Ziel der Hausarbeit ist die Erörterung der platonischen Seelen- und Tugendlehre und der Aufweis von Bezügen zur Mesotes-Lehre des Aristoteles. Dazu wird zunächst Platons These diskutiert, wonach die Seele die ihr eigentümliche Aufgabe, ein glückliches Lebens zu führen nur dann realisieren kann, wenn sie gerecht ist. In diesem Zusammenhang werden auch Überlegungen zu den zentralen Begriffen „Tugend“ und „Gerechtigkeit“ angestellt. Im Anschluss daran wird die Seelenlehre Platons, wie sie schwerpunktmäßig im 4. Buch der Politeia ausgearbeitet ist, erörtert. Es wird gezeigt, wie Platon die Tugenden und die Teile der Seele aus dem Modell eines zuvor konstruierten gerechten Staates ableitet. Die Seelenteile werden anhand des Modells der Polisentstehung (368b-372c) erläutert und es wird auf Schwierigkeiten bei der Interpretation des zweiten Seelenteils (der thymoeides) hingewiesen. Es wird vorgeschlagen, thymoeides als Aggressivität aufzufassen und dieser Vorschlag wird anhand der in 440b bis 441b angeführten Kriterien überprüft.
Im zweiten Teil wird zunächst das Verhältnis der Seelenteile untereinander erörtert. Dabei wird die Rolle der Vernunft, die Platon als praktisches Wissen dessen, wie man mit sich selbst und anderen am besten umgeht (428d) gedeutet als die Kenntnis des rechten Maßes derjenigen Handlungsdispositionen (Charaktereigenschaften), die in einer konkreten Situation entscheidungsrelevant sind. Im Weiteren wird der Begriff des rechten Maßes näher bestimmt. Platon scheint eine Art von Fließgleichgewicht im Sinne zu haben, wenn man z.B. 470a-471c zugrundelegt, wo er je nach den herrschenden Umständen (Krieg gegen Hellenen vs. Krieg gegen Barbaren) unterschiedliche Ausprägungen von Aggressivität als tugendhaft ausweist. Diese Auffassung als Fließgleichgewicht impliziert die Möglichkeit verschiedener Schwerpunkte: so kann eine Handlung auch dann tugendhaft sein, wenn einer der "niederen" Seelenteile überwiegt, sofern die konkreten Umstände es erfordern. An dieser Stelle kann ein Bezug zur Mesotes-Lehre hergestellt werden, denn Aristoteles denkt in seinem Begriff des „Mittleren“ (mesotes) die äußeren Umstände mit: das Mittlere ist kein arithmetische Wert, sondern das Beste, was man in einer konkreten Situation erreichen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Seelenlehre im vierten Buch der Politeia
- Schwierigkeiten bei der Übersetzung des dritten Seelenteils (thymoeides)
- Die doppelte Natur des Menschen
- Aristoteles' Lehre vom mittleren Maß
- Wurzeln der mesotes-Lehre bei Platon
- Das vernünftige Maß
- Zusammenfassung und Diskussion
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Vergleich der platonischen und aristotelischen Positionen zur Frage, was einen gerechten oder tugendhaften Menschen ausmacht und welche Rolle der Vernunft dabei spielt. Dabei wird Platons Seelenlehre aus der Politeia im Zentrum der Betrachtung stehen, um die zentralen Begriffe der platonischen Tugendlehre, insbesondere die Gerechtigkeit, zu erörtern und aufzuzeigen, weshalb der tugendhafte Mensch ein besseres Leben führt als der nicht tugendhafte Mensch. Die Arbeit wird Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der platonischen und aristotelischen Lehre aufzeigen und die zentrale These vertreten, dass Platons Denkfigur von der doppelten Natur des Menschen zugleich die Grundlage der aristotelischen Tugendlehre ist.
- Vergleich der platonischen und aristotelischen Positionen zur Gerechtigkeit und Tugendhaftigkeit
- Analyse der platonischen Seelenlehre aus der Politeia
- Erörterung der zentralen Begriffe der platonischen Tugendlehre, insbesondere der Gerechtigkeit
- Untersuchung der Rolle der Vernunft in der platonischen und aristotelischen Philosophie
- Bedeutung der doppelten Natur des Menschen in der platonischen und aristotelischen Philosophie
Zusammenfassung der Kapitel
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Die Einleitung stellt die Frage nach dem guten Leben und die Bedeutung der Vernunft im antiken Denken dar. Sie führt die beiden Hauptthemen der Arbeit ein: die platonische und die aristotelische Position zur Gerechtigkeit und Tugendhaftigkeit. Die Arbeit zielt darauf ab, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Philosophen aufzuzeigen und die Rolle der Vernunft in der Verwirklichung eines guten Lebens zu erörtern.
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Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Platons Seelenlehre im vierten Buch der Politeia. Es wird gezeigt, wie Plato die Tugenden Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit auf das Modell des idealen Staates überträgt. Dabei wird die Rolle der Vernunft als regulierende Kraft im Verhältnis zu den anderen Seelenteilen, dem begehrenden und dem narzißtischen Teil, hervorgehoben.
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Das dritte Kapitel widmet sich den Schwierigkeiten bei der Übersetzung des dritten Seelenteils, dem "thymoeides". Der Begriff wird analysiert und es wird argumentiert, dass "Stolz" eine geeignetere Übersetzung als "Muthafte" oder "Tatkraft" darstellt. Es wird darauf hingewiesen, dass Platon den Begriff "thymoeides" bewusst wählte, um die doppelte Natur des Menschen als Synthese von Sinnlichkeit und Vernunft zu verdeutlichen.
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Das vierte Kapitel befasst sich mit der doppelten Natur des Menschen nach Platon. Es wird gezeigt, dass der Mensch von Natur aus ein Doppelwesen ist, das mit Sinnlichkeit und Vernunft ausgestattet ist. Die Vernunft wird als Vermögen beschrieben, das den Blick nach oben, hin zu den Ideen, richtet. Der Mensch kann sich entscheiden, ob er das Animalische oder das Göttliche in seinem Wesen verwirklicht. Die Ungerechtigkeit wird als schädlich dargestellt, weil sie die animalische Natur stärkt und das Göttliche verkümmern lässt.
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Das fünfte Kapitel stellt Aristoteles' Lehre vom mittleren Maß vor. Es wird gezeigt, wie Aristoteles die Tugendlehre am Vorbild der Medizin entwickelt und das mittlere Maß als den wünschenswerten Zustand zwischen Mangel und Übermaß darstellt. Die richtige Dosis ist nicht statisch, sondern muss der jeweiligen Situation angepasst werden.
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Das sechste Kapitel zeigt, wie Platons Ideen zur Gerechtigkeit und zur Unterscheidung zwischen notwendigen und nicht notwendigen Bedürfnissen die Wurzeln der aristotelischen mesotes-Lehre bilden. Es wird argumentiert, dass Platon das Begehren als einen Mangelzustand beschreibt, der durch die Verwirklichung der natürlichen Anlagen ausgeglichen werden muss. Die Verwirklichung der natürlichen Anlagen wird als ein notwendiger Zustand für ein gutes Leben betrachtet.
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Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit dem vernünftigen Maß und erläutert, wie Platon das Mehrwollen, die Pleonexie, als die größte Gefahr für die Gerechtigkeit betrachtet. Es wird die Frage gestellt, warum Platon nur Abweichungen in Richtung des Zuviel, nicht aber in Richtung des Zuwenig betrachtet. Es wird argumentiert, dass Platon die Privation der Vernunft, nicht aber die der "niederen" Seelenteile im Blick hat.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Seelenlehre bei Platon und Aristoteles, die Tugendlehre, die Gerechtigkeit, die Vernunft, die doppelte Natur des Menschen, die mesotes-Lehre, das mittlere Maß, das Mehrwollen, die Pleonexie, die Privation, die Idiopragieformel, die Tugenden Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit, sowie die Beziehung zwischen der menschlichen Natur und dem Göttlichen.
- Quote paper
- Werner Müller (Author), 2012, Seelen- und Tugendlehre bei Platon und Aristoteles, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271746
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