Diese Arbeit befasst sich mit der Steuerung der Gruppendynamik einer Lerngruppe in der Erwachsenenbildung. Um in einer Gruppe gut lernen zu können, ist es notwendig, dass ein positives Lernklima in dieser Gruppe herrscht. Diese Aussage wird durch aktuelle neurobiologische Ergebnisse untermauert. Anhand der themenzentrierten Interaktion nach Ruth Cohn werden Maßnahmen beschrieben, mit welchen dieses positive Lernklima hergestellt werden kann. Abschließend wird an der Lehr-/Lernmethode des problembasierten Unterrichtes eine Unterrichtsmethode für kollaboratives Lernen betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
1 EINFÜHRUNG IN DIE PROBLEMDARSTELLUNG
1.1 FRAGESTELLUNGEN
1.2 METHODE
1.3 ZIELSETZUNG
1.4 BEGRIFFSERKLÄRUNGEN UND DEFINITIONEN
1.4.1 Dyade
1.4.2 Gruppe
1.4.3 Team
1.4.4 Förderliches Lernklima
1.4.5 Gruppendynamik
1.4.6 Die Sonderausbildung Intensivpflege
1.4.7 Neurobiologie
2 DIE GRUPPE UND IHRE DYNAMIK
2.1 GRUNDLEGENDES ZUR GRUPPENDYNAMIK
2.1.1 Geschichte und relevante Akteure
2.2 DYNAMIKEN INNERHALB DER GRUPPE
2.2.1 Der Mensch in der Gruppe
2.2.2 Kommunikation in der Gruppe
2.2.3 Rollen in der Gruppe
2.2.4 Welche Rollen braucht die Gruppe?
2.2.5 Lebenszyklus der Gruppe
2.3 ZUSAMMENFASSUNG
3 DIE TZI ALS METHODE ZUM LERNEN IN UND MIT DER GRUPPE
3.1 THEMENZENTRIERTE INTERAKTION
3.1.1 Das Fundament der TZI
3.1.2 Das TZI-Dreieck
3.1.3 Die Umwelt
3.1.4 Aufgaben der Leitung im Dreieck mit dem Kreis
3.1.5 Axiome der TZI
3.1.6 Postulate der TZI
3.1.7 Krisenintervention für Teilnehmende von Lerngruppen
3.2 ZUSAMMENFASSUNG
4 NEUROBIOLOGIE
4.1 DAS LERNEN IN DER GRUPPE
4.2 SPIEGELNEURONE UND IHR EINFLUSS AUF DAS LERNEN
4.2.1 Aufbau und Funktion der Spiegelneurone
4.3 NEUROBIOLOGIE, GRUPPEN UND IHR EINFLUSS AUF DIE MOTIVATION DES LERNENS
4.3.1 Motivationssysteme im Gehirn
4.3.2 Der Mensch als Quelle für Motivation
4.3.3 Leistung als Quelle für Motivation oder der „ Köhler-Effekt “
4.4 ZUSAMMENFASSUNG
5 PBL ALS LEHR- UND LERNMETHODE MIT BESONDEREM FOKUS AUF DIE GRUPPENDYNAMIK
5.1 KONZEPT DES PROBLEM BASED LEARNING
5.2 HERKUNFT DES „PROBLEMBASIERTEN LERNENS“
5.2.1 Geschichte des PBL
5.3 FUNDAMENT DES PBL
5.3.1 Konstruktivismus
5.4 WAS KANN PROBLEM BASED LEARNING?
5.4.1 Auswirkungen des PBL
5.5 LERNEN MIT PBL
5.5.1 Der „ Siebensprung “
5.6 VORAUSSETZUNGEN FÜR PBL
5.6.1 Strukturelle Voraussetzungen
5.6.2 Personelle Voraussetzungen
5.7 ZUSAMMENFASSUNG
6 ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG
DANKSAGUNGEN
Besonderer Dank gebührt meiner Familie welche mich, in der Zeit, während diese Arbeit erstellt wurde sehr unterstützt hat. Ohne die Unterstützung dieser Menschen wäre es mir auch nicht möglich gewesen diese Ausbil- dung zu absolvieren. Gerade in der Endphase dieser Arbeit wurde mir klar was Familie bedeutet und wie wichtig mir diese ist.
Danke für Alles!
KURZFASSUNG
DIESE ARBEIT BEFASST SICH MIT DER STEUERUNG DER GRUPPEN- DYNAMIK EINER LERNGRUPPE IN DER ERWACHSENENBILDUNG. UM IN EINER GRUPPE GUT LERNEN ZU KÖNNEN, IST ES NOTWENDIG, DASS EIN POSITIVES LERNKLIMA IN DIESER GRUPPE HERRSCHT. DIESE AUSSAGE WIRD DURCH AKTUELLE NEUROBIOLOGISCHE ERGEBNISSE UNTER- MAUERT. ANHAND DER THEMENZENTRIERTEN INTERAKTION NACH RUTH COHN WERDEN MASSNAHMEN BESCHRIEBEN, MIT WELCHEN DIESES POSITIVE LERNKLIMA HERGESTELLT WERDEN KANN. ABSCHLIESSEND WIRD AN DER LEHR-/LERNMETHODE DES PROBLEMBASIERTEN UNTERRICHTES EINE UNTERRICHTSMETHODE FÜR KOLLABORATIVES LERNEN BETRACHTET.
Stichworte:
PBL, Neurobiologie, TZI, Gruppendynamik, kollaboratives Lernen
ABSTRACT
THE MAIN PART OF THIS THESIS DEALS WITH THE CONTROLLING OF DYNAMIC IN ANDRAGOGY LEARNING GROUPS.
A CONVENIENT LEARNING CLIMATE IS THE MAIN CONDITION FOR SUFFICIENT LEARNING.
THIS EVIDENCE IS ATTESTED BY NEWLY PUBLISHED NEUROBIOLOGICAL RESEARCH RESULTS.
THE THEME CENTRED INTERACTION AFTER RUTH COHN CAN BE A SUITABLE METHOD TO CREATE A POSITIVE LEARNING CLIMATE. IN CONCLUSION THE PBL LEARNING METHOD CAN BE SEEN AS A METHOD FOR COLLABORATIVE LEARNING.
Keywords:
PBL, Neurobiology, TCI, dynamic in groups, collaborative learning
1 Einführung in die Problemdarstellung
Die Sonderausbildung Intensivpflege (SAB) ist eine in Bezug auf die Lern- biographie und das Ausmaß an praktischer Erfahrung inhomogene Gruppe erwachsener Menschen in einer beruflichen Sonderausbildung, welche im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) geregelt ist. Diese speziel- le Zusatzausbildung Intensivpflege ist eine hoch spezialisierte Ausbildung, in welcher die Kompetenzen vermittelt werden, um kritisch kranke Men- schen, welche sich in einem oft lebensbedrohlichen Zustand befinden, der durch den Ausfall von einer oder mehrerer Organfunktionen gekennzeich- net ist, fachlich kompetent zu pflegen (vgl. GuKG, BGBL II 452, 2005).
Die Lernenden in der SAB Intensivpflege sind durchschnittlich 27 Jahre alt und haben mindestens drei Jahre Berufserfahrung in einem Spezialbereich (Anästhesiepflege, Intensivpflege oder Pflege im Nierenersatztherapiebe- reich). Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass die Form der Ausbildung den Voraussetzungen der Erwachsenenbildung unterliegt.
Seit den 1960er-Jahren ist es unbestritten, dass Bildung in der Erwachsenenbildung vor allem ein Gruppenprozess ist (vgl. Rechtien, 2007, S. 76). Brocher hat 1967 in seinem Grundlagenwerk (Gruppendynamik und Erwachsenenbildung) über die Gruppendynamik in der Erwachsenenbildung zwei grundlegende Bereiche beschrieben:
- Die Erkenntnis, dass Gefühle die Gruppenatmosphäre, Kommunika- tionsstrukturen und Lernprozesse hindern oder fördern können, und
- den Nachweis, dass Wahrnehmungen, Interessen und Verarbeitung von Inhalten von Annäherungs- und Vermeidungsreaktionen beglei- tet werden, welche mit der eigenen persönlichen Identität verbunden sind (vgl. Brocher, 1967, S. 73).
Die hier erwähnten Ergebnisse liegen schon lange zurück (1967). Als diese Arbeit erstellt wurde, war es nicht möglich, neue Erkenntnisse aus dem For- schungsfeld der Gruppendynamik zu verwenden. Die Erforschung der Gruppendynamik scheint in den letzten 10 Jahren nicht populär zu sein. Deshalb beziehe ich mich in meiner Arbeit auch auf Ergebnisse der 1950er- bis 1970er-Jahre. Gerade unter dem Gesichtspunkt neuer neurobiologi- scher Forschungsergebnisse versucht diese Master-Thesis einen Brücken- schlag zwischen etablierten Ergebnissen und Erfahrungen zum Thema Gruppendynamik, aktuellen Ergebnissen der Neurobiologieforschung sowie der Lehr-/Lernform PBL.
1.1 Fragestellungen
a) Welche Maßnahmen zur Steuerung der Gruppendynamik können aus der bestehenden Literatur zur Gruppendynamik abgeleitet werden, um in der Sonderausbildung Intensivpflege ein förderliches Lernklima in Bezug auf die Atmosphäre in der Gruppe zu erreichen?
b) Eignet sich die Methode des Problembasierten Lernens (PBL) als Lehr-/Lernmethode, bei welcher kollaborativ gelernt wird, für die SAB Intensivpflege?
c) Wie lassen sich die Auswirkungen von kollaborativem Lernen auf neurobiologischer Ebene erklären?
1.2 Methode
Zur Beantwortung der oben erwähnten Fragestellungen wurde eine deskrip- tive Literaturanalyse durchgeführt. Als Suchmaschinen wurden DIMDI und Medline verwendet. Die Suche nach geeigneter Literatur wurde in folgen- den Literaturdatenbanken und Archiven durchgeführt: Thieme - Verlags- gruppe, Springer Link, PR - Internet / Pflegepädagogik, Die Pflege, Fach- portal Pädagogik, Google Scholar, Google Books. Als Suchbegriffe wurden Lernklima, Lernen in der Gruppe, Gruppendynamik, Psychologie der Grup- pe, Interventionen Gruppendynamik, Lerngruppe, Neurobiologie, Neuro- didaktik verwendet.
Folgende Operatoren wurden angewendet: AND und NOT. Ausschlusskriterien waren: Gruppentherapie, Lernen in der Grundschule, Neurobiologie ohne Zusammenhang mit Lernen oder Gruppe.
Zusätzlich zur Suche mittels Suchmaschinen wurde eine Handsuche in folgenden Bibliotheken durchgeführt: Bibliothek des NÖ Landesschulrates, Bibliothek der Donau-Universität Krems, Bibliothek der Fachhochschule St. Pölten und der Hauptbibliothek Wien. Diese Recherche lieferte 141 relevante Dokumente, welche den Einschlusskriterien entsprachen.
1.3 Zielsetzung
Diese Arbeit versucht Methoden der positiven Gestaltung des Gruppenkli- mas aufzuzeigen und die Auswirkungen dieser Methoden auf neurobiologi- scher Ebene zu erklären. Auch die Betrachtung der Lehr-/Lernmethode des Problembasierten Lernens (PBL) in Bezug auf die Sonderausbildung Inten- sivpflege, welche besonderes Augenmerk auf das kooperative Lernen legt, ist ein Ziel dieser Arbeit.
Geschlechtsneutrale Formulierung
In dieser Arbeit wird, aufgrund der besseren Lesbarkeit, eine geschlechtsneutrale Form der Bezeichnung verwendet. Sollte es bei manchen Abschnitten nicht möglich sein, die geschlechtsneutrale Form zu verwenden, so sind in diesem Fall beide Geschlechter angesprochen.
1.4 Begriffserklärungen und Definitionen
Um die Bearbeitung der oben beschriebenen Fragestellungen zu ermögli- chen, ist es notwendig, folgende Definitionen und Beschreibungen vorzu- nehmen:
1.4.1 Dyade
Eine Dyade ist eine Gesamteinheit von zwei Menschen. Diese wird gele- gentlich auch als (Zweier-)Gruppe bezeichnet, unterliegt aber hinsichtlich der Beziehungskonstellationen, die in ihr möglich sind, besonderen Bedin- gungen (vgl. Rechtien, 2001, S. 253). In der Dyade gibt es zum Beispiel nicht die Möglichkeit der Bildung von Untergruppen, Koalitionen oder wech- selnden Paarbeziehungen, in Gruppen ab drei Menschen sind diese aber möglich. Auch einen Gruppendruck auf ein oder mehrere Mitglieder kann es nicht geben. Dyaden sollten daher aus den genannten Gründen von Grup- pen unterschieden werden (vgl. Rechtien, 2001, S. 254).
1.4.2 Gruppe
Der alltagstheoretische Gebrauch des Begriffes „Gruppe“ umfasst eine gro- ße Anzahl unterschiedlicher Phänomene, deren Gemeinsamkeit lediglich nur darin besteht, dass es sich jeweils um mehrere Menschen handelt, die in irgendeiner Weise als zusammengehörig oder ähnlich betrachtet werden (vgl. Rechtien, 2001). Als Gruppe könnte der lokale Fußballverein oder eine Ansammlung von Menschen auf einem Straßenfest bezeichnet werden oder die „gesamte Gruppe der arbeitslosen Jugendlichen“. Diese Art der Zusammengehörigkeit, kann sehr unterschiedlich sein, und dieser Unter- schied liegt in der Art und Qualität der Beziehungen der beteiligten Men- schen untereinander. Während es sich bei der Gesamtheit der arbeitslosen Jugendlichen um eine soziale Kategorie handelt, deren Angehörige keinen wirklichen Kontakt untereinander haben, besteht die Gemeinsamkeit einer „situativen Gruppe“ in der gleichzeitigen Anwesenheit während einer be- stimmten Situation. Zum Beispiel die Gruppe der Schaulustigen bei einem Verkehrsunfall.
Anders als diese situationsgebundenen Beziehungen überdauern die Beziehungen in einer „sozialen Gruppe“ solche Situationen. Als Beispiel soll die Gruppe der Österreicher dienen. Unter einer Gruppe im sozialpsychologischen Sinn wird im Allgemeinen eine Anzahl von miteinander in Beziehung stehenden Menschen verstanden, die durch die folgenden Merkmale charakterisiert ist (vgl. Rechtien, 2001, S. 254).
- Relative Kleinheit (3 bis ca. 25 Personen)
- Unmittelbarer Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern, im Gegensatz zu vermitteltem Kontakt, etwa durch Briefe, Telefon oder andere Medien
- Gemeinsame Ziele und Werte der Gruppenmitglieder - Rollen, Funktionen und Positionen, die aufeinander bezogen sind und die die Prozesse in der Gruppe und bis zu einem gewissen Grad auch das Verhalten der Gruppenmitglieder steuern
- Relatives Überdauern. So etwas wie ein Mindestzeitraum kann dabei al- lerdings nicht angegeben werden; die für Gruppen typischen Phänomene treten jedoch bei längerem Bestehen deutlicher zutage. Die Tatsache, dass sich soziale Kategorien, situative Gruppierungen und soziale Gruppen durch die Beziehungsstruktur zwischen ihren Mitgliedern voneinander ab- heben, macht deutlich, dass ihre begriffliche Unterscheidung mehr ist als Wortklauberei. Phänomene wie Zugehörigkeit, Kooperation, Konkurrenz, Konformität usw. sind an eine ausgeprägte Beziehungsstruktur, also an das Vorhandensein einer sozialen Gruppe, gebunden (vgl. Rechtien, 2001, S. 255). Typisch für Gruppen ist auch die Wahrnehmung ihrer Teilnehmer. Gruppen nehmen sich im alltäglichen Leben „bewusst als soziale Einheit wahr“ und grenzen sich so gegenüber ihrer Umwelt ab. Sie geben sich Namen, damit sie sich selbst mit einer Kurzformel identifizieren können und damit sie von anderen erkannt werden können, und sie nutzen Merkmale wie bestimmte Kleidung, Rituale oder Begrüßungssignale, um so ihre Gren- zen zum „Rest der Welt“ zu markieren (vgl. Kühl, 2008, S. 481ff).
1.4.3 Team
Ein Team ist laut Duden „ ... eine Gruppe von Menschen, welche sich ge meinsam für eine Aufgabe einsetzen ... “ (Müller, 2010, S. 632)
Nicht jede Gruppe ist ein Team, aber jedes Team ist eine Gruppe. Der Be- griff Team ist eine Sammelbezeichnung für alle arbeits- und aufgabenbezo- genen Gruppen, deren Mitglieder kooperieren müssen, um ein gemeinsa- mes Ziel zu erreichen (vgl. König & Schattenhofer, 2010, S. 18). Das Team hat einen gewissen Handlungsspielraum, in dem es die Belange, die mit der Aufgabe verbunden sind, selbst planen, entscheiden und auch ausführen kann. Die Arbeitsfähigkeit des Teams wird dadurch erworben, verändert und immer wieder erneuert, dass es neben dem „Was“ auch das „Wie“ der Zusammenarbeit steuern kann. Dies erreichen Teams mithilfe der Reflexion auf der Sachebene und der Ebene der Arbeitsbeziehungen. Teamarbeit ist nach dieser Definition ein extrem anspruchsvolles Instrument der Zusam- menarbeit, die hohen Anforderungen, die diese stellt, sind den Beteiligten zumindest am Beginn der Zusammenarbeit nicht immer bewusst und wer- den von einigen Gruppen, welche sich als Team bezeichnen, auch nicht erfüllt (vgl. Teale 2004; Schattenhofer 1992; Gellert & Nowak 2010; Bähr 1999). Allerdings wird der Begriff auch in der Literatur nicht einheitlich ver- wendet. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Kriterien, welche für eine Gruppe zu betrachten sind, um einen weiteren Aspekt ergänzt werden: um den Aspekt der „Aufgabe“. Eine Beschreibung für ein Team wäre dann diese: Es handelt sich bei einem Team um eine Gruppe Menschen, deren Mitglieder in einer funktionalen Arbeitsbeziehung stehen, wobei die zu lö- sende Aufgabe in der Regel von außen vorgegeben ist (vgl. Rechtien, 2001, S. 255).
Eine ähnliche Betrachtungsweise in Bezug auf Teamarbeit haben Podsiad- lowski und Spieß: „ Teamarbeit unterscheidet sich von anderen Formen der Zusammenarbeit durch eine noch stärkere wechselseitige Beziehung unter den Mitgliedern, Gemeinschaftsgeist und Gruppenzusammenhalt. “
(Podsiadlowski & Spieß, 2000, S. 201)
1.4.4 Förderliches Lernklima
Mit dem Begriff Klima bzw. Unterrichtsklima wird die Qualität der Beziehun- gen zwischen Lehrer - Lernenden und der Lernenden untereinander ver- standen. Das richtige Klima soll dazu beitragen, den besten Lernerfolg zu erzielen (vgl. Meyer, 2004, S. 52ff). Auch die OECD testet beim PISA-Test das subjektiv empfundene Lernklima in der Klasse. Beim aktuellen Report (2009) ist aufgefallen, dass das Schulklima mit den Werten in Bezug auf die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler korreliert (vgl. OECD, 2010, S. 22). In Bezug auf folgende Forschungsbefunde über ein förderli- ches Lernklima muss erwähnt werden, dass Forschungen in diesem Be- reich sehr schwierig sind. Es wird ein „Klima“ erforscht. Klimafaktoren kön- nen nur über persönliche Einschätzungen subjektiv empfundener Merkmale erfolgen. Diese Daten werden durch ein qualitatives Verfahren gewonnen. Bei dieser Herangehensweise wird „Klima“ als kollektive Wahrnehmung des Unterrichts empfunden. Es wird versucht, einzelne „Klima-Variablen“ zu identifizieren, welche Auswirkungen auf den Lernerfolg und das subjektiv empfundene Wohlbefinden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben. Eine wichtige Variable scheint die Gerechtigkeit zu sein. Wenn Menschen, welche in einer Lerngruppe zusammenwirken, sich als „gerecht“ behandelt fühlen, sind sie zufriedener (vgl. Kanders et al., 1997, S. 61). Auch das Ge- fühl, sich auf andere verlassen zu können, ein Gefühl der „Fürsorge“, wird als positiv erlebt (vgl. Kanders et al., 1997, S. 60). Humor ist ein ebenfalls wichtiger Faktor, um ein angenehmes Klima im Unterricht zu erreichen (vgl. Rißland, 2002, S. 22ff). Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit korrelieren ebenfalls mit einem positiven Unterrichtsklima, dieses Konzept zu stärken hat Einfluss auf die Lebenswelt Schule (vgl. Helmke, 2008, S. 127ff). Zu- sammenfassend kann gesagt werden, dass ein als positiv wahrgenomme- nes Lernklima dazu beiträgt, dass sich Menschen in einer Lernsituation si- cherer fühlen und sich dadurch besser entfalten können. Durch dieses bes- sere Entfalten kommt es zu höheren Leistungen im kognitiven, methodi- schen und sozialen Lernen.
Insbesondere Menschen mit einem gering ausgeprägten Selbstkonzept profitieren deutlicher von einer positiven Lernumgebung. Eine positive Lernumgebung macht Menschen nicht klüger, sie hat aber eine katalysie- rende Wirkung auf alle anderen Methoden des Unterrichts (vgl. Meyer, 2004, S. 53).
Weiters hat Hilbert Meyer 2004 folgende Indikatoren entdeckt; er ist davon ausgegangen, dass diese Indikatoren in einer Grundschule anzutreffen sind. Ich bin der Meinung, dass sich auch in der Andragogik1 grundsätzlich dieselben Indikatoren finden lassen. Einzige Ausnahmen entstehen durch eine zurückhaltende Ausdrucksweise der Lernenden aufgrund einer besser kontrollierten Affektivität.
Ein lernförderliches Klima ist gekennzeichnet durch folgende Indikatoren:
- Der Lehrer geht respektvoll mit den Auszubildenden um.
- Menschen werden nicht wegen geringer Leistungen diskriminiert.
- Die Auszubildenden nehmen beim Lernen Rücksicht aufeinander und helfen einander.
- Es gibt kein aggressives Verhalten einzelner Auszubildender gegeneinan- der.
- Es gibt keine Bevorzugungen oder Benachteiligungen einzelner Auszubil- dender.
- Es gibt nur wenig Rivalitäten und Machtkämpfe zwischen den Auszubil- denden.
- Es gibt keine versteckte Diskriminierung von Auszubildenden.
- Es gibt klar definierte Aufgaben innerhalb der Klasse.
- Die Auszubildenden fordern sich gegenseitig, gemeinsam vereinbarte Regeln einzuhalten.
- Humor im Sinne einer positiven witzigen Grundhaltung ist vorhanden.
- Zynismus, Sarkasmus, Spott und Hohn sind nicht vorhanden.
1.4.5 Gruppendynamik
In der Literatur zur Sozialpsychologie wird der Begriff Gruppendynamik viel- fältig verwendet. Die folgenden drei Verwendungen finden sich am häu- figsten:
- Gruppendynamik ist eine Bezeichnung für die Kräfte, welche durch alle Arten psychologisch beschreibbarer Veränderungen hervorgeru- fen werden. Beispiele dafür sind, dass sich Individuen durch Kom- munikation einander annähern, dass ein Angleichen von Haltungen und Meinungen stattfindet oder dass sich Gruppen ihren Zielen nä- hern. Damit fallen die Phänomene der Gruppenbildung, Rollenent- wicklung, Führung, Macht und Beeinflussung unter diese Definition.
- Eine Definition, die vorwiegend in der Sozialpsychologie verwendet wird, beschreibt Gruppendynamik folgendermaßen: Gruppendyna- mik beschreibt die Erforschung der Natur von Gruppen, die Erfor- schung von Prozessen, welche in einer Gruppe ablaufen, die Erfor- schung der Beziehungen innerhalb der Gruppe, zwischen den Grup- penmitgliedern, der Beziehung zu anderen Gruppen und zu überge- ordneten Institutionen. Spezielle Themen der Gruppenforschung sind (vgl. Rechtien, 2007, S. 6):
- Gruppenstrukturen und ihre Veränderungen
- Gruppennormen
- Rollenstrukturen (Führungsrolle, Außenseiterrolle)
- Bedeutung der Kommunikationsstrukturen
- Zusammenhänge zwischen Produktivität der Gruppe und Größe der Gruppe
- Bedeutungen der Interaktionshäufigkeit für die Gruppe und ihre Merkmale
1.4.6 Die Sonderausbildung Intensivpflege
Die Sonderausbildung Intensivpflege ist eine hoch spezialisierte Ausbil- dung, in welcher die Kompetenzen vermittelt werden, um kritisch kranke Menschen, welche sich in einem oft lebensbedrohlichen Zustand, der durch den Ausfall von einer oder mehrerer Organfunktionen gekennzeichnet ist, befinden, fachlich kompetent zu pflegen. Die Sonderausbildung besteht aus zwei Teilen. In jedem dieser Teile müssen die Teilnehmerinnen und Teil- nehmer mindestens 240 Stunden Theorie und 360 Stunden Praktikum absolvieren (vgl. Weiss-Fassbinder, 1998, Nr. 452/2005, Teil II).
Gesetzliche Grundlagen
Das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) (vgl. Weiss- Fassbinder, 1998, § 17, Abs. 2, Z. 2) definiert die Tätigkeit in der Intensiv- pflege als Spezialaufgabe. Für diese Spezialaufgabe sieht der Verord- nungsgeber die Absolvierung einer Sonderausbildung vor (vgl. Weiss- Fassbinder, 1998, § 17, Abs. 7). Diese Spezialaufgaben dürfen berufsmä- ßig bereits vor Absolvierung der entsprechenden Sonderausbildung ausge- übt werden. Die entsprechende Sonderausbildung muss aber innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit absolviert werden (vgl. Weiss- Fassbinder, 1998, § 17, Abs. 7).
1.4.7 Neurobiologie
„ Wir sollten wissen, dass vom Gehirn, und nur vom Gehirn, alle unsere Freuden und Vergnügen kommen, das Lachen und die Gestik, das Weinen und der Schmerz, der Kummer und die Tränen. “ (Hippokrates, 1897)
Unter dem Begriff „Neurobiologie“ beziehungsweise „Hirnforschung“ wird die Untersuchung des Baues, der Funktion und der Entwicklung von Ner- venzellen und deren Relation mit der Umwelt verstanden (vgl. E. Reich, 2005, S. 28). In dieser Arbeit wird auch ein kleiner Einblick in die Neuro- endokrinologie geboten und unter dem Begriff Neurobiologie zusammen- gefasst.
2 Die Gruppe und ihre Dynamik
Der erste Teil der vorliegenden Arbeit soll sich der Gruppe und ihrer „Grup- pendynamik“ widmen, um ein eindeutiges Verständnis für den Begriff „Gruppe“ zu entwickeln. Um eine Abgrenzung zu verwandten oder ähnli- chen Begriffen vorzunehmen, werden diese Begriffe im Folgenden geklärt. Der folgende Teil Gruppendynamik befasst sich darüber hinaus mit dem Entstehen einer Gruppe und der Lebenswelt des Menschen in einer Gruppe an sich. Meiner Meinung nach ein essentieller Teil, um die Prozesse und Situationen zu verstehen, welche sich in Lerngruppen, wie die der SAB Intensivpflege, ereignen.
2.1 Grundlegendes zur Gruppendynamik
2.1.1 Geschichte und relevante Akteure
Die moderne Gruppendynamik geht auf Kurt Lewin und Jakob Levi Moreno zurück.
Kurt Tsadek Lewin wurde am 9. 9. 1890 in Mogilno, der damaligen west- preußischen Provinz Posen, geboren und war ein deutscher Psychologe. Er gilt als einer der einflussreichsten Pioniere der Psychologie und ist ei- ner der Gründer experimenteller Sozialpsychologie. Lewins Schwerpunkt nach seiner Emigration aus Deutschland in die USA waren die Auswirkun- gen unterschiedlicher Führungsstile auf die Gruppenatmosphäre (vgl. Rechtien, 2007, S. 7).
Auf die Initiative von Kurt Lewin hin wurde am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ein Forschungszentrum für Gruppenarbeit gegründet. Das 1945 gegründete „Research Center for Group Dynamics“ war das erste Zentrum seiner Art, das sich mit Aktionsforschung in einem sozialen Kontext beschäftigte.
Auch war Lewin der Entdecker der Wirkung von Feedback, welches aus den sogenannten T-Gruppen entwickelt wurde.
Diese sogenannten T-Gruppen2 gingen aus einem Seminar in New Britain, dem sogenannten Connecticut Seminar, hervor. Dieses Seminar hatte die Aufgabe, die Beziehungen innerhalb von Gemeinden zu verbessern. Im Besonderen ging es um den Kampf gegen Vorurteile und Diskriminierung von Minderheiten.
Bei diesem Seminar kam es zu einem bedeutsamen Ereignis. Dieses Ereignis wird hier in der originalen Beschreibung eines der Anwesenden wiedergegeben.
Bei diesem Connecticut Seminar kamen Teilnehmer (welche als Hinter- grund oft einen Lehrberuf hatten) und Sozialarbeiter zusammen und erar- beiteten in Kleingruppen die Probleme, welche sie bei ihrer Arbeit in den Gemeinden hatten. Die Kleingruppen wurden von einem Beobachter be- gleitet. Diese Beobachter trafen sich am Abend, um den zurückliegenden Tag zu besprechen. Durch die ungeplante Teilnahme von Seminarteil- nehmern an einer solchen Besprechung wurde das „Feedback“ entdeckt (vgl. Rechtien, 2007, S. 21).
Hier die Beschreibung der Szene:
„ And on this particular night, three oft the trainees, three school teachers, who hadn ’ t gone home that evening, stuck their had in the door and asked it the could come in, sit and observe and listen, and Kurt (Lewin) was ra- ther embarrassed, and we all were expecting him to say no, but he didn ’ t, he said: „ Yes, sure, come on in and sit down. “ And we went right ahead as though they weren ’ t there, and pretty soon one of them was mentioned and her behaviour was described and discussed, and the trainer and the researcher had somewhat different observations, perception of what had happened, and she became very agitated and said that wasn ’ t the way it happened at all, and she gave her perception.
And Lewin got quite excited about this additional data and put it on the board to theorize it, and later on in the evening the same thing happened in relation to one of the other two. She had a different perception of what was beeing discribed as an event in that group she was in. So Lewin was quite excited about the additional data, and the three at the end of the evening asked if the could come back again the next night, and Lewin was quite positive that they could; we had more doubts about it. And the next night the whole fifty where there and were every night, and so it became the most significant training event of the day as this feed back and review of process of events that had gone on during the work sessions of the day. And as Ken Benne, Lee Bradford, and I discussed this, actually it was at a hamburger joint after one of theses evenings, we felt the evidence was so clear that the level of our observations of the phenomena about of these sessions were a major basis for reorganizations of perceptions attitude change and of linking up to some degree attitudes and values with inten- tions and behavior “ (Lippit in: (Back, 1987, S. 8)) .
Dieses Ereignis beschreibt die Entstehung des „Feedback“, welches für die Arbeit in und mit Gruppen eine wichtige Funktion innehat. Kurt Lewin war der sozialpsychologische Vater der Gruppendynamik.
Jakob Levi Moreno wurde am 18. Mai 1889 in Bukarest geboren und war ein österreichisch-amerikanischer Arzt, Soziologe, Psychologe und Be- gründer des Psychodramas. Moreno gilt als der Begründer der Gruppen- psychotherapie. Nach Moreno richtet sich die Aktivität und Intervention des Therapeuten nach den Interaktionen der Teilnehmer. Moreno setzt auf ein egalitäres Verhältnis der am Gruppenprozess betei- ligten Personen. Als eine der ersten durchgeführten Veranstaltungen in dieser Art gelten die Gesprächsgruppen mit Wiener Prostituierten 1913. Ebenfalls wurden (Anm. des Verfassers: in Richtung Psychodrama) die ersten Versuche mit dem therapeutischen Theater um 1920 in Wien durchgeführt.
Die von Moreno entwickelten Verfahren der Interventionssoziometrie (Rol- lenspiele, Rollentausch usw.) wurden von den Mitarbeitern Lewins erlernt und bei den T-Gruppen-Trainings immer wieder eingesetzt. Jakob Moreno war der Vater des therapeutischen Anteils der Gruppen- dynamik.
2.2 Dynamiken innerhalb der Gruppe
Das Geschehen in Gruppen und besonders das Verhalten von Gruppen- mitgliedern kann nur verstanden werden, wenn nicht nur die Eigenarten, Fähigkeiten, Vorlieben und Ziele der einzelnen Menschen in der Gruppe betrachtet werden. Darüber hinaus ist es notwendig, auch das System der Beziehungen und Beziehungsstrukturen, Normen, Werte - also die Rollen- und Kommunikationsbeziehungen - zu betrachten und zu verstehen. Die zeitliche Entwicklung dieser Strukturen, deren Einfluss auf die Leistungs- fähigkeit der Gruppe und wie sich die Gruppenmitglieder in der Gruppe füh- len, wird im Folgenden betrachtet. Ebenfalls werden die Auswirkungen auf die Leitung einer solchen Gruppe im folgenden Teil besprochen.
2.2.1 Der Mensch in der Gruppe
Menschen bringen unterschiedliche Biografien mit in die Gruppe, sind un- terschiedlich sozialisiert. Fritz Riemann, ein Tiefenpsychologe, entwickelte die These, dass jeder Mensch unter individuellen Ängsten leidet, es aber auch Ängste gibt, welche verallgemeinerbar sind. Ursache dieser Ängste ist das Faktum, dass menschliches Leben und dessen Gestaltung vier Grund- anforderungen entspricht. Diese Grundanforderungen können als zwei mal zwei Paare mit polaren Gegensätzen gesehen werden, welche miteinander in Beziehung stehen. Das Verständnis dieser Persönlichkeitsstrukturen ist für das Verständnis von Handlungen einzelner Gruppenteilnehmer sowie bei Intervention und Unterstützungen sowohl im normalen Unterrichts- prozess als auch in Krisensituationen sehr hilfreich3. Da durch ein differen- ziertes Ansprechen der Teilnehmenden eine stressärmere Atmosphäre geschaffen werden kann (vgl. Langmaack & Braune-Krickau, 2010, S. 163).
Die vier Grundforderungen:
- Distanz und Selbstbewahrung - Nähe und Geborgenheit
- Ordnung und Bewahrung - Wandel und Veränderung
Riemann nimmt an, dass diese vier Bewegungen unbewussten Triebkräften und latenten Forderungen entsprechen, welche sich als Ängste manifestieren. Diese vier Ängste bezeichnet er folgendermaßen:
- Selbsthingabe - als Abhängigkeit und Selbstverlust erlebt
- Selbstwerdung - als Isolierung und keine Geborgenheit erlebt
- Wandlung - als Vergänglichkeit und Unsicherheit empfunden
- Notwendigkeit - als Endgültigkeit und Unfreiheit erlebt
Aus diesen vier Grundformen lassen sich vier Persönlichkeitsstrukturen ableiten. Grundsätzlich besitzen alle Menschen alle der folgenden Anteile in unterschiedlicher Ausprägung. Je nachdem, welche Seiten besondere Betonung erfahren, kommt es zur Ausbildung unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen. Der „idealtypische“ Mensch befindet sich genau in der Mitte, dies bedeutet: er besitzt gleich viele depressive, schizoide, zwanghafte und hysterische Anteile (vgl. Riemann, 2009, S. 12ff).
Diesen Menschen gibt es nicht.
Persönlichkeitsstrukturen nach Riemann:
1. Der distanzierte Typ (Der Schizoide)
Der distanzierte Typ strebt vor allem Distanz und Autonomie an. Ein befrie- digendes Leben erfährt dieser, wenn er mit seinen Gedanken und Gefühlen ganz um sich selbst kreist. Dieser Mensch verbreitet eine gewisse Distanz, welche es anderen schwer macht, ihm näherzukommen. Er führt ein relativ intensives Eigendasein, möchte über längere Strecken seinen Weg gehen, was ihm auch gut gelingt. Der Wunsch, mit anderen verbunden zu sein, ist trotzdem vorhanden, hat aber nicht immer Priorität. Beziehungen aufzu- bauen und zu halten gelingt ihm am besten über Sachinhalte, über welche er sich mit anderen trifft, über diese kann er dann auch seine Zurückhaltung aufgeben und Gefühle zeigen. Der distanzierte Mensch ist ein kritischer und scharfer Beobachter. Seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit geht ihm über alles. Zu viel Nähe stellt für ihn eine Bedrohung dar, er kann mit Angst und Abwehr reagieren. Er kann dabei verletzend werden und „um sich schlagen“, besonders wenn er mit einem Zuviel an Nähe bedroht wird. Das Leben in einer Gruppe kostet dem Distanzierten viel Kraft. Seine Orientie- rung in der Gruppe gelingt ihm am besten über interessante Sachthemen, mit denen er zunächst nur ein Bündnis mit „nur ich und das Thema“ ein- gehen kann, dies gibt ihm Sicherheit. Während des Gruppengeschehens erlebt man ihn häufig sehr außenorientiert. Dies äußert sich darin, dass er keine Pausen mag, sich zurückzieht, viel Kontakt über Telefon hält und am Ende sehr schnell die Gruppe verlässt. Als Schutz vor allzu verbindlicher Nähe nutzt er auch gerne die Gelegenheit, persönliche Inhalte in Sachinhal- te zu übersetzen, bedrängt man ihn zu sehr auf der emotionalen Ebene, so droht er von Eigensinnigkeit in Verbohrtheit überzuwechseln und damit aus der Gruppe herauszufallen. Ein konstantes Kontaktangebot auf der sach- lichen Ebene, welches ihm die Möglichkeit gibt, Distanz zu wahren, macht ihn offen für eine sehr konstruktive Mitarbeit (vgl. Riemann, 2009; Langmaack & Braune-Krickau, 2010, S. 159ff).
2. Der Nähe suchende Typ (Depressive)
Dieser Mensch ist im weitesten als Gruppenmensch zu bezeichnen. Die zugrunde liegende Angst ist die Angst vor der Selbstwerdung, welche als Ungeborgenheit und Isolation erlebt wird. Die Trennung von einer sozialen Umwelt. Er bildet den Gegenpol zum Distanzierten und kommt als herzli- cher und offener Mensch entgegen. Er geht vertrauensvoll auf die Angebote der Leitungsperson ein, Zugehörigkeit und gute Beziehungen sind oberstes Ziel. Er hat Probleme beim „Nein“-Sagen und Ablehnen, die Gruppenatmo- sphäre ist ihm sehr wichtig. Dieser Mensch übernimmt gerne Aufgaben für die Gruppe, selbst unter widrigsten Umständen, nur um ihrem Wunsch nach Nähe und Dazugehörigkeit zu entsprechen. Ein Problem entsteht, wenn diese Menschen das Gefühl haben, für ihre Hingabe zu wenig Gegenlei- stung in Form von Nähe und Zugehörigkeit zu erhalten, dann steigt ihre in- nere Anspannung. Ab einem gewissen Zeitpunkt muss sich dieser Mensch „Luft“ machen und seine Anspannung nach außen ableiten. Für Dritte völlig unerwartet und ohne Anlass baut dann dieser Mensch in Form von Aggres- sion seine Anspannung ab. Eine Flut von Beschwerden und großen Erwar- tungen oder depressives bzw. resignatives Verhalten sind die Konsequenz. Dem depressiven Typ fällt das Abschiednehmen sehr schwer, Aufgabe der Leitung ist es, dieses auf lange Sicht vorzubereiten. Die Leitungsperson sollte versuchen, dass diese Teilnehmer nicht aufopfernd oder resignativ werden, sondern einmal den Weg zur Autonomie ausprobieren. In Krisen- situationen ist es besonders bei diesem Typ Mensch wichtig, Vertrauens- personen zu identifizieren und diesem Menschen zur Seite zu stellen (vgl. Riemann, 2009; Langmaack & Braune-Krickau, 2010, S. 160ff).
3. Der ordnend-bewahrende Typ (Zwanghafte)
Der ordnende Typ wirkt oft sachlich und nüchtern, er will von Beginn an wissen, wie der Ablauf sein wird, worauf er sich einlässt und was er selbst dazu beitragen soll. Affekte und emotionale Impulse sind schwierig für ihn. Ein fundiertes Wissen und ein gutes Gedächtnis für Tatsachen herrschen meist vor. Der ordnende Typ ist kontraktfähig und verlässlich, Vereinbarun- gen will er unbedingt einhalten. Spontane Ideen und risikoreiche Verände- rungen stehen seinen Wünschen nach Dauer und Abwägbarkeit, vor allem aber der Überschaubarkeit entgegen. Aus diesem Grund werden diese Ty- pen von anderen Gruppenteilnehmern, welche länger probieren möchten oder welche schneller bereit sind Veränderungen umzusetzen, oft als „Bremser“ erlebt. Die Suche nach Eigenständigkeit und Freiraum ist ähn- lich stark ausgeprägt wie beim Distanzierten. Für den Zwanghaften ist es darüber hinaus besonders wichtig, dass sein Vorschlag ausgewählt wird. In Bezug auf die Gruppe liegt die Fähigkeit dieses Typs planend und ordnend einzugreifen und den Überblick zu bewahren, dort wo die Arbeit am Thema von Emotionen überdeckt wird. Der ordnende Typ weicht Auseinanderset- zungen nicht aus, er erlebt Bestätigung, wenn er verantwortlich mitarbeiten kann. Für die Leitung von Gruppen ist es wichtig zu wissen, dass Verände- rungen für diesen Typ Mensch immer einsichtig sein und in kleinen Schrit- ten angeboten werden müssen. Übersicht über die Planung und Wahl der Mittel schaffen hier Beruhigung. Manchmal braucht dieser Typ den Anstoß, um vor lauter Planung die Umsetzung nicht zu vergessen oder verspätet damit zu beginnen. Wenn ein Teilnehmer schon zu Beginn einer Veranstal- tung vermehrt Fragen in Bezug auf den Ablauf und die Struktur stellt, ist es oft ein Mensch dieses Typs. Im Sinne einer Angstminderung ist es sinnvoll, diese Menschen ausreichend früh mit Informationen zu versorgen (vgl. Riemann, 2009; Langmaack & Braune-Krickau, 2010, S. 161ff).
[...]
1 Unter Andragogik wird die Wissenschaft der Erwachsenenbildung verstanden (vgl. Müller, (2010), S. 61
2 Trainings-Gruppen (Anm. des Autors)
3 siehe Kapitel 3.1.7 zum Thema Interventionen in dieser Arbeit
- Arbeit zitieren
- Markus Dallinger (Autor:in), 2011, Lernen in der Gruppe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272925
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