Keine Starbesetzung, keine Musik, keine Special Effects, keine Kulissen – und auch kein Monster. Das ist die Erfolgsgeschichte des Horrorfilms The Blair Witch Project, der von vielen als außergewöhnlichster seiner Zeit bezeichnet wurde.
Das Ziel von Horrorfilmen ist es, Angst und Schrecken zu verbreiten. Das ist auch der Grund, weshalb das Publikum wie in keinem anderen Genre so geteilter Meinung ist. (Vgl. Maiwald 2007: o.S.).
Heute ist das Wort „Horror“ negativ behaftet. Doch in altertümlichen Sprachen hatte das Wort durchaus noch eine vielseitigere Bedeutung: So bedeutet es im Griechischen zwar Angst und Furcht, wohingegen im Lateinischen von Wonneschauer bis heilige Scheu gesprochen wurde. (Vgl. Baumann 1989: 29).
Horrorfilme versuchen, genau diese Lust an der Angst anzusprechen. Die Handlungsstruktur in Horrorfilmen ist häufig gleich – meist Jugendliche fahren an einen verlassenen Ort und werden dort von bösen Wesen überrascht, denen sie entkommen müssen. Jedoch gibt es ein paar Ausnahmen. Der Film The Blair Witch Project ist einer von ihnen. Er war der erste Film, der es überwiegend der Phantasie der ZuschauerInnen selbst überließ, in ihren Köpfen ein böses Wesen zu kreieren, das nicht von der Kamera gezeigt wird. Die Phantasie der ZuschauerInnen ist demnach der größte Herd der Angst, wodurch bei vielen ZuschauerInnen sehr starke Emotionen hervorgerufen werden, deren Intensität für viele, im Hinblick auf andere Horrorfilme zu dieser Zeit, neu war. Es sich lohnt deshalb diesem, in seiner Machart richtungsweisenden Film, besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
So soll im Forschungsgegenstand Horrorfilm und dessen Bedürfnisbefriedigung der Zuschauer nach Angstempfinden ein größerer Facettenreichtum nachgewiesen werden, um so weiteren kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen auf diesem Gebiet ein größeres Spektrum dieser Bedürfnisitems anbieten zu können. Zentrale Forschungsfrage soll deshalb lauten:
"Inwiefern besitzen Gestaltungsmerkmale des Horrorfilms The Blair Witch Project das Potential Angst auszulösen?"
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1 Begriffsbestimmungen
2.2 Historische Entwicklung des Horrorgenres
3. Der Film The Blair Witch Project
3.1 Handlung
3.2 Entstehungs- und Erfolgsgeschichte des Films
3.3 Produktions- und Vertriebsphase
4. Theorie: Emotionen und Bedürfnisbefriedigung als zentrale Elemente des Horrorfilms
4.1 Uses-and-Gratifications Ansatz
4.2 Historische Auseinandersetzung mit dem Angstbegriff und Erkenntnisse daraus für den Film
4.3 Emotionen im Film
4.4 Psychologie der Angst
4.5 Meta-Emotionen
5. Methode: Qualitative Inhaltsanalyse
5.1 Narration und Dramaturgie
5.2 Ästhetik und Gestaltung
5.2.1 Kamera
5.2.2 Licht, Ton und Schnitt
6. Ergebnisse und Interpretation
6.1 Narration und Dramaturgie des Films und Auswirkung auf das Angstempfinden
6.2 Ästhetik und Gestaltung des Films und Auswirkung auf das Angstempfinden
7. Fazit und Ausblick
8. Quellenverzeichnis
9. Anhang
9.1 Anhang 1: Sequenzprotokoll
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: DVD Cover The Blair Witch Project 1999. In: MoviePilot. Online unter http://bit.ly/1iNUGbN (12.12.2013)
Abbildung 2: GS/GO-Modell, angelehnt an Palmgreen und Rayburn 1985. Seite 426. In: McQuail, Denis (2010): McQuail´s Mass Communication Theory. 6th edition. London: SAGE Publications
Abbildung 3: Die acht Einstellungsgrößen. Online unter: http://bit.ly/NBulDt (10.11.2013)..
Abbildung 4: Typisches Bild eines Baumes in der Nacht (00:24:29). In: The Blair Witch Project (1999): Myrick, Daniel/Sánchez, Eduardo (Regie und Produktion). DVD, 81 Min., Orlando, Florida: Haxan Films..
Abbildung 5: „Heahter“ wird aus der Untersicht gefilmt (00:29:34). In: The Blair Witch Project (1999): Myrick, Daniel/Sánchez, Eduardo (Regie und Produktion). DVD, 81 Min., Orlando, Florida: Haxan Films..
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Sequenzprotokoll des Films The Blair Witch Project
1. Einleitung
„Nichts ist schrecklicher als die menschliche Phantasie.“
(Edgar Allan Poe 1845: o.S.)
Keine Starbesetzung, keine Musik, keine Special Effects, keine Kulissen – und auch kein Monster. Das ist die Erfolgsgeschichte des Horrorfilms The Blair Witch Project, der von vielen als außergewöhnlichster seiner Zeit bezeichnet wurde.
Das Ziel von Horrorfilmen ist es, Angst und Schrecken zu verbreiten. Das ist auch der Grund, weshalb das Publikum wie in keinem anderen Genre so geteilter Meinung ist: Für die einen ist es Spannung pur und Nervenkitzel. Es ist ein verbreitetes Phänomen, dass sich junge Erwachsene gerne zusammensetzen, um einen Horrorfilm anzusehen. Sie möchten sich gemeinsam den gruseligen Elementen aussetzen. Dies gilt sozusagen als erste Mutprobe. Für die Anderen ist es ein ekelerregendes Genre, dem sie lieber aus dem Weg gehen. (Vgl. Maiwald 2007: o.S.).
Heute ist das Wort „Horror“ negativ behaftet. Doch in altertümlichen Sprachen hatte das Wort durchaus noch eine vielseitigere Bedeutung: So bedeutet es im Griechischen zwar Angst und Furcht, wohingegen im Lateinischen von Wonneschauer bis heilige Scheu gesprochen wurde. So haben schon die alten Römer entdeckt, dass Angst und Furcht auch als lustvoll erlebt werden können. (Vgl. Baumann 1989: 29). Im wahren Leben setzt sich jedoch kaum jemand freiwillig einer gefährlichen Situation aus, um Angst zu verspüren.
Horrorfilme versuchen, genau diese Lust an der Angst anzusprechen. Die Handlungsstruktur in Horrorfilmen ist häufig gleich – meist Jugendliche fahren an einen verlassenen Ort und werden dort von bösen Wesen überrascht, denen sie entkommen müssen. Jedoch gibt es ein paar Ausnahmen. Der Film The Blair Witch Project ist einer von ihnen. Er war der erste Film, der es überwiegend der Phantasie der ZuschauerInnen selbst überließ, in ihren Köpfen ein böses Wesen zu kreieren, das nicht von der Kamera gezeigt wird. Die Phantasie der ZuschauerInnen ist demnach der größte Herd der Angst, wodurch bei vielen ZuschauerInnen sehr starke Emotionen hervorgerufen werden, deren Intensität für viele, im Hinblick auf andere Horrorfilme zu dieser Zeit, neu war. Es sich lohnt deshalb diesem, in seiner Machart richtungsweisenden, Film besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Die vorliegende Arbeit legt deshalb besonderes Augenmerk auf die neueren formalästhetischen Methoden, die den Zuschauenden eine neue Dimension der „rezipierten“ Angst verspüren lassen. Vorausgehende Studien analysieren zwar Horrorfilme, jedoch nicht in so umfassender Weise in Bezug auf ihre formalästhetische Darstellung, die aber, wie der Film The Blair Witch Project zeigt, wesentlichen Einfluss auf die Emotionsbildung hat. Selten wurde außerdem, in vorangegangenen Arbeiten, die Handkameraverfilmung in Horrorfilmen thematisiert. Durch diese Gestaltungsmethode wird allerdings eine besonders intensive Verbindung zwischen ZuschauerIn und den handlungs- und informationstragenden Hauptfiguren hergestellt, wodurch das Mitfühlerlebnis und damit verbundene Angstempfindungen entscheidend beeinflusst werden. Oft wird die Emotionsspanne und deren Auslöser im Film im Allgemeinen analysiert. Jedoch beschäftigen sich wenige WissenschaftlerInnen mit dem Gebiet Horror und dem intensiven Gefühl der Angst. PsychologInnen beleuchteten dieses Gebiet aus der Richtung der Wahrnehmungspsychologie und betreiben somit RezipientInnenforschung. An diese Untersuchungen möchte diese Arbeit insofern anknüpfen, indem sie die gestalterischen und narrativen Mittel untersucht, welche die von den PsychologInnen bereits festgestellten Angstgefühle auslösen, denn in Bezug auf die narrativen und gestalterischen Mittel im Horrorfilm und wie diese Angst auslösen gibt es nur unzulängliche Veröffentlichungen.
Diese Arbeit hat den Anspruch, diese Lücke zwischen Psychologie und Filmwissenschaft zu minimieren. In Filmen ab 1995 muss nicht mehr explizit das Monster zu sehen sein, das erschreckt. Das macht den Reiz an modernen Horrorfilmen aus. Wie aktuelle Entwicklungen im Horror Genre zeigen, ist man immer mehr der Meinung, dass, je mehr man der Phantasie des/-r Zuschauers/-in überlässt, umso höher ist der Gruselfaktor.
Der Film The Blair Witch Project gilt als Klassiker der 1990er Jahre und wurde als einer der Ersten nur mit Handkamera(s) gedreht. Er verfolgte außerdem eine vollkommen neue Marketingstrategie: So wurde kommuniziert, dass das Material echtes Found-Footage sei und somit behauptet, das Material stelle in Wirklichkeit vorgekommene Ereignisse dar. Somit wurde den Zuschauenden vermittelt, es handle sich um die echten Emotionen der ProtagonistInnen und bietet deshalb umso mehr ein hervorragendes Fundament, um Angstvermittlung in Horrorfilmen in dieser Arbeit zu analysieren.
Für die Kommunikationswissenschaft ist es insofern ein sehr interessantes Untersuchungsfeld, da durch vorangegangene Arbeiten, welche als Methode oft den Uses-and-Gratifications Ansatz gewählt haben, ein Bedürfnis nach Lust an der Angst festgestellt werden konnte. Es ist nur logische Konsequenz, ausgesuchte Instrumente im Film, welche dazu in der Lage sind diese Lust zu befriedigen, zu untersuchen. Neben der Medieninhaltsforschung und Medienanalyse nimmt die Medienwirkungsforschung ein großes Feld in der Kommunikationswissenschaft ein, da so bestimmte Vorlieben der Zusehenden analysiert werden können, die zu höheren Absatzzahlen führen. Da Blair Witch Project später als Kinofilm vermarktet wurde, ist davon auszugehen, dass er, unter anderem wegen seiner dokumentarischen Darstellung, ebenfalls große Relevanz für die Kommunikationswissenschaft besitzt. Diese Arbeit bezieht sich kommunikationswissenschaftlicher Methoden, um eine qualitative empirische Inhaltsanalyse mit Sequenzprotokoll zu entwerfen.
In der Filmwissenschaft gibt es mannigfaltige Literatur über das Thema, jedoch behandelt diese selten speziell das Gefühl der Angst im Horrorfilm, eher die Emotionen im Allgemeinen. Das Genre Horror im Film ist für die im Verhältnis große Masse an RezipientInnen und Fans ein seltenes Thema in der Wissenschaft, weshalb es reizvoll ist, mehr darüber zu erfahren. Ziel dieser Arbeit ist es, interessante Fragen, wie: „Wodurch wird im Horrorfilm die Angst beim Zuschauenden hervorgerufen“ oder „Welche Gestaltungsmerkmale gibt es, die beim Zusehenden Emotionen hervorzurufen?“ zu beantworten. So soll im Forschungsgegenstand Horrorfilm und dessen Bedürfnisbefriedigung der Zuschauer nach Angstempfinden ein größerer Facettenreichtum nachgewiesen werden, um so weiteren kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen auf diesem Gebiet ein größeres Spektrum dieser Bedürfnisitems anbieten zu können. Zentrale Forschungsfrage soll deshalb lauten:
Inwiefern besitzen Gestaltungsmerkmale des Horrorfilms
The Blair Witch Project das Potential Angst auszulösen?
Die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit haben vor allem die Emotion Angst als zentrales Element des Horrors fokussiert. Anhand der chronologischen Entwicklung von filmischen Mitteln, welche sich besonders eignen, Emotionen an den Zuschauenden zu vermitteln, sollen zentrale filmtheoretische Grundlagen aufgeführt werden. Ausgesuchten wissenschaftlichen Publikationen, die das Thema „Angstvermittlung im Horrorfilm“ erforscht haben, bedienten sich zurecht an dem, vor allem in der Kommunikationswissenschaft verwendeten, Uses-and-Gratifications Modell von Denis McQuail, der davon ausgeht, dass Filme rezipiert werden, um Gratifikationen zu erhalten. Diese Ergebnisse sollten ebenfalls dieser Arbeit zugrunde liegen. Doch auch weitere kommunikationswissenschaftsfremde Forschungsfelder, wie die Psychologie der Angst oder Meta-Emotionen beim Film, liefern weitere interessante Aspekte als theoretische Basis für die im Anschluss durchgeführte Filmanalyse. Da es sich bei dem Film Blair Witch Project um einen zwar nicht mehr aktuellen, aber im modernen Handkamera-Stil gedrehten Horrorfilm mit vielen Emotionsausbrüchen handelt, wurde versucht, sich auf neuere Literatur zu fokussieren, die diesen neuartigen lebhaften Stil abhandeln. Jedoch bezieht sich diese meistens auf Internetquellen. Durch diese theoretischen Grundlagen wird im Anschluss eine Hypothese generiert, die zur Beantwortung der Forschungsfrage beiträgt.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, ist besonders die Methode der Filmanalyse als Inhaltsanalyse nach Lothar Mikos aus dem Jahr 2008 geeignet. Für die Methoden der Angstvermittlung im Horrorfilm bieten sich vor allem zwei von Mikos herausgearbeitete Ebenen an, nämlich Narration und Dramaturgie sowie Ästhetik und Gestaltung inhaltsanalytisch zu untersuchen, da hier angsteinflößende Elemente eines spannungsbasierten Films besonders gut herausgearbeitet werden können. Im Bereich der Narration und Dramaturgie geht es vor allem um die Erzählweise, welche wesentlich dafür verantwortlich ist, Spannung hervorzubringen. Die formalgestalterische und ästhetische Ebene bezieht sich auf Kameraeinstellungen wie Einstellungsgrößen, Perspektive und Kamerabewegung, aber auch auf Licht, Schnitt/Montage und Sound, welche sich richtungsweisend auf die Phantasie der Zuschauenden und deren Emotionen auswirkt. (Vgl. Mikos 2008: 129-253).
Den Zusehenden wird in dieser Arbeit unterstellt, dass sie in der Lage sind, durch ihr erworbenes Wissen Filme auf die richtige Weise zu verstehen und zu interpretieren, insbesondere bezogen auf die beiden genannten Ebenen.
In der vorliegenden Arbeit wird wie folgt vorgegangen: Zunächst wird das Horrorgenre im Film vorgestellt, um im Anschluss auf den Forschungsgegenstand The Blair Witch Project näher einzugehen. Im nächsten Teil werden die theoretischen Aspekte, welche der qualitativen Inhaltsanalyse dieser Arbeit zugrunde liegen, zusammengefasst. Im Methodenteil werden die beiden Ebenen der Filmanalyse von Mikos vorgestellt, die im darauffolgenden Ergebnisteil in Bezug auf die Angst interpretiert und auf den Film angewendet werden. Mit diesen Ergebnissen wird die aufgestellte Hypothese beantwortet. Verdeutlicht wird diese Analyse durch ein Sequenzprotokoll im Anhang. Beendet wird die Arbeit mit einem Fazit.
2. Grundlagen
Nach einem kurzen Ausflug zu den Ursprüngen des Horrorfilms ist es zunächst angebracht, grundlegende Eigenschaften und Fremdwörter des Genres Horror zu erläutern, um eine angemessene Basis für folgende Erkenntnisse zu schaffen. Dazu bietet es sich an, diese Entwicklung an seiner Geschichte festzumachen. Der Horrorfilm, abgeleitet von der Horrorliteratur und Bühnen-Melodramen des 19. Jahrhunderts, kann auf eine längere Geschichte als das Bewegtbild zurückblicken (vgl. Maiwald 2007: o.S.).
Heute gibt es zwei Seiten von TheoretikerInnen: Die einen beschreiben die Rezeption als eine Befreiung von Aggressionen (Katharsis-Hypothese), die anderen gegenteilig als Anregung zur Gewaltausübung (Konditionierungs-Hypothese und Stimulus-Response-Modell) (vgl. o.V. 1990a: 23f.).
Die Lust am Horror ist heute ein Massenphänomen. Das Genre spielt mit der emotionalen Hilflosigkeit des Publikums (vgl. Maiwald 2007: o.S.). Dabei ist das Ziel des Films Blair Witch Project, Grenzen zwischen Fakt und Fiktion aufzulösen, um ein Gefühl von Authentizität zu vermitteln (vgl. Biedermann/Stiegler 2008: 7). Damit diese Angst für die ZuschauerInnen lustvoll ist, muss sie in einen bestimmten Sicherheitsrahmen eingebettet sein. Der Nervenkitzel entsteht aus einer Mischung aus dem grundsätzlichen Sicherheitsgefühl und dem bewussten Erzeugen von Angst. Dabei malt sich die Phantasie das Grauen immer schlimmer aus, als es jemals auf der Leinwand sein könnte. Je besser der Film ist, umso mehr entfernt er die Zuschauenden aus dem sicheren Kinosessel, sodass sie schon die Hände vor das Gesicht halten müssen. Jedoch bleibt immer ein kleiner Schlitz offen, um nichts zu verpassen, ähnlich wie bei einer Achterbahnfahrt. Man weiß, dass nach zehn Minuten alles vorbei ist und man aus der Achterbahn unversehrt aussteigen kann; zurück in das reale Leben. (Vgl. o.V. 1990a: 13). „Horror wird dabei nicht nur mit der Definition als Genre, sondern mit dem ästhetischen Empfinden unserer modernen Gesellschaft gleichgesetzt.“ (Biedermann/Stiegler 2008: 7). Das heißt, aktuelle Filme spiegeln ebenfalls die Ängste und Gefühle der heutigen Zeit wieder.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Bereiche aufgezeigt, denen sich der Horrorfilm bedient. Insbesondere wird hier ein Blick auf die historische Geschichte geworfen, um die herausragende Entwicklung der letzten Jahrzehnte besser zu verstehen und zu interpretieren.
2.1 Begriffsbestimmungen
Für das Verständnis des Genres und des Films sollen Grundbegriffe erläutert werden, die essentiell sind. Der Horrorfilm lässt sich in verschiedene Unterkategorien einordnen. Diese reichen von Slasher über Gewaltdarstellungen bis hin zu Splatterfilmen. (Vgl. Stiglegger 2005: 127). Auf den folgenden Seiten sollen die genretheoretischen und dramaturgischen Rahmenbedingungen für einen Horrorfilm klar definiert werden, um im weiteren Verlauf mit einem präzisen Terminus zu arbeiten.
Der für diese Arbeit prägendste Begriff ist das Wort „Horror“. Horror ist ein Bewusstseinszustand von Personen, die speziellen Situationen ausgesetzt sind und darauf auf eine bestimmte Art reagieren. Es ist demnach nicht nur die Antwort auf das Erlebte an sich, sondern auch auf eine komplexe Situation, in der der/die RezipientIn auf unkontrollierbare Weise reagiert. (Vgl. Baumann 1989: 30).
Christian von Aster, der Autor eines Horror-Lexikons, definiert Horror folgendermaßen: Horror (engl. „Schrecken“)= „Mit Horror wird das Schreckliche, Entsetzliche und Angsteinflößende an sich bezeichnet, das oftmals auch zentraler Gegenstand der Literatur und des Films wird und somit die Kategorien Horrorfilm und Horrorliteratur formt. Die Freude des Konsumenten am Horror wird dabei oft als Bewältigung eigener Ängste durch literarisch resp. filmisch dargelegte gesehen.“ (Aster 1999: 176).
Die beste Einordnung für diese Arbeit ist folgende, in der der Horrorfilm als Subgenre des Fantasiefilms beschrieben wird, innerhalb dessen er eine besondere Einheit mit genau umrissenen Gesetzlichkeiten entwickelte, deren Wichtigste sind:
Das Vorkommen fantastischer Elemente, deren Präsenz lebensbedrohend wirken; der Appell an die Angst des Zuschauers vor dem Unbekannten; eine subjektive Darstellung der Ereignisse, die immer als eine potentielle Bedrohung des Zuschauers geschildert werden, sowie das gemeinsame Einverständnis von FilmemacherInnen und Publikum, dass der erzeugte Schauder künstlich erzeugt wird. (Vgl. Bawden 1978: 294). Diese Definition weißt wiederum auf die Katharsis-Funktion von Aristoteles hin.
Eine genaue Einordnung des jeweiligen Films scheint daher schon schwierig, da jede/r TheoretikerIn eigene Genreeinordnungen veranlasst und danach handelt. Der Film Blair Witch Project kann jedoch klar dem Genre Horror zugeordnet werden, da er versucht, bei den Zusehenden Angst und Schrecken auszulösen und das auf eine sehr simple Art: Mit den Urängsten der Zusehenden. (Vgl. Muir 2011: 3, Craven 1990: 9). Er gehört zum Subgenre Okkultismus und Übernatürliches, wie auch die Filme Paranormal Activity, Der Exorzist und The Grudge. Der Inbegriff des Übernatürlichen sind oft Sekten beziehungsweise der Teufel: Hiermit haben okkulte Streifen einen kostenlosen, aber äußerst einflussreichen Werbeträger. (Vgl. o.V. 1990c: 100f.).
Der Horrorfilm dagegen wird auch als phantastischer Film bezeichnet aufgrund seiner fantasiereichen Fabelwesen aus der Literatur, welche schon zuvor in literarischen Werken zu finden waren. Heutzutage jedoch ist der Begriff des Horrorfilms viel weitreichender. Die einzig sinnvolle Begriffsabgrenzung, so Hoffmann (1992: 22), ist in dieser Zeit ausschließlich, dass ein Horrorfilm Angst einflößt. Horrorfilme spiegeln die Ängste ihrer Zeit und ihres Publikums. Um sie zu beängstigen muss ein/-e FilmemacherIn das Publikum verstehen. Er oder sie muss den Zeitgeist reflektieren, die Dinge erkennen, die die Menschen beunruhigen, belästigen und erschrecken. Wenn Horror nicht im täglichen Leben relevant ist, ist er nicht angsteinflößend. (Vgl. Muir 2011: 3).
Dem Horrorfilm wird oft eine narrative und filmische Simplizität vorgeworfen, welche sich Filme wie auch The Blair Witch Project zunutze machen können, um so zum Beispiel eine besonders intensive Authentizität zu schaffen (vgl. Bawden 1978: 294). Mit den innersten Ur-Phobien der Zuschauenden wird hier gespielt:
„Picture yourself stranded in the woods, paralyzed by the night, and bombarded by the aural and physical evidence of your deepest, darkest phobias. If you’ve ever faced the demons of the night, you’ll understand the rich psychology of fear that permeates The Blair Witch Project, a film which catapults us into the seat of pure, unadulterated, primordial horror.“ (Yeldham 2010: o.S.).
Wes Craven, ein US-amerikanischer Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent, der vor allem durch seine Horrorfilme wie The Hills Have Eyes berühmt wurde, ordnet den Horrorfilm wie folgt ein:
„Der Horrorfilm handelt von den erweiterten Aspekten menschlicher Erwartungen. In ihm geht es darum, daß der Horror viel weiter geht als in der alltäglichen Realität. Und es geht in ihm ums Unterbewußte, um Erinnerungen, Halluzinationen, Träume. Ich bin davon überzeugt, daß der menschliche Geist wesentlich leistungsfähiger ist, als wir das bis jetzt zu wissen meinen.“ (Craven 1990: 9).
Die Emotionspsychologie sagt, dass der Horrorfilm sich vorwiegend angeborenen Auslösern bedient, um einen genretypischen Affektverlauf einzuleiten. Das heißt, Ziel eines Horrorfilms ist es, bei der Rezeption bestimmte Emotionen hervorzurufen, die typisch für das Genre sind. Von vielen wird die Konfrontation mit der eigenen Angst als Therapie bezeichnet, nicht als Krankheit. (Vgl. Roloff/Seeßlen 1980: 19).
Die unterschiedlichen Definitionen weisen zusammenfassend darauf hin, dass eine wichtige Absicht des Horrorfilms ist, gezielt Ängste bei den Zusehenden auszulösen und somit innere Unruhe und körperliches Unbehagen hervorzurufen.
Als Unterkategorie beziehungsweise Subgenre des Horrorfilms können die seit den 90ern entstandenen Found-Footage-Filme angesehen werden. Found-Footage bedeutet wörtlich übersetzt „gefundenes Filmmaterial“. Im Horrorgenre wird behauptet, dass das Filmmaterial gefunden wurde und reale Geschehnisse darstellt, um die Zuschauenden in die Irre zu führen. Ziel ist es, dass die Zusehenden sich nicht mehr darauf berufen können, dass es sich hier „nur um einen Film“ handle, da es sich um echtes Material handelt das so Angst schürt. Die Aufnahmen werden nur kohärent von den RegisseurInnen geschnitten und zusammengefügt. Die Handlungen und Äußerungen der SchauspielerInnen sind hierbei meist improvisiert oder wurden nur wenig eingewiesen. (Vgl. Zryd 2003: o.S.). Cannibal Holocaust war einer der ersten Filme, die mit Handkamera/Found-Footage gedreht wurden, jedoch gewann das Genre durch Filme wie Blair Witch Project, Paranormal Activity und Cloverfield an Bedeutung.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Horrors ist die Emotion Angst. Eine genaue Definition von Angst ist jedoch unmöglich, da es sich hier um eine rationale, eine bei jedem Menschen unterschiedlich wahrgenommene subjektive Gefühlsregung handelt (vgl. Hofmann 1992: 22). Der belgische Autor des Phantastischen beschreibt das Gebiet wie folgt: Nur die/der Deutsche besitzt das angsteinflößende Wort „Das Grauen“. In sonst keiner anderen Sprache gibt es ein Wort, das eine ähnliche Emotion vermittelt (vgl. Baumann 1989: 30). Angst entsteht, wo man nicht im Ganzen bei sich ist, wo die Selbstverwirklichung gescheitert ist, oder auch, wo der Realitätsentwurf fehlgeschlagen ist. Sie entsteht aus einer Art Schuld gegenüber sich selbst, in einer Situation, in der man sich nicht geborgen fühlt. Das heißt Angst gibt es, wo die Selbstliebe nicht erfüllt wurde oder wenn man nicht geliebt wird oder aus einer Kombination aus beidem. Das ist die normale Alltagsangst, die ebenfalls von gesellschaftlichen Regeln geprägt ist. (Vgl. Roloff/Seeßlen 1980: 35).
2.2 Historische Entwicklung des Horrorgenres
„The history of the horror movie is also the history of fear in America.“ (Muir 2011: 3).
Kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts erkannte George Méliès die magische Dimension des neuen Mediums Film. Während die Gebrüder Lumiére sich dem dokumentarischen Realismus widmeten, begründete Méliès das Illusions- und damit das Fiktionskino (vgl. o.V. 1990b: 33). Georges Méliès entwickelte als einer der Ersten kinotechnische Tricks, die später für das Horrorgenre und die ZuschauerInnen von großer Bedeutung waren. Durch Fehlfunktionen seiner Kamera entwickelte er Techniken wie die Doppel- und Mehrfachbelichtung, sowie das Ab- und Überblenden (vgl. Moss 1974: 11).
Die ersten Horrorfilme waren ihren Vorgängern, den Vampirromanen und Gothic Novels nachempfunden: „Die Realität wird auf magische Weise mit Kräften aus der Vergangenheit oder dem Jenseits konfrontiert.“ (Maiwald 2007: o.S.). Seine erste Blütezeit erreichte der Horrorfilm in den 10er/20er Jahren des 20. Jahrhunderts, wo sich aufgrund der Beliebtheit des gruseligen Sujets viele große Stoffe des Unheimlichen für den Film erschlossen (vgl. Elles/Grzbielok 2007: 23). Hier ist erkennbar, dass der frühe Angstfilm kaum als beängstigendes Spiegelbild und gesellschaftliches Kollektiv fungierte und von den ProduzentInnen als affirmatives Medium genutzt wurde (vgl. Maiwald 2007: o.S.).
In den 30ern entstand eine Hochphase, in der vor allem Vampirfilme beliebt waren. Erst 20 Jahre später ist ein großer Durchbruch gelungen: Mit der Erfindung des Thrillers verließen Alfred Hitchcock und seine ZeitgenossInnen die sichere Distanz angsterregender romantischer Schlösser und erfundenen Geschichten und blickten hinter die Fassaden amerikanischer Wohnungen. (Vgl. Maiwald 2007: o.S.).
In den Folgejahren entstehen immer härtere Versionen des damals zahmen Horrorfilms. In den 70er Jahren wird ein amorpher und deformierter Körper gezeigt (vgl. Köhne/Kuschke/Meteling 2005: 12). Für einen kleinen Anteil an FilmemacherInnen, unter ihnen George A. Romero, Wes Craven und John Carpender, ist die Wundästhetik des Splatterfilms, die Präsentation grausamer Gewalt und Deformation des Körpers die Fortführung der Codierungen des Mediums Film. Sie gilt als alleinig angemessene und moderne Art, um personale, strukturelle und kulturelle Gewalt in den USA von den späten 60er- bis zu den 80er Jahren ästhetisch zu führen. Jedoch wird sie von einem großen Teil der KinogängerInnen abgelehnt. Schon der Philosoph Platon betrachtete die Gewaltdarstellung als negatives Element der Gesellschaft. Sein Schüler Aristoteles dagegen war anderer Ansicht und beschrieb die starken Empfindungen beim Rezipieren von Gewalt als reinigend (Katharsis). Somit ist der Splatterfilm eine deutlich skeptischere Antwort auf kulturelle Zusicherungen wie etwa die Frauenbewegung, die sexuelle Revolution und die Bürgerrechtsbewegung. (Vgl. Köhne/Kuschke/Meteling 2005: 12). Diese Arbeit, die einen Klassiker der 90er Jahre analysiert, besitzt jedoch keine Gewaltelemente.
Hauptsächlich kamen die Horrorfilme aus zwei Ländern: Deutschland und Amerika, wobei Deutschland durchaus als Geburtsland gesehen werden kann (vgl. Moss 1974: 12). In Amerika begann die Ära im Jahre 1910, als die Edison Company Frankenstein produzierte (vgl. Moss 1974: 20).
Zusammenfassend gilt zu sagen, dass der Horrorfilm seit seiner Entstehung eine große Wandlung vollzogen hat. Trotzdem änderte sich an seiner Intention nichts: Den RezipientInnen Angst einzujagen. Bis heute spiegelt dieses Genre meist die Ängste seiner Generation, damit eine Verbindung zwischen ZuschauerIn und Film entstehen kann und sich die Zuschauenden sich perfekt in das gezeigte Umfeld hineinversetzen können und so Emotionen hervorgerufen werden.
3. Der Film The Blair Witch Project
„In October of 1994, three student filmmakers disappeared in the woods near Burkittsville, Maryland while shooting a documentary. A year later their footage was found.“ (The Blair Witch Project 1999: o.S.)
Mit diesem Schriftzug beginnt der Film The Blair Witch Project aus dem Jahr 1999. Es handelt sich hierbei um einen pseudo-dokumentarischen Low-Budget-Horrorfilm, auch Mockumentary bezeichnet, gedreht von den beiden Regisseuren Daniel Myrick und Eduardo Sánchez. Der Film wurde nur lediglich von den SchauspielerInnen mit zwei Handkameras gedreht ohne dabei Hilfe von ausgebildete/n Kameramännern/-frauen in Anspruch zu nehmen.
Bereits vor seinem Kinodebut wurde über das Internet ein wahrhaftiger Hype über den angeblich aus Found-Footage geschnittenen Film ausgelöst. In den nachfolgenden Kapiteln ist es Ziel, die Indikatoren des Erfolgs zu gliedern und darzustellen, um zu untermauern, welchen wichtigen Beitrag The Blair Witch Project für die Filmgeschichte geleistet hat. Diese Indikatoren sind auch wesentlich für das Verstehen der Inhaltsanalyse und der Ergebnisse dieser Arbeit.
3.1 Handlung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Film The Blair Witch Project (siehe Abbildung 1) handelt vom Verschwinden von drei FilmstudentInnen des Montgomery College in USA während ihrer Recherchen über die Hexe von Blair in einem Waldstück. Die drei kehrten nie wieder zurück. Jahre später wird Videomaterial gefunden, welches die Erlebnisse der Studierenden im Wald dokumentiert. Aus dem sogenannten „Found-Footage“ geht hervor, dass die StudentInnen zuerst im Ort Burkittsville EinwohnerInnen nach der Hexe von Blair befragt haben, um anschließend selbst auf „Hexensuche“ in den Wald gehen. Durch eine Aneinanderreihung von unglücklichen Ereignissen sind die drei gezwungen, anstatt von zwei Nächten, sieben Nächte im Wald zu campieren. (Vgl. Stern 1999: 123f.) "Heather", die Hauptfigur im Film, gespielt von der gleichnamigen Heather Donahue, entschließt sich, als Abschlussprojekt mit zwei Helfern die Legende der Hexe von Blair aufklären zu wollen. Die Helfer sind „Josh“, dargestellt von Joshua Leonard, welcher für die Kameraführung verantwortlich war, und „Michael/Mike“, gespielt von Michael Williams, eingesetzt als Tonmann, zwei Freunde von ihr.
Zu Beginn ihrer Reise interviewen die drei Studenten in der Stadt Burkittsville, ehemals Blair, acht Bewohner über die Legende von der Hexe Blair und anderen Horrorlegenden der Stadt. Einige erzählen gruselige Geschichten, die anderen sagen, das wäre alles Unsinn. (Vgl. The Blair Witch Project 1999: o.S.).
Am nächsten Tag fahren die drei Studierenden mit dem Auto in den Black Hills Forest, der Burkittsville umgibt, um dort weiteres Material für ihre Dokumentation zu drehen. Während der ersten Erkundungen versuchen sie, mit Hilfe einer Landkarte und eines Kompasses, bekannte Orte der Legende von Blair zu erreichen. Dabei erzählen sie etwas über die Geschehnisse, zum Beispiel von dem Platz am Fluss, an dem mehrere Männer der Hexe zum Opfer gefallen sind. Zum ersten Mal schlagen sie ihr Zelt bei Coffin Rock auf, zu deutsch „Sargfels“. In dieser Nacht hört „Josh“ seltsame Geräusche, die sich, nach seinen Aussagen, wie eine Eule und ein Kichern anhörten. Am nächsten Tag, geraten die drei immer tiefer in den Wald. Hierbei entsteht der erste Streit. Die Männer vermuten, dass die Lotsin „Heather“ die Orientierung verloren hat, was diese entschieden abstreitet. Nach einiger Zeit finden sie einen alten indianischen Friedhof, wo sie sieben Steinhaufen entdecken. Da der Einbruch der Nacht rasch naht, übernachten sie in der Nähe des Friedhofs, mit dem Ziel, am kommenden Morgen nach Hause zu fahren. In dieser kalten Nacht hören alle drei die dubiosen Geräusche, die sie allerdings nicht orten können. Am folgenden Tag entdecken die drei unerwartet drei Steinhaufen direkt neben ihrem Zelt. Sie bekommen Panik und machen sich eilig auf den Weg nach Hause, um auch die Kameras zurück zu bringen. Jedoch gibt es Orientierungsprobleme, da „Mike“ die Karte in den Bach geworfen hat. Es kommt immer öfter zu Streit. Auf der Strecke entdecken sie hölzerne Voodoo-Puppen, die in den Bäumen hängen. Da sie das Auto nicht finden, sind sie gezwungen, eine weitere Nacht im Wald zu schlafen. Wieder hören sie Geräusche ringsherum, doch diesmal ebenfalls Babygeschrei. Sie rennen aus dem Zelt und versuchen den Stimmen zu entkommen. Geplagt von psychischen Extremsituationen bleiben sie an einem von ihnen als sicher empfundenen Ort bis es dämmert. Als es hell wird gehen sie zum Zelt zurück. Dort ist ihre Kleidung um das Zelt verstreut und „Joshs“ Kleidung ist mit bläulichem Schleim überzogen. Nach einem weiteren orientierungslosen Tag sind die drei erneut gezwungen, im Wald zu übernachten. Am nächsten Morgen ist „Josh“ verschwunden. „Heather“ und „Mike“ suchen ihn – vergeblich. In der kommenden Nacht hören sie jedoch seine Schmerzensschreie und werden so immer weiter an den Rand des Wahnsinns getrieben. Nach erfolgloser Suche findet „Heather“ am nächsten Tag vor dem Zelt ein Holzbündel mit blutigen Haaren und Zähnen, wobei sie vermutet, dass diese von „Josh“ sind. „Mike“ erzählt sie davon nichts. Jede Stunde ist nun eine Qual, da die beiden kaum mehr an ihr eigenes Überleben glauben und kleine psychische Zusammenbrüche erleiden. In der letzten Nacht gibt „Heather“ ein Geständnis auf Band ab, bei dem sie sich für diese Aktion bei den drei Eltern der Beteiligten entschuldigt. Sie hören abermals "Joshs" Schreie und gelangen während sie diesen folgen, an ein baufälliges Haus. „Mike“ rennt in den 1. Stock, da er vermutet, dass das Schreien von dort kommt. Als er oben ist, findet er jedoch nichts und meint, die Laute kommen nun vom Keller. „Heather“ rennt ihm mit Mühe hinterher. Nachdem er im Keller ankommt hört man die Kamera auf den Boden fallen. Jetzt gibt es nur noch „Heathers“ Aufnahme, die „Mike“ mit dem Gesicht zur Wand zeigt. Die Schreie "Heathers" verstummen und es ist nur nach das Rattern der auf dem Boden liegenden Kamera zu hören. (Vgl. Stern 1999: 56).
3.2 Entstehungs- und Erfolgsgeschichte des Films
Der Film The Blair Witch Project wurde von den zwei oben genannten Regisseuren gedreht: Eduardo Sánchez und Daniel Myrick. Beide waren zum Zeitpunkt des Drehs noch sehr jung. Sie kannten sich bereits aus dem Studium und beschlossen 1994, gemeinsam einen Spielfilm zu drehen. (Vgl. IMDb 2013: o.S.).
Sie entdeckten, dass sie in den Siebzigern vor allem bei Mystery-Dokumentationen Angst bekamen. Inspiriert durch die US-Fernsehsendung In Search of... wollten sie ihr Publikum auf gleiche Weise beängstigen. In den inszenierten Aufnahmen der Sendung wurden rätselhafte Ereignisse, wie zum Beispiel Raumschiffe, als vermeintlich echt dargestellt. Da sie davon so fasziniert waren, kamen sie auf die Idee, selbst einen Pseudo-Dokumentarfilm zu drehen, der durch die Verwischung von Fiktion und Realität besonders angsteinflößend sein sollte. (Vgl. Myrick 2009: o.S., Elles/Grzbielok 2007: 36f.).
Beide hatten sich ursprünglich eine Videoveröffentlichung oder Fernsehausstrahlung ihres selbst finanzierten Films erhofft. Die Produktionsfirma Haxan Films entdeckte jedoch das Potential des Films und beschloss, ihn großflächig zu vermarkten. Vor allem auf der Internetseite www.blairwitch.com wurde der Film insofern extrem beworben, da die Geschehnisse als wahr dargestellt wurden. Dies löste eine große Welle aus, in der viele Filmfans nach Maryland gereist sind, um ebenfalls die Legende zu untersuchen und ihren eigenen Dokumentarfilm zu drehen. Der Erfolg war dennoch für alle Beteiligten unerwarteter Weise immens. (Vgl. Elles/Grzbielok 2007: 21). Trotz der harten Kritiken von einigen Seiten gewann er einen Preis des Sundance Filmfestivals als Überraschungsfilm von 1999. Auf dem Cannes Film Festival gewann er den Award of the Youth sowie weitere Preise in der Kategorie bester Horrorfilm (vgl. Yeldham 2010: o.S.) . Da sich demnach dieses Prinzip als durchaus wirksam erwies, erhoffte man sich, mit einem Nachfolger unter anderer Regie und von einem anderen Studio produziert, bei Book of Shadows: Blair Witch 2, dessen Produktionskosten bei 15 Millionen US-Dollar lagen, ähnliche Erfolge. Obwohl er nicht annährend so viel einspielte wie sein Vorgänger, wird über einen dritten Teil diskutiert, diesmal allerdings wieder unter der Führung von Myrick und Sánchez und mit den gleichen SchauspielerInnen. Dieses Vorhaben wurde jedoch bis heute nicht realisiert. (Vgl. Elles/Grzbielok 2007: 22). Es entwickelte sich ein Hype und der Film spielte bei der Veröffentlichung an den Kinokassen 247 Millionen Dollar weltweit ein, womit er zum umsatzstärksten Independent Film seiner Zeiten wurde. Einige glaubten, dass der Erfolg nicht an dem gut gedrehten Film lag, sondern an seiner Marketingstrategie, denn für viele ZuschauerInnen wurde hier erfolgreich die Grenze zwischen Fiktion und Wahrheit verwischt. (Vgl. Muir 2011: 45). In seiner Fortsetzung jedoch, Book of Shadows: Blair Witch 2 (vgl. Book of Shadows: Blair Witch 2 2000: o.S.) bedient er sich allen konventionellen Mitteln des Horrors ohne originelle Vision. Trotz des hohen Budgets kam die Fortsetzung jedoch nicht ansatzweise an den Erfolg seines Vorgängers heran. Die Machart von Blair Witch Project durchdrang die erfolgreichsten Filme ihrer Zeit. So lehnen sich REC und Paranormal Activity an diese Machart an.
3.3 Produktions- und Vertriebsphase
Im diesem Kapitel sollen die Erfolgsfaktoren des Films zusammengestellt werden. Nicht nur die besondere Machart des Films trugen zum Erfolg bei, auch andere Faktoren spielten eine wesentliche Rolle. Es gab kein Drehbuch, dafür eine 30-seitige Story-Outline, die wie in einem Theaterstück ausgearbeitet wurde. Bezüglich der Dialoge sollte alles improvisiert werden. Für 1000 Dollar Gage begaben sich die drei SchauspielerInnen nach Maryland, um in acht Tagen den Film The Blair Witch Project zu drehen. (Vgl. Elles/Grzbielok 2007: 37ff.).
Um den Schauspielenden nachts Angst einzujagen, begaben sich die Regisseure selbst in den Wald. Sie verkörperten sozusagen die Blair Witch und waren für die furchteinflößenden Geräusche in der Nacht verantwortlich. Sie bezeichneten dieses Vorgehen „Method Filmmaking“. Mit dieser Methode versuchen sie, die wahren Emotionen der Handelnden hervorzuholen, um so reale Angst zum Vorschein zu bringen. (Vgl. Elles/Grzbielok 2007: 40).
Als Bildformat wurde hier die Einstellung 4:3 ausgewählt, offensichtlich unter dem Vorwand, einen Fernsehfilm zu drehen (vgl. Elles/Grzbielok 2007: 246). Um 20 Stunden Filmmaterial auf die angsteinflößende Art zu schneiden bedurfte es fast einem Jahr (vgl. Elles/Grzbielok 2007: 42). Als der Film begann ein Hit zu werden, kritisierten viele RezipientInnen, dass er kein richtiger Spielfilm wäre. Der Grund dafür war vor allem, dass der Film sich zu diesem Zeitpunkt mit dem gleichzeitig herausgebrachten Film The Sixth Sense messen musste, der mit viel aufwendigeren Gruseleffekten spielten und eine professionellere Aufmachung hatte. (Vgl. Newman 2011: 442).
Um Filmfans die Gewissheit zu geben, dass es sich hier um fiktionales Material handelt, hätten sie den Teil im Abspann lesen müssen, in dem es heißt: „Written, directed and edited by Daniel Myrick and Eduardo Sanchez“; das deutete auf ein Drehbuch hin. Des Weiteren wird die Fiktionalität des Films mit dem Hinweis im Abspann „The content of this motion picture, including all characters and elements hereof is entirely fictional, and is not based upon any actual individual or other legal entity. Any similarity of actual persons or other entities is unintended and entirely coincidental.“ (The Blair Witch Project 1999: o.S.) belegt.
Zehn Monate vor Kinopremiere wurde der Film im Internet beworben. Hier wurde ein Rahmenplot erzählt, der den Film in einen anderen Zusammenhang stellte (vgl. Elles/Grzbielok 2007: 21). Der Film wurde dort nämlich als Dokumentarfilm beworben. Die Werbemaßnahmen beschränkten sich vor der Premiere zunächst nur auf Dokumente und Videos auf der Internetseite www.blairwitch.com, einem Special auf einem Science-Fiction Sender und zuletzt, am Wochenende vor dem Erscheinungstag, auf eine ganze Werbeseite im Branchenblatt der Unterhaltungsindustrie, Variety. Bei diesen Werbeaktionen in den USA wird von einer Summe von 35.000 Dollar gesprochen. (Vgl. Muir 2011: 46). Blair Witch Project wurde zwar zu Beginn, wie bei einer Low-Budget Produktion üblich, kostengünstig beworben, jedoch sprach man im Nachhinein über Kosten von circa 16 Millionen Dollar für die weltweite Veröffentlichung inklusive der weltweiten Marketingaktivitäten (vgl. Elles/Grzbielok 2007: 69, Muir 2011: 45).
4. Theorie: Emotionen und Bedürfnisbefriedigung als zentrale Elemente des Horrorfilms
Die Theorie beschreibt und beleuchtet Emotionen, die im Horrorfilm häufig ausgelöst werden. Das Uses-and-Gratification Modell soll zeigen, dass das Bedürfnis nach Angst ausschlaggebend für den Zusehenden ist, einen Horrorfilm zu rezipieren. Anhand der folgenden Kapitel werden die schon wissenschaftlich herausgearbeiteten Facetten der Angst vorgestellt und in verschiedene Felder wie Psychologie und Filmwissenschaft eingebettet. Diese Erkenntnisse führen im Ergebnisteil dazu, dass anhand der filmischen Inszenierung Aussagen über die „Art“ der Angst beim Zuschauer getroffen werden können.
4.1 Uses-and-Gratifications Ansatz
Es ist besonders wichtig, mehr über den Ansatz zu erfahren, um im Anschluss erforschen zu können, wie diese Bedürfnisbefriedigung im Horrorfilm entwickelt wird.
In den frühen 70ern entwarf Elihu Katz, als Vorreiter, den Uses-and-Gratifications Ansatz, zu deutsch Nutzen- und Belohnungsansatz (vgl. Rubin 1994: 421f.). Er ging davon aus, dass die Menschen audiovisuelle Medien rezipieren, um Befriedigung über sie zu erlangen. Es wird demnach von den Medien erwartet, ein Bedürfnis zu befriedigen. Der/die RezipientIn erhält hierbei eine aktive Rolle, da er/sie rational den gewünschten Medieninhalt auswählt. (Vgl. McQuail 2010: 424).
Denis McQuail, ein bekannter Massenkommunikationstheoretiker, untersuchte einige Zeit später ebenfalls dieses Modell, warum Medien von verschiedenen Publika konsumiert werden. Seine Theorie besagt, bestimmte Gruppen von Personen benötigen bestimmte Medientypen, um ihre speziellen Bedürfnisse zu befriedigen. (Vgl. Bartsch 2012: 269). Andere moderne TheoretikerInnen haben ebenfalls versucht, ein Modell über den Nutzenansatz zu entwerfen. Beispielsweise Renckstorf (1996: 20ff.) hat einen Ansatz namens „soziale Aktion“ entwickelt, der auf symbolischem Interaktionismus und Phänomenologie basiert. Seine Kernaussage besagt, dass Mediengebrauch eine Form sozialer Aktion ist, die von einer persönlichen Situation abhängt und die sich daran orientiert, neue Ungereimtheiten im sozialen Umfeld zu lösen (vgl. McQuail 2010: 425). Die zentrale Frage des Uses-and-Gratification-Ansatzes lautet: „why do people use media, and what do they use them for?“ (McQuail 2010: 423, H.i.O.).
Die ZuschauerInnen besitzen oft vielfältige Medienbedürfnisse und Interessen. Die Gratifikation wird von einem bestimmten Bedürfnis hervorgerufen und durch Medienangebote versucht zu stillen. Die Zuschauenden stehen bei diesem Ansatz im Mittelpunkt. (Vgl. McQuail 2010: 410) Die Bedürfnisse entwickeln sich aus personellen, individuellen und sozialen Sachverhalten (vgl. McQuail 2010: 424). Die Grundlage für die Filmrezeption sind sozusagen erwartete emotionale Gratifikationen (vgl. Mangold 2007: 180).
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- Arbeit zitieren
- Pia Weiler (Autor:in), 2014, Gestaltungsmittel des Horrorfilms "The Blair Witch Project" (1999) als Angstauslöser, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272423
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