Man muss konstatieren, dass das Autismus- Syndrom, ich schließe damit alle uns geläufigen Theorien, Definitionen und Unterschiede ein, immer noch nicht wissenschaftlich vollständig erforscht ist und dadurch ein großer Nährboden für angebliche Wunderheilmethoden und pseudowissenschaftliche Forschung existiert. Ich sage dieses alles, weil auch ich in dieser kurzen Abhandlung keine neuen Forschungsergebnisse präsentieren werde und ich daraug achte, mich nicht in der Vielschichtigkeit des Themas „Autismus“ zu verlieren. Aus diesem Grund beschränke ich mich auf den frühkindlichen Autismus. Es werden Ursachen, Erscheinungsformen und einige Therapiemöglichkeiten aufgezeigt, um im Folgenden die Möglichkeiten der Musiktherapie im Hinblick auf den frühkindlichen Autismus darzustellen. Außerdem wird die „Gesamtsituation“ autistischer Kinder betrachtet, denn „eine Pädagogik wird es leisten müssen die ‚Gesamtsituation’ behinderter Kinder und auch die Persönlichkeit des autistischen Kindes zu beschreiben.“2 Und die Pädagogik sollte immer bemüht sein „das behinderte Kind nicht als Objekt von Erziehung und Unterricht anzugehen, sondern es als Subjekt in ihrem Bemühen um die Realisation seiner Chancen in den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen es lebt und von denen her es als behindert verstanden werden kann, zu sehen.“3
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Der Begriff „Autismus“. Eine Einführung
2. Der frühkindliche Autismus: Das Kanner- Syndrom
2.1. Definition und Erscheinungsformen
2.2. Ursachen
2.3. Abgrenzung zu anderen autistischen Formen
3. Pädagogische (Therapie-) Maßnahmen bei Menschen mit Kanner-
Syndrom
3.1. Allgemein
3.2. Förderung des Sozialverhalten und der Kommunikation
3.3. Die „gestützte Kommunikation“. Eine Wunderheilmethode?
4. Musiktherapeutische Ansätze zur Förderung der Kommunikation bei
autistischen Kindern
4.1. Musiktherapie allgemein
4.2. Musiktherapeutische Maßnahmen bei autistischen Kindern
III. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
„ …ich singe das lied aus der tiefe der hölle und rufe
alle stummen dieser welt
erklärt den gesang zu eurem lied
taut die eisigen mauern auf
und wehrt euch ausgestoßen zu werden
wir wollen eine neue generation der stummen sein…
ich dichte für meine stummen schwestern
für meine stummen brüder
uns soll man hören und einen platz geben wo wir unter
euch allen wohnen dürfen
in einem leben dieser gesellschaft“
(Birger Sellin am 21.9.1992)
Birger Sellin, geboren am 1.2.1973 in West-Berlin ist Autist. Er hat es geschafft, mit Hilfe der „gestützten Kommunikation“ mit unserer Welt in Kontakt zu treten und berichtete uns, wie es in seiner abgeschlossenen Welt aussieht.
Dieses erscheint uns erstaunlich und geradezu unfassbar (erscheint uns dieses). Viele Experten oder Möchtegern- Experten zermartern sich den Kopf. Sie analysieren, vergleichen, verwerfen alte Theorien, stellen neue Theorien auf und schreiben neue Bücher, die das „Phänomen“ Autismus greifbarer machen sollen. Der Begriff „Autismus“ wird jedoch allzu oft in falschen oder zu oberflächigen Zusammenhängen missbraucht und die Menschen, die tatsächlich eine Form des Autismus haben, werden häufig verobjektiviert, stigmatisiert und in ihrer „Defektivität festgeschrieben“[1] und es ist dadurch oft nicht möglich, sich dem weitläufigen Thema „Autismus“ unvoreingenommen zu näheren.
Man muss konstatieren, dass das Autismus- Syndrom, ich schließe damit alle uns geläufigen Theorien, Definitionen und Unterschiede ein, immer noch nicht wissenschaftlich vollständig erforscht ist und dadurch ein großer Nährboden für angebliche Wunderheilmethoden und pseudowissenschaftliche Forschung existiert.
Ich sage dieses alles, weil auch ich in meiner Arbeit keine neuen Forschungsergebnisse präsentieren werde und ich versuchen werde, mich nicht in der Vielschichtigkeit des Themas „Autismus“ zu verlieren.
Aus diesem Grund beschränke ich mich in meiner Arbeit auf den frühkindlichen Autismus. Ich werde versuchen Ursachen, Erscheinungsformen und einige Therapiemöglichkeiten aufzuzeigen, um später in meiner Arbeit dann die Möglichkeiten der Musiktherapie im Hinblick auf den frühkindlichen Autismus darzustellen. Außerdem werde ich versuchen die „Gesamtsituation“ autistischer Kinder zu betrachten, denn „eine Pädagogik wird es leisten müssen die ‚Gesamtsituation’ behinderter Kinder und auch die Persönlichkeit des autistischen Kindes zu beschreiben.“[2] Und die Pädagogik sollte immer bemüht sein „das behinderte Kind nicht als Objekt von Erziehung und Unterricht anzugehen, sondern es als Subjekt in ihrem Bemühen um die Realisation seiner Chancen in den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen es lebt und von denen her es als behindert verstanden werden kann, zu sehen.“[3]
II. Hauptteil
1. Der Begriff „Autismus“. Eine Einführung
Um der Bedeutung des Begriffs Autismus gerecht zu werden stellt man zunächst fest, dass der Begriff vom griechischen „Luros“ abgeleitet wurde und etymologisch Ich- Bezogenheit, Zurückgezogenheit auf sich selbst ausdrückt. Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuer hat den Begriff „Autismus“ erstmals 1911 eingeführt. Er beschreibt damit ein Grundsymptom der Schizophrenie, womit er eine besondere Form des Verhältnisses des Menschen zur Wirklichkeit meint, nämlich eine „Loslösung von der Wirklichkeit mit dem relativen und absoluten Überwiegen des Binnenlebens,“[4] mit wenig Kontakt zu den Mitmenschen, einem in sich gekehrten und der Umwelt abgewandten Leben.
Bleuer war der Ansicht, dass diese Menschen sich aktiv in eine Art „Phantasiewelt“ zurückziehen würden. Ganz im Gegenteil zu Asperger und Kanner, denn in der Psychopathologie des Kindes und Jugendalters wurde der Begriff Autismus erstmals von Kanner (1943) für eine Kennzeichnung einer Gruppe von Kindern benutzt, die er seit 1938 beobachtet hatte und anhand des Krankheitsbildes von 11 Fallschilderungen den „frühkindlichen Autismus“ beschrieb. Gleichzeitig, aber unabhängig von Kanner, beschrieb Asperger (1944) eine Population von Kindern mit derselben Grundstörung, wie sie auch die von Kanner beschriebenen Kinder zeigten. Er nannte sie jedoch „Autistische Psychopathen“. Und sowohl Kanner als auch Asperger waren der Meinung, dass die autistischen Störungen in allerfrühster Kindheit aufträten und damit primär, von Geburt an diese Kinder unfähig bzw. nur eingeschränkt fähig seien soziale Kontakte zu entwickeln, wobei es schon Unterschiede in den Beschreibung des Autismus- Syndroms von Kanner und Asperger gibt, auf die ich aber in den kommenden Kapiteln näher eingehen werde.
Somit ist es laut den Beschreibungen von Kanner und Asperger eben nicht so, wie von Bleuer dargestellt, das die Kinder sich aktiv in eine „Phantasiewelt“ zurückziehen würden.
Mit den Definitionen von Asperger und Kanner wurde der Begriff „Autismus“ erstmals allgemein zur Beschreibung eines abgegrenzten psychopathologischen Syndroms herangezogen und es wurde der Versuch unternommen die „extremen autistischen Abkapselungen der Kinder von der menschlichen Umwelt“[5] zu definieren.
In den 70’er Jahren war die Beschäftigung mit dem „Autismus-Syndrom“ lange Zeit nur eine Teildisziplin der Biologie, Medizin und Psychologie. Es gab zwar schon eine Vielzahl von Vereinen und Einrichtungen, so die in Lüdenscheid 1971 gegründete Vereinigung ‚Hilfe für das autistische Kind e.V.’, aber es gab noch keinen „Konsens über Art und Weise der Förderung autistischer Kinder und eine erziehungswissenschaftliche Seite der Bearbeitung der Problematik“[6] war noch nicht gegeben.
Der Begriff „Autismus“ wurde beibehalten, weil dieser mittlerweile weltweit gebräuchlich war, obwohl der Begriff „Autismus“ eigentlich ein zu allgemeiner Begriff für so viele unterschiedliche Erscheinungsformen ist.
Heute ist man der Ansicht, dass autistische Störungen von frühster Kindheit an tief greifende Entwicklungsstörungen sind, mit einem stereotypen, sich wiederholendem Repertoire von Interessen und Aktivitäten und „in einigen Fällen können die Störungen mit bestimmten körperlichen Krankheitsbildern einhergehen“[7] z.B. mit einer Rötelninfektion der Mutter während der Schwangerschaft. Aber prinzipiell werden autistische Störungen aufgrund des Verhaltens diagnostiziert, unabhängig von körperlichen Erkrankungen.
Im Umgang mit autistischen Kindern ist es jedoch unabdingbar, dass man die Gesamtsituation des autistischen Kindes betrachtet, „das dialektische Zusammenwirken biologischer und gesellschaftlicher Faktoren im Sozialisationsprozess“[8] erkennt. „Die Notwendigkeit der Einbeziehung autistischer Kinder in reguläre Erziehungs- und Bildungsprozesse“[9] ist notwendig geworden, um eine wirkliche Förderung zu gewährleisten. Dieses wird ebenfalls in den kommenden Kapiteln näher besprochen.
2. Der frühkindliche Autismus: Das Kanner- Syndrom
2.1. Definition und Erscheinungsformen
Vorab möchte ich in diesem Kapitel die Grundsymptome und Kernmerkmale des „Kanner-Syndroms“ beschreiben um im zweiten und dritten Schritt auf die Auswirkungen und die in dem Zusammenhang stehenden Verhaltensweisen einzugehen.
Zunächst hatte ich ja schon erläutert, dass das „Kanner-Syndrom“, der „frühkindliche Autismus“, von Geburt an existiert und aus diesem Grund die Kinder von Geburt an unfähig bzw. nur eingeschränkt fähig sind soziale Kontakte zu entwickeln. Dieses ist eine wichtige Erkenntnis, da das „Kanner-Syndrom“ sich somit in einem entscheidenden Punkt von anderen „Autismus-Syndrom“- Beschreibungen unterscheidet.
Es gibt im Prinzip 2 Grundsymptome anhand derer ich versuche das „Kanner-Syndrom“ zu charakterisieren.
Zum einen ist bei den Kindern eine „extreme autistische Abkapselung aus der menschlichen Umwelt“ erkennbar und zum anderen ein „ängstlich- zwanghaftes Bedürfnis nach Gleicherhaltung der dinglichen Umwelt“[10]. Das Ausbleiben der ‚Lächelreaktion’ und der Antizipationshaltung beim Aufnehmen des Säuglings könnte ein klares Zeichen für das Ausbleiben „der Entwicklung eines affektiven Kontaktes und präverbaler Kommunikation“[11] sein und somit das erste Grundsymptom bestätigen.
Um dann im zweiten Schritt das zweite Grundsymptom, die ‚Veränderungsangst’ bestätigt zu wissen, bedarf es intensiverer Beobachtungen, die erst nach dem ersten Lebensjahr von Bedeutung sind, da die‚Veränderungsangst’ in einem engen Zusammenhang mit der motorischen Entwicklung des Kindes steht.
Sie äußert sich in Form eines „zwanghaften Festhaltens der Selbigkeit der dinglichen Umwelt“ und ist erst später bei Kindern feststellbar. Kann man dann beobachten, dass es durch die Veränderung oder den Wechsel der Umgebung bei den Kindern zu „massiven Erschütterungen und anfallsartigen Erregungen“[12] kommt, welches Stutte 1960 als ‚Angstparoxysmen“ beschrieben hat, ist dieses ebenfalls ein Zeichen dafür, dass das Kind das „Kanner-Syndrom“ haben könnte.
Kanner leitet auch aus dem Bedürfnis der Kinder nach Gleicherhaltung der dinglichen Umwelt ‚Zwangsritualismus’ ab, der nur sehr schwer zu durchbrechen sei und für die Kinder ständige Wiederholungen der Erfahrungen aus der Umwelt bedeutet.
Anhand der beiden eben von mir beschriebenen Grundsymptome lassen sich im nächsten Schritt 4 Sekundärsymptome ableiten, die diese Kinder mit frühkindlichem Autismus näher beschreiben.
1. Die Sprachentwicklung bei diesen Kindern ist in einer gewissen Art und Weise gestört. Zunächst bleibt die Sprachentwicklung jahrelang aus und Nissen ist der Ansicht, „daß 2/3 der Kinder, wenn auch teilweise um Jahre verzögert, sprechen lernen, während 1/3 immer stumm bleibt“[13] und sich die Sprache bis zum 20. Monat normal entwickele und dann ausbleiben könne.
[...]
[1] Feuser, 1977, S. 34
[2] Feuser, 1977, S. 9
[3] Feuser, 1977, S. 42
[4] zitiert nach Bosch, 1962, S. 45
[5] Feuser, 1977, S. 61
[6] Feuser, 1977, S. 3
[7] Remschmidt, 2000, S. 14
[8] Feuser, 1977, S. 40
[9] Feuser, 1977, S. 52
[10] Feuser, 1977, S. 64
[11] Feuser, 1977, S. 64
[12] Feuser, 1977, S. 65
[13] Feuser, 1977, S. 66
- Citar trabajo
- Timo Uhlenbrock (Autor), 2003, Der frühkindliche Autismus als (sonder-)pädagogisches Problem unter Einbeziehung musiktherapeutischer Ansätze, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27228
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