Im Juni des Jahres 2003 begann das Rätselraten um ein Werbeplakat mit dem Titel „Sex neue Rotlichtviertel für Hamburger“. Erst eine Woche später stellte sich heraus, dass es sich hierbei um eine Werbekampagne der Elektronikhandelskette Media Markt handelte. Diese (unserer Meinung nach gelungene) Werbeaktion wollen wir in unserer Hausarbeit näher untersuchen. Neben dem Versuch, die Kampagne aus linguistischer Sicht zu analysieren, werden wir uns mit der Frage nach der dahinter verborgenen Werbestrategie beschäftigen: Welche Wirkung haben Provokation und Doppeldeutigkeit in der Werbung?
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. DAS UNTERNEHMEN MEDIA MARKT
3. DIE WERBEKAMPAGNE „SEX NEUE ROTLICHTVIERTEL“
3.1. DAS PLAKAT
3.2. DIE PROSPEKTBEILAGE
4. ANALYSE DER WERBEKAMPAGNE
4.1. PLAKATWERBUNG
4.2. PROVOKATION UND DOPPELDEUTIGKEIT
5. SCHLUSSBETRACHTUNG
6. QUELLENVERZEICHNIS
7. ANHANG
1. EINLEITUNG
Im Juni des Jahres 2003 begann das Rätselraten um ein Werbeplakat mit dem Titel „Sex neue Rotlichtviertel für Hamburger“. Erst eine Woche später stellte sich heraus, dass es sich hierbei um eine Werbekampagne der Elektronikhandelskette Media Markt handelte. Diese (unserer Meinung nach gelungene) Werbeaktion wollen wir in unserer Hausarbeit näher untersuchen. Neben dem Versuch, die Kampagne aus linguistischer Sicht zu analysieren, werden wir uns mit der Frage nach der dahinter verborgenen Werbestrategie beschäftigen: Welche Wirkung haben Provokation und Doppeldeutigkeit in der Werbung?
2. DAS UNTERNEHMEN MEDIA MARKT
Das Unternehmen Media Markt ist Teil der METRO Group und gehört somit zu einem der weltweit größten Handelsunternehmen.1 Gemeinsam mit der Elektrohandelskette Saturn (METRO Group Vertriebslinie Media Markt/Saturn) erzielte Media Markt im Jahr 2002 einen Umsatz von 9,6 Mrd. €. Das Geschäftskonzept des Unternehmens, welches allein in Deutsch- land 150 Filialen zählt, hat sich durchgesetzt. Die Märkte bieten auf jeweils 2500 bis 5000 m² Verkaufsfläche eine immense Angebotsvielfalt im Bereich der Elektronik. Hier werden Mar- kenprodukte zu Dauertiefpreisen angeboten, mit denen kaum ein anderes Unternehmen mit- halten kann. Unzählige Werbekampagnen im Print-, TV- und Rundfunkbereich sorgten meist für Aufsehen und somit auch für den hohen Bekanntheitsgrad des Unternehmens in Deutsch- land und Europa. So ist Media Markt rund 98 % aller Deutschen bekannt (passive Markenbe- kanntheit2 ), 65 % kaufen bei Media Markt ein.3 Verantwortlich für die meisten Werbekampag- nen von Media Markt ist die hauseigene Werbeagentur „redblue“.
3. DIE WERBEKAMPAGNE „SEX NEUE ROTLICHTVIERTEL FÜR HAMBURGER“
Anfang Juni 2003 erregte eine Außenwerbung von Media Markt Aufsehen in Hamburg. In allen Stadtteilen waren - vor allem an Bushaltestellen - Plakate der Elektronikmarktkette zu sehen, welche jedoch keinerlei Hinweis auf das tatsächlich beworbene Produkt bzw. Unter- nehmen gaben.4 Die Werbeplakate waren auffällig gestaltet und haben ein „Rätselraten“ über das dahinter stehende Produkt ausgelöst.5 Erst eine Woche später wurde das Geheimnis in einer Prospektbeilage mehrerer Hamburger Tageszeitungen aufgelöst. Hier warb Media Markt mit gleicher Aufmachung und Gestaltung wie bei der Plakatwerbung, diesmal jedoch mit Produkten und dem Namen „Media Markt.“.
3.1. Das Plakat
Zunächst möchten wir das Plakat näher beschreiben. Es handelt sich hierbei um eine mehr oder weniger außergewöhnliche Gestaltungsform, denn eine typische Struktur mit Headline, Fließtext, Slogan, Kontaktinformationen und Logo des werbenden Unternehmens sucht man hier vergeblich. Es handelt sich vielmehr um eine Collage aus vielen Farben, Formen, Worten und Phrasen, die auf einem schwarzen Hintergrund zu finden sind. „Sex neue Rotlichtviertel für Hamburger“ und in geringerer Schriftgröße darunter „Hummelsbüttel, Lüneburg, Halsten- bek, Nedderfeld, Billstedt, Wandsbek“ steht ganz oben in einem rötlichen Oval und kann als Headline des ganzen Plakats aufgefasst werden. Dieser Text wird durch die Farbgebung und vor allem durch die daneben abgebildete Silhouette einer nackten Frau zum Blickfang. Durch diese beiden Elemente (Text und Bild) assoziiert der Rezipient unweigerlich das Hamburger Rotlichtviertel bzw. die Reeperbahn.
Es fällt auf, dass man auf dem Plakat besonders viele Substantive vorfindet, die durch ein be- gleitendes Adjektiv eine neue Bedeutung bekommen („heisse Bilder“, „geile Sounds“, „sexy Stücke“, „riesen Teile“). Die Substantive allein sind Begriffe aus dem Audiovisions-Bereich (Bilder, Sounds) bzw. allgemeine Bezeichnungen für Gegenstände (Stücke, Teile) und werden durch die Adjektive aus dem erotischen Gebiet wie z.B. „sexy“, „geil“ und „heiß“ in ihrem Sinn verändert. Phrasen wie „RIESEN TEILE“ verstärken die Vermutung, es könne sich hierbei um Termini aus dem Rotlichtmilieu und somit um eine Werbeanzeige einer Bordellket- te oder eines Eroscenters handeln. Mit „RIESEN TEILE“ könnten so beispielsweise große Brüste gemeint sein, da durch das Attribut „riesen“ eine Bedeutungsänderung eintritt.
Ein weiteres Beispiel ist „Alles zum Anfassen“. Bezieht sich das auf den Körper einer Frau? Hinzu kommen comicartige Aussprüche wie „WOW“ und zusätzliche Worte, wie „NEU“ und „aus Japan“. Der Rezipient könnte hier eine Verbindung zu japanischer Comickunst (so genannten Mangas) sehen. Mangas bzw. die einst verbreiteten Shunga-Bilder waren früher in Büchern für Eheleute und Bordellbesucher veröffentlicht und beinhalten auch heute noch Abbildungen von Geschlechtsakten und nackten Erwachsenen sowie Kindern6. Es wird schnell klar, das alle Worte und Phrasen eine sehr bildhafte Vorstellung zulassen, die im direkten Zusammenhang mit Sexualität steht.
Es werden viele unterschiedliche typographische Mittel wie Schriftart, Groß- und Kleinschrei- bung, Effekte und Farben zur Gestaltung genutzt. Die meisten Worte sind ausschließlich in Großbuchstaben (Versalien) mit zusätzlichen Effekten (Relief, Serifen, Schattierungen, etc) dargestellt und ziehen so die Blicke des vorübergehenden Menschen auf das Plakat. Viele Formen wie z.B. Sterne, Herzen und Blumen dienen teilweise als Rahmen bzw. Sprechblasen für die bereits genannten Phrasen. Die Zeichnungen erinnern an comicartige Darstelllungen aus den siebziger Jahren. Auf dem schwarzen Hintergrund sind zudem viele kleine Sterne ab- gebildet. Ein einfaches Telefon, wie man es von früher (70er) kennt, ist neben dem Schriftzug „HARDCORE FÜR ZUHAUSE“ zu finden. Würde man nur „HARDCORE FÜR ZUHAU- SE“ lesen, so würde man hierbei keine sexuelle Anspielung assoziieren, doch durch die Abbil- dung des Telefons verbindet der Rezipient diese Bild-Text-Kombination mit Telefonsex.
Durch die Fülle von unterschiedlichen knalligen Farben wirkt das Plakat lebendig und dyna- misch. Besonders durch den schwarzen Hintergrund wird die Farbkombination besonders effektvoll und lässt so beispielsweise die Sterne nahezu „aufleuchten“. Die sich teilweise überlagernden Formen lassen eine Assoziation zu Leuchtreklame in der Nacht zu, wie man sie vom Hamburger Kiez kennt. Besonders durch die kleinen Sternchen und die gelben Kreise, die das Oval mit dem Hauptschriftzug umranden, hat man das Gefühl, sich direkt auf der Rot- lichtmeile zu befinden.
Zusammenfassend möchten wir festhalten, dass diese Werbung von der Bild-Text- Kombination lebt. Ohne die bildlichen Darstellungen und die farbenfrohe Aufmachung wür- de das Plakat nicht so stark auffallen. Insgesamt wirkt es „billig“ und wirbt nach der „Holz- hammermethode“7: der physikalische Reiz (also groß, bunt und mit sexuellen Anspielungen) steht hier im Mittelpunkt und sorgt für besondere Aufmerksamkeit der Rezipienten. Auf dem Werbeplakat steht weder ein erkennbarer Werbeslogan noch lässt sich ein bestimmtes Firmen- logo ausfindig machen. Es fällt jedoch auf, dass die Werbung aus vielen kleinen Einzelteilen besteht, die aber in einem Kontext stehen bzw. die ein Oberthema haben: Sex. Das ist der
Eindruck den ein Betrachter dieses Plakates hat, dieser Eindruck soll vermittelt werden. Aber natürlich ist dies nicht wirklich eine Werbung für neue Bordelle in Hamburg.
3.2. Die Prospektbeilage
Eine Woche nachdem das ominöse Plakat in ganz Hamburg für Aufregung gesorgt hatte, fan- den die Rezipienten in Zeitungsbeilagen die Auflösung der Werbung. Auf acht DIN A3 Seiten werden Elektrogeräte gezeigt, die mit den Schriftzügen der Plakatwerbung beworben werden.
Auf der ersten Seite der Zeitungsanzeige befindet sich wieder das rosa-rote Oval mit der Sil- houette der nackten Frau. Auch der Hintergrund ist schwarz geblieben. Außerdem sieht man jetzt viele bunte Sterne, Herzen und Blumen. Sie alle umkreisen z.B. einen Fernseher der Mar- ke Thomson und dessen Preis, der in großen schwarzen Zahlen gedruckt ist. Wenn man genau hinschaut erkennt man sogar ein bereits bekanntes Bild: Einen Stern als Umrahmung in des- sen Mitte „heisse Bilder“ steht. Lediglich die Farbgebung hat sich verändert. Während auf den Plakaten weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund und ein dunkelroter Stern als Rahmen diente, so ist hier jetzt das dunkle Rot einem freundlichen gelb gewichen und schwarz wurde zu hellblau.
Auf dieser ersten Seite der Zeitungswerbung findet man unten dann auch den Betreiber der Anzeige. Da steht mit weiße Buchstaben auf hellrotem Hintergrund „Media Markt. Ich bin doch nicht blöd.“ Blättert man weiter in der Beilage, so wird man über neueste Elektronik zu günstigen Preisen informiert. Dabei sind der schwarze Hintergrund und die comicartigen E- lemente erhalten geblieben, und die Elektrogeräte, die wahrheitsgetreu abgebildet werden, heben sich dadurch sehr hervor. Neben den zackigen Blasen mit Aussprüchen wie „WOW“, den Herzen und Sternchen, findet man auf jeder Seite mindestens einen Schriftzug aus der Plakatwerbung wieder. Teilweise sind diese genau so übernommen, einige wurden durchein oder zwei zusätzliche Worte verändert. Andere wiederum waren nicht auf der Plakatwerbung zu sehen, können aber auch auf zweierlei Arten verstanden werden. Zum Beispiel „Machen Sie sich’s doch selbst*“ Hier wird gleich darunter mit dem Sternchen aufgelöst, was das heißen soll, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. „*Druckerdeckel mit eigenen Bildern bestückbar.“ Die provokante Aufforderung „Machen Sie sich’s doch selbst“ bedeutet also, dass man den Deckel seines neu erworbenen Druckers „selbst“ gestalten kann. Beispielsweise mit „eigenen Bildern“. Des Weiteren findet man die Sprüche „Heißes Gerät“ in Bezug auf einen „Espressovollautomat“, oder „Super Live Show“ steht neben der Abbildung einer Waschmaschine mit Fenster. Dieser Spruch soll wohl auf das „Bild“ in der Waschmaschine bezogen sein. Und Espresso ist ein Heißgetränk, daher wohl die Zuordnung zu einem „heißen Gerät“.
Andere Aussprüche werden im Folgenden aufgezeigt und gedeutet. Da wäre zum Beispiel der Spruch „geiler Kino Sound“. Auf dem Plakat las man nur „geiler Sound“. Das heißt, hier wird nur durch ein einziges Wort dem gesamten Spruch eine neue Bedeutung gegeben und das Adjektiv „geil“ dient nicht mehr als sexuelle Anspielung sondern als positive Wertung. Abge- bildet ist ein Heimkino-Set von der Marke Philips mit DVD-Player und Lautsprechern. Ein weiterer Ausspruch des Plakats findet sich hier wieder: „Sexy Stücke“. Diese Worte stehen direkt unter zwei Lautsprechern. Wer also dachte, es gäbe dort schöne Frauen zu bewundern, der ist jetzt sicherlich enttäuscht, dass es nur zwei Lautsprecher sind. Ein letztes Beispiel sol- len die Worte „Riesen Teile“ geben. Diese werden in Verbindung gebracht mit dem Foto ei- ner Waschmaschine. Im Gegensatz zu allen anderen abgebildeten Geräten ist diese nämlich wirklich ein großes (riesen) Gerät (Teil).
Auf der letzten Seite der Zeitungsbeilage werden dann noch einige CDs und DVDs in ähnli- cher Aufmachung gezeigt. Diese sind umrandet von Blümchen, niedrigen Preisen und Stern- chen, und mit Worten wie „WOW“ und „NEU“ versehen. Ganz unten ist wieder, wie auf der ersten Seite, das Logo des Media Markts zu sehen. Außerdem wird hier noch einmal auf den Schriftzug der Plakatwerbung eingegangen: „Sex neue Rotlichtviertel für Hamburger“. Es wird klar, dass Media Markt dem eigentlich eindeutigen Satz eine neue Bedeutung zuteilt. Die Zahl sechs wir hier absichtlich „falsch“ geschrieben (nämlich „sex“), um eine direkte gedankliche Verbindung vom Rezipienten zu Erotik und Sex herzustellen. Zudem hat man dem Wort „Rotlichtviertel“ eine neue Bedeutung gegeben. Entgegen dem ursprünglichen Ausdruck aus dem Bereich des Sexgewerbes, soll mit „Rotlicht“ nun die Farbe des Media Markt-Logos asso- ziiert werden. Die Stadtteile, in denen es Media Markt Filialen gibt („Hummelsbüttel, Lüne- burg, Halstenbek, Nedderfeld, Billstedt, Wandsbek“), werden somit als „Viertel“ bezeichnet. Die „neuen Rotlichtviertel“ sind also nichts anderes als die Stadtteile, in denen es Media Markt-Filialen gibt wobei „neu“ daran nur die Bezeichnung der Elektrofachmarkt-Stadtteile als „Rotlichtviertel“ ist. Somit bleibt vom ersten Eindruck der Werbung, dass hier ein Sex- shop, ein Bordell oder ähnliches hinter steckt, nicht mehr viel übrig. „Sex neue Rotlichtviertel“ soll heißen, dass man in Hamburg und Umgebung in sechs Filialen des Media Markts einkau- fen gehen kann.
[...]
1 Vgl. METRO Group: „Media Markt - Kurzportrait“. URL: http://www.metrogroup.de/sevlet/PB/menu/1001356_l1/index.html [Stand 25.04.2004].
2 Vgl. Medialexikon: „Markenbekanntheit“. URL: http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DB/PM1DBF/pm1dbf.htm?snr=3543 [Stand 25.04.2004].
3 Vgl. Media Markt: „Bekanntheit“. URL: http://www.mediamarkt.de/service/ueber_media_markt/story/bekanntheit.php [Stand 25.04.2004].
4 siehe Anhang 1
5 Vgl. Hamburger Abendblatt: „Rätselraten um „sex neue Rotlichtviertel“ - Media Markt provoziert in Ham- burg mit einer bewusst zweideutigen Werbeaktion.“ URL: http://www.abendblatt.de/daten/2003/06/17/177223.html?prx=1 [Stand 02.11.2003].
6 Vgl. Ralph Beuth: „Mangas“. In: Microsoft® Encarta® Enzyklopädie Professional 2003.
7 Vgl. Wolfgang Koschnick: „Wo jeder Leser wirklich hinguckt“. URL: http://medialine.focus.de/PM1D/PM1DP/PM1DPA/pm1dpa_artikel.htm?artikel=22&titel=Wo+jeder+Leser +wirklich+hinguckt [Stand 25.04.2004].
- Quote paper
- Beeke Tillert (Author), 2004, Sex neue Rotlichtviertel für Hamburger - Analyse einer Werbekampagne von Media Markt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27367
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