In dieser Seminararbeit werde ich zunächst das neuseeländische Modell der FGC vorstellen und dabei auf die Entstehung, den Ablauf, die Grundprinzipien, die Bedeutung für auf die Teilnehmer, einige Zahlen und Fakten und zum Schluss auf Kritikpunkte der FGC eingehen.
Im zweiten Teil werde ich dann untersuchen, inwieweit man das Konzept der FGC auf die alltägliche Arbeit im Internat anwenden könnte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das neuseeländische Modell Family Group Conference
2.1 Entstehung und Entwicklung der Family Group Conference
2.2 Ablauf der Family Group Conference
2.2.1 Die Vorbereitungsphase
2.2.2 Die eigentliche Family Group Conference
2.2.3 Die Überprüfungsphase
2.3 Grundprinzipien und Merkmale der Family Group Conference
2.4 Die Bedeutung der FGC für die Teilnehmer
2.4.1 Die Familie und ihr Netzwerk
2.4.2 Der Koordinator
2.4.3 Die fallverantwortliche Fachkraft
2.5 Family Group Conference in Zahlen
2.5.1 Organisation der Family Group Conferences
2.5.2 Ausgangssituationen, die zur Family Group Conference führten
2.5.3 Zusammensetzung der Family Group Conference
2.5.4 Die entwickelten Lösungspläne
2.6 Kritik
3. Ist das Modell Family Group Conference auch in der alltäglichen
Internatsarbeit anwendbar?
3.1 Vorstellung meiner Praxiseinrichtung
3.2 Übertragung der Family Group Conference auf die alltägliche
Internatsarbeit
4. Fazit
5. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„Man hilft den Menschen nicht, wenn man Dinge für sie tut, die sie selbst tun könnten.“ Mit diesen berühmten Worten von Abraham Lincoln möchte ich meine Seminararbeit beginnen, denn genau das ermöglicht die Family Group Conference: Man gibt Familien die Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen und trifft diese nicht für sie.
Die Family Group Conference ist unter vielen weiteren Namen bekannt: Familienrat, Familiengruppenkonferenz, Verwandtschaftsrat, Family Group Decisionmaking, etc. Trotz der vielen verschiedenen Namen ist im Grunde dasselbe gemeint: das Modell Family Group Conference aus Neuseeland. Da dies der Ursprungsname des Modells ist, habe ich mich entschieden, diesen im Folgenden zu verwenden.
Doch was ist die Family Group Conference[1] eigentlich? Wolfgang Budde und Frank Früchtel von der Universität Bamberg sind die Pioniere der FGC in Deutschland. Beide haben durch konsequente Arbeit dazu beigetragen, dass die FGC in der deutschen Jugendhilfe Thema wurde (vgl. Hampe-Grosser, A. 2007, S.1). Sie beschreiben die FGC folgendermaßen: „Der Familienrat ist ein Hilfeplanverfahren, das konstruktive Bewegung in Familiensysteme bringen kann, die sich in Überforderungsgefühlen und Hoffnungslosigkeit ‚festgefahren‘ haben. Gleichermaßen wird aber Vorhandenes gestärkt, weil die Potenziale privater Netzwerke und die Problemlösungskultur der Familie genutzt werden. Man ist bei der Planentwicklung gewissermaßen unter sich und ungesteuert vom professionellen Hilfesystem (…).“ (Früchtel, F./Budde, W. 2009, S.2). FGC ist eine Art von Hilfeplanung und „keine neue zusätzliche sozialpädagogische Methode. Nein, FGC ist die Veränderung einer Haltung und die daraus resultierende Organisation von Hilfeplanung“ (Hampe-Grosser, A. 2007, S.2).
Aktuell wird in Deutschland ein Hilfeplanverfahren nach §36 SGB VIII praktiziert. Die geforderten Richtlinien dieser Hilfeplanung bringen die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen[2] in eine paradoxe Handlungserwartung: einerseits „die Funktion des staatlichen Wächteramtes“ wahrzunehmen und die „Gewährleistung des Kindeswohls sicherzustellen“ (Hansbauer, P./Hensen, G./Müller, K./Spiegel, H. 2009, S.16) und andererseits die Partizipation und Mitentscheidung der Eltern und Kinder in der Hilfeplanung zu gewährleisten. In der Praxis liegt die eigentliche Kontrolle über den Verlauf des Verfahrens in der Regel bei den Fachkräften. Das Hilfeplanverfahren ist somit expertenlastig (vgl. ebd. S.17)
Das Konzept der FGC versucht diesen Defiziten der Expertenlastigkeit und der fehlenden Partizipation der Familie in dem Prozess der Hilfeplanung entgegenzuwirken. Die FGC fordert mehr Beteiligung von Kindern, Jugendlichen, Eltern, Verwandten, Bekannten und Freunden der Familie und will die Entscheidungen und die Lösungen zur Problembewältigung völlig der Familie überlassen (vgl. Früchtel, F./Hampe-Grosser, A. 2010, S.7).
Strukturelle Unterschiede zum herkömmlichen Hilfeplanverfahren nach §36 SGB VII sind:
- Die FGC hat eine Netzwerkperspektive, d.h. der Kreis der anwesenden Familie wird erweitert. Bei der herkömmlichen Hilfeplanung müssen lediglich Sorgeberechtigter und Kind/Jugendlicher beteiligt werden, wohingegen beim Familienrat der Kreis erweitert wird auf Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn, usw.
- Die verfügbaren Hilfsangebote sind erweitert. Neben den Angeboten der Jugendhilfe im Rahmen der Hilfen zur Erziehung (§27 SGB VIII), wird insbesondere auf die Ressourcen und die Hilfe aus dem anwesenden sozialen Netzwerk zurückgegriffen.
- Es gibt eine „professionelle Lösungsabstinenz“ (ebd. S.2), d.h. die Familie erarbeitet mit ihrem Netzwerk eine eigene Lösung, ohne Anwesenheit und Beteiligung der sozialarbeitenden Fachkraft.
- Die FGC bezieht gezielt die Kultur der Familien in den Prozess mit ein, wohingegen herkömmliche Hilfeplanverfahren „kulturneutral“ abgehalten werden.
- Es gibt eine klare Rollentrennung zwischen Wächteramt (=Fachkraft) und Hilfeplanung (=Organisation der Hilfeplanung durch Koordinator, Hilfeplanung durch die Familie selbst).
(vgl. vgl. Früchtel, F./Hampe-Grosser, A. 2010, S.1f)
Im Ursprungsland Neuseeland ist die FGC als Hilfeplanung in der Jugendhilfe bereits seit 1989 gesetzlich vorgeschrieben. In Europa befindet sich die Umsetzung der FGC in den einzelnen Ländern auf verschiedenen Entwicklungsstufen (vgl. Plewa, M./Picker, D. 2010, S.355). In Großbritannien wird das Verfahren insbesondere durch freie Wohlfahrtsverbände angeboten und durchgeführt, ebenso in den skandinavischen Ländern. In den Niederlanden hat sich das dort sogenannte „eigen kracht (aus einer Kraft)“-Verfahren ebenfalls schon etabliert (Samuray, S./Hampe-Grosser, A. 2008, S.3). Das Besondere in Holland ist der Einsatz von sog. „Bürgerkoordinatoren“ (ebd.), auf die ich im Verlauf der Seminararbeit noch einmal zurückkommen werde.
In Deutschland hat man in mehreren kleinen Projekten mit der Durchführung von FGCs begonnen. Im Moment führen mehr als ein Dutzend Städte diese Modellprojekte durch, darunter Berlin-Mitte, Stuttgart, Rosenheim, Mühlheim an der Ruhr, u. a. (vgl. ebd.). Vielerorts herrscht dabei eine positive Stimmung, das Konzept scheint zu funktionieren, und wurde in einigen dieser Jugendämter schon als festes Hilfeplanverfahren akzeptiert.
In dieser Seminararbeit werde ich zunächst das neuseeländische Modell der FGC vorstellen und dabei auf die Entstehung, den Ablauf, die Grundprinzipien, die Bedeutung für auf die Teilnehmer, einige Zahlen und Fakten und zum Schluss auf Kritikpunkte der FGC eingehen.
Im zweiten Teil werde ich dann untersuchen, inwieweit man das Konzept der FGC auf die alltägliche Arbeit im Internat anwenden könnte.
2. Das neuseeländische Modell Family Group Conference
Im Folgenden möchte ich einen Überblick geben über das aus Neuseeland stammende Modell der FCG, wobei ich zunächst auf die Entstehungsgeschichte und Entwicklung eingehen und dann den Ablauf in seinen Phasen erklären werde. Desweiteren werde ich die Prinzipien der FGC und die Auswirkungen auf die einzelnen Teilnehmer erläutern. Anschließend werde ich die Evaluation der FGC in Zahlen darstellen und die kritischen Punkte der FGC ansprechen.
2.1 Entstehung und Entwicklung der Family Group Conference
Das Modell der FGC hat seine Wurzeln in Neuseeland. In den 1980er Jahren gab es dort viele Spannungen zwischen den Maori[3] und den sozialen Instituten Neuseelands (vgl. Helbig, S.12). Die Maoribevölkerung warf den Institutionen Rassismus ihnen gegenüber vor und kritisierte die damals bestehende Jugendhilfegesetzgebung und –praxis, die ihren kulturellen Hintergrund nicht genug berücksichtige, insbesondere das Familienverständnis der Maori. Man würde u.a. ihre Erziehung in Frage stellen und sie abhängig von den sozialen Diensten machen (vgl. Macrae 2004, S.46), die ihnen Maßnahmen auferlegten, welche zu ihrer Kultur nicht passen würden.
Diese Bewegung hat die Entwicklung eines Modells angeregt: die Family Group Conference, der Familienrat. Dieses Verfahren ist vergleichbar mit dem, das die Maori schon seit vielen Jahren in ihrer Kultur anwenden, um Konfliktlagen in ihren Familien zu lösen (vgl. Helbig, S.12).
Seit November 1989 ist die Family Group Conference in Neuseeland verbindlich eingeführt und in dem Children, Young Persons and their Families Act (Gesetz für Kinder, junge Menschen und deren Familien) gesetzlich verankert worden (vgl. Hansbauer, P./Hensen, G./Müller, K./Spiegel, H. 2009, S.43).
Seitdem hat das Verfahren auch international viel Aufmerksamkeit erfahren und wird bereits in vielen anderen Ländern umgesetzt, die ich schon in meiner Einleitung aufgeführt habe.
Es gibt viele Aussagen, dass es nicht mehr die Frage ist, „ob Family Group Conference in Deutschland eingeführt wird, sondern nur noch wann“ (Hampe-Grosser, A. 2007, S.4).
2.2 Ablauf der Family Group Conference
Der Ablauf der Family Group Conference lässt sich in Phasen darstellen. In der Literatur findet man verschiedene Einteilungen in drei bis fünf Phasen. Ich finde es am übersichtlichsten, den Ablauf in drei Phasen einzuteilen: die Vorbereitungsphase, die eigentliche FGK, die selbst wiederum in drei Phasen abläuft und die Überprüfungsphase.
Diese Phasen möchte ich nun im Folgenden einzeln vorstellen.
2.2.1 Die Vorbereitungsphase
Die Vorbereitung beginnt, nachdem die Familie der FGC zugestimmt hat. Ob die FGC einer Familie vorgeschlagen wird, hängt in Deutschland von der fallverantwortlichen Fachkraft ab. Wenn diese den Fall für geeignet hält, bietet sie der Familie das Verfahren an, die sich dann dafür oder dagegen entscheiden kann. In Neuseeland dagegen ist die FGC gesetzlich verankert und wird in allen Fällen von Kindeswohlgefährdung oder ähnlichem als erste Maßnahme angewandt. Falls sich die Familie weigert, der FGC zuzustimmen, wird das Familiengericht eingeschaltet.
Nachdem also die Zustimmung von der Familie erteilt wurde, wird ein Koordinator eingeschaltet und mit dem Fall beauftragt. Ihm wird die weitere Koordination der FGC überlassen (vgl. Hansbauer, P./Hensen, G./Müller, K./Spiegel, H. 2009, S.22f).
In Gesprächen mit den unmittelbar betroffenen Familienmitgliedern erklärt der Koordinator den Ablauf und die Prinzipien der FGC.
Desweiteren wird geklärt, wo die FGC stattfinden soll, und wie sie gestaltet werden soll. Dabei versucht der Koordinator herauszufinden, was es für Traditionen und Rituale bei normalen Familientreffen gibt, denn auch diese können und sollen in die FGC mit eingebaut werden. Wenn also beispielsweise Opa Klaus bei jedem Familientreffen ein Ständchen mit der Gitarre singt, oder immer ein großes Festessen stattfindet, das mit einem Gebet eröffnet wird, so soll dies auch die FGC begleiten. Auch der Ort des Treffens soll von der Familie gewählt werden, z.B. ein Raum der eigenen Kirchengemeinde oder des Sportvereins, oder einfach zu Hause bei der Familie. Es soll so ein „Raum für die Problemlösungskultur der Familie“ (Früchtel, F./Budde, W. 2008, S.5) geschaffen werden und die Familie soll erkennen, dass es ihre eigene FGC ist, sozusagen ein „Heimspiel“ (ebd.).
[...]
[1] Im Folgenden mit FGC abgekürzt.
[2] Aus Gründen der Lesbarkeit und Kürze wird im Folgenden auf die weibliche Form verzichtet, in solchen Fällen sind immer beide Geschlechter gemeint.
[3] Die Maori sind die Ureinwohner Neuseelands.
- Citation du texte
- Stephanie Duttenhöfer (Auteur), 2013, Family Group Conference, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/273419
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