Wahlkämpfe gewinnen für deutsche Parteien, u.a. aufgrund der anwachsenden Volatilität der Wählerschaft, zunehmend an Bedeutung. Nicht nur die Geldbeträge in Millionenhöhe, welche die Parteien für Werbekampagnen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeben, sondern auch der verstärkte Einsatz von externen Beratern, PR- und Werbeagenturen sowie demoskopischen Instituten für die Wahlkampfführung sprechen dafür. Durch diese und andere Maßnahmen soll aus Sicht der Parteien, das vorrangige Wahlkampfziel, die Maximierung der Wählerstimmen, auf effektive Weise erreicht werden. Dabei stellt sich die Frage, wie der Wähler durch die Wahlkampfkommunikation der Parteien überzeugt werden soll. Oder anders ausgedrückt: Wie wird persuasive Kommunikation im Wahlkampf eingesetzt? Die vorliegende Arbeit wird dieser Fragestellung nachgehen, um Erkenntnisse im Bezug auf den Einsatz, die Wirkung und die Funktionsweise von Wahlwerbung zu gewinnen. Dabei soll sich die Arbeit mit der Beschaffenheit von Wahlwerbemitteln sowie mit den damit zusammenhängenden Intentionen der Kommunikatoren, im Bezug auf Einstellungsänderungen bei der Wählerschaft, auseinandersetzen. Darüber hinaus soll die Effektivität von Werbemitteln, die im Rahmen von Werbekampagnen eingesetzt werden, theoriegeleitet bestimmt werden. Dazu werden die Wahlwerbemittel aus den CDU-Werbekampagnen 2005 und 2009 untersucht.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische Teil soll Grundlagen zu den Themen persuasive Kommunikation und Wahlkampf vermitteln. Dabei wird u.a. eines der bedeutendsten Modelle für die Erklärung von Einstellungsänderungen, das Elaboration Likelihood Model (kurz: ELM) von Richard E. Petty und John T. Cacioppo, ausführlich vorgestellt. Dieses Modell ist für die vorliegende Arbeit von zentraler Bedeutung und dient als Grundlage für den empirischen Teil der Arbeit, weil das Modell erklärt, wie persuasive Kommunikation Einstellungsänderungen bewirken kann und welche Merkmale, Bedingungen und Prozesse dabei von Bedeutung sind. Im empirischen Teil der Arbeit soll schließlich die Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse durch eine Inhaltsanalyse von ausgewählten Werbemitteln der CDU-Werbekampagnen aus den Jahren 2005 und 2009 erfolgen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Persuasive Kommunikation
2. Das Elaboration Likelihood Model.
2.1 Grundlegende Konzepte und Prozesse des ELM
2.2 Die zentrale und periphere Route der Informationsverarbeitung
2.3 Das ELM in der persuasiven Situation
2.4 Kritik und Einsatzmöglichkeiten des ELM
2.5 Fazit zum ELM
3. Wahlen und Wahlkämpfe
3.1 Wahlen und Wähler.
3.2 Wahlkämpfe, Wahlkampfführung und Wahlkampfkommunikation.
3.3 Die Werbekampagne
4. Persuasive Kommunikation im Wahlkampf
4.1 Elaborationswahrscheinlichkeit der Wählerschaft.
4.2 Beschaffenheit der Botschaft
4.3 Kurz- und langfristige Einstellungsänderungen.
4.4 Effektive Werbekampagnen.
5. Empirischer Teil.
5.1 Untersuchungsgegenstand und Vorgehensweise
5.2 Inhaltsanalyse.
5.2.1 Die Auswahleinheit der Inhaltsanalyse
5.2.2 Analyse-, Codier- und Kontexteinheiten der Inhaltsanalyse
5.2.3 Das Kategoriensystem der Inhaltsanalyse.
5.3 Auswertung der Ergebnisse.
5.3.1 Gütekriterien der Inhaltsanalyse.
5.3.2 Auswertungsergebnisse der Werbekampagne 2005
5.3.3 Werbekampagne 2009
Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Faktoren und Merkmale pcrsuasivcr Kommunikation
Tabelle 2: Ergebnisse der Inhaltsanalyse 2005
Tabelle 3: Ergebnisse der Inhaltsanalyse 2009
Einleitung
Wahlkämpfe gewinnen für deutsche Parteien, u.a. aufgrund der anwachsenden Volatilität der Wählerschaft, zunehmend an Bedeutung. Nicht nur die Geldbeträge in Millionenhöhe, welche die Parteien für Werbekampagnen im Rahmen des Wahlkampfs ausgeben, sondern auch der verstärkte Einsatz von externen Beratern, PR- und Werbeagenturen sowie demoskopischen Instituten für die Wahlkampfführung sprechen dafür. Durch diese und andere Maßnahmen soll aus Sicht der Parteien, das vorrangige Wahlkampfziel, die Maximierung der Wählerstimmen, auf effektive Weise erreicht werden. Dabei stellt sich die Frage, wie der Wähler durch die Wahlkampfkommunikation der Parteien überzeugt werden soll. Oder anders ausgedrückt: Wie wird persuasive Kommunikation im Wahlkampf eingesetzt? Die vorliegende Arbeit wird dieser Fragestellung nachgehen, um Erkenntnisse im Bezug auf den Einsatz, die Wirkung und die Funktionsweise von Wahlwerbung zu gewinnen. Dabei soll sich die Arbeit mit der Beschaffenheit von Wahlwerbemitteln sowie mit den damit zusammenhängenden Intentionen der Kommunikatoren, im Bezug auf Einstellungsänderungen bei der Wählerschaft, auseinandersetzen. Darüber hinaus soll die Effektivität von Werbemitteln, die im Rahmen von Werbekampagnen eingesetzt werden, theoriegeleitet bestimmt werden. Dazu werden die Wahlwerbemittel aus den CDU-Werbekampagnen 2005 und 2009 untersucht. Diese Materialien wurden aus zweierlei Gründen für die Untersuchung ausgewählt: Die CDU war im Wahlkampf 2005 Oppositionspartei und im Jahre 2009 Regierungspartei. Folglich wurden für die beiden Wahlkämpfe jeweils unterschiedliche Ziele in Form von Machterlangung und Machterhalt verfolgt. Des Weiteren handelt es sich bei der Wahl 2005 um eine vorgezogene Wahl. Deshalb erscheint es naheliegend, dass sich sowohl der vorgezogene Wahltermin als auch die unterschiedlichen Ziele der Kampagnen auf den Einsatz und die Effektivität von persuasiver Kommunikation im Wahlkampf ausgewirkt haben.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Der theoretische Teil soll Grundlagen zu den Themen persuasive Kommunikation und Wahlkampf vermitteln. Die Beschreibung von persuasiver Kommunikation wird aus psychologischer Sicht vorgenommen. Deshalb erfolgt im ersten Kapitel der Arbeit, neben der Definition von persuasiver Kommunikation und Einstellungen, ein kurzer historischer Abriss im Bezug auf psychologische Theorien zum Thema Einstellungsänderungen. Darauf aufbauend wird dann im zweiten Kapitel eines der bedeutendsten Modelle für die Erklärung von Einstellungsänderungen, das Elaboration Likelihood Model (kurz: ELM) von Richard E. Petty und John T. Cacioppo, ausführlich vorgestellt. Dieses Modell ist für die vorliegende Arbeit von zentraler Bedeutung, weil es erklärt, wie persuasive Kommunikation Einstellungsänderungen bewirken kann und welche Merkmale, Bedingungen und Prozesse dabei von Bedeutung sind.
Nachdem die grundlegenden Kenntnisse zum Thema persuasiver Kommunikation vermittelt wurden, wird der zweite theoretische Schwerpunkt der Arbeit, der Wahlkampf, im dritten Kapitel erläutert. Da Wahlkämpfe aufgrund von Wahlen geführt werden, erfolgen zunächst Erläuterungen zu Wahlen, Wählern und Wahlverhalten. Anschließend werden dann die Themen Wahlkampf, Wahlkampfführung und Wahlkampfkommunikation behandelt. Dabei wird die Werbekampagne, die im Fokus dieser Arbeit liegt, im Wahlkampf verortet und ihre Funktion wird aus Sicht der Parteien bestimmt. Darauf aufbauend werden die Werbekampagne und die mit ihr zusammenhängenden Wahlwerbemittel genauer betrachtet, um eine Auswahl derjenigen Werbemittel vorzunehmen, die stellvertretend für die Werbekampagnen im späteren Verlauf der Arbeit untersucht werden sollen. Der theoretische Teil der Arbeit wird durch das vierte Kapitel abgeschlossen. In diesem Kapitel werden die Erkenntnisse zu den Themen persuasive Kommunikation und Wahlkampf zusammengeführt, um Hypothesen für den empirischen Teil zu generieren. Im fünften Kapitel, dem empirischen Teil der Arbeit, soll die Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse durch eine Inhaltsanalyse von ausgewählten Werbemitteln der CDU-Werbekampagnen aus den Jahren 2005 und 2009 erfolgen. Dazu werden zunächst einige grundsätzliche Überlegungen im Bezug auf die Werbemittel, die als Untersuchungsgegenstände ausgewählt wurden, angestellt. Anschließend wird die Methode der Inhaltsanalyse sowie die, in dieser Arbeit verwendeten, Einheiten und das Kategoriensystem der Inhaltsanalyse beschrieben. Woraufhin die Untersuchungsergebnisse dar- sowie gegenübergestellt werden. Abschließend werden im Fazit die gesammelten Erkenntnisse zusammengefasst und es kommt zur Beantwortung der zentralen Fragestellung der Arbeit.
In der vorliegenden Arbeit wird persuasive Kommunikation aus psychologischer Perspektive betrachtet. Deshalb soll persuasive Kommunikation hier definiert werden als „Kommunikation, die darauf abzielt, beim Empfänger einer Botschaft Einstellungen bzw. Verhaltensweisen gegenüber einem Thema (Einstellungsobjekt) zu formen, zu verstärken oder zu ändern“ (Batinic 2008: 298). Einstellungen sind dabei als Bewertungen von Gegenständen, Themen oder Personen zu verstehen. Sie können in ihrer Richtung, Resistenz, Persistenz und Handlungsrelevanz variieren (Petty/Cacioppo 1986: 4). Persuasive Kommunikation zielt also auf die Erzeugung oder Veränderung von Bewertungen ab, die sich auf Einstellungsobjekte, also Gegenstände, Themen oder Personen, beziehen. Es gibt fünf Faktoren, die zu den typischen Bestandteilen einer persuasiven Situation gehören und den Verlauf persuasiver Kommunikation bestimmen. Zu diesen Faktoren gehören: Rezipient, Quelle, Botschaft, Kanal und Kontext (Petty/Brihol/Priester 2009: 128). In den letzten fünfzig Jahren wurde eine Vielzahl an Theorien und Experimenten zum Thema Einstellungsänderung entwickelt bzw. durchgeführt, diejeweils Bezug auf einen oder mehrere dieser Faktoren und deren Merkmale nehmen (ebd.: 127). In diesem Zusammenhang zu nennen ist der Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung, der 1953 von Carl Hovland und seinen Kollegen entwickelt wurde (Hovland 1953). Anhand der Analyse von Quellen, Botschafts- und Rezipientenmerkmalen wollten die Forscher ermitteln, was persuasive Kommunikation effektiv macht (Aronson/Wilson/Akert 2008: 200ff). In den 1960iger Jahren wurde die Forschung im Bezug auf Einstellungsänderung, die in den 1950iger Jahren von der Yale-Group dominiert wurde, zunehmend von den Theoretikern der Konsistenztheorien, wie z.B. Leon Festinger oder Theodore Newcomb, angetrieben (Petty/Wegener 1998: 3). Im Fokus dieser Untersuchungen stand vor allem der Rezipient, mit seinen Kognitionen und deren Auswirkungen auf Einstellungen und Verhalten (ebd.). Während der 1970iger Jahre nahm die Forschung zum Thema Einstellungsänderung weiter zu, sodass größere Datenmengen und mehr Theorien als je zuvor produziert wurden (ebd.). Mit der zunehmenden Menge an Theorien und Forschungsergebnissen traten jedoch Probleme auf. Die Theorien und Forschungsergebnisse waren zum Teil widersprüchlich (Petty/Cacioppo 1986: 2). In Experimenten wurde ermittelt, dass bspw. die Expertise einer Quelle, welche nach Hovland die Erfolgswahrscheinlichkeiten für persuasive Kommunikation erhöht, nur manchmal wie erwartet wirkt. Es konnte auch gezeigt werden, dass die Expertise keinen oder sogar einen negativen Effekt hat. Aufgrund der bestehenden Widersprüche stellte sich bald heraus, dass wenig Übereinstimmung darüber vorherrschte, wann und wie ein (Faktoren)Merkmal eine Änderung oder Erzeugung von Einstellungen bewirkt (Petty/Cacioppo 1986: 2).
Die vorherrschenden Verwirrungen, gaben Richard Petty und John T. Cacioppo im Jahre 1981 den Anstoß für die Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Einstellungsänderung, die als Elaboration Likelihood Model (kurz: ELM) bezeichnet wird. Dieses Modell wurde mit dem Ziel "to integrate the many seemingly conflicting research findings and theoretical orientations under one conceptual umbrella" (ebd.: 3) entwickelt und ist heutzutage nicht nur in der Psychologie, sondern auch im Bereich der Kommunikationswissenschaften weit verbreitet.
2. Das Elaboration Likelihood Model
In diesem Kapitel soll die grundlegende Funktionsweise des Elaboration Likelihood Model erläutert werden. Dafür erfolgt im Unterkapitel 2.1 zunächst eine Definition und Beschreibung der Konzepte Elaboration, Elaborationskontinuum und Elaborationswahrscheinlichkeit, die für das Verständnis der Funktionsweise des ELM von zentraler Bedeutung sind. Darauf aufbauend, werden im Unterkapitel 2.2 die zwei Wege, auf denen persuasive Kommunikation, eine Einstellungsänderung bewirken kann, die zentrale und periphere Route der Informationsverarbeitung, erläutert. Im Unterkapitel 2.3 wird daraufhin das ELM in der persuasiven Situation beschrieben. Dabei soll erläutert werden, welche Rollen, die oben erwähnten fünf Faktoren Quelle, Rezipient, Botschaft, Kanal und Kontext, und ihre Merkmale im ELM spielen können, wie diese Merkmale wirken und unter welchen Bedingungen diese Wirkungen auftreten. Das darauf folgende Unterkapitel 2.4 setzt sich mit der Kritik am ELM auseinander und gibt anschließend Aufschluss über die Einsatzmöglichkeiten des Modells in verschiedenen wissenschaftlichen und kommerziellen Bereichen. Abschließend erfolgt im Unterkapitel 2.5 eine kurze Zusammenfassung der Erläuterungen und eine Schilderung über den weiteren Einsatz des ELM in dieser Arbeit.
2.1 Grundlegende Konzepte und Prozesse des ELM
Elaboration wird von Petty und Cacioppo definiert als „the process of relating the to-be- evaluated recommandation and arguments in a message to other issue-relevant information in memory“ (Petty/Cacioppo 1986: 14). Elaboration meint also eine Art der Informationsverarbeitung oder eine bestimmte Form des Denkens. Dieses Denken umfasst mehrere Teilschritte und ist durch einen hohen kognitiven Aufwand gekennzeichnet (Petty/Cacioppo/Strathman/Priester 1994: 3). Da Elaboration das Hauptmerkmal der zentralen Route der Informationsverarbeitung ist, werden dessen Teilschritte an anderer Stelle noch ausführlich erläutert.
Grundsätzlich kann Elaboration in Richtung und Ausmaß variieren (Petty/Cacioppo 1986: 18). Die Elaborationsrichtung bezieht sich darauf, ob die Information relativ objektiv oder relativ verzerrt verarbeitet wird. Verzerrt, wenn der Rezipient einer Information voreingenommen gegenübersteht und objektiv, wenn der Rezipient unvoreingenommen ist (ebd.: 18). Das Elaborationsausmaß wiederum beschreibt die kognitiven Aktivitäten beim Rezipienten bzw. die Menge der thematisch relevanten Gedanken, die ein Rezipient bei der Verarbeitung einer Information entwickelt (ebd.: 8). Dieses Ausmaß steht u.a. im Zusammenhang mit der Anzahl an Informationen, die der Rezipient einer Botschaft entnimmt.
Auch wenn der Mensch grundsätzlich danach strebt, korrekte Einstellungen[1] zu haben, so verfügt er nur über beschränkte kognitive Ressourcen und kann deshalb nicht jede Alltagsinformation elaborieren. Vielmehr ist der Mensch dazu gezwungen, seine Ressourcen sparsam und gezielt einzusetzen, d.h. nur die Informationen zu elaborieren, die ihm als wichtig erscheinen. Folglich werden unterschiedliche Themen von verschiedenen Menschen auf unterschiedliche Weise verarbeitet.
Ausgehend von dieser Überlegung haben Petty und Cacioppo das Konzept des Elaborationskontinuums entwickelt (ebd.: 6ff). Dieses Kontinuum hat zwei Pole, die von ,,no thought about the issue-relevant information presented, to complete elaboration of every argument“ reichen (ebd.: 8). Das Elaborationskontinuum macht sowohl eine quantitative als auch eine qualitative Unterscheidung im Bezug auf die Verarbeitung von Informationen (Petty/Wegener 1999: 49). Die quantitative Unterscheidung bezieht sich auf das Ausmaß der gedanklichen Auseinandersetzung mit den thematisch relevanten Informationen einer Botschaft und steht somit im Zusammenhang mit dem Elaborationsausmaß (ebd.: 46). Die qualitative Unterscheidung nimmt hingegen Bezug auf die Art der gedanklichen Auseinandersetzung bzw. auf die Form der Verarbeitung. Das heißt, sie bezieht sich darauf, ob Informationen elaboriert oder weniger aufwendig verarbeitet werden (ebd.: 49).
Die beiden Pole des Elaborationskontinuums stellen die zwei idealtypischen Wege, auf denen persuasive Kommunikation eine Einstellungsänderung bewirken kann, dar (Petty/Cacioppo 1986: 11). Der Pol, bei dem thematisch relevante Informationen durch den Rezipienten vollständig elaboriert werden, wird als zentrale Route bezeichnet. Der andere Pol, bei dem es zu einer unvollständigen oder keiner Elaboration kommt, wird als periphere Route bezeichnet (ebd.). In der Wirklichkeit kommt es jedoch selten vor, dass eine Einstellungsänderung ausschließlich durch die eine oder andere Route erfolgt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es zu Einstellungsänderungen aufgrund von gleichzeitig zentralen und peripheren Verarbeitungsprozessen kommt (Brihol/Petty 2006: 96). Bevor diese beiden Routen ausführlicher beschrieben werden, soll jedoch noch der Begriff der Elaborationswahrscheinlichkeit erläutert werden.
Die Elaborationswahrscheinlichkeit ist definiert als „the probability of message or issuerelevant thought occuring“ (Petty/Cacioppo 1983: 4). Die Elaborationswahrscheinlichkeit determiniert, welche Position ein Rezipient auf dem Elaborationskontinuum einnimmt bzw. auf welcher Route eine Einstellungsänderung höchstwahrscheinlich erfolgt (Petty/Cacioppo/Strathman/Priester 1994: 8). Eine hohe Elaborationswahrscheinlichkeit bezieht sich demnach darauf, dass der Rezipient die zentrale Route „betritt“, während eine niedrige Wahrscheinlichkeit für die periphere Route spricht. Dabei wird die Elaborationswahrscheinlichkeit von zwei Komponenten determiniert: Motivation und Fähigkeit zur Elaboration (Petty/Cacioppo 1986: 8). Diese beiden Komponenten werden wiederum von den oben beschriebenen fünf Faktoren persuasiver Situationen, die später noch ausführlich erläutert werden, beeinflusst (ebd.). Wenn diese Faktoren die Motivation und Fähigkeit zur Elaboration fördern, ist die Elaborationswahrscheinlichkeit hoch. Sollten Motivation und Fähigkeit beeinträchtigt oder nicht vorhanden sein, ist die Elaborationswahrscheinlichkeit niedrig (Petty/Cacioppo 1986: 7). Nachdem nun die grundlegenden Begriffe und Konzepte des ELM erläutert wurden, kann jetzt dazu übergegangen werden, die zwei Wege auf denen persuasive Kommunikation eine Einstellungsänderung bewirken kann, die zentrale und periphere Route der Informationsverarbeitung, genauer zu beschreiben.
2.2 Die zentrale und periphere Route der Informationsverarbeitung
Die zentrale Route wird vom Rezipienten nur dann „betreten“, wenn die Elaborationswahrscheinlichkeit hoch ist (ebd.: 20). Folglich steht am Anfang der zentralen Route immer die Bedingung, dass der Rezipient zur Elaboration motiviert und fähig ist. Sollte dem so sein, kann es anschließend zur vollständigen Elaboration, der thematisch relevanten Informationen kommen, die sich in mehreren Teilschritten vollzieht. In einem ersten Schritt richtet der Rezipient bewusst seine Aufmerksamkeit auf die thematisch relevanten Informationen bzw. Argumente einer Botschaft, die auf ein bestimmtes Einstellungsobjekt abzielen (Petty/Cacioppo/Strathman/Priester 1994: 3). Daraufhin werden Gedächtnisinhalte, die mit dem Einstellungsobjekt in Verbindung stehen, also Inhalte, die ebenfalls thematisch relevant sind, abgerufen und mit den Botschaftsinformationen verglichen, um die Güte oder Qualität der Informationen bzw. Argumente zu beurteilen (ebd.). Anschließend überlegt der Rezipient, welche Konsequenzen sich aus den Informationen ergeben (z.B. für ihn oder andere Menschen usw.). Dabei entstehen neue Ideen und Gedanken, welche im Zusammenhang mit dem Einstellungsobjekt stehen und die vorher weder zu den kognitiven Beständen des Rezipienten noch zu den Inhalten der Botschaft gehörten (ebd.). Die Richtung dieser Gedanken bestimmt dann abschließend, wie der Rezipient die Information und damit das Einstellungsobjekt bewertet. Er kann den Informationen zustimmend (positiv), ablehnend (negativ) oder neutral gegenüberstehen (ebd.). Nachdem die thematisch relevanten Informationen bzw. Argumente durch den Rezipienten vollständig elaboriert wurden, müssen die gewonnen Erkenntnisse noch im Gedächtnis des Rezipienten abgespeichert werden (Petty/Cacioppo 1986: 4). Wenn diese drei Bedingungen: (1). Motivation und Fähigkeit zur Elaboration; (2). Vollständige Elaboration der thematisch relevanten Informationen mit abschließender positiver oder negativer Bewertung; und (3). Speicherung im Gedächtnis, erfüllt wurden, kommt es zur Einstellungsänderung auf der zentralen Route. Einstellungen, die auf dieser Route verändert oder erzeugt werden, zeichnen sich dadurch aus, dass sie besonders resistent, persistent und verhaltensrelevant sind (ebd.: 21). Sollte jedoch eine der Bedingungen nicht erfüllt werden, d.h. keine Motivation oder Fähigkeit zur Elaboration; eine neutrale Bewertung der Information; oder aber keine Speicherung im Gedächtnis, vollzieht sich die weitere Verarbeitung der Information auf der peripheren Route (ebd.: 4).
Bei der peripheren Route werden die, in einer Botschaft enthaltenen, thematisch relevanten Informationen, nicht vollständig oder gar nicht elaboriert (ebd.: 3). Stattdessen erfolgt eine kognitiv weit weniger aufwendige Verarbeitung der Informationen und Bewertung des Einstellungsobjekts.
Diese Verarbeitung kann durch den Einsatz von Heuristiken oder durch positive oder negative Affekte, die mit dem Einstellungsobjekt in Verbindung gebracht werden, gekennzeichnet sein (Petty/Cacioppo 1986: 20). Aufgrund der weniger aufwendigen Verarbeitung sind Einstellungen bzw. Einstellungsänderungen, welche aus der peripheren Route resultieren, wenig stabil, anfällig gegen erneute Beeinflussungsversuche und kaum verhaltensrelevant (ebd.: 21).
2.3 Das ELM in der persuasiven Situation
Wie bereits erwähnt, umfasst eine typische persuasive Situation die fünf Faktoren Quelle, Botschaft, Kanal, Rezipient und Kontext, deren Merkmale den Verlauf persuasiver Kommunikation bestimmen. Neben den Merkmalen, die den jeweiligen Faktoren inhärent sind, gibt es eine Reihe von relationalen nicht beobachtbaren Merkmalen, die sich situativ aus den Beziehungen zwischen Faktoren und deren Merkmalsausprägungen ergeben können.[2] Es bestehen zwischen den Faktoren und dessen Merkmalen in einer persuasiven Situation, in Bezug auf dessen Wirkungen, interdependente Beziehungen (Halff 1998: 179). Die nachfolgende Tabelle beinhaltet die Faktoren und einige exemplarische Merkmale, die Petty und Cacioppo in ihrem zusammenfassenden Theorieentwurf von 1986 erläutern:
Tabelle 1: Faktoren und Merkmale persuasiver Kommunikation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Petty und Cacioppo (1986)
Jedes Merkmal kann im Persuasionsprozess gleichzeitig an verschiedenen Stellen unterschiedliche Rollen spielen (multiple role hypothesis) und deshalb unterschiedliche Wirkungen entfalten (Petty/Cacioppo/Strathman/Priester 1994: 26ff). Ein Merkmal kann erstens, das Ausmaß der Elaboration bestimmen. Zweitens, kann es die Richtung der Elaboration (relativ objektiv oder verzerrt) beeinflussen. Drittens kann dasselbe Merkmal als persuasives Argument wirken. Und viertens kann ein Merkmal auch als peripherer Hinweisreiz verarbeitet werden (ebd.).
Die ersten beiden Rollen zielen vor allem auf die Beeinflussung der Elaborationswahrscheinlichkeitsdeterminanten, also auf Motivation und Fähigkeit zur Elaboration, ab. Dabei gehören Ablenkung und Wiederholung der Botschaft u.a. zu den wichtigsten Merkmalen für die Beeinflussung der Fähigkeit zur objektiven Elaboration (Petty/Cacioppo 1986: 79). Wird der Rezipient z.B. durch eine besonders lautstarke Umgebung, also durch den Rezeptionskontext, abgelenkt, ist seine Fähigkeit zur Elaboration eingeschränkt. In diesem Zusammenhang kann eine Wiederholung der Botschaft, die Fähigkeit zur Elaboration wieder erhöhen. Hier zeigt sich, dass die Modalität einer Botschaft, ebenfalls Einfluss auf die Fähigkeit zur Elaboration nehmen kann (ebd.: 163ff). Liegt die Botschaft z.B. in Form einer Zeitungsanzeige vor, kann der Rezipient die Rezeption weitestgehend selbst bestimmen. Er kann die Botschaft z.B. wiederholt lesen, um sämtliche Informationen zu elaborieren. Diese Möglichkeit hat der Rezipient u.U. nicht, wenn die Botschaft in Form eines Fernseh- oder Radiospots vermittelt wird.
Persönliche Relevanz, Anzahl der Botschaftsquellen und Kognitionsbedürfnis sind hingegen die bedeutendsten Merkmale der Motivation zur objektiven Elaboration (ebd.: 109). Die persönliche Relevanz definiert als "the extent to which an advocacy has 'intrinsic importance' or 'personal meaning" (ebd.: 81), gilt dabei als das wichtigste Merkmal für die Motivation zur Elaboration. Die Anzahl der Botschaftsquellen wiederum beeinflusst die Motivation zur Elaboration dahin gehend, dass der gleichen Information aus verschiedenen Quellen u.U. eine höhere Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit durch den Rezipienten beigemessen wird, was eine Elaboration lohnenswert erscheinen lässt (ebd.:100).
Die Richtung der Elaboration, die relativ objektiv oder relativ verzerrt sein kann, wird vor allem durch die Merkmale Vorwissen und Vorwarnung bestimmt, welche ebenfalls auf Motivation und Fähigkeit zur Elaboration abzielen (ebd.:140). Das Merkmal Vorwissen beeinflusst die Richtung der Elaboration dahin gehend, dass "when people's prior knowledge is skewed in an attitude-consistent direction they tend to cognitively bolster attitude-congruent communications and counterargue opposing ones" (ebd.). Vorwarnungen sorgen hingegen dafür, dass der Rezipient die thematisch relevanten Informationen bzw. Argumente einer Botschaft besonders kritisch überprüft und bspw. während der Elaboration Gegenargumente entwickelt.
Die anderen beiden Rollen, die ein Merkmal in einer persuasiven Situation spielen kann, zielen weniger auf die Beeinflussung der Elaborationswahrscheinlichkeit ab sondern eher auf die Verarbeitungsprozesse, die bei einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit auftreten. Es ist u.a von der Elaborationswahrscheinlichkeit abhängig, ob ein Merkmal durch den Rezipienten als persuasives Argument oder als peripherer Hinweisreiz verarbeitet wird (Petty/Wegener 1998: 48ff). Persuasive Argumente werden im ELM als "bits of information contained in a communication that are relevant to a person's subjective determination of the true merits of an advocated position" verstanden (Petty/Cacioppo 1986: 16). Es müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, damit ein Merkmal vom Rezipienten als Argument verarbeitet wird. Erstens muss die Elaborationswahrscheinlichkeit des Rezipienten hoch sein. Zweitens, muss der Rezipient vom Merkmal annehmen, "[that] it is relevant to the merits of the issue" (Petty/Briñol/Priester 2009: 142). Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, "that the kind of information that is relevant to evaluating the central merits of a product or issue may vary from situation to situation and from person to person" (Petty/Cacioppo 1986: 17). Argumente können in ihrer Qualität variieren, d.h., sie können sehr überzeugend oder weniger überzeugend sein. Ob ein Argument überzeugend oder nicht überzeugend ist, liegt dabei immer im Ermessen des Rezipienten (ebd.: 31 ff). Deshalb ist nicht nur das Argument an sich, sondern auch dessen Qualität als relationales Merkmal zu verstehen. Die (Faktoren)Merkmale können aber auch als periphere Hinweisreize verarbeitet werden, wenn die Elaborationswahrscheinlichkeit niedrig ist. Diese peripheren Hinweisreize "refer to stimuli in the persuasion context that can affect attitudes without necessitating processing of the message arguments" (ebd.:18). So kann ein Merkmal z.B. positive Affekte erzeugen, die dann mit dem Einstellungsobjekt in Verbindung gebracht werden. Oder es aktiviert Heuristiken, die eine kognitiv weniger aufwendige Verarbeitung ermöglichen (ebd.).
Welchen Einfluss die Merkmale, die als Argumente oder periphere Hinweisreize verarbeitet werden können, auf die Einstellungsänderung haben, ist von der Elaborationswahrscheinlichkeit bzw. von der Position, die ein Rezipient auf dem Elaborationskontinuum einnimmt, abhängig (Petty/Wegener 1999: 59). An dieser Stelle wird deutlich, dass die Wirkung eines Merkmals nicht ohne gleichzeitige Berücksichtigung der anderen Faktoren und Merkmale bestimmt werden kann, d.h. "welche Medienvariablen wie wirkungsrelevant werden, entscheidet sich vielmehr erst durch die Relationierung mit dem Rezipienten in der Kommunikationssituation" (Halff 1998: 187). Wenn die Elaborationswahrscheinlichkeit hoch ist, befinden sich die thematisch relevanten Informationen bzw. Argumente und deren Qualität im Fokus des Rezipienten. Der Einfluss dieser Merkmale ist in diesem Fall größer als der Einfluss von peripheren Hinweisreizen auf die Einstellungsänderung. Hingegen nimmt mit sinkender Elaborationswahrscheinlichkeit der Einfluss dieser Merkmale ab, während der Einfluss von peripheren Hinweisreizen auf die Einstellungsänderung zunimmt (tradeoffhypothesis) (Petty/Wegener 1999: 59ff).
2.4 Kritik und Einsatzmöglichkeiten des ELM
Im Folgenden werden zwei Kritikpunkte des ELM, die miteinander zusammenhängen, erläutert: terminologische Unschärfe und empirische Prüfbarkeit. Anschließend werden einige Einsatzmöglichkeiten des ELM vorgestellt.
Grundlegende Konzepte des ELM werden in den gleichen oder verschiedenen Texten auf unterschiedliche Weise definiert oder beschrieben. Dieser Kritikpunkt soll nun an den Begriffen Elaboration und Elaborationskontinuum veranschaulicht werden. Der Begriff Elaboration wird im zusammenfassenden Theorieentwurf von 1986 auf zwei unterschiedliche Weisen definiert. Zuerst heißt es, "[that] elaboration refers to the extent to which a person scrutinizes the issue-relevant arguments contained in the persuasive communication" (Petty/Cacioppo 1986: 7). Diese Definition verweist darauf, dass sich Elaboration auf das Ausmaß der gedanklichen Auseinandersetzung mit den thematisch relevanten Informationen bzw. Argumenten einer persuasiven Kommunikation bezieht. An anderer Stelle heißt es jedoch, "by elaboration we mean the process of relating the to-be-evaluated recommendation and arguments in a message to other issue-relevant information in memory" (Petty/Cacioppo 1986: 14). Diese zweite Definition unterscheidet sich von der Ersten in zweierlei Hinsicht. Einerseits wird Elaboration hier als ein bestimmter Prozess verstanden und nicht als Ausmaß der gedanklichen Auseinandersetzung. Und andererseits werden bei diesem Prozess nicht nur die thematisch relevanten Informationen der Botschaft vom Rezipienten berücksichtigt, sondern auch Informationen aus seinem Gedächtnis, welche über die Botschaftsinhalte hinausgehen (Bongard 2002: 353). Des Weiteren erweist sich das Verständnis des Elaborationsbegriffs, das sich aus der ersten Definition ergibt, des Öfteren als problematisch, weil häufig Aussagen darüber getroffen werden, dass Merkmale "the extent of elaboration" beeinflussen. Nach ersterer Definition würde das heißen, dass bestimmte Merkmale das „Ausmaß des Ausmaßes“ der gedanklichen Auseinandersetzung beeinflussen. Der Verweis auf das Ausmaß der Elaboration in dieser Definition erweist sich deshalb als redundant. Die zweite Definition erweist sich in diesem Zusammenhang als unproblematisch. Außerdem wird die zweite Definition bzw. die damit zusammenhängende Sichtweise auf den Elaborationsbegriff auch in anderen Texten vertreten (Petty/Cacioppo/Strathman/Priester 1994). Deshalb wurde der vorliegenden Arbeit diese Definition des Elaborationsbegriffes zugrunde gelegt.
Auch das Konzept des Elaborationskontinuums wird von den Autoren z.T. unscharf beschrieben. So wird die qualitative Unterscheidung des Kontinuums im Originaltext von 1986 wenn überhaupt nur randläufig besprochen. Dieser Aspekt wurde erst später deutlicher hervorgehoben (Petty 1997). Letztendlich, so scheint es, haben diese und weitere terminologische Unschärfen dazu geführt, dass andere Autoren das Modell missverstanden und fehlerhaft operationalisiert haben. Da der Aspekt der fehlerhaften Operationalisierung mit der empirischen Prüfbarkeit im Zusammenhang steht, soll dieser Kritikpunkt als Nächstes erläutert werden.[3]
Die empirische Prüfbarkeit des ELM hat sich als äußerst schwierig erwiesen (Halff 1998: 219). Dies hat neben den terminologischen Unschärfen innerhalb der Theorie des ELM noch mindestens eine weitere grundlegende Ursache. Und zwar die Operationalisierung relationaler Merkmale bzw. relationaler Wirkungsprozesse. Wie bereits im vorangegangenen Unterkapitel erwähnt, gibt es in einer persuasiven Situation eine Reihe von relationalen nicht beobachtbaren Merkmalen, die sich situativ aus der Relationierung von Faktoren und deren Merkmalsausprägungen ergeben können. Zu diesen relationalen Merkmalen gehört z.B. die Qualität der Argumente. Die Tatsache, dass es vom Rezipienten und seiner subjektiven Wahrnehmung abhängig ist, ob ein Argument überzeugend oder nicht überzeugend ist, macht deutlich, dass es sehr schwierig ist, dieses Merkmal zu operationalisieren (O'Keefe/Jackson 1995). Es konnte noch kein objektives Kriterium für die Qualität eines Arguments bzw. dessen Überzeugungskraft, im Sinne des ELM, ermitteln werden (Petty/Cacioppo 1986: 31). Auch Petty und Cacioppo weisen in ihrem zusammenfassenden Theorieentwurf darauf hin, "[that] little is known about what makes a particular argument (or message) persuasive in isolation" (ebd.).
Da es sich generell als äußerst schwierig erweist, relationale Merkmale mit traditionellen empirischen Methoden zu erfassen, waren Petty und Cacioppo gezwungen, die Komplexität der Theorie des ELM für die Praxis zu reduzieren (Halff 1998: 223 u. 232). Durch diese Vereinfachung konnte das Modell empirisch bestätigt werden (ebd.: 224). In der empirischen Version des ELM gibt es keine relationalen Merkmale (ebd.: 220). Jedes Merkmal wird einem bestimmten Faktor zugeordnet. So ist z.B. die Qualität der Argumente ein Merkmal der Botschaft.[4] Auch die Rolle, welche ein Merkmal im Persuasionsprozess spielt, z.B. ein Bild als Argument oder peripherer Hinweisreiz, wird häufig vorab bestimmt (Halff 1998: 223). Gregor Halff beschreibt diese Vereinfachungen wie folgt: "Von einer Interdependenz werden die Wirkungskomponenten auf eine Sequenz zusammengestrichen: Ausgangspunkt sind Medienmerkmale, die auf den Rezipienten wirken, dabei jedoch von dessen intervenierenden Variablen [oder Merkmalen] modifiziert werden" (ebd.: 220). Die zentralen Medienmerkmale wirken bei hoher Elaborationswahrscheinlichkeit und die peripheren Medienmerkmale wirken bei niedriger Elaborationswahrscheinlichkeit (ebd.: 223 u. 225). Des Weiteren werden in der empirischen Version des ELM lediglich die beiden Pole des Elaborationskontinuums berücksichtigt (ebd.: 227). Somit erfolgen Einstellungsänderungen entweder auf der zentralen oder der peripheren Route.
Trotz der Kritik am ELM wird das Modell in den verschiedensten Bereichen, wie der politischen Psychologie oder der Werbekommunikation, auf unterschiedliche Weise eingesetzt. In der politischen Psychologie wird das ELM z.B. für die Bestimmung der Wirkung von TV-Duellen im Wahlkampf auf die Einstellungen von politisch interessierten und desinteressierten Rezipienten eingesetzt (Reinemann/Maurer 2010). Auch die Auswirkungen ganzer politischer Kampagnen auf die Informationsverarbeitung der Rezipienten werden mit Hilfe des ELM in Experimenten untersucht (Kriesi 2012). Im Bereich der Werbekommunikation wird das ELM z.B. als Konzeptionshilfe für Botschaften oder Kampagnen genutzt (Yeomans 2006; Wilson 2007). Auch dient es dazu, die Effektivität eben dieser zu bestimmen (Frew/Macias/Chan/Harding 2009).
In einem Artikel von 2006 erstellen Richard E. Petty und Derek D. Rucker, anhand der Untersuchung der Kommunikation von Gesundheitsrisiken, einen Leitfaden dafür, wie persuasive Kommunikation bzw. persuasive Botschaften effektiv gestalten werden können (Rucker/Petty 2006: 40). Dieser Leitfaden besteht aus sechs Einzelschritten, von denen die ersten vier Schritte auf theoretischen Überlegungen basieren und die letzten zwei Schritte experimentell vollzogen werden.
Im ersten Schritt wird eine Annahme über die Elaborationswahrscheinlichkeit der Rezipienten in der persuasiven Situation getroffen (ebd.: 40). Zweitens, haben die Entwickler die Aufgabe "to consider what information will be conveyed in the message and whether this information will be processed as strong arguments, powerful peripheral cues, or both" (ebd.: 41). Darauf aufbauend müssen die Entwickler festlegen, ob die Botschaft eine kurzfristige oder nachhaltige Einstellungsänderung begünstigen soll (ebd.: 42). Im vierten Schritt wird dann die Übereinstimmung zwischen der angenommenen Elaborationswahrscheinlichkeit der Rezipienten, dem Entwurf der Botschaft und der damit zusammenhängenden angestrebten Einstellungsänderung theoretisch überprüft. Dafür ist es wichtig "to consider whether the elaboration level of the audience (low, high) matches the level of elaboration at which the message is designed to be effective (low, high)" (ebd.: 43). Der fünfte Schritt beinhaltet dann, mit Hilfe von Probanden, eine experimentelle Bestimmung der Effektivität der Botschaft. Dafür werden den Teilnehmern neben der entwickelten Botschaft z.B. auch alternative Botschaften vorgelegt (ebd.: 44). Anhand der Angaben, welche die Teilnehmer im Bezug auf ihre Gedanken gegenüber dem Einstellungsobjekt, die im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Botschaften auftraten, machen, wird dann in einem sechsten Schritt bestimmt, ob die Botschaft effektiv bzw. überzeugend war oder nicht (ebd.: 45). Sollte die, von den Entwicklern, intendierte Einstellungsänderung eintreten, kann die Botschaft veröffentlicht werden. Entsprechen die Ergebnisse nicht den Erwartungen, müssen die Ursachen dafür, z.B. anhand der Teilnehmerangaben, ermittelt und beseitigt werden (ebd.).
[...]
[1] Korrekte Einstellungen sind hier zu verstehen als Einstellungen, die sich im Alltag als nützlich erweisen, weil sie zu vorteilhaften Entschlüssen oder Entscheidungen führen. Das Streben der Menschen nach korrekten Einstellungen gehört zu den Grundannahmen des ELM (Petty/Cacioppo 1986: 6).
[2] Einige Autoren gehen davon aus, dass "weder die Rezipienten- noch die Medienmerkmale ontologisch zu verstehen [sind], vielmehr werden siejeweils erst durch die Relationierung zwischen Rezipient und Medium konstituiert" (Halff 1998: 180). Nach dieser Sichtweise gäbe es keine Merkmale, die den jeweiligen Faktoren inhärent sind. Petty und Cacioppo machenjedoch deutlich, dass auch die Persönlichkeitsdispositionen des Rezipienten, wie z.B. sein Kognitionsbedürfnis, Einfluss auf die Elaboration nehmen (Petty/Cacioppo 1986: 101). Folglich erkennen die beiden Autoren nicht nur an, dass es Merkmale gibt, die den Faktoren inhärent sind, sondern auch, dass diese Merkmale Einfluss auf die Wirkung persuasiver Kommunikation nehmen. Deshalb erfolgt in dieser Arbeit eine Unterscheidung zwischen relationalen und faktoreninhärenten Merkmalen.
[3] Diese Missverständnisse werden u.a. in folgenden Arbeiten thematisiert: (Petty/Kasmer/Haugtvedt/Cacioppo 1987) und(Petty/Wegener 1999).
[4] Petty und Cacioppo haben bspw. für Experimente die Qualität von Argumenten vorab von Unbeteiligten beurteilen lassen, d.h. sie wendeten keine eigene Argumentanalyse an sondern nutzten empirische Daten (Petty/Cacioppo 1986: 32).
- Citar trabajo
- Andreas Filko (Autor), 2012, Persuasive Kommunikation im Wahlkampf, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272525
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