Hauptschüler. Das sind die, die am Ende der Grundschulzeit aussortiert werden, die, die es
nicht auf die Realschule schaffen. Die Hauptschule ist für viele Eltern zu einem Ort geworden, an dem sie ihre Kinder nicht sehen wollen und vielen Politikern ein Dorn im Auge.
Es wird viel diskutiert in Politik, Öffentlichkeit und Medien über das Schulsystem, über die Mehrgliedrigkeit der Schulen, Ganztagsschulen und das Einheitsabitur. Viele Politiker reden am liebsten über die Hauptschule, weil sie abgeschafft werden soll - und tatsächlich nimmt die Zahl der Schüler an Hauptschulen beständig ab (vgl. Schumann 2006: 74).
Über die Hauptschüler selbst wird wenig geredet. Wenn man über sie redet, dann im Zusammenhang mit überforderten Lehrern, Gewalt an Schulen und Klassen, in denen überwiegend Migrantenkinder ohne Deutschkenntnisse und Chancen zu finden sind. Die Hauptschule scheint weniger eine Schule, als vielmehr ein soziales Auffangbecken zu sein. Doch wer sind
diese Hauptschüler überhaupt? [...]
Hauptschüler. Das sind die, die am Ende der Grundschulzeit aussortiert werden, die, die es nicht auf die Realschule schaffen. Die Hauptschule ist für viele Eltern zu einem Ort geworden, an dem sie ihre Kinder nicht sehen wollen und vielen Politikern ein Dorn im Auge. Es wird viel diskutiert in Politik, Öffentlichkeit und Medien über das Schulsystem, über die Mehrgliedrigkeit der Schulen, Ganztagsschulen und das Einheitsabitur. Viele Politiker reden am liebsten über die Hauptschule, weil sie abgeschafft werden soll - und tatsächlich nimmt die Zahl der Schüler an Hauptschulen beständig ab (vgl. Schumann 2006: 74). Über die Hauptschüler selbst wird wenig geredet. Wenn man über sie redet, dann im Zusammenhang mit überforderten Lehrern, Gewalt an Schulen und Klassen, in denen überwiegend Migrantenkinder ohne Deutschkenntnisse und Chancen zu finden sind. Die Hauptschule scheint weniger eine Schule, als vielmehr ein soziales Auffangbecken zu sein. Doch wer sind diese Hauptschüler überhaupt? Im vergangenen Schuljahr gab es rund 704.000 Hauptschüler in Deutschland. Überdurchschnittlich viele von ihnen - nämlich rund 19 Prozent mit steigender Tendenz - sind Migranten oder kommen aus Familien mit Migrationshintergrund. Ein Großteil der Schüler, ob nun Migrantenkinder oder nicht, kommt aus sogenannten bildungsfernen Familien - also Familien, in denen die Eltern keine oder nur niedrige Abschlüsse haben und entsprechend Tätigkeiten nachgehen, die keine hohen Qualifikation erfordern. Hauptschüler lernen in kleineren Klassen als andere Schüler und verursachen höhere Kosten (vgl. Statistisches Bundesamt 2012). Sie werden intensiver betreut und erhalten vor allem Projektunterricht, eine Maßnahme, die verschiedene Fächer miteinander verbindet, die Starrheit der Unterrichtseinheiten auflöst und mehr praktisches Arbeiten und Denken verlangt. Ein Konzept, das an vielen Hauptschulen nicht unerfolgreich ist und besser mit den Schwächen und Lernproblemen der Schüler umgehen kann. Schaut man sich die schulischen Leistungen der Hauptschüler an, biedert sich der Gedanke an, dass die Hauptschule in erster Linie ein Platz für lernschwache Kinder ist, die von emsigen Bildungsinstitutionen auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen - oft vergeblich. Doch dies ist eben nur die halbe Wahrheit. Objektiv betrachtet sind Hauptschüler mitnichten dümmer oder weniger leistungsbereit als andere Schüler. Allerdings haben sie die wesentlich schlechteren Ausgangsbedingungen: Eltern mit geringem Einkommen und niedrigen Bildungsabschlüssen können sich keine Nachhilfe leisten, keinen frühkindlichen Musikunterricht und können oft nicht helfen bei den Hausaufgaben. Vielen Kindern fehlen daneben einfach Vorbilder, die ihnen zeigen, wie man lernt und konzentriert arbeitet oder dass es eine Menge interessante Bücher gibt (deren Lektüre die Lese- und Rechtschreibkompetenzen unheimlich fördern würde). Schüler aus Familien mit Migrationshintergrund, nicht selten hin- und hergerissen zwischen zwei Kulturen, beherrschen zwar oft zwei Sprachen, allerdings beide nicht richtig. Ihre mit der Integration und deutschen Behörden kämpfenden Eltern können ihren Kindern nicht immer die passenden Kompetenzen vermitteln, die sie in der deutschen Kultur benötigen. Hauptschüler sind oft deswegen so perspektivlos, da das deutsche Bildungssystem hochsensibel ist für die soziale Herkunft eines Kindes. Entsprechend kommt ein Kind aus einem Akademikerhaushalt selbst bei nicht komplett überzeugenden Noten in der vierten Klasse auf das Gymnasium, während das Migrantenkind aus einer sozial schwachen Familie auf der Hauptschule besser aufgehoben zu sein scheint, auch bei vergleichbaren Zensuren. Das heißt: gerade Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern werden in die Schulform ausselektiert, die die wenigsten Kompetenzen zu vermitteln scheint. Hinzu kommt, dass nicht nur Migranten, sondern auch Hauptschüler als Gruppe stigmatisiert werden. Als dumm, faul, unsozial. Perspektivlos. Viele Ausbildungsbetriebe, die über das stetig sinkende Niveau von Lehrstellenbewerbern klagen, stützen diese Einschätzung. Viele Unternehmen sind derart abgeschreckt von den Leistungen ihrer Bewerber, dass Ausbildungsstellen sogar unbesetzt bleiben (vgl. Weingardt 2009: 69). Es ist durchaus vorstellbar, dass Schüler, denen schlechte Leistungen und mangelhaftes Sozialverhalten als Pauschalurteil gesellschaftlich zugeschrieben werden, dies auf ihre eigene Leistungsbereitschaft und schulische Motivation übertragen. Dabei betrifft das Kernproblem nicht vor allem Schüler, die eben nicht gut lernen können und wollen, sondern es handelt sich um ein zutiefst soziales Problem: es gibt in Deutschland eine nicht gerade geringer werdende Anzahl von Menschen, die einfach nicht mehr gebraucht werden vom Arbeitsmarkt. Personen ohne Abschlüsse, niedrig Qualifizierte, Hauptschüler. Die deutsche Arbeitswelt differenziert sich weiter aus, professionalisiert sich. Gefragt sind immer spezialisiertere und hochqualifizierte Arbeitskräfte, die die Technisierung und Automatisierung selbst weiter vorantreiben. Niedrigqualifizierte Arbeiter haben in dieser Welt bald keinen Platz mehr, es wird eng. Hinzu kommt, dass Hauptschüler vor allem produktorientierte Tätigkeiten ausüben, also Berufe, in denen hergestellt, repariert und direkt mit Maschinen gearbeitet wird. Hauptschüler sind oft Handwerker. Gerade dieses Segment verliert allerdings schon seit Jahrzehnten langsam, aber stetig an Bedeutung, zugunsten von Bürotätigkeiten und Dienstleistungen. Zwar wird es sicherlich auch noch in 20 Jahren Dachdecker, Fliesenleger und Bäcker geben, allerdings sind solche Berufe zunehmend der Konkurrenz von oben ausgesetzt, also durch Absolventen mit etwas höheren Abschlüssen.
Wenn Hauptschüler sich um eine Ausbildungsstelle bewerben, müssen sie stets auch mit Personen konkurrieren, die einen höheren Abschluss haben als sie selbst. Schuld daran ist die seit den 1970ern in Deutschland stattfindende Bildungsexpansion. Sehr viele Schüler machen Abitur, doch nicht alle Abiturienten möchten studieren, folglich bewerben diese sich auf Ausbildungsstellen, die vormals Realschülern Vorbehalten waren. Diese wiederum fassen nun Ausbildungsberufe ins Auge, für die auch Hauptschulabschlüsse akzeptiert werden und nehmen so vielen Hauptschülern Lehrstellen weg. Selbst mit guten Noten muss ein Hauptschüler schon sehr überzeugend sein, um sich gegen einen Realschüler durchsetzen zu können. Hauptschüler sind die, die keiner gerne nimmt. Sicherlich gibt es zahlreiche Hauptschüler, die gute schulische Leistungen vorweisen können - so oder so aber eilt ihr Ruf ihnen voraus, die Stigmatisierung haftet gut. Die Berufswahl, für viele eine durchaus spannende Phase, wird für Hauptschüler so schnell zur Qual. Zum einen machen Hauptschüler ihren Abschluss bereits in der neunten Klasse und müssen damit eine so wichtige Entscheidung wie die Berufswahl viel früher treffen als Abiturienten, die bis zum Abitur die Pubertät weitestgehend hinter sich lassen können. Hauptschüler dagegen legen ihre Abschlussprüfung in einer Zeit ab, in der sie vielleicht noch immer den hormonellen Schwankungen der Pubertät unterliegen und noch keine vollständig ausgereifte Identität entwickelt haben (insofern man überhaupt davon sprechen kann). Problematisch für Hauptschüler ist ebenso ihre eingeschränkte Wahlfreiheit. Hauptschulabsolventen können eben nicht zwischen einer breiten Palette von Berufen wählen. In Deutschland gibt es rund 5.000 Studiengänge, zwischen denen Abiturienten sich entscheiden können. Für Hauptschüler kommen nach Bergmann/ Selka (2005) nicht mehr als 40 Ausbildungen in Frage. Einige davon, wie Fleischer, Bäcker, Gebäudereiniger oder Fachverkäufer im Nahrungsmittelhandwerk, sind noch immer mehrheitlich von Hauptschülern besetzt. In den meisten anderen Berufen allerdings naht bereits die Konkurrenz aus den Realschulen. Die Berufswahl wird für Hauptschüler so zu einer anstrengenden Berufssuche mit bescheidenen Erfolgsaussichten. Viele der Ausbildungen, die Hauptschülern grundsätzlich offen stehen, zeigen typisch männliche Berufsbilder: Dachdecker, Maler, Straßenbauer,
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- Arbeit zitieren
- Sabine Oettrich (Autor:in), 2012, Ausbildung gesucht. Über die Problematik der Berufswahl von Hauptschülern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271594
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