In unserer von gesellschaftlichem Wandel geprägten Gegenwart, die sich mehr denn je veränderten Familien-, Lebens- und Informationsstrukturen sowie der Konstituierung einer breiten Bildungsteilhabe gegenübersieht, nimmt eine gut gelingende Kooperationen von Schulsozialarbeit und Schule eine wichtige und nachhaltige Funktion ein. In der vorliegenden Arbeit wird nach den Möglichkeiten und Grenzen einer gelingenden Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule gefragt.
Auf einer theoretischen Grundlagen und anhand eines am Kasseler Wilhelmsgymnasium durchgeführten Experteninterviews konnten Parameter für und wider eine gelingende Zusammenarbeit eruiert werden. Mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring wurde das Interview ausgewertet. Daraus ist hervorgegangen, dass sich die Parameter insbesondere in der strukturellen Offenheit beider Professionen und insbesondere seitens der Schule konstatieren lassen. Auch der persönliche Nutzen muss für alle Beteiligten transparent sein.
Es muss in Betracht gezogen werden, ob eine gelingende Zusammenführung der Professionen einer interprofessionellen Unterstützung bedarf, da Versuche von Kooperationen häufig
ergebnislos bleiben und auf eine Trennung der Kooperationspartner hinauslaufen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Exposition
1.2 Motivation
1.3 Struktur der Arbeit
2 Grundlagen
2.1 Zum Begriff der Schulsozialarbeit
Diskussion: Theorie und Praxis
2.3 Warum Schulsozialarbeit?
2.3.1 Alltagspraktische Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit
Exkurs: Professionalisierung mit Offenheit - ein Oxymoron?
2.3.2 Theoretische Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit
2.4 Schlüsselaspekte der Schulsozialarbeit
2.4.1 Aufgaben und Zuständigkeiten
2.4.3 Kooperation
2.5 Zusammenfassung
3 Methode
3.1 Vorbereitung
3.2 Qualitatives Design
3.2.1 Erhebungsmethode - Experteninterview
3.2.2 Interviewpartner
3.2.3 Durchführung des Interviews
3.3 Methodisches Vorgehen
3.3.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
3.3.2 Kategoriensystem
4 Ergebnisse
4.1 Darstellung der Ergebnisse
4.2 Interpretation der Ergebnisse
4.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
5 Diskussion und Ausblick
Literaturverzeichnis
Erklärung
Anhang
A Paraphrasierung
B Tabelle (Zusammenfassung)
C Explikation zum Interviewprotokoll D Frageleitfaden
E Legende
F Transkription
Thema der Bachelorarbeit
Möglichkeiten & Grenzen der Schulsozialarbeit - eine empirische Untersuchung anhand eines Experteninterviews am Wilhelmsgymnasium in Kassel
Zusammenfassung
In unserer von gesellschaftlichem Wandel geprägten Gegenwart, die sich mehr denn je veränderten Familien-, Lebens- und Informationsstrukturen sowie der Konstituierung einer breiten Bildungsteilhabe gegenübersieht, nimmt eine gut gelingende Kooperationen von Schulsozialarbeit und Schule eine wichtige und nachhaltige Funktion ein. In der vorliegenden Arbeit wird nach den Möglichkeiten und Grenzen einer gelingenden Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule gefragt.
Auf einer theoretischen Grundlagen und anhand eines am Kasseler Wilhelmsgymnasium durchgeführten Experteninterviews konnten Parameter für und wider eine gelingende Zusammenarbeit eruiert werden. Mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring wurde das Interview ausgewertet. Daraus ist hervorgegangen, dass sich die Parameter insbesondere in der strukturellen Offenheit beider Professionen und insbesondere seitens der Schule konstatieren lassen. Auch der persönliche Nutzen muss für alle Beteiligten transparent sein. Es muss in Betracht gezogen werden, ob eine gelingende Zusammenführung der Professionen einer interprofessionellen Unterstützung bedarf, da Versuche von Kooperationen häufig ergebnislos bleiben und auf eine Trennung der Kooperationspartner hinauslaufen.
Schlüsselwörter
Schulsozialarbeit · Schule · Transparenz · Begründungsmuster · Kooperation · Profil · Rolle · Möglichkeiten · Grenzen · Offenheit · Unterstützung
Kapitel 1 Einleitung
Eine Lehrkraft berichtet über ihre Erfahrungen aus zwei Jahren Schulsozialarbeit: „Es bringt mir keine Entlastung, kein Zeitersparnis, keine Arbeitserleichterung - ich bin enttäuscht!“ (Schmidtchen 2005:340). Eine andere Lehrkraft kommentiert Erfahrenes derart: „Mir geht also ganz wirklich dieses Gesamtkonzept ab, [gram. Änderung, YY] [...] es gibt nicht diese Zusammenarbeit Schule und Schulsozialarbeit“ (ebd.:349).
Diese und ähnliche aversiv konnotierten Aussagen von Lehrkräften zeigen beispielhaft das geradezu paradoxe Verhältnis zweier vermeintlich interagierenden Professionen, die Jugendliche a priori zur Mündigkeit sowie zur aktiven, kreativen und problemlösenden Bewältigung ihrer momentanen und zukünftigen Lebenswelt befähigen wollen. Es sind Erfahrungsberichte wie diese, die einen besonderen Anlass geben nach den expliziten Gründen zu fragen, die auch heute noch eine auffällige Dissonanz in dem „Gesamtkonzept“ von Schulsozialarbeit und Schule manifest werden lassen. In unserer von gesellschaftlichem Wandel geprägten Gegenwart, die sich mehr denn je veränderten Familien-, Lebens- und Informationsstrukturen sowie der Konstituierung einer breiten Bildungsteilhabe gegenübersieht, nimmt eine gut gelingende Kooperationen von Schulsozialarbeit und Schule eine wichtige und nachhaltige Funktion ein.
Nach dieser ersten Annäherung an das behandelte Forschungsthema Möglichkeiten und Grenzen der Schulsozialarbeit, möchte ich in einem Kurvenflug - ähnlich dem eines Bumerangs - die Kernpunkte meiner Untersuchung einkreisen und damit die nicht behandelten Aspekte von diesen abgrenzen. Daher wende ich den Blick zunächst vom oben beschriebenen Szenario ab und richte ihn auf den Bereich der darstellenden Kunst, namentlich der szenischen Darstellung, um schließlich - wie auch ein Bumerang zu seinem Abwurfpunkt zurückkehrt - mit fokussiertem Blick die inhaltliche Struktur der Arbeit und ihre Zielsetzung darzulegen.
Obwohl nicht gleich ersichtlich, besteht zwischen Schulsozialarbeit und der szenischen Darstellung eine ungeahnte Affinität. Diese hat mich dazu inspiriert, dass weit zerstreute Wesen der heutigen Schulsozialarbeit alternativ einzufangen. Bereits mithilfe einiger im Drama installierten Elemente lassen sich - im übertragenen Sinn - essenzielle Schlüsselthemen des schulsozialarbeiterischen Wirkungskreises illustrieren, die auch in zahlreichen Debatten und in üppig publizierter Fachliteratur kontrovers diskutiert werden.
1.1 Exposition
Der folgende Abschnitt orientiert sich an den Inhalten der obligatorischen Einführung eines jeden Dramas. Diese informiert das Publikum im Vorfeld über Protagonisten, Verhältnisse und Zustände und führt es an den zentralen Konflikt des jeweiligen Theaterstücks heran. Die perspektivische Transparenz, die dem Publikum an dieser Stelle vermittelt wird, lässt sich auf erste Schlüsselprobleme der Schulsozialarbeit übertragen. Der generelle Wunsch nach mehr Transparenz hinsichtlich des fachlichen Profils, der Berufsrolle, dem Zusammenwirken der Berufsgruppen oder auch einer Umkehr willkürlich praktizierter Schulsozialarbeit in konzeptionelle Wohlstruktur, ist weit gestreut und repräsentiert auch heute noch Brisanz und Aktualität. „Konzepte der Schulsozialarbeit sollten [sowohl intern als auch extern, Ergänzung, YY] spiegeln, welche Begründungsschwerpunkte die Protagonisten setzen“ (Thimm 2010:85; dazu auch Pauli 2006:127). In diesem Zusammenhang ist besonders die interne Kooperation zwischen SozialarbeiterInnen und LehrerInnen als ein meist problematischer Komplex hervorzuheben (Speck 2009:97 ff.).
Dieser defizitäre Zustand wirkt dem obigen Anspruch von Thimm entgegen. Mögliche Gründe dafür sind darin zu sehen, „dass sich ... die unterschiedlichen Rollen in der Praxis kaum trennen lassen [gram. Änderung, YY], [weil, Ergänzung, YY] ein schneller Rollenwechsel und die kontinuierliche (Neu-)Definition der eigenen Rolle gegenüber den Jugendlichen und den LehrerInnen den Alltag der Schulsozialarbeit prägt [gram. Änderung, YY]“ (Baier zitiert nach Thimm 2010:85f.). Auch die Schülerparteilichkeit der SchulsozialarbeiterInnen und ihr Bestreben nach Autonomie als eigenständige Profession wird als Erzeuger mangelnder Transparenz ausgewiesen. Aber gerade die geforderte „Professionalität definiert vor allem Zuständigkeiten und Nicht-Zuständigkeiten“ (Thiersch 2002:194). Auch Thimm (2010:86) spricht davon Arbeitsteilungen auszuhandeln und konkretisiert dies durch den Erwerb einer motivierten und befähigten Zusammenarbeit, dem Finden und dem gemeinsamen Gestalten thematischer Schnittmengen sowie der gegenseitigen strukturellen Bezugnahme, als Inhalte des „Kooperationslernens“. Obschon die von Thiersch und Thimm genannten Parameter dem Prozess der Professionalisierung zuzuordnen und durchaus intelligibel sind, bleibt umso mehr zu hinterfragen, worin die Möglichkeiten und Grenzen einer dynamisch-produktiven Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und Schule bestehen. Was sind die expliziten Gründe, die eine Saturation von Zuständigkeiten und Nicht-Zuständigkeiten in der Praxis ermöglichen bzw. verhindern?
Mit einer weiteren Orientierung an der szenischen Darstellung soll sich dem Problemhintergrund von Schulsozialarbeit und Schule aus einer anderen Perspektive genähert werden. Eine für das Drama typische durchgehende Haupthandlung, in der alle Ereignisse auf ein bestimmtes Ziel hinführen, miteinander verknüpft sind und auf die Lösung des zentralen Konflikts durch den Helden absehen, bekommt das Publikum auf der „Bühne“ von Schulsozialarbeit und Schule in der Form nicht zu sehen. Eine mit dem Drama vergleichbare einsträngige Handlung, die dialogisch artikuliert wird - im Sinne bilateraler Strukturen und konstruktiver Dialoge - entwickelt sich in der Praxis nur mühsam. Kilb und Peter (2009:14) verweisen darauf, dass „[...] plötzlich zusammengehören [soll, gram. Änderung, YY], was seit über einem Jahrhundert teilweise bewusst voneinander getrennt worden war und was sich dementsprechend in ganz unterschiedlichen Institutionen von Schule, Kindertagesstätten, Jugendarbeit und Jugendhilfe und vielleicht sogar Straffälligenhilfe jeweils relativ autonom entwickeln konnte.“ Mit diesem Fingerzeig wird sowohl die tiefverwurzelte Entwicklungslinie als auch die damit einhergehenden Dissenslinie zwischen Schulsozialarbeit und Schule deutlich (Speck 2009:100).
Vor diesem Problemhintergrund, in dem verschiedene Faktoren in der Praxis von Schulsozialarbeit und Schule zusammenfließen, sind es insbesondere der Mangel an Transparenz hinsichtlich der Aufgabenteilung, des fachlichen Profils, der Berufsrolle, sowie die Kooperationsdefizite, auf die sich der Fokus der Arbeit richtet. Im folgenden Abschnitt soll die vorliegende Arbeit in der aktuellen Forschungslandschaft zur Auseinandersetzung mit Schulsozialarbeit und Schule verortet und ihre Zielsetzung durch Kernthese und Leitfrage expliziert werden.
1.2 Motivation
Angeregt von alarmierenden Erfahrungsberichten, wie sie zu Beginn der Arbeit gezeigt wurden, versucht die vorliegende Untersuchung Einsicht in die aktuelle Vor-Ort-Praxis zu bekommen. Es wird betrachtet, inwieweit Möglichkeiten und Grenzen bezüglich der Transparenz von Begründungsschwerpunkten, Aufgabenteilung, fachlichem Profil und Berufsrolle sowie Kooperation ausgelotet werden können. Die Motivation besteht vor allem darin die anfangs geschilderte Dissens zwischen Schulsozialarbeit und Schule und den augenscheinlich schwer realisierbaren Ansprüchen einer wirksamen Zusammenarbeit zu explorieren und mögliche Erklärungs- sowie Lösungsansätze zu erkennen. Aus dem unter 1.1 erstellten Problemhorizont geht die folgende Kernthese hervor:
Die an die Kooperation von Schulsozialarbeit und Schule gerichteten Ansprüche entsprechen nicht ihren Möglichkeiten und Grenzen.
Davon ausgehend, dass das aktuelle Konstrukt von Schulsozialarbeit und Schule nicht ausreichend in seinem gesamten System erfasst wird, erscheint auch ein allseitiger Lösungsansatz für bestehende Probleme zwischen Theorie und Praxis nur schwer zugänglich. Intensives Interesse der vorliegenden Untersuchung besteht daher in der Frage, inwieweit sich in der Praxis Parameter für und wider eine transparente und ganzheitlich funktionierende Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule eruieren lassen. Die daraus resultierende Leitfrage dieser Untersuchung lautet:
Welche Möglichkeiten und Grenzen bestehen in der Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule?
Anhand eines Experteninterviews soll ermittelt werden, welche Parameter für und wider eine gelingende Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule und den damit verbundenen Schwierigkeiten eruiert werden können und ferner in welcher Reichweite diese allgemeingültige Aussagen zulassen. Die Auswertungsmethode für das erhobene Datenmaterial ist die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring. Wichtige Indikatoren, die aus der Struktur der Leitfrage nicht hervorgehen und auch nicht mit der Struktur der empirischen Daten übereinstimmen, sollen durch einen möglichst offenen Erhebungs- und Auswertungsprozess in der Untersuchung berücksichtigt werden.
Der generelle Bedarf an zukünftigen Studien, konkreten Einsichten in vorhandenes Expertenwissen und dem Reflektieren dieser Ergebnisse in die Theorieentwicklung, ist aufgrund des konträren Verhältnisses von Theorie und Praxis evident. „Olk (2005) und Speck (2007) verweisen unisono darauf hin, dass Schulsozialarbeit hinsichtlich ihres inhaltlichen Profils, ihrer fachlichen Standards und der anzulegenden Qualitätsmaßstäbe dringend weiter Ausarbeitung bedarf“ (Kilb & Peter 2009:114). Diese Untersuchung stellt einen Ergänzungsbeitrag dar, der im Kontext weiterer Studien zu sehen ist, die sich ebenfalls mit dem hier behandelten Thema auseinandersetzen. Die in diesem Forschungsbereich an erster Stelle zu nennenden Autoren Olk (2000), Drilling (2001), Bönsch (2004), Schmidtchen (2005) und Baier (2007) haben ebenfalls im Rahmen quantitativer und qualitativer Studien Gründe und Lösungsansätze von Problemen in der Praxis von Schulsozialarbeit und Schule untersucht. Ihre Ergebnisse sowie Abhandlungen von Speck (2009), Pauli (2006), Thimm (2010), Kilb & Peter (2009) und weitere einschlägige Fachliteratur, die sich aus Aktualität und Relevanz für den gewählten Forschungsgegenstand zusammensetzt, wurden bei der Anfertigung dieser Arbeit herangezogen.
Da das Forschungsinteresse primär auf die Erfassung aktueller Zustände zugunsten einer möglichen Weiterentwicklung abzielt, werden die historischen Wurzeln von Schulsozialarbeit und Schule nicht umfassend aufbereitet. Diesbezüglich liegt ausführliche Fachliteratur vor und eine Betrachtung dessen ist für den gewählten Forschungskontext nicht zentral. Eine Begriffserklärung zur Schulsozialarbeit wird lediglich umrissen. Ziele der Schulsozialarbeit werden nur dann thematisiert, insofern sie Erwähnung innerhalb der Begründungsschwerpunkte von Schulsozialarbeit finden. Konzepte von und Studien zur Schulsozialarbeit im internationalen Raum werden nicht für einen Vergleich hinzugezogen. Gesetzliche Bedingungen werden nicht näher erläutert.
1.3 Struktur der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil.
Die unter 1.2 erwähnten Begründungsschwerpunkte werden in Kapitel 2 erneut aufgegriffen und als theoretische Grundlage für den empirischen Teil aufbereitet. Unter 2.1 erfolgt eine kurze Skizzierung des Begriffs der Schulsozialarbeit. Daran anknüpfend wird eine Definition von Schulsozialarbeit vorgestellt (2.2). Unter 2.3 werden die Begründungsmuster der Schulsozialarbeit aufgefächert. Im nächsten Schritt (2.4) werden erarbeitete Schlüsselaspekte in einer Übersicht dargestellt. Kapitel 2 schließt mit einer kurzen Zusammenfassung (2.5) ab.
Für eine möglichst nachvollziehbare Darstellung der Untersuchung, wird in Kapitel 3 die Vorbereitungsphase (3.1), das qualitative Design (3.2) und das methodische Vorgehen (3.3) aufbereitet.
Daran anschließend wird in Kapitel 4 versucht einen interpretativen Rahmen um die gewonnen Daten zu ziehen. Die in der Praxis bestehenden Möglichkeiten und Grenzen in der Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule werden herausgearbeitet und unter Berücksichtigung der in Kapitel 2 aufbereiteten theoretischen Grundlagen erklärt.
Aufgrund der empirischen Ergebnisse sollen in Kapitel 5 Annahmen über die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule diskutiert werden.
Kapitel 2 Grundlagen
Ziel dieses Kapitels ist es, die theoretischen Grundlagen zu erarbeiten, auf denen die Schulsozialarbeit in ihrer aktuellen Erscheinungsform erfasst werden kann.
Ein Problemverständnis der gegenwärtigen Begründungsmuster sowie ihrer Einbindung in das System Schule und die damit einhergehenden Berührungspunkte mit Zuständigkeiten und Schnittmengen, Kooperationsformen, fachlichem Profil und Berufsrollen ist für den anschließenden empirischen Teil erforderlich. Wie bereits unter 1.2 erwähnt, soll zunächst der Begriff Schulsozialarbeit und seine Herkunft kurz skizziert werden. Daran anschließend folgt eine aktuelle Definition zur Schulsozialarbeit.
2.1 Zum Begriff der Schulsozialarbeit
Speck (2009:9) weist darauf hin, dass es bereits Vorgänger der Schulsozialarbeit in Deutschland gegeben hat, insbesondere seit Maas und Abel hat sie sich jedoch „[...] als ein Arbeitsfeld an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Schule [gram. Änderung, YY]“ etabliert. Der Begriff Schulsozialarbeit geht auf Maas zurück, der 1966 die Bezeichnung ,School Social Work‘ aus dem Amerikanischen in Deutschland einführt, woraus Abel im Jahr 1971 die Bezeichnung Schulsozialarbeit verfestigt hat (ebd.:27). Heute ist das verwendete Begriffsspektrum von Schulsozialarbeit sehr viel größer und stark fluktuierend (ebd.:28). Es überlagern sich Bezeichnungen wie schulbezogene Jugendsozialarbeit, Jugendsozialarbeit an der Schule, sozialpädagogisches Handeln an der Schule, schulalltagsorientierte Sozialpädagogik, schulbezogene Jugendhilfe, Schul Soziale Arbeit oder Schul-Soziale Arbeit (ebd.:27). Diese Vielfalt lässt sich im Kontext verschiedener Autoren und ihrem jeweiligen Studienkontext sowie in Abhängigkeit zu politischen und gesetzlichen Rahmungen erklären. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass sich ein gewisser Mangel an Transparenz in der Wahrnehmung von Schulsozialarbeit dieser Vielfalt beimessen lässt (ebd.:28). Dennoch lässt sich die Bezeichnung Schulsozialarbeit als die meist gebrauchte in Diskussionen und Fachpublikationen bestimmen (ebd.:27; Thimm 2010:82). Die Jugendhilfe per se verankert diese Bezeichnung in ihrem Profil, befürchtet allerdings durch die darin liegende Geneigtheit zur Schule, dass die Schulseite und ihr System die schulsozialarbeiterischen Leistungen primär für sich beanspruchen und somit großen Einfluss auf Form, Abläufe und Inhalte der Schulsozialarbeit nimmt (Thimm 2010:82).
In der Fachliteratur existieren mehrere Definitionen zur Schulsozialarbeit, die jeweils auf verschiedene Autoren zurückgehen. Dabei lassen sich Ähnlichkeiten und Abweichungen feststellen. In einigen Definitionen wird der Schwerpunkt eher auf die Seite der Schulsozialarbeit gelegt, andere definieren ihn intermediär, und wieder andere nuancieren einen an schulischen Interessen ausgerichteten Schwerpunkt. Damit einhergehend differenzieren sie sich in Arbeits- und Begründungsschwerpunkten und der Intensität hinsichtlich der Einflussnahme von Schulsozialarbeit auf das Schulsystem. Die Betonung einer dauerhaften und bindenden Kooperation von Schulsozialarbeit und Schule lässt sich jedoch als übereinstimmender Grundton erkennen. Für diese Arbeit wurde eine aktuelle Definition von Drilling gewählt. Sie wurde 2001 von Drilling veröffentlicht und steht unverändert in einer aktualisierten Auflage. Definition nach Drilling (2009:95):
„Schulsozialarbeit ist ein eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe, das mit der Schule in formalisierter und institutionalisierter Form kooperiert. Schulsozialarbeit setzt sich zum Ziel, Kinder und Jugendliche im Prozess des Erwachsenwerdens zu begleiten, sie bei einer für sie befriedigenden Lebensbewältigung zu unterstützen und ihre Kompetenzen zur Lösung von persönlichen und/oder sozialen Problemen zu fördern. Dazu adaptiert Schulsozialarbeit Methoden und Grundsätze der SozialenArbeit auf das System Schule.“
Diskussion: Theorie und Praxis
Retrospektiv spiegelt sich in dieser Definition gewissermaßen die einleitende Prämisse des Autors (1.1) zweier vermeintlich interagierenden Professionen wider. Drillings Definition wirft jedoch die Frage auf, wie eine Definition und ihre immanenten Ansprüche über einen Zeitraum von fast einer Dekade unverändert bestehen kann, wenn die Protagonisten beider Professionen im selben Zeitraum offensichtlich schwerwiegende Defizite in der Praxis von Schulsozialarbeit und Schule signalisieren. Auch die parallel stattfindende Evaluation von Qualität, Konzepten und Rahmenbedingungen bewirkt offensichtlich - gemessen an der immerwährenden Diskussion um die Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule - keine genugtuende Assimilation von Theorie und Praxis. Versteht man Drillings Definition im Sinne einer zukunftsweisenden Zielvorstellung, im Sinne einer kreativen Vision, vermag sich ihre Immunität rechtfertigen lassen. Gleichwohl wirft sie große Zweifel auf, ob ihre hoch gesteckten Ziele aus einer Vision vielmehr eine retardierende Illusion werden lassen, die sich in Resignation, Unwille, Missverständnis und Konkurrenzgedanken (Thimm 2010:85) abzeichnet.
Der pamphletistische Unterton hinsichtlich schulsozialarbeiterischer Definitionen richtet sich an dieser Stelle nicht ausschließlich an Drilling. Er beruht vielmehr auf der Annahme, dass Definitionen, die sich lediglich entlang, nicht aber aus dem Professionalisierungsprozess von Schulsozialarbeit und dem Zusammenwachsen mit der Schule heraus generieren, sich gleichsam gegen eine positive Entwicklung stellen und eine Praxis hervorbringen, die weniger prozessförderlich ist, denn - scharf ausgedrückt - eine demoralisierende Wirkung auf die Protagonisten beider Seiten ausübt. Im Hinblick auf die gegenseitige Bezugnahme von Theorie und Praxis muss auch an dieser Stelle nach den Möglichkeiten und Grenzen gefragt werden, denen eine defizitäre Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule subsumiert werden kann. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die Schulsozialarbeit auch gute Arbeit leistet - insofern günstige Rahmenbedingungen dies zulassen - und damit wesentliche Impulse für die Schule und ihr Umfeld entfalten kann (Kilb & Peter 2009:114). Da positive Berichte zur Kooperation von Schulsozialarbeit und Schule noch immer nicht die Regel, sondern eher hervorstechende Ausnahmen sind, da vielmehr der Eklat, als der konsensbedingten Fortschrittsgedanke die (Fach-)Öffentlichkeit erreicht und zur Evaluation mobilisiert, bleibt auch weiterhin das kritische Hinterfragen das impulsgebende Moment dieser Untersuchung.
An diese Überlegung schließt eine weitere Betrachtung der Schulsozialarbeit an. Aufbauend auf den unter 1.1 geschilderten Problemhintergrund von Schulsozialarbeit und Schule sollen im Folgenden zunächst die Begründungsschwerpunkte der Schulsozialarbeit zugrundegelegt werden.
2.3 Warum Schulsozialarbeit?
Warum Schulsozialarbeit an Schulen eingesetzt werden soll und wodurch sich ihr Einsatz begründet, lässt sich - zumindest holzschnittartig - anhand der komplexen Veränderungsprozesse in Familie, Gesellschaft, Berufswelt und den komplexer werdenden Sozialisations-, Erziehungs- und Lernprozessen in der Schule selbst beantworten. Jedoch hat der Einsatz von Schulsozialarbeit vielschichtige und weitreichende Begründungen. Speck (2009:39) unterscheidet dabei grundsätzlich in „alltagspraktische“ und „theoretische Begründungsmuster“, die für sich genommen weiter ausdifferenziert werden können. Eine Betrachtung beider Begründungsmuster wird in den folgenden Abschnitten durchgeführt.
2.3.1 Alltagspraktische Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit
Der Erziehungsanspruch an das deutsche Schulwesen erfährt eine stetige Zunahme. Eine tradierte Sozialisation innerhalb des familiären Umfelds, in dem sich die Vermittlung von Sozialkompetenzen wie Empathie, Respekt, Eigenverantwortung oder auch Konfliktfähigkeit vollzieht, wird mehr und mehr als Auftrag von Schulen formuliert. Dieser Trend schlug und schlägt sich in den Inhalten von Curricula und Lehrplänen deutlich nieder. Im Zuge der Etablierung von Bildungsstandards wird heute vor allem der Blickwinkel weg von einer Input- Orientierung hin zur Output-Orientierung umgelenkt (Feltes & Paysen 2005:83 ff.). Lehrpläne sollen demnach weniger von festen Inhalten und Gegenständen im Unterricht, als vielmehr durch die Förderung von Kompetenzen (Kenntnisse, Einstellungen, Fähigkeiten, Fertigkeiten) getragen werden (ebd.:9).
Auch die von Elternschaft und Gesellschaft erhobenen Erziehungserwartungen werden mit voller Überzeugung postuliert und die Leistungen der Lehrkräfte mit Selbstverständnis im nationalen sowie internationalen Vergleich ermessen (Struck & Würtl 2007:12f.). Nicht zuletzt trägt die Operationalisierung durch Vergleichsstudien wie IGLU, TIMSS, PISA und DESI dazu bei, die Leistung der Schulen und LehrerInnen zu evaluieren, sondern auch erheblich in Frage zu stellen und vielfach auch zu kompromittieren. Gerade der Lehrerberuf kämpft mit dem Oktroyat ein „lockerer leichter Job für „Doofe, Faule und Kranke“ [gram. Änderung, YY]“ zu sein (van den Berg 2005:103f.). Um den enormen Ansprüchen, dem Erziehungsauftrag neben den fachlichen Aufgaben, gerecht zu werden, arbeiten Lehrkräfte häufig unter Druck, drastischer gesagt, über ihrem Leistungslimit. Die Bedeutung dessen spiegelt sich auch in zahlreichen Publikationen der letzten Jahre bis heute wieder. „Wenn Lehrer nicht mehr leben wollen“, „Das Anti-Burnout-Buch für Lehrer“, „Stress und Arbeitsunzufriedenheit bei Lehrerinnen und Lehrern. Zwischen ‘‘Horrorjob‘‘ und Erfüllung“ und ähnliche indiskrete Titel vergegenwärtigen den offensichtlichen Bedarf.
Aufgrund vermehrtem abweichendem Verhalten von SchülerInnen können Lehrpersonen den oben genannten Ansprüchen häufig nur hinterhereilen. Instabile Familienstrukturen lassen es zu Phänomenen wie dem „Montags-Syndrom“ oder dem „Neun-Uhr-Fünf-Effekt“ (Struck & Würtl 2007:26,69) kommen, was sich in Übermüdung bzw. Hyperaktivität der SchülerInnen äußert und einen „gesunden“ Unterrichtsalltag immens verkompliziert.
Im Abbau von Verhaltensauffälligkeiten und schülerdeviantem Verhalten besteht laut Speck (2009: 40) ein erstes von zwei alltagspraktischen Begründungsmustern, definiert durch schülerbezogene Zielvorstellungen wie Verringerung von Gewalt und Mobbing, Reduzierung von Schulverweigerung und Schulbummelei, die Verbesserung von Lern- und Sozialverhalten, Abbau von Schwierigkeiten beim Übergang von der Schule in die Ausbildung. Die Begründung liegt darin, dass die zeitlichen Kapazitäten der Schule nicht ausreichen, sich den zunehmend auffälligen und abweichenden SchülerInnen anzunehmen (ebd.:41). Daher wird diese Aufgabe in den Wirkungsbereich der Schulsozialarbeit übertragen. In diesem Begründungsmuster bestehen allerdings auch Faktoren, die den Einsatz von Schulsozialarbeit und ihre Wirksamkeit negativ beeinträchtigen können. Peripherie hinsichtlich politischer Handlungslegitimation, langfristiger Absicherung einer konzeptionellen Begründung, marginalen Position von Kooperation und einer Förderung dessen, ungewollter Stigmatisierung von Schülerinnen im schulischen Umfeld, und auch eine strukturelle Überforderung der Schulsozialarbeit durch die Fülle von gesellschaftlichen Problemen (ebd.:40), zeigen eine Reihe von Erfolgsvariablen.
Das zweite alltagspraktische Begründungsmuster legitimiert sich durch die Absicherung von Freizeitangeboten und Nachmittagsbetreuung, z. B. im Rahmen von Ganztagsangeboten (ebd.:40), für die die Schule eine Unterstützung durch die Schulsozialarbeit benötigt. Auch darin sieht sich die Schulsozialarbeit gewissen Risiken hinsichtlich der Umsetzung gegenüber. Zwar richtet sich mit dieser Unterstützung ein klarer Auftrag an die Schulsozialarbeit, der auch einen großen Handlungsspielraum impliziert. Jedoch obliegt diesem auch ein gewisser Misskredit, indem sich der Handlungsspielraum in eine „Lückenbüßerfunktion“ (Speck 2009:40) im außerschulischen Bereich umkehrt, oder auch Potenziale und Kompetenzen der Schulsozialarbeit keine adäquate strukturelle Berücksichtigung finden.
Exkurs: Professionalisierung mit Offenheit - ein Oxymoron?
Bevor mit einer Darlegung der theoretischen Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit fortgefahren wird, sollen in einem Exkurs mögliche Erkenntnisprozesse innerhalb der Organisationsentwicklung beschrieben werden, die an dieser Stelle in einen engen Kontext zum Entwicklungsprozess von Schulsozialarbeit und Schule gebracht werden.
Speck (2009:41) betont hinsichtlich der theoretischen Begründungsmuster, dass im Rahmen von „Veröffentlichungen und Berichten Begründungen für Schulsozialarbeit geliefert und detailliert auf eine stärkere gegenseitige Öffnung von Jugendhilfe und Schule hingewiesen [wird, gram. Änderung, YY], darüber hinausgehende theoretische Auseinandersetzungen und vor allem Systematisierungen sind jedoch eher selten.“ Die oben vielfach kritisierte mangelnde Transparenz in der Praxis von Schulsozialarbeit und Schule lässt theoretische Auseinandersetzungen und Systematisierungen der gegenseitigen Öffnung - und der Offenheit gegenüber der jeweils anderen Profession (ebd.:98) - plausibel und notwendig erscheinen. Eine schulinterne Öffnung des Unterrichts und seinen didaktischen sowie mathetischen Methoden vollzieht sich seit der reformpädagogischen Bewegung um 1900 und durchlebt seitdem schwankendes, doch aber wachsendes Interesse, und heute eine breite Adaption in bestehende schulorganisatorische Profile und Philosophien. Eine nach außen gerichtete Öffnung scheint sowohl die Schulsozialarbeit als auch die Schule vor größere Hürden zu stellen. Die unter 1.1 angesprochene Prozesshaftigkeit und die Inkenntnisnahme des oftmals divergenten Werdegangs von Schulsozialarbeit und Schule, verlangt heute mehr denn je Aufgeschlossenheit und das in Frage stellen der eigenen Annahmen der jeweiligen Professionen. In einem Beitrag von Senge (2010:10) wird gewissermaßen ein „blinder Fleck“ beschrieben, der schon aufgrund hierarchischer Systeme innerhalb einer Organisation unvermeidbar zu sein scheint. Senge verweist auf das häufig vorhandene Mehrwissen derjenigen Menschen, die in einer Organisation „an der Front“ arbeiten und „sich tatsächlich mit den Kunden beschäftigen oder die Waren herstellen [...]“; ein Wissen, „[...] das Führungskräfte weiter oben in der Hierarchie nicht besitzen [...], [gram. Änderung, YY] aber niemand befragt sie [die Menschen an der Front, Anmerkung, YY]“ (ebd.:10).
Wissentlich, dass es sich bei diesem Beispiel um einen wirtschaftlichen Kontext handelt, fasst der Autor der Arbeit diesen Bezug dahingehend als stark kohärent auf, als das auch SchulsozialarbeiterInnen und LehrerInnen mit ihren Fronterfahrungen oft viel Wissen besitzen, welches nicht produktiv und über die hierarchischen und professionseigenen Strukturen hinausgehend kommuniziert wird; auch Assoziationen von Zeitknappheit, nicht vorhandener Verständigungsplattformen und fehlendem Interessenbewusstsein liegen nahe. In diesem Kontext macht Senge auf die Offenheit innerhalb einer Institution per se aufmerksam. Für Senge bedeutet „Offenheit immer mehr [...] als nur eine Offenheit des Geistes [...]“, die immer auch „offene Herzen“ voraussetzt und von Menschen ausgeht, „[...] die bereit sind, eine emotionale Verwundbarkeit zu erfahren, wenn sie merken, dass sie falsch liegen und die auch bereit sind, von Personen, die ganz anders als sie selbst sind, zu lernen“ (Senge 2010:10).
An diesem Punkt wähnt sich die Schulsozialarbeit in einem Spannungsfeld. Als „Gast in einem fremden Haus“, wie auch Baier (2007:13) die Neupositionierung der Schulsozialarbeit in der Schule tituliert, sieht sich die Schulsozialarbeit sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen gegenüber. Einerseits geht sie dem Versuch nach, sich als eigenständige Profession in der Schule zu institutionalisieren, wobei es gerade um eine scharfe Konturierung des eigenen Profils und somit um eine, wie unter 1.1 von Thiersch konstatiert, dem Professionalisierungsprozess obliegende Abgrenzung von Zuständigkeiten und Nicht-Zuständigkeiten geht. Andererseits schafft das Zusammenwachsen von SchulsozialarbeiterInnen und LehrerInnen - wenn sich diese als ein wechselseitig geöffnetes, idealerweise als ein „Reflektierendes Team“ (Andersen 1996) verstehen - Vertrauen und fördert gegenseitige Unterstützung und das häufig ersehnte Gefühl von Gleichberechtigung und Transparenz (Büschges-Abel 2009:322). Auf einer Ebene lässt sich Büschges-Abels Teamgedanke und die damit verbundene wissengenerierende Offenheit, sowohl mit der obigen Ausführung von Senge als auch mit dem unter 1.1 von Thimm genannten Kooperationslernen begreifen. Mehr Wissen durch Offenheit „[...] führt zu Lösungsvielfalt [und, Ergänzung und gram. Änderung, YY] verkörpert dazu eine Kultur der Offenheit gegenüber Fehlern, was Dialogbereitschaft, Wertschätzung und Respekt im Kollegium wachsen lässt“ (ebd.:332; Thimm 2010:88).
Die gerade durchgeführte Betrachtung soll lediglich eine systemische Perspektive auf die Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule und gleichsam ihre immanenten Anforderungen aufzeigen, im Detail aber nicht weiter verfolgt werden. Inwieweit einer Öffnung im Professionalisierungsprozess der Schulsozialarbeit Möglichkeiten und Grenzen gesetzt sind, kann an dieser Stelle lediglich hinterfragt und als Spannungsfeld der derzeitigen Praxis sichtbar gemacht werden. Auch kann danach gefragt werden wie und auf welchen Ebenen solche Öffnungsprozesse gezielt gesteuert und kontrolliert werden können. Die an diesem Punkt offengebliebenen Fragen werden im empirischen Teil erneut aufgegriffen.
2.3.2 Theoretische Begründungsmuster zur Schulsozialarbeit
Gegenüber den unter 2.3.1 dargelegten alltagspraktischen Begründungsmustern, haben die theoretischen Begründungsmuster einen weniger pragmatischen Bezug zur schulsozialarbeiterischen Praxis. Dennoch sind sie als pars pro toto der Schulsozialarbeit und Schule und für ein Verständnis dieses Konstrukts aufzurollen, auch um weitere Einsichten in Aufgabenteilung, Profil, Rolle und Kooperationszusammenhänge zu erhalten.
Auf der aktuellen fachliterarischen Grundlage (Hollenstein 200; Olk & Speck 2000; Drilling 2001; Bönsch 2004; Seithe 2002; Helsper 2001; Terhart 2000) legt Speck (2009:41 ff.) insgesamt vier theoretische Begründungsmuster fest: ein 1) sozialisations- und modernisierungstheoretisches, 2) ein schultheoretisches Begründungsmuster, 3) ein transformationstheoretisches und 4) ein rollen- und professionstheoretisches Begründungsmuster.
1. Im sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründungsmuster geht es darum, die Kinder und Jugendlich in Begleitung von SchulsozialarbeiterInnen in ihrer Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, aber auch um die Unterstützung schulischer und - hervorgehoben - außerschulischer Lebensbewältigung, da Schule per se „die Kinder und Jugendlichen vorwiegend in ihrer Schülerrolle wahrnimmt“ (Speck 2009:43). Darin besteht ein fachlicher Vorteil, weil Kinder und Jugendliche sowohl als SchülerInnen als auch im direkten Zusammenhang mit ihren alltäglichen Herausforderungen und lebensweltlichen Bezügen wahrgenommen werden. Auch geht es in diesem Begründungsmuster um die Förderung von Sozialkompetenzen bzw. um die nachhaltige soziale Integration von Kindern und Jugendlichen durch verbesserte Schulerfolgschancen. Die Konfrontation mit der enormen Erwartung zur Lösung gesellschaftlicher Probleme stellt möglicherweise einen Nachteil dieses sozialisations- und modernisierungstheoretischen Begründungsmusters dar (ebd.:44f.).
2. Mit dem schultheoretisches Begründungsmuster wird bezeichnender Weise der Institutionenbezug, also die Ausrichtung auf Funktionstüchtigkeit der Schule durch die Unterstützung der SchulsozialarbeiterInnen beschrieben (ebd.:44). Daher fördert diese in einem ersten Schritt die Bewältigung der aus den veränderten Lebensbedingungen hervorgehenden komplexen Herausforderungen zunächst das System Schule und die LehrerInnen. Ähnlich einem zirkulärem Prozess wird die schulsozialarbeiterische Unterstützung, die eine Entlastung der Lehrerschaft bedeutet, letztlich wieder an die SchülerInnen herangetragen, da die LehrerInnen weniger pädagogische Aufgaben auffangen müssen und somit ihren eigentlichen Fachunterricht gezielter leisten können. Im Sinne einer Assistierung der Schulsozialarbeit beschreibt das schultheoretische Begründungsmuster die Ermöglichung der schulischen Gewähr, ihren gesellschaftlichen Auftrag überhaupt wahrnehmen zu können.
In einem zweiten Schritt beschreibt das schultheoretische Begründungsmuster das Anregen und Unterstützen schulischer Reformen und schulischer Entwicklungsprozesse durch ExpertInnen aus dem Bereich der Sozialen Arbeit (ebd.:46). Dabei ist hervorzuheben, das dieses Begründungsmuster heute eher im Sinne einer Chance und weniger als Ziel von Schulsozialarbeit gehandhabt wird. Im Rückblick auf die 1970er und den Anfang der 1980er Jahre zeigt dieses Begründungsmuster eher schulkritische Tendenzen auf (ebd.:47). Mit einem seit den 2000er Jahren gewonnenen tieferen Verständnis für die Leistungen der LehrerInnen und damit auch eine zunehmende Anerkennung ihrer Tätigkeit, wird die zuvor kritisierte Schule, heute zunehmend in enger Anbindung an die LehrerInnen und den Wirkungskreis der Schule formuliert.
Als positiv bilanziert Speck (ebd.:47) hinsichtlich des schultheoretischen Begründungsmusters, dass schulische und sozialpädagogische Interessenlagen verknüpft werde, eine konkrete Orientierung an Bedürfnissen, Problemlagen und Belastungen von LehrerInnen, die implizite Klarheit des schulsozialarbeiterischen Auftrags und eine die Schulsozialarbeit ernstnehmende Einbindung in wesentliche Aufgaben der Schule (ebd.:47). Als Nachteil muss allerdings das Risiko genannt werden, dass Schulsozialarbeit sich in ihrer Orientierung und in ihrem schulloyalen Handeln zu sehr der Schule unterordnen muss und dabei den eigenen Handlungsauftrag verliert bzw. nicht entwickeln kann. Ein weiterer Negativaspekt ist hierbei die Überschätzung des Leistungspotenzials der Schulsozialarbeiter. Schulreformerische Entwicklung und die Inanspruchnahme der schulsozialarbeiterischen Hilfe erfordert gleichsam die Offenheit und den Willen - womöglich Neugier - der LehrerInnen und ein hohes Maß an Kompetenz der SchulsozialarbeiterInnen (ebd.:47). Dass Schulsozialarbeiter von der Lehrerschaft als überheblich und fachlich inkompetent wahrgenommenen und dadurch „auf einen starken Widerstand in den Schulen stoßen werden“ (ebd.:47), muss ebenfalls als Nachteil dieses Begründungsmusters benannt werden.
3. Die dem transformationstheoretischen Muster zugrundeliegenden Begründungen sind im Veränderungs- und Erziehungssektor nach der Wende in Ostdeutschland verortet und fanden ihre Legitimation insbesondere Anfang bis Mitte der 1990er Jahre (ebd.:47). Die Schule und LehrerInnen zu DDR-Zeiten wiesen umfassende soziale Funktionen auf, was Speck (2009:48) an dieser Stelle hervorhebt. Ein umfassender Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie Mitverantwortung für den Leistungserfolg, die Versetzungen der SchülerInnen, außerunterrichtliche Freizeitangebote und die intensive Arbeit mit Eltern, kommunalem Umfeld und Betrieben, zeigen beispielhaft das breite Repertoire der DDR-Schule und ihrer LehrerInnen auf. Die Schule der DDR legte einen besonderen Schwerpunkt auf die Integrationsfunktion, was sie anhand dieses Repertoires gewährleisten und erfolgreich umsetzten konnte. Dies steht dem westdeutsche Regel-Schulsystem entgegen, in dem der Schwerpunkt auf die Selektionsfunktion gelegt wurde und wird, womit gleichsam die Integrationsfunktion in den Hintergrund rückt. Obwohl die DDR-Schule mit ihrem Handeln in nennenswerter Weise gute und sehr gute Noten bei den SchülerInnen erzielten, konnten diesbezüglich die bisherigen reformerischen Bestrebungen in Westdeutschland keine Veränderung bewirken (ebd.:48). Im Zuge des ostdeutschen Transformationsprozesses wurden sowohl die Stärken als auch die Schwächen des westdeutschen Institutionensystems auf Ostdeutschland übertragen (ebd.:48). Mit dem Tranformationsprozess wurden die Differenzen in den Bewältigungsstrategien zwischen ost- und westdeutschen LehrerInnen und Eltern evident und und auf die Zweifel an bisherigen Lebensentwürfen und -perspektiven wurden laut. Tiefgehende und weitverbreitete Verunsicherungen, Belastungen und Brüche erreichten letztlich auch die SchülerInnen und blieben nicht unbemerkt. Auch ist das Auftreten von deviantem Verhalten bei ostdeutschen Jugendlichen in den Zusammenhang mit dem Transformationsprozess zu bringen.
Laut Speck (2009:49) lassen sich im Rahmen des transformationstheoretischen Begründungsmusters sich drei unterscheidende Einzelbegründungen für Schulsozialarbeit erkennen:
a) Die Erziehungs- bzw. Sozialisationsinstanzen Schule, Eltern und Jugendhilfe sollten durch die Hilfe der Schulsozialarbeit zu einem zueinander ausbalancierten Verhältnis finden können.
b) Schulsozialarbeit sollte die Lebensbewältigung von Kindern und Jugendlichen hinsichtlich der Verunsicherungen und Orientierungsprobleme unterstützen und/oder
c) auf abweichendes Verhalten und auf Probleme von Kindern und Jugendlichen reagieren.
Das transformationstheoretische Begründungsmuster lässt sich fachlich und politisch durch die Folgen des Transformationsprozess per se begründen. Aufgrund dieser Folgen ist ein Unterstützungsbedarf der Jugendhilfe und somit eine Etablierung von Schulsozialarbeit erforderlich. Obschon dieses Begründungsmuster vielfach in einer Initialisierungsfunktion nach der Wende in Ostdeutschland eingesetzt wurde und wohlformuliert ist, ist seine Reichweite aufgrund seiner spezifischen Konzeption als alleiniges Begründungsmuster für die Schulsozialarbeit nur begrenzt und kurzfristig tragfähig (ebd.:50). Auch dieses Begründungsmuster birgt verschiedene Risiken für die Schulsozialarbeit in sich (ebd.:50). Zum einen die Stigmatisierung ostdeutscher Kinder und Jugendlichen zur Auffälligkeit und Therapiebedürftigkeit. Zum zweiten suggeriert dieses Begründungsmuster die unrealistische Erwartung, dass Schulsozialarbeit gesellschaftliche Probleme lösen kann. Der dritte Risikofaktor wähnt die Schulsozialarbeit in einer allzu schnell auferlegten Feuerwehrfunktion, da sie hinsichtlich dieses Begründungsmusters defizit- und eingriffsorientiert agiert.
4. Das rollen- und professionstheoretische Begründungsmuster geht auf prekäre Diskussionen über ein akkurates Modell sozialpädagogischer Angebot in der Schule in den 1970er Jahren zurück (ebd.:50). Statt der damaligen Kritik an der zu geringen Reformbereitschaft und der unzureichenden sozialpädagogischen Profilierung der Schule, steht heute vor allem der Nachweis der unhaltbaren, fachlich nicht tragfähigen Sozialpädagogisierung der LehrerInnenrolle im Mittelpunkt (ebd.:50). Im Kern dieses Begründungsmusters liegt die nicht vorhandene bzw. inadäquate Wahrnehmung sozialpädagogischer Funktionen und Tätigkeiten der LehrerInnen. Restriktionen objektiver und subjektiver Belastbarkeit, das nicht Vorhandensein sozialpädagogischer Kenntnisse und der ambivalente Selektions- und Kontrollauftrag werden hierbei als Begründung aufgeführt (ebd.:50). Im Prozess der Sozialpädagogisierung der LehrerInnen werden zudem die Risiken einer sozialpädagogischen und fachlichen Überforderung, eine unkontrollierte Zerstreuung der Aufgabenprofile sowie Rollenkonflikte gesehen, was im nächsten Schritt weitreichende strukturelle Problem zur Folge hat (ebd.:50f.). Um dieser Herangehensweise und den kohärierenden Befürchtungen prinzipiell strikt entgegenzuwirken, wurde von der durch die Kultusministerkonferenz beauftragten Kommission ein Entschluss für das rollen- und professionstheoretische Begründungsmuster und gegen die Verlagerung der oben genannten sozialpädagogischen Funktionen und Tätigkeiten auf die Lehrerschaft nachdrücklich ausgesprochen (ebd.:51). Dafür wird eine Kooperation mit außerschulischen PartnerInnen ausdrücklich empfohlen. Forderungen von allzuständigen und in Sozialpädagogik und Lehrerberuf gleichermaßen kompetent ausgebildeten LehrerInnen sind heute nur einer Minderheit unterzuordnen (Speck 2009:51), womit ein verbreiteter Konsens bezüglich des rollen- und professionstheoretischen Begründungsmusters zu konstatieren ist. Die von der Kommission betonte Kooperation mit PartnerInnen untergräbt zwar anteilig die Begründung Schulsozialarbeit als Kooperationspartner in die Schule zu integrieren, wodurch der Schule Möglichkeiten für andere Kooperationen offen bleiben (ebd.:51). Die Kooperation von LehrerInnen und SozialpädagogInnen ist aber zweifelsohne als Begründung hervorzuheben. Unter Berücksichtigung der von Drilling definierten Adaption sozialarbeiterischer
Methoden und Grundsätze auf das Schulsystem (2.2), lässt sich eine Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und Schule unter dem Aspekt des rollen- und professionstheoretischen Begründungsmuster gleichwohl als prädestiniert darstellen. Entgegen Specks (ebd.:51) erläuterter Begründungsskepsis kann an dieser Stelle betont werden, dass der Sozialen Arbeit ein professionsphilosophischer Grundsatz innewohnt, der immer auch einen Blickwinkel auf „gesellschaftliche Strukturen und metatheoretische Grundlagen des beruflichen Handelns im pädagogischen Umfeld der Sozialen Arbeit“ richtet (Callo 2005:27). Die dazugehörigen Aspekte wie Lebenslagen und -bedingungen; soziale Arbeitsverhältnisse; Rollenvorgaben und -erwartungen; Positionsbefugnisse (Legitimationen und Mandate); familiäre, private und berufliche Beziehungserfahrungen; gesellschaftliche und institutionelle Regelvorgaben und Handlungsnormen des Berufs (ebd.:27), sollen hier als Referenz für die Schulsozialarbeit als Kooperationspartner für die Schule im Rahmen des rollen- und professionstheoretischen Begründungsmusters ausgewiesen werden. Ferner liegt in einem erziehungswissenschaftlich- pädagogischen Blickwinkel die Auswahl von Methoden verankert, die sich auf pädagogische Zielvorstellungen und reale Gegebenheiten beziehen, sowie Überlegungen zu den Möglichkeiten und Grenzen erzieherischer Einflussnahme und Steuerung der Lernentwicklung und Entwicklung der Person (ebd.:27).
Anhand der oben genannten Theoreme und im Rahmen des rollen- und professionstheoretischen Begründungsmusters konnten etwaige Legitimationspotenziale der Schulsozialarbeit imaginiert werden. Obwohl sich eine weitere Entwicklung dieses Entwurfs und eine kritische Prüfung dessen anbietet, wird an der vorgesehenen Struktur der Arbeit festgehalten. Im nächsten Schritt ist es erforderlich, eine Verbindung für den empirischen Teil zu schaffen. Eine kurze Übersicht der bereits gesichteten Schlüsselaspekte, die das Gelingen einer Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule entscheidend tragen, wird durch bisher unerwähnte Aspekte verdichtet. Der theoretische Teil der Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung ab.
2.4 Schlüsselaspekte der Schulsozialarbeit
Das Augenmerk richtet sich einmal mehr auf die Schlüsselaspekte Aufgabenteilung, Profil und Rolle, sowie die Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und Schule. Aus der bisherigen Betrachtung lässt sich ableiten, dass sich diese Schlüsselaspekte theoretisch wohl voneinander trennen lassen, in der Praxis doch aber in vielen Punkten miteinander verkettet sind. Der Mangel an Transparenz lässt sich nicht lapidar als Charakterzug der Schulsozialarbeit konterfeien. Theoretische Annahmen, Definitionen, Begründungsmuster sowie das Selbstverständnis, auch hinsichtlich der Adressaten, kann ein erhebliches Maß an Transparenz vorweisen. Eher ist es die Kluft zwischen Theorie und Praxis - Ziel und Weg - die zum wiederholten Male auf sich Aufmerksam macht. Attribute wie Differenziertheit, Unstimmigkeit oder auch Mehrdeutigkeit lassen sich auf die vorhandene Unschärfe der schulsozialarbeiterischen Praxis zurückführen.
2.4.1 Aufgaben und Zuständigkeiten
Beide Professionen, Schulsozialarbeit und Schulwesen, sehen sich in gleicher Weise mit heterogenen Sozialmilieus konfrontiert. Die oben durchgeführte Untersuchung der Begründungsmuster konnte jedoch zeigen, in welchen Feldern Schulsozialarbeit und Schule ihre Aufgaben differenzieren. Der Aufgabenschwerpunkt der Schulsozialarbeit liegt vor allem darin, die individuellen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklungen junger Menschen zu begleiten und zu unterstützen; Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen; beratende und unterstützende Kraft von Erziehungsberechtigten und Lehrerinnen bei der Erziehung sowie bei dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz zu sein; einen Beitrag einer schülerfreundlichen Umwelt zu erbringen (Speck 2009:52) und Freizeit- und Ganztagsangebote zu gewährleisten. Allerdings lassen sich die Aufgaben der Schulsozialarbeit in einem modernen Verständnis nicht auf die Auseinandersetzung mit Randgruppen beschränken (ebd.:52). Entgegen der unter 2.3.2 beschriebenen impliziten Selektionsfunktion der LehrerInnen besteht eine weitere Aufgabe der Schulsozialarbeiter darin vor allem integrativ zu arbeiten. Mit Blick auf die SchülerInnen bedeutet das, benachteiligte und beeinträchtigte, deviante, von „Deklassierung“ (Drilling 2001:39f.) bedrohte und abseits des Klassenverbands gestellte SchülerInnen zu erreichen, zu unterstützen und Perspektiven einer positiven Entwicklung aufzubauen. Die Notwendigkeit eines erweiterten Horizonts und Perspektiven des Sozialen Lernens, die durch adäquate Angebotsinhalte im schulischen Umfeld ermöglicht werden, zeigen sich an diesem Punkt. Thimm (2010:85) formuliert dazu „bewertungsfreie Milieus für Gedanken, Gefühle, Fragen, Mitteilungswünsche - jenseits der Lernerrolle; Moderation von Konfliktkultur und erwartungswidrigem, anstößigen Schülerverhalten; Ergänzende gebrauchswerthaltige Bildungsangebote (kulturell, strukturell, inhaltlich, methodisch); Brücke zur Familie; Öffnung zum Gemeinwesen; Vernetzung mit Umfeldern; Seismograph für Entwicklungsnotwendigkeiten des Systems Schule“.
Aus Sicht der LehrerInnen liegt die Zuständigkeit deutlich auf den unterrichtlichen und schulischen Aufgaben (Speck 2009:98). Allerdings liegen die Aufgaben nicht ausschließlich darin die SchülerInnen in bloßem Fachwissen auszubilden. Wie unter 2.3.1 gezeigt, verlagern die LehrerInnen ihren Schwerpunkt zusehends auf die Förderung von Kompetenzen. Die Gesellschaft sieht die Aufgaben der Schule insbesondere in der Ausbildung und Qualifizierung der SchülerInnen für die Erwachsenenwelt und eine an die Wert- und Erziehungsvorstellungen der Eltern progressiv anknüpfende Entwicklung. Letzteres ist identisch zur Integrationsfunktion zu sehen, die mitunter auch LehrerInnen besetzen (Pauli 2006:61), indem sie nicht nur die Integration der SchülerInnen in die Gesellschaft durch kognitive Qualifikation für die Erwerbsarbeit, sondern auch durch den Erwerb einer gesellschaftskonformen Wertorientierung (ebd.:61) fördern. Die Vorbereitung durch LehrerInnen auf die Berufswelt schließt außerdem die Konditionierung von Allgemeinbildung, Spezialkenntnissen und Fähigkeiten für konkrete Arbeitsfelder ein.
In dem obigen Absatz wurden Abgrenzungen und auch gemeinsame Aufgabenbereiche deutlich. Den Aufgabenfeldern der LehrerInnen wurde mit dieser Übersicht sicherlich in keiner Weise genüge getan. Aufgrund der sich ständig vollziehenden schultheoretischen Umstrukturierungen und bedingt durch die Fülle reformpädagogischer Modellierungen kann an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden. Für die Zielsetzung der Arbeit ist dies zudem nicht explizit erforderlich.
Die unter 2.1 betonte Begriffsvielfalt soll an diesem Punkt als Defizit untermauert werden. Eine Profilschärfung der Schulsozialarbeit und dem Handeln ihrer Protagonisten kann sich dadurch stärker durchsetzen, indem die ohnehin dominierende Bezeichnung Schulsozialarbeit als fester Terminus determiniert wird. Denkbare Lösungsansätze könnten die konzeptionelle und strukturelle Ausweitung der Schulsozialarbeit sowie eine Explikation ihrer Inhalte sein und weniger der Versuch denkbare Tätigkeitsfelder und -schwerpunkte der Schulsozialarbeit anhand begriffsbunter Darstellungen zu kompensieren.
In erheblichem Maß ist das nach außen transportierte Profil und die Rolle der Schulsozialarbeit von ihrem jeweiligen Begründungsmuster abhängig. Unter 2.3 wurde dieser Zusammenhang evident. Überdies gibt es „[...] kein bis ins Detail festlegbares, schulform- übergreifendes Arbeitsprofil von Schulsozialarbeit, sodass die SchulsozialarbeiterInnen an den Einzelschulen vor Ort bedarfsgerechte Konzepte entwickeln müssen“ (Speck 2009:73). Damit steht die genaue Planung einer berufsalltäglichen Spontanität gegenüber. Thimm (2010:88) erwähnt auf der einen Seite eine mögliche Profil- und Konzeptschwäche der Schulsozialarbeit, zeigt aber auf der anderen Seite auf, dass die Arbeit im schulischen Umfeld grundsätzlich schwer planbar und kalkulierbar ist und das häufig, wie auch in der alltagsorientierten Sozialen Arbeit, situationsgerecht und spontan gehandelt werden muss. Zwar stellt die 1998 gegründete Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Hessen - Sozialarbeit in Schulen (SiS) Rahmenrichtlinien bereit, in denen Zuständigkeiten, Ziele sowie Arbeitsinhalte und -felder genannt werden, jedoch wurden bislang keine gesetzlich konstatierten Rahmenkonzepte seitens der Bundes- und Landespolitik erstellt (LAG-SiS Hessen, Stand: 12.5.2010).
Das gegenwärtige Profil der Schule und die Berufsrolle der LehrerInnen ist schon vor dem Hintergrund ihrer enormen Entwicklungsgeschichte und ihrer Operationalisierung sehr viel schärfer umrissen als die der sehr viel jüngeren Schulsozialarbeit. Gleichwohl befinden sich Lehrkräfte in einem Prozess der Veränderung, der Adaption und der Evaluation (Struck & Würtl 2007:20f.). Auch das Schulsystem, sein Selbstverständnis und seine Philosophie, versteht sich in einem strukturellen, organisatorischen und systemischen Wandel, weshalb sie sich in diesem Zusammenhang auch als „lernende Organisation“ (Senge 2008) immer wieder neu erfinden muss. Allerdings stellt das hessische Kultusministerium explizit formulierte, kontinuierlich evaluierte und validierte Rahmenpläne zu Verfügung, in denen Aufgaben und Ziele, fachdidaktische Grundsätze, Inhalte, fachliche Qualifikationen sowie Lernfelder für den Schulunterricht beschrieben stehen, womit sicherlich ein einheitliches Verständnis und breite Reverenz erzeugt werden kann (Hessisches Kultusministerium, Stand 2010). Dennoch hat auch die Schule aufgrund der im Grundgesetz verankerten Kulturhoheit die Last zu tragen, dass jedes Bundesland seine eigenen Vorstellungen umsetzen kann, infolge dessen es 16 verschiedene Schulsysteme gibt (Struck & Würtl 2007:17).
2.4.3 Kooperation
Unter 1.1 wurde danach gefragt, worin die Möglichkeiten und Grenzen einer dynamischen und produktiven Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und Schule bestehen und was explizite Gründe dafür sein können, die eine Saturation von Zuständigkeiten und Nicht- Zuständigkeiten in der Praxis ermöglichen bzw. verhindern. Die Begründungsmuster (2.3) haben diesbezüglich gezeigt, dass zumindest in den Vorabklärungen für eine Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und Schule klare Muster und Begründungen existieren. Vor allem hängt eine gelingende Kooperation aber damit zusammen, dass weniger ein einheitliches Ziel der Motor einer funktionierenden Kooperation ist, als vielmehr ein persönlicher Nutzen für die kooperierenden Personen sowie die Unterstützung auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen (Speck 2009:97), die das Zusammenspiel beider Professionen fördern und langfristig stabilisieren. Freilich sind basale Transparenz, Offenheit, Teamverständnis und ein paradigmatisches Kollektivbewusstsein für die Kooperation von Schulsozialarbeit und Schule als wichtige Erfolgsvariablen zu konstatieren. Der Aspekt Offenheit wird als ein wichtiger Erkenntnispunkt zur Untersuchung der Kooperation zwischen SchulsozialarbeiterInnen und SchülerInnen seit den 1970er Jahren beschrieben (ebd.:97). Diese hängt erheblich von der intrinsisch motivierten Bereitschaft konkreter Einzelpersonen ab (ebd.:97).
Mit dem Begriff der Kooperationsmodelle lässt sich ein Kontinuum beschreiben, das die Intensität der Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und Schule einzustufen erlaubt. Von einer Kooperation beider Professionen, in der es keine Berührungspunkte gibt und eine überwiegend distanzierte und misstrauische Grundstimmung vorherrscht, bis hin zu einer Kooperation, in der beide Professionen der intensiven Bemühung nachgehen zusammenzuarbeiten (Drilling 2001:65), sind mannigfaltige Abstufungen in der Praxis denkbar. Deutliche Informationsdefizite über strukturelle und rechtliche Grundlagen und Aufgaben der jeweils anderen Profession sind sowohl aufseiten der LehrerInnen als auch bei den SchulsozialarbeiterInnen zu erkennen (Speck 2009:98). Es konnte nachgewiesen werden, dass sich der Informationsstand auf das Kooperationsverhalten auswirkt.
2.5 Zusammenfassung
In der Betrachtung der Schlüsselaspekte und der in vielen Punkten vermeintlichen Transparenz, ist in besonderem Maße die rigide Janusköpfigkeit hinsichtlich theoretischem Wollen und praktischem Können hervorzuheben. Auch konnte gezeigt werden, dass die oben herausgearbeiteten Schlüsselaspekte, die den Problemhorizont von Schulsozialarbeit und Schule bilden, meist in einem zirkulären, sich wechselseitig beeinflussenden Verhältnis stehen. Kein Aspekt per se kann für eine gelingende bzw. nicht gelingende Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule separiert werden kann. Zwar hat die Betrachtung sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen gezeigt, genugtuende Gründe für die in der Praxis bestehende Dissens konnte jedoch nicht ausreichend fundiert werden. Im folgenden Kapitel wird die explizite Untersuchung von Möglichkeiten und Grenzen in der Praxis von Schulsozialarbeit und Schule vorbereitet. Diese baut auf die bisherige Untersuchung auf und implementiert die bisherigen Resultate.
Kapitel 3 Methode
Im Verständnis von Gläser und Laudel (2009:270), dass Forschung ein kollektiver Produktionsprozess ist, in dem lediglich Zwischenprodukte für aufbauende Studien hergestellt werden, wird in diesem Kapitel dem Versuch nachgegangen, einen Überblick über die forschungsrelevanten Auswahlkriterien sowie über alle methodischen, analytischen und darstellerischen Vorgänge zu geben. Die vorliegende empirische Untersuchung kann grob in die Segmente Vorbereitungsphase (3.1), qualitatives Design (3.2) und methodisches Vorgehen (3.3) gegliedert werden. Die Darstellung, Interpretation und Zusammenfassung der Ergebnisse erfolgt im anschließenden Kapitel 4.
3.1 Vorbereitung
In der Vorbereitungsphase für diese Untersuchung wurde mittels Internet recherchiert, ob und welche Schulen in der Kasseler Schullandschaft und ihrer nahen Umgebung, die Schulsozialarbeit als festen Bestandteil in ihr Konzept integrieren. Da das erste Forschungsinteresse der Grundschule als zu untersuchende Schulform galt, bot sich die Friedrich-Ebert-Schule in Baunatal an. Mit dem dort arbeitenden Schulsozialarbeiter konnte via Telefongespräch das Forschungsvorhaben erläutert und ein Interviewtermin vereinbart werden.
Während der Vorbereitungsphase wurde ein Kontakt mit einer weiteren Grundschule, der Freien Schule Kassel, hergestellt, deren Konzept durch eine starke pädagogische Gewichtung aufgefallen war. Aus einem persönlichen Gespräch konnte in Erfahrung gebracht werden, dass aus einer bereits durchgeführten Untersuchung am Wilhelmsgymnasium eine tendenzielle Ablehnung hinsichtlich der Integration von Schulsozialarbeit in das Konzept des Wilhelmsgymnasiums hervorging. Aufgrund dieser Information erfolgte ein erster Kontakt mit einer am Wilhelmsgymnasium unterrichtenden Lehrerin, die dort für Anliegen zur Schulsozialarbeit die erste Ansprechpartnerin ist. Diese Lehrerin erwähnte zudem eine Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und dem Wilhelmsgymnasium in der Vergangenheit. Aufgrund dieses Gesprächs wurde das vorgesehene Interview mit dem an der Friedrich- Ebert-Schule tätigen Schulsozialarbeiter abgesagt. Stattdessen wurde ein Interview mit der genannten Lehrerin des Wilhelmsgymnasiums vereinbart.
Diese Entscheidung ergab sich insbesondere aus zwei Informationen. Zum einen aus der früheren Kooperation zwischen der Schulsozialarbeit und dem Wilhelmsgymnasium. Zum anderen aus der an der Freien Schule Kassel eingeholten Aussage, in der eine Kooperation mit der Schulsozialarbeit ausgeschlossen wurde. Mit diesen Informationen war es zweckmäßig, die Untersuchung weniger von der Schulform - bzw. vom persönlichen Interesse - abhängig zu machen, sondern vielmehr den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Das Konzept der vorliegenden Arbeit wurde bewusst gewählt und ungeachtet der Tatsache, dass das Wilhelmsgymnasium derzeit nicht mit der Schulsozialarbeit kooperiert, beibehalten. Die Begründung liegt darin, die Praxis einer Schule auf die Möglichkeiten und Grenzen hinsichtlich einer Kooperation hin zu untersuchen, ohne den Standpunkt der Schulsozialarbeit verlassen zu müssen. Somit stehen die pädagogischen Konzepte des Wilhelmsgymnasium im Fokus der Untersuchung sowie die bereits erfahrene und nicht mehr bestehende Kooperation mit der Schulsozialarbeit.
3.2 Qualitatives Design
Die vorliegende Untersuchung sucht nach kausalen Zusammenhängen. Im engeren Sinn wird die Generierung von Hypothesen verfolgt. Im weiteren Sinn sollen die Ergebnisse der Untersuchung zur weiteren Theorienprüfung sowie zur Entwicklung von Theorien beitragen. Aus dieser induktiven Absicht heraus und im Rahmen des gewählten Forschungsgegenstands ergab sich ein qualitatives Untersuchungsdesign. Im Rahmen einer Einzelfallanalyse kommt ein problemzentriertes Interview, in diesem Fall ein Experteninterview als Erhebungsmethode zum Einsatz. Der untersuchte Forschungskontext setzt sich aus einer Stichprobe zusammen, die vor der Datenerhebung aufgrund einiger Vorabinformationen (3.1) und daraus hervorgegangenen subjektiven Erwägungen ausgewählt wurde. Da diese Stichprobe sich nicht als reine Zufallsstichprobe darstellt, ist sie im Hinblick auf ihre Repräsentativität für die Grundgesamtheit nicht tragfähig.
3.2.1 Erhebungsmethode - Experteninterview
Anhand eines Experteninterviews wurde versucht einen gezielten Zugang zu relevanten Informationen des gewählten Forschungskontextes zu bekommen. Das Experteninterview ist ein leitfadenorientiertes, also ein halbstrukturiertes Interview. Dadurch, dass der Interviewer nicht zwingend die Reihenfolge seiner Fragen, die immer auch möglichst offen formuliert wurden, einhalten musste, konnte mehr Spielraum und Spontaneität für beide, den Interviewer und die interviewte Person, entstehen. Die Konzeptionierung des Frageleitfadens (Anhang D) wurde unter Berücksichtigung zusätzlicher Informationen erstellt, die auf der Internetseite des Wilhelmsgymnasiums (siehe Literaturverzeichnis) stehen und Auskunft über die pädagogische Arbeit am Wilhelmsgymnasium gaben. Die Information, dass die interviewte Person eine Seelsorge-Tätigkeit am Wilhelmsgymnasium ausführt, ging ebenfalls in den Frageleitfaden ein.
Das mittels Sprachaufzeichnungsgerät erhobene Datenmaterial (Anhang H) wurde in Form einer kommentierten Transkription aufbereitet. „Für die Transkription von Interviewprotokollen gibt es bislang keine allgemein akzeptierten Regeln“ (Gläser & Laudel 2009:192). Daher wurde im Vorfeld ein eigenes System festgelegt, für das allerdings auf verbreitete Darstellungsmöglichkeiten zurückgriffen wurde (Mayring 2002:92). In einer Legende (Anhang E) werden alle im transkribierten Interviewprotokoll angewandten Zeichen aufgeführt und ihre jeweilige Bedeutung beschrieben. Namensangaben zur interviewten Person wurden im deskriptiven Teil des Interview herausgenommen und im Interviewprotokoll durch ein frei gewähltes Kürzel ersetzt, welches sich aus den Initialen iL für interviewte Lehrerin zusammensetzt. Im Rahmen der Anonymisierung wurden alle weiteren genannten Namensangaben ebenfalls durch frei gewählte Namen ersetzt, sodass das Interviewprotokoll durch eine hohe Anzahl von Kürzeln nicht zu sehr an Lesbarkeit und Wesen verlieren musste.
3.2.2 Interviewpartner
Die interviewte Person ist als Lehrerin in den Fächern Chemie und evangelische Religion am Wilhelmsgymnasium tätig. Wie bereits erwähnt arbeitet sie neben ihrer Lehrtätigkeit zudem als Schulseelsorgerin. Auch deshalb ist sie mehr als andere Lehrkräfte in pädagogische Abläufe am Wilhelmsgymnasium involviert. In einem ersten deskriptiven Teil des Interviews (Anhang D) wurden berufsbiographische Angaben der Interviewten eingeholt. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium und erwarb den Doktortitel in Chemie. Der Grund für die Berufswahl lag in der klaren Berufsvorstellung und dem persönlichen Interesse der Lehrerin begründet. Seit 1998 ist sie zudem als Seelsorgerin am Wilhelmsgymnasium tätig. In den Jahren 2000 - 2001 hat sie einen zertifizierten Abschluss zur Schulseelsorgerin in Hessen-Nassau in Form einer einjährigen berufsbegleitenden Fortbildung (Blockseminare) erworben. Seit 1992 ist sie am Wilhelmsgymnasium als Lehrerin tätig. Aufgrund von Elternzeit ergab sich eine mehrmonatige Unterbrechung. Seit 1994 ist sie ohne Unterbrechung am Wilhelmsgymnasium tätig.
3.2.3 Durchführung des Interviews
Das für ca. 50 Minuten konzipierte Interview (Anhang F), inklusive ca. 5 Minuten für den deskriptiven Teil, wurde in einem Besprechungszimmer des Wilhelmsgymnasiums durchgeführt. Als erstes wurde der deskriptive Teil durchgeführt. Im nächsten Schritt wurde mit dem eigentlichen Interview begonnen, wofür ein mitgebrachtes Sprachaufzeichnungsgerät eingeschaltet wurde. Nach Ablauf des Interviews von ca. 46 Minuten wurde das Sprachaufzeichnungsgerät ausgeschaltet. Da das Gespräch zwischen dem Interviewer und der Interviewten jedoch ohne Unterbrechung fortgeführt wurde, konnte das Sprachaufzeichnungsgerät erneut nach einigen Minuten und durch das Angebot der Interviewten für ca. weitere 25 Minuten eingeschaltet werden.
3.3 Methodisches Vorgehen
Die in der vorliegenden Untersuchung eingesetzte Methode ist in das Paradigma der Grounded Theory nach Glaser und Strauss einzubetten (Lamnek 2005). An dieser Stelle soll es aus zwei Gründen bei einer kurzen Beobachtung der Methodik bleiben. Dem Methodenteil der Arbeit soll keine allzu große Gewichtung zu kommen; eine ausführliche methodologische Auseinandersetzung ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Daher wird die nachfolgende Beschreibung der angewandten Analysemethode nicht eigennützig und ausgiebig aufgerollt. Ihre Darlegung dient lediglich der Nachvollziehbarkeit und dem Verständnis des Auswertungsprozesses.
3.3.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
Die für diese Untersuchung eingesetzte Analysemethode ist die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (Lamnek 2005; Mayring 2002). Sie lässt sich als ein Extraktionsverfahren beschreiben, in dem aus dem Interviewprotokoll Informationen entnommen und davon getrennt weiterverarbeitet werden. Das bedeutet für diese Untersuchung, dass das transkribierte Interviewprotokoll zunächst so weit reduziert wird, sodass seine wesentlichen Inhalte durch eine nachgehende sukzessive Abstraktion in eine überschaubare Form gebracht werden kann, die das Grundmaterial noch immer widerspiegelt (Zusammenfassung). Zuerst wurden dafür wichtige Textstellen im Interviewprotokoll paraphrasiert und in eine Tabelle (Anhang B) übertragen. Zweitens wurden die Paraphrasen durch Generalisierung auf ein höheres Abstraktionsniveau gestellt. Drittens wurden die erstellten Generalisierungen zu einer Zusammenfassung des Ausgangsmaterials reduziert. Im nächsten Schritt werden die für die Untersuchung relevanten Textteile, die z. B. kontextabhängige Bezeichnungen oder fragliche Sätze enthalten, herausgezogen und unter Zuhilfenahme der dafür erforderlichen Literatur erklärt und konkretisiert (Anhang C). Die Explikation ist notwendig für ein klares und eindeutiges Verständnis der interpretierten Aussagen der Interviewten. Im letzten Schritt werden anhand des festgelegten Kategoriensystems (3.3.3) wichtige Aspekte aus dem Material extrahiert und inhaltlich strukturiert (Strukturierung). Das aus dieser Analyse resultierende Ergebnis wird in Kapitel 4 dargestellt und gemäß der Leitfrage interpretiert.
3.3.2 Kategoriensystem
Das Kategoriensystem umfasst die Auswahlkriterien, auf die ein besonderer Fokus in der Interpretation der Ergebnisse der Untersuchung gerichtet wird. Die Auswahlkriterien ergeben sich aus der theoretischen Grundlage (Kapitel 2), in der diese als Schlüsselaspekte für eine gelingende Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule hervorgegangen sind. Das Kategoriensystem setzt sich demnach aus folgenden Kriterien zusammen:
1. Aufgabenteilung
2. Begründungsschwerpunkte und -muster
3. Kooperation und Kommunikation
4. Transparenz
5. Profil-Rolle
6. Schnittmengen
Kapitel 4 Ergebnisse
Die unter Kapitel 2 erarbeiteten Schlüsselaspekte konnten zeigen, dass eine gelingende Umsetzung der an die Schulsozialarbeit und Schule gerichteten Erziehungsansprüche von zahlreichen ineinandergreifenden Variablen abhängt. In der durchgeführten Untersuchung am Wilhelmsgymnasium konnten diese Schlüsselaspekte teilweise identifiziert und durch weitere Variablen ergänzt werden. Obwohl bzw. gerade dadurch, dass das Wilhelmsgymnasium derzeit nicht mit der Schulsozialarbeit kooperiert, konnten zahlreiche Ansatzpunkte und Arbeitsfelder, generelle Handlungsbedarfe und Gründe für eine mangelnde Transparenz analysiert werden.
4.1 Darstellung der Ergebnisse
Zusammengefasst ergab sich aus der Untersuchung des Interviews, dass die Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule ein breites Spektrum von Möglichkeiten und Grenzen, Übereinstimmungen und Widersprüchen aufzeigt. An dieser Stelle erfolgt zunächst eine erste Darstellung der Ergebnisse:
1. Problemschwerpunkte der Schule sind Essstörungen, die exzessive Nutzung neuer Medien, deviantes Verhalten, Cyber-Mobbing, Wohlstandsverwahrlosung, strenge Eltern, autoaggressives Verhalten, häusliche Gewalt und Prügeleien
2. Es ist ein Impuls für die Kooperation mit Schulsozialarbeit durch LehrerInnen nötig
3. Der Leistungsaspekt, die fachliche Ausbildung der Lehrer, die Förderung von Hochbegabten und Musik ist wichtiger als der soziale Aspekt
4. Lehrer sollen von typischen täglichen Schülerstreitigkeiten und Problemen durch neue Medien durch SchülerInnen entlastet werden
5. Kooperationspartner sind das PTI, das Blaue Kreuz und Kabera
6. Schulseelsorge ist der einzige Anlaufpunkt für Kollegen und SchülerInnen bei pädagogischen Problemen
7. Der Schulseelsorge fehlt eine Unterstützung durch die Schule
8. Aufgrund geringer Schnittmenge besteht kein Bedarf an einer systematischen und regelmäßigen Kooperation
9. Die dauerhafte Unterstützung durch SchulsozialarbeiterInnen hinsichtlich Schülerdevianz, ADS, Problemklassen, Cyber-Mobbing und neue Medien ist dringend nötig
10. Die Schulseelsorge ist ein hochschwelliges Angebot, es kann zu Stigmatisierung der SchülerInnen führen
11. Rollenklarheit ist für eine Vertrauensbasis zu den SchülerInnen erforderlich
12. Kindern fällt es grundsätzlich schwer Hilfe anzunehmen
13. Geländergespräche werden als Ort für anonyme Terminabsprachen genutzt
14. Dauerhafte Installation von Schulsozialarbeit an Schulen nicht denkbar
15. Schulseelsorgetätigkeit bewirkt stärkere Professionalisierung und höhere Berufszufriedenheit
16. Schulen brauchen dringend psychologische Anlaufstellen
17. Aufgrund der Überlastung der Lehrer ist keine Vernetzungsarbeit möglich
In Orientierung an der Leitfrage und dem unter 3.3.3 dargestellten Kategoriensystem werden im Folgenden die Ergebnisse der Untersuchung interpretiert. Um einen direkten Bezug zum Ausgangsmaterial zu erhalten, werden die Ergebnisse anhand von Zitaten aus dem Interviewprotokoll ergänzt. Der Interpretationsprozess der Ergebnisse erfolgt nicht in der oben gezeigten Reihenfolge. Aufgrund der stark und vielseitig kohärierenden Aspekte kann ein ungeordnetes Vorgehen häufiges Wiederholen vermeiden und eine strukturiertere Verknüpfung der Ergebnisse in Textform ermöglichen.
4.2 Interpretation der Ergebnisse
Leitfrage
Welche Möglichkeiten und Grenzen bestehen in der Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Schule?
Die aus dem Datenmaterial hervorgegangenen Problemschwerpunkte der Schule lassen sich den Aufgabenfeldern und Zuständigkeiten der Schulsozialarbeit deutlich zuordnen:
[...]
- Citation du texte
- Yasin Yilmaz (Auteur), 2010, Möglichkeiten & Grenzen der Schulsozialarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272502
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