"Im Grunde sah die Wirklichkeit so schrecklich unprofessionell aus, daß wir nicht an sie glauben mochten. Man hatte das - man verzeihe den Ausdruck - tausendmal besser gesehen."
Die Ereignisse vom 11. September 2001 kamen einen zu weilen wirklich wie ein schlechter Katastrophenfilm vor. Wackelnde Kameras, um die Bilder authentischer wirken zu lassen, schreiende, weglaufende Menschen und dann erst der Plot: Böse Islamisten kapern Flugzeuge, um damit das World Trade Center zum Einsturz zu bringen. Das Drehbuch hätte es wahrscheinlich nicht bis nach Hollywood geschafft. Jedoch ist dies alles, wie wir wissen, tatsächlich passiert und der Katastrophenfilm, wie schlecht er einem auch vorgekommen mag, war die Realität. Absolut live und spektakulär. Reality-TV.
Mit der Thematik des medienpädagogischen Umgangs und der Verantwortung des deutschen Fernsehens bei der Berichterstattung zu den Anschlägen am 11. September beschäftigt sich der Autor Timo Uhlenbrock.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung, Begriffsbestimmung, Abgrenzung
Exkurs: Zu den Ereignissen vom 11.09.01 in den USA
2. Das Fernsehen und der 11. September 2001
2.1. Verarbeitung der Anschläge im Fernsehen; Der Terror als Medienevent
2.2. Angst und Hilflosigkeit als Produkt der Berichterstattung vom 11.09.01?
3. Wirkung der Bilder vom 11.09.01 auf Kinder
3.1. Fernsehnutzung und Fernsehwirkung von Kindern
3.2. Verantwortlichkeit des Informationsfernsehens gegenüber Kindern: Gewaltvolle sich wiederholende Bilderflut statt ausreichende Informationen und Aufklärung?
3.3. Die Ereignisse des 11.09.01 in den Nachrichten: Wie gehen unsere Kinder damit um?
4. Fazit, Konkretion, Ausblick
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung, Begriffsbestimmung, Abgrenzung
"Im Grunde sah die Wirklichkeit so schrecklich unprofessionell aus, daß wir nicht an sie glauben mochten. Man hatte das - man verzeihe den Ausdruck - tausendmal besser gesehen."[1]
Die Ereignisse vom 11. September 2001 kamen einen zu weilen wirklich wie ein mittelmäßiger Katastrophenfilm vor. Wackelnde Kameras, um die Bilder authentischer wirken zu lassen, schreiende, weglaufende Menschen und dann erst der Plot: Böse Islamisten kapern Flugzeuge, um damit das World Trade Center zum Einsturz zu bringen. Das Drehbuch hätte es wahrscheinlich nicht bis nach Hollywood geschafft. Jedoch ist dies alles, wie wir wissen, tatsächlich passiert und der Katastrophenfilm, wie schlecht er einem auch vorgekommen mag, war die Realität. Absolut live und spektakulär. Reality-TV.
In Deutschland war es kurz nach drei, als die meisten Sender ihr laufendes Programm unterbrachen, um uns laufend die neusten Meldungen aus den USA zukommen zu lassen. Jeder in Deutschland konnte live dabei sein, als sich verzweifelte Menschen aus den Türmen des World Trade Centers in den Tod stürzten, als mit Staub überschüttete Menschen apathisch ihre Angehörigen suchten und als Georg W. Bush verkündete, dass es sich um einen Terroranschlag handelte. Anschließend folgten minutenlange Wiederholungen der Aufnahmen, in denen die Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers flogen. Und mit größter Wahrscheinlichkeit wohnten dem „Spektakel“ auch eine ganze Menge Kinder am Bildschirm bei.
In der folgenden Arbeit möchte ich die deutsche Berichterstattung im Fernsehen vom 11. September 2001 kritisch betrachten und in dem Zusammenhang die Wirkung solcher Katastrophenbilder auf Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren untersuchen, um anschließend die Frage zu beantworten, ob und in welcher Weise die Sender einer Verantwortung gegenüber den Kindern nachgekommen sind oder nicht, denn „für viele US- Amerikaner dominieren reale Bezüge zu den Orten des Schreckens, für uns aber ist das Entsetzen primär Resultat eines Medienereignisses.“[2] Und gerade aus diesem Grund sollte man sehr kritisch mit dem Gezeigten umgehen.
Zum Abschluss dieser medienethisch- pädagogischen Auseinandersetzung möchte ich außerdem noch versuchen zu klären, ob durch die Art und Weise der Berichterstattung nicht vielmehr die Ängste der Kinder geschürt wurden anstatt das versucht wurde sie zu beruhigen.
Exkurs: Am 11. September des Jahres 2001 kollidierte eine Boeing 767 der American Airlines um 8:45 Ortszeit mit dem Nordturm des World Trade Centers in New York und explodiert. Nur wenige Minuten nach dem Einschlag, der den Nordturm in Brand gesetzt hatte, rückten die ersten Einheiten der New Yorker Feuerwehr an und richteten im Erdgeschoß des Turmes ihre Einsatzzentrale ein. Als dann eine Viertelstunde später, um 9:03 Uhr Ortszeit, eine weitere Boeing 767 der United Airlines in dem Südturm des Word Trade Centers hineinraste, wurde klar, dass es sich wahrscheinlich um keinen Zufall handelte. Vierzig Minuten nach dem zweiten Einschlag in das World Trade Center stürzte gegen 9:43 Uhr eine Boeing 737 in das Pentagon.
Um 10:05 stürzte der Südturm des World Trade Centers vor laufenden Kameras in sich zusammen. Etwa 20 Minuten später, um 10:28, stürzte auch der Nordturm des World Trade Centers ein. Zum Zeitpunkt des Einsturzes waren beide Türme oberhalb der Einschlagsstockwerke bei weitem noch nicht evakuiert. Um 10:29 stürzte schließlich eine Boeing 757 der United Airlines in der Nähe von Pittsburgh über unbewohntem Gebiet ab.
Um 13:27 wurde in Washington und New York der Notstand ausgerufen und US-Präsident Bush erklärte in einer ersten Stellungnahme dem Terrorismus den Krieg.
Insgesamt forderten die Terroranschläge über 5000 Todesopfer.
2. Das Fernsehen und der 11. September 2001
2.1. Verarbeitung der Anschläge in den visuellen Medien; Der Terror als Medienevent.
Die Anschläge vom 11.09 haben die Dimensionen, nicht nur gesellschaftlich, sondern auch für das Medium Fernsehen vollkommen gesprengt, „denn das Fernsehen war, ohne Möglichkeit der „Gegenwehr“ konsequent in die teuflische Dramaturgie der Terroristen eingebunden, mit dem alleinigen Zweck nahezu weltweit Angst und Schrecken zu erzeugen.“[3]
Nachdem das erste Flugzeug in den Nordturm des World Trade Centers geflogen war und es sich um eine mittlere Katastrophe zu handeln schien, war es klar und von den Terroristen so kalkuliert, dass die Kameras auf die „Unglücksstelle“ gerichtet sein würden und die große Katastrophe, der zweite Angriff, nun von Millionen Menschen mitverfolgt werden konnte. So startete ab dem Zeitpunkt des ersten Angriffs ein Medienevent sondergleichen, welches sich „über Stunden hinzog und in seiner Dramaturgie an eine griechische Tragödie erinnerte.“[4]
Angefangen mit den Abstürzen der Flugzeuge in die Türme, über die folgenden Abstürze ins Pentagon und der vierten Passagiermaschine, dem Einsturz der beiden Türme und die in dem Zusammenhang stehende „Gewalt der Bilder“ hinsichtlich oft gezeigter Wiederholungsschleifen der Ereignisse und verletzter, paralysierter Menschen war „die Trennung zwischen Realität und Fiktion… nicht mehr gegeben und gerade für Kinder wirkt eine derartige Situation besonders bedrohlich.“[5] Ebenso konnte man sich den Bildern vom 11. September nur schwer entziehen, da fast alle Fernsehanstalten ihr laufendes Programm unterbrachen und sozusagen nahezu gleichgeschaltet die neusten Bilder aus den USA zeigten.
Und jedes Mal, wenn man die Bilder vom 11. September sah, musste man unwillkürlich an das Kino denken, da uns „Hollywood…längst eine höchst detailreiche Ikonographie der Katastrophe vorexerziert“[6] hatte. Sei es, das uns die flüchtenden Menschen vor der Staubwolke der eingestürzten Türme uns wie aus den Emmerich- Inszenierungen (Roland Emmerich, Regisseur) INDEPENDENCE DAY oder GODZILLA vorkamen[7] oder das „das Phänomen der verwackelten Amateurvideo-Bilder als Beweis von Authentizität der Hollywood-Film ebenfalls schon als ästhetisches Mittel vereinnahmt“[8] hatte. Genauso vertraten einige Autoren die Meinung, dass die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 unter anderem ein Produkt der Massenmedien[9] waren, da ohne die Operationen des Systems der Massenmedien die Ereignisse nicht möglich gewesen wären. Ohne den Medien die Schuld oder Verantwortung der Anschläge zuzuschreiben kamen diese Autoren jedoch zu der Ansicht, dass die Existenz der Massenmedien eine Voraussetzung für die Anschläge darstellte, weil diese erst den grenzenlosen Informationsfluss ermöglichten, dass sie lokale Konflikte zu globalen werden lassen konnten und das die selbstmörderischen Taten der Terroristen sich nur deswegen gelohnt haben, weil sie ein globales Publikum hatten.[10]
Gerade wir in Europa waren zudem noch abhängig von den Bildern, die uns die amerikanischen Sender zuspielten, sodass „das Fernsehen [für uns das] Medium der Stunde“[11] war und an diesem Tag, wie auch an anderen Tagen das „was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen,…wir durch die Massenmedien“[12] wussten. Dieses spiegeln auch die Zahlen von fast 80 Millionen Fernsehzuschauern in den USA wieder und „in der BR Deutschland erreichten ARD und RTL am 11. September mit Quoten von zwischen 7,8 und 9,9 Millionen bzw. 5,7 Millionen Zuseher Marktanteile im Bereich von jeweils 20 Prozent.“[13] Dementsprechend stellte der Terror vom 11.09.01 ein grausames, von den Terroristen sehr gut geplantes „Medienevent“ dar, welchem man sich eigentlich nicht entziehen konnte.
[...]
[1] Michael Althen, 2002
[2] Peter Filzmaier, 2001.
[3] Peter Vitouch, 2001.
[4] A.a.O.
[5] A.a.O.
[6] Michael Staiger, 2002
[7] Vgl. ebd.
[8] Ebd.
[9] „ Definition, Bedeutung, Erklärung: Massenmedien sind alle Einrichtungen der Gesellschaft, die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen. (Niklas Luhmann) Traditionellerweise werden Presse, Hörfunk und Fernsehen als Massenmedien bezeichnet. Ihre gemeinsamen Merkmale sind nach Maletzke, dass sie sich über ein technisches Verbreitungsmittel, indirekt und einseitig an ein disperses Publikum wenden. Massenmedien stellen Massenkommunikation her, die von der Individualkommunikation zu unterscheiden ist. Die Bezeichnung wurde im angelsächsischen Bereich in den 1920er Jahren mit dem Aufkommen des Rundfunks, der Massenblätter und -zeitschriften geprägt. Die Kommunikation in den Massenmedien verläuft apersonal, d.h. ohne personal vermittelte Interaktion (vgl. Predigt). Im Zeitalter von Computer und Internet spricht man so von elektronisch vermittelter Interaktivität. Auf der Seite des "Senders" steht der Kommunikator. Der Beobachter und Reflektor der Wirklichkeit. Dieser richtet seine Aussagen für jedermann zugänglich an die Öffentlichkeit. Kommunikatoren sind die Journalisten, Schriftsteller, Künstler usw. Insbesondere in der politischen Kommunikation kommt den Journalisten eine besondere Bedeutung hinsichtlich Auswahl und Aufbereitung des Stoffs zu (Gatekeeping). Dabei unterscheidet man den neutralen Berichterstatter, der Informationen übermittelt Investigator, den Spürhund, den Oberlehrer und den Missionar, schließlich den Advokat, der für bestimmte benachteiligte Gruppen eintritt (Denis McQuail) Die andere Seite bildet das Publikum, Leser, Hörer oder Zuschauer, die anonyme raum-zeitlich verstreut und heterogene Masse.“ Aus http://www.net-lexikon.de.
[10] Vgl.z.B. Luhmann, 1996.
[11] Die Woche vom 05. Oktober 2001, S. 22.
[12] Ebd.
[13] Peter Filzmaier, 2001
- Arbeit zitieren
- Timo Uhlenbrock (Autor:in), 2003, Die Verantwortung des deutschen Fernsehens gegenüber Kindern während der Berichterstattung zu den Anschlägen des 11. September , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27182
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