Bildnisses anbieten, den vor uns bereits Borchardt und Krauss erkannt haben.
Die Beschreibung des Bildnisses Berlin 14145
Das wohl berühmteste unter den hier zu besprechende Stücken ist ein flaches etwa 33 x 39 cm großes, versenktes Kalksteinrelief. Es zeigt auf der linken Seite den König Echnaton mit nach rechts gewandtem Gesicht. Er trägt die so genannte Chepresch-Krone, also den blauen „Kriegshelm“. Dieser ist mit einem Uräenband verziert, welches die ganze Krone über den Ohren umläuft. Der König trägt einen schlichten Schurz, der - wie in Amarna üblich - am Rücken höher ist als am Bauch. Echnaton hält seine älteste Tochter Meritaton im Arm und küsst sie auf den Mund. Der Kopf der Prinzessin ist kahlgeschoren und sie ist nackt. Sie streckt den linken Arm nach rechts und deutet mit dem Zeigefinger in die gleiche Richtung, scheinbar auf die dem König gegenüber sitzende Königin. Mit ihrer rechten Hand berührt von unten das Kinn des Königs. Die mit Sandalen versehenden Füße des Königs ruhen auf einem gepolsterten Schemel, er selbst sitzt auf einem schlichten, lehnenlosen Stuhl mit sichtbarem Strebewerk und einem Kissen.
Auf der rechten Seite der Stele sehen wir Nofretete. Sie trägt die für sie typische, hohe konische Krone, die wir auch von ihrer Berliner Büste kennen. Neben dem Uräus an der Stirn der König hängen zwei weitere seitlich von dieser herab. Ein erster hängt an der oberen, waagerechten Bereich des Diadems, etwa auf Höhe des Stirnuräus. Eine weitere Kobra ist an einem Ende des um die Krone geschlungenen Diadems befestigt und reicht bis auf die Wange Nofretetes herab. Die Königin blickt nach links, scheinbar in Richtung ihres Gemahls. Nofretete trägt ein reich gefälteltes Gewand, das unter dem Busen den nackten Bauch erkennen lässt. Das Kleid umspielt locker die Füße der Königin, die ebenfalls in Sandalen gekleidet sind und auf einem Schemel ruhen. Kurz unter dem Busen ist das Kleid mit einem breitem Stoffband gegürtet. Der Gürtel fällt in zwei gerippte Stoffbahnen auseinander.
Der rechte Streifen liegt auf dem Schoß der Königin und reicht bis kurz über die Knöchel. Der linke Stoffstreifen fällt seitlich über den Stuhl und verdeckt so das smA-tA.wj-Emblem, das den Sitz der Königin dekoriert.
Auf dem Schoß der Königin sitzt die Prinzessin Maketaton. Sie hält die linke Hand der Königin und hat ihr das Gesicht zu gewandt. Sie ist, wie ihre Schwester, nackt. Auch sie deutete mit ihrem rechten Arm in die Mitte des Bildnisses, scheinbar in Richtung ihrer Schwester. Daneben erkennen wir eine weitere Prinzessin, Anchesenpaaton. Sie steht auf dem Schoß der Nofretete und greift mit einer Hand an die Uräusschlange, die von der Krone der Mutter herabhängt. Auffällig sind die überlangen, großen Hinterköpfe der Prinzessinnen. Dies ist das typische ikonographische Element der jugendlichen und kindlichen Mitglieder des Königshauses.
Die ganze Familie sitzt in einem Saal mit papyriformen Holzstützen, die mit Bändern verziert sind. Über der ganzen Szene, genau mittig, steht die Sonnenscheibe des Aton mit Uräus mit ihren in Händen auslaufenden Strahlen, die dem Herrscherpaar das Schriftzeichen für Leben an die Nase halten.
Der lange, nach außen gebogene Hals, die stark hervortretenden Schlüsselbeine, die dünnen Arme und Beine und der stark hervortretende Bauch sowie der massige Beckenbereich mit mächtigen Oberschenkel sowie äußerst dürren Waden und überlangen Füßen sind deutliche Kennzeichen des frühen Stils der Amarna Kunst. Körperbau und Gesicht der Königin sind formal dem des Königs angepasst.1
Zur „Lesung“ des Dargestellten
Einer der Grundgedanken der ägyptischen Kunst ist gerade der bewusste Verzicht auf das, was wir als „Perspektive“ bezeichnen. Mit dieser der perspektivischen Darstellung soll versucht werden die Dreidimensionalität der Umwelt in ein zweidimensionales Flachbild umzusetzen2. Die ägyptische Kunst ist nun ganz bewusst zweidimensional. Sie nutzte die oben genannte „Sinnperspektive“, in der Ägyptologie auch als „Aspektive“3 bezeichnet. Dabei werden Bildwerke im Flachbild (aber auch bei Statuen), aus einzelnen Bildelementen zusammengesetzt. Die Sichtbarkeit dieser Elemente steht dabei im Vordergrund der Bildnisse. Das Hauptziel einer solchen Darstellung ist die größtmögliche Vollständigkeit einer dargestellten Person, Pflanze, eines Tieres oder Gebäudes. Aus diesem Grund werden die menschlichen Figuren im Flachbild additiv aus Einzelteilen zusammengesetzt: Gesicht im Profil, Auge und Augenbrauen von vorne, Schulterbereich frontal, Arme wieder im Profil, Körperkontur ebenfalls, dazu aber trotzdem Darstellung der Brustwarze und des Bauchnabels und Beine im Profil- stets in einer Schrittposition. Ein weiteres Beispiel für diese Art der Darstellung stellen die Darstellungen von Opfertischen mit fein säuberlich aufgestapelten Speisen dar. Bei Schalen mit Dekor wird dieses oftmals vom Inneren des Gefäßes auf den Rand gesetzt wie ein Aufsatz, ein dekorierter
Teller wird nicht mit Nahrung verdeckt, vielmehr wird diese über dem Teller dargestellt usw. Bedingt durch dieses Wesen der ägyptischen Kunst gibt es einige besonders schwierig darzustellende Motive - dazu gehört die Darstellung vom Inneren eines Gebäudes, Menschengruppen und besonders das nebeneinander Sitzen oder Stehen, da man das Problem der Überschneidung durch den Vollständigkeitsgedanken vermeiden musste. Bei den beiden letztgenannten Motiven muss man sehr deutlich zwischen Hauptpersonen und Nebenpersonen unterscheiden: Die Nebenpersonen können z.
T. deutlich durch andere Personen, Tiere oder Gegenstände überdeckt werden, man kann teilfrontale und frontale Gesichter erkennen usw. Obwohl dadurch manchmal der Eindruck „echter“ Perspektive entsteht, handelt es sich doch wohl eher um einen Versuch, den Seheindruck einzufangen. Ein weiteres Phänomen bei „Nebenfiguren“, vor allem Pferden und Soldaten, ist die Staffelung nach oben. Bei Hauptpersonen beschränkt sich das Repertoire der Möglichkeiten eines Nebeneinander auf :
- voreinander stehend bzw. sitzend
- hinter einer Person stehend
- übereinander, vor allem bei Prozessionen
- Bei Statuen, die nebeneinander stehen, kommen Drehungen um 180° vor
In der Amarna-Zeit kommen für Hauptfiguren zwei neue Möglichkeiten hinzu:
- die Staffelung bzw. fast komplette Überschneidung von König und Königin
- die Drehung um 180°, so dass ein scheinbares Gegenüber entsteht.
Man muss also die Verteilung der Figuren im Raum in der ägyptischen Kunst „lesen“, da die echte Raumhaftigkeit durch ein streng komponiertes, zweidimensionales Bild ersetzt wird. Eine große Hilfestellung bei den Fragen nach dem formalen Aufbau der „Altarbilder“ bietet hier noch immer Schäfer4. Zudem ist gerade das Bild 14145 ausführlich von Krauss besprochen worden5. Warum also hier nochmals eine Beschreibung?
Nach Ansicht der Autoren ist gerade bei diesem Bild ein entscheidendes Kriterium bisher noch nicht opinio comunis, nämlich die Raumhaltigkeit. Der formale Aufbau des Bildnisses ist nicht so schlicht, wie dies auf den ersten Blick wirkt. Den oben genannten Ausführungen zur Sinnperspektive und Raumhaltigkeit folgend, muss auch hier die eigentliche Verteilung der Personen im Raum gelesen werden: Das Königspaar sitzt sich nicht gegenüber, sondern nebeneinander!
Borchardt hat für den Kairener „Klappaltar“ festgehalten: „Die Frage, was der Künstler hat darstellen wollen, ist leichter gestellt als beantwortet. Ich kann daher auch nur die mir wahrscheinlichst erscheinende, wie ich glaube, befriedigende Antwort geben. Es scheint mir, als ob dem Künstler eine Gruppe vorgeschwebt hat, in der der König und Königin nebeneinander vor dem Beschauer, dem sie die Gesichter zuwenden, sitzen. … Es ist derselbe Aufbau, den wir im Alten Reiche oft bei der Darstellung hinter dem Speisetisch sitzender Paare Verstorbener sehen, die auch keineswegs als sich gegenüber sitzend und von der Site gesehen zu verstehen sind., sondern in der Vorstellung des Malers und des Beschauers selbstverständlich den in Verehrung auf das Bild zutretenden Hinterbliebenen anblicken sollen. (…) Bei unserem Altarbild hätte eine einseitige Anordnung dem Künstler den schönen Aufbau seines Bildes erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht, erwählte also diese spiegelbildliche Anordnung und dachte sich doch dabei, daß die Dargestellten den Beschauer anblicken.“6
Krauss führt zur „Familienstele“ aus: „Weiter dürften zwei spezifische Beobachtungen führen, zum einen daß in der flachbildlichen Darstellung von nebeneinandersitzenden Statuen diese in einer Winkeldistanz von 180° ‚aufgeklappt‘ wiedergegeben werden, und zum anderen, daß die leeren Throne des Königspaares in den Palastdarstellungen sowohl einander gegenüber als auch nebeneinander aufgestellt sind. Ich kombiniere diese Beobachtungen so, daß in der dreidimensionalen Wirklichkeit die Throne im Palast nebeneinander standen und in der flachbildlichen Darstellung einmal gestaffelt und ein andermal ‚aufgeklappt‘ erscheinen. In einer auf diese Weise erschlossenen dreidimensionalen Vorlage unseres Stelenbildes würden demnach König und Königin nebeneinander sitzen, wobei auch die Fußbänke und Polster jeweils um 90° gedreht wären.“7
Zur Verortung
Die Verortung der Szene ist über zeitgleiche Architekturdarstellungen in den Felsgräbern Amarnas abzuleiten: Wir blicken in den Thronsaal oder Empfangsraum eines königlichen Palastes von Achet- Aton. Die Darstellungen8 zeigen zudem auch einmal die Throne nebeneinander, also in Staffelung, einmal in der gegenüber gesetzten Position. Auch darauf hat bereits Krauss hingewiesen. Dass die Szene im Palast anzusiedeln ist, sahen schon Erman9, Steindorff10 und Seele11 und Schäfer12. Vergleicht man die Darstellungen in den Gräbern mit 14145 so ergeben sich sehr offensichtliche Gemeinsamkeiten wie die Form der Säulen und vor allem die auf einer Seite neben dem Thron angegebenen Weingefäße auf einem Ständer. Krauss weist nun berechtigt darauf hin, dass man bei einer Verortung der Szene im Palast das Problem der dargestellten Sonne zu erklären habe. Er verweist allerdings darauf, dass es durchaus möglich gewesen ist, dass damit die durch ein Oberlicht eindringenden Sonnenstrahlen gemeint sein können.
In einem geschlossenen Raum stellen wehende Kronenbänder kein Problem insofern da, als man in einem Gebäude mit Windstille rechnet, diese aber nicht gegeben sein muss. Zu den Kronenbändern merkt Krauss an: „Nicht in diesem Sinne [d.h. als Beleg für ein Nebeneinandersitzen] deute ich die gegensinnig flatternden Kronenbänder, weil dieses ikonographische Motiv von der Wirklichkeit möglicherweise abgelöst und verselbständigt ist.“13 Wir meinen dazu, dass die Kronenbänder durchaus ein Hinweis auf ein Nebeneinandersitzen sind, was durch deren entgegengesetztes Wehen verdeutlicht werden soll.
Deuten mit dem Finger
Dazu schreibt Krauss: „Die Positionen der Prinzessinnen passen dazu in der besprochenen Weise. Anchesenpaaten würde sich mit ihrer Vorderseite an die Mutter lehnen, Maketaten säße mit Richtung zum Vater quer auf dem Schoß der Mutter, zu der sie aufblickt. Während Meritaten zur Mutter blickt, würde der Vater sie von der Seite küssen. Dabei faßt die Prinzessin den Vater mit der Rechten unter dem Kinn und zeigt mit der Linken zur Mutter, was in der flachbildlichen Darstellung darin resultiert, daß sich ihr linker Arm und der linke Arm des Königs überschneiden.“14
Dorothea Arnold interpretiert das Deuten mit dem Zeigefinger als eine magische Handlung: „The shrine stelae and these paintings were both placed close to the house entrance and share a preoccupation with lovemaking, birth bowers, and children. The only iconographic difference between the paintings and the stelae is that in place of the popular Bes and Taweret figures of the paintings the stelae present official Aten themes alluding to the creation myths and to the crucial place that the king and queen held in this context. Thus it seems that the shrine stelae functioned as domestic icons in Amarna houses, ensuring divine protection for marriage, birth, and the newly born. It is conceivable that they were presents given by the king to his favorite officials.
This interpretation might also explain the rather astonishing gestures of the princesses in the Berlin stela. Children pointing fingers appeared in a number of early Eighteenth Dynasty tomb paintings depicting fishing and fowling in the marshes. These children stand in the bows of the boats with their fathers, who are going out to hunt of fish. The pointed finger was an age-old magical gesture employed to avert evil. Egyptian herdsmen used it when crossing a canal where cattle were endangered by crocodiles or during the birth of a calf. In the hunting boats the gesture would also have been used against the ever-present crocodiles.
[...]
1 Schäfer 1926, 54-64.
2 Schäfer, 1911, 134-42; ders. 1923, 138-49.
3 Brunner-Traut 1964, 309-330.
4 Schäfer 1963, 4. Auflage.
5 Krauss 1991.
6 Borchardt : 19 zitiert nach Krauss 1991: 22 Anm. 147.
7 Krauss 1991: 22.
8 Davies 1903, Pl. XVIII; ders. 1908, Pl. IV.
9 Erman 1999: 128 zitiert nach Krauss 1991: 23 Anm. 151.
10 Steindorff 1900: Abb. 129 Bildunterschrift: „Amenophis IV. und seine Familie, in einem Gemache des Palastes sitzend [Zeilenumbruch] Vorlage zu einem Grabbilde. Museum in Berlin“.
11 Steindorff und Seele 1957: 217. „We are even permitted a view in the inmost chambers of the royal palace: seated in a room with slender papyrus columns, ...“
12 Schäfer 1931: Text zu Tf. 28.
13 Krauss 1991: 22 Anm. 150.
14 Krauss 1991: 22-23.
- Citation du texte
- Christian Huyeng (Auteur), Andreas Finger (Auteur), 2010, Das Objekt mBerlin 14145. Ein Hausaltar, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273807
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