Die Soziologie als genereller Begriff befasst sich in ihren diversen Aufgabenbereichen sowohl mit der Gesellschaftsbildung und ihrer Analyse als auch mit der Einbindung des Individuums in die Gesellschaft. Des Weiteren existiert eine große Anzahl an Teilgebieten wie beispielsweise die Sozialpsychologie, welche die Auswirkungen der von anderen Menschen konstruierten Realität auf das Erleben und Verhalten des Individuums erforscht (Smith/Mackie 1999: S. 14ff.), oder auch die Politische Soziologie, welche die Wechselwirkungen zwischen Politik und Gesellschaft untersucht. Ein weiterer Teilbereich ist die Wissenssoziologie, welche sich mit der Entstehung und Verbreitung sowie der Bewahrung von Wissen und Erkenntnis innerhalb von Gruppen und Gesellschaften beschäftigt. Sie geht davon aus, dass jedes Wissen und jede Erkenntnis sozial konstruiert ist und nur in diesem Kontext erschlossen werden kann (Maasen 2009: S. 34). Viele Soziologen und Theoretiker publizierten Arbeiten zu diesem Thema, wobei sich im Laufe der Zeit eine Abkehr von der „klassischen“ Wissenssoziologie Karl Mannheims oder auch Max Schelers bemerken ließ. (Maasen 2009: S. 9f.) Ihr Gegenstand galt der Untersuchung des Geistes, also dem menschlichen Sein und Bewusstsein, sowie unterschiedlicher Weltanschauungen in Bezug auf die Gesellschaftsbildung (Maasen 2009: S. 18). Vorreiter des „neuen“ Verständnisses der Wissenssoziologie sind dagegen Peter L. Berger und Thomas Luckmann, die in ihrem Werk „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie“ von 1969 fordern, die Wissenssoziologie von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Sie kritisieren die Engstirnigkeit ihrer Vorläufer bezüglich des eingeengten Untersuchungsgegenstandes. Ihrer Meinung nach solle der Blick viel mehr auf alltägliches Wissen als auf theoretisches Wissen gerichtet werden, da Alltagswissen den wichtigeren Teil der gesellschaftlichen Konstruktion der Realität ausmache als Theorien und Weltanschauungen (Berger/Luckmann 1969: S. 16). Gesellschaft an sich ist nach Berger und Luckmann als Produkt des dialektischen Prozesses zwischen Externalisierung, Objektivation und Internalisierung zu verstehen (Maasen 2009: S. 43). Eine zentrale These ihrer Arbeit lautet dabei wie folgt:
„Identität ist also objektiv als Ort in einer bestimmten Welt gegeben, kann aber subjektiv nur zusammen mit dieser Welt erworben werden.“ (Berger/Luckmann 1969: 142f.)
Einleitung
Die Soziologie als genereller Begriff befasst sich in ihren diversen Aufgabenberei- chen sowohl mit der Gesellschaftsbildung und ihrer Analyse als auch mit der Einbin- dung des Individuums in die Gesellschaft. Des Weiteren existiert eine große Anzahl an Teilgebieten wie beispielsweise die Sozialpsychologie, welche die Auswirkungen der von anderen Menschen konstruierten Realität auf das Erleben und Verhalten des Individuums erforscht (Smith/Mackie 1999: S. 14ff.), oder auch die Politische Sozio- logie, welche die Wechselwirkungen zwischen Politik und Gesellschaft untersucht. Ein weiterer Teilbereich ist die Wissenssoziologie, welche sich mit der Entstehung und Verbreitung sowie der Bewahrung von Wissen und Erkenntnis innerhalb von Gruppen und Gesellschaften beschäftigt. Sie geht davon aus, dass jedes Wissen und jede Erkenntnis sozial konstruiert ist und nur in diesem Kontext erschlossen werden kann (Maasen 2009: S. 34). Viele Soziologen und Theoretiker publizierten Arbeiten zu diesem Thema, wobei sich im Laufe der Zeit eine Abkehr von der „klassischen“ Wissenssoziologie Karl Mannheims oder auch Max Schelers bemerken ließ. (Maasen 2009: S. 9f.) Ihr Gegenstand galt der Untersuchung des Geistes, also dem menschli- chen Sein und Bewusstsein, sowie unterschiedlicher Weltanschauungen in Bezug auf die Gesellschaftsbildung (Maasen 2009: S. 18). Vorreiter des „neuen“ Verständnis- ses der Wissenssoziologie sind dagegen Peter L. Berger und Thomas Luckmann, die in ihrem Werk „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie“ von 1969 fordern, die Wissenssoziologie von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Sie kritisieren die Engstirnigkeit ihrer Vorläufer be- züglich des eingeengten Untersuchungsgegenstandes. Ihrer Meinung nach solle der Blick viel mehr auf alltägliches Wissen als auf theoretisches Wissen gerichtet wer- den, da Alltagswissen1 den wichtigeren Teil der gesellschaftlichen Konstruktion der Realität ausmache als Theorien und Weltanschauungen (Berger/Luckmann 1969: S. 16). Gesellschaft an sich ist nach Berger und Luckmann als Produkt des dialekti- schen Prozesses zwischen Externalisierung, Objektivation und Internalisierung zu verstehen (Maasen 2009: S. 43). Eine zentrale These ihrer Arbeit lautet dabei wie folgt:
„Identität ist also objektiv als Ort in einer bestimmten Welt gegeben, kann aber subjektiv nur zusammen mit dieser Welt erworben werden.“ (Ber- ger/Luckmann 1969: 142f.)
Ausgehend von dieser These werde ich mich mit den Begriffen Identität und Soziali- sation befassen. Ich werde mich dabei hauptsächlich auf die im Lektürekurs zur Verfügung gestellte Seminarliteratur von Berger und Luckmann beziehen. Zusätzlich widme ich mich vertiefend den Ausführungen George Herbert Meads, einem USamerikanischen Philosophen und Sozialpsychologen († 1931), den Arbeiten Heinz Abels, einem deutschen Soziologen (* 1943), sowie den Theorien einiger anderer, um die Thesen von Berger und Luckmann näher zu beleuchten.
Das begrenzte Volumen dieses Essays verbietet es mir, detaillierter in die klassische Wissenssoziologie oder in die Unterschiede zur „neuen“ Wissenssoziologie einzu- tauchen sowie das Werk von Berger und Luckmann noch genauer zu untersuchen, allerdings sind diese Themen für diese Arbeit auch nicht weiter von Relevanz. Das Ziel dieses Essays ist, die Prozesse der Sozialisation und der daraus resultierenden Identitätsbildung zu erläutern. Ich werde zusätzlich neben der subjektiven Welt auch die objektive Wirklichkeit kurz darstellen und die Relevanz von sozialen Rollen in der Gesellschaft erläutern.
Identität und Sozialisation - Gesellschaft als subjektive Wirklichkeit
Was wird unter Sozialisation verstanden und inwiefern wirkt sie sich auf die Identi- tätsbildung aus? Diesen Fragen kamen einige Soziologen sowie auch eine Anzahl an Psychologen und Pädagogen nach, in dem sie versuchten, den Begriff allgemeingül- tig zu definieren. So findet man in dem klassischen Psychologie-Lehrbuch von Zim- bardo und Gerrig aus dem Jahr 1974 folgende Definition: Sozialisation sei ein „le- benslanger Prozeß der Entstehung individueller Verhaltensmuster, Werte, Maßstäbe, Fähigkeiten und Motive in der Auseinandersetzung mit den entsprechenden Maßstä- ben der Gesellschaft.“ (Zimbardo/Gerrig 1974: S. 798) Nach Melzer wird unter So- zialisation der Prozess verstanden „(...) in dessen Verlauf sich ein Individuum den sozialen Erfordernissen der Umwelt (...) anpasst oder dazu veranlasst wird, indem es sich die Normen der sozialen Umwelt zu eigen macht und lernt, diesen Normen ent- sprechend zu handeln.“ (Melzer: 1976, S.14f)
Berger und Luckmann beginnen in ihren Ausführungen mit der Unterscheidung zwi- schen der objektiven und der subjektiven Welt. Beide Welten, beide Wirklichkeiten, sind Konstruktionen der Gesellschaft. Die Autoren widmen sich zunächst der Erläu- terung der objektiven Wirklichkeit. Schon zu Anfang merken sie an, dass die Gesell- schaftsordnung eine ständige Produktion des Menschen ist (Berger/Luckmann 1966: S. 55). Menschen eignen sich durch sich wiederholende Handlungen und die Ge- wöhnung an diese ein Verhaltensmuster an (Ebd.: S. 56f). Aus dem interaktiven Handeln der Menschen entsteht eine alltagserleichternde Routine. Das habitualisierte Handeln wird generalisiert und löst so eine Institutionalisierung aus. Man kann bei diesem Prozess von einer Objektivation menschlicher Handlungen sprechen, da die gesellschaftlichen Institutionen Produkte menschlichen Handelns sind. So erscheint es als typisch für Person A gegenüber Person B in Situation X nach dem Schema F zu handeln (Ebd.: S. 57f). Die von Menschen objektivierten Handlungen stellen in Form von Institutionen die objektive Wirklichkeit einer Gesellschaft dar (Ebd.: S. 64). Sie sind unerlässlich für menschliches Handeln. Des Weiteren wird jedem Men- schen einer gesellschaftlichen Ordnung eine Rolle2 zugeteilt, also eine gesellschaftli- che Verhaltenstypisierung (Ebd.: S. 79). Berger und Luckmann formulieren übergrei- fend zur subjektiven Wirklichkeit: „Als Träger einer Rolle - oder einiger Rollen - hat der Einzelne Anteil an einer gesellschaftlichen Welt, die subjektiv dadurch für ihn wirklich wird, dass er seine Rollen internalisiert." (Ebd.: S. 78) In dem Bewusstsein eines jeden Menschen die Gesetze und Erwartungen, die den unterschiedlichen Rol- len auferlegt sind. Menschen legitimieren die objektive Wirklichkeit der sozialen Ordnung auf unterschiedlichen Ebenen. Diese jedoch weiter auszuformulieren würde über den Rahmen dieses Essay hinausgehen. Die prägnanteste Ebene sei jedoch kurz erwähnt: Hierbei handelt es sich um die Ebene die der symbolischen Sinnwelten, auf die sich Menschen stützen würden, beispielsweise die Religion in Form einer christ- lich-orthodoxen Kultur. Sinnwelten stellten laut Berger/Luckmann den kausalen Zu- sammenhang aller gesellschaftlich objektivierten und subjektiv wirklichen Sinnhaf- tigkeit her (Ebd.: S.103).
Die subjektive Wirklichkeit hingegen ist ein Produkt der Internalisierung und kein Produkt der Objektivation sozialen Handelns wie die objektive Wirklichkeit. Identität3 entsteht aus der Dialektik von Individuum und Gesellschaft (Ber- ger/Luckmann 1969: S. 186) und ist im Grunde nichts Weiteres als ein prozessuales Produkt von Interaktionen (Luckmann 2007: S. 240). Dabei ist anzumerken, dass die
Begriffe Gesellschaft, Identität und Wirklichkeit nicht voneinander trennbar sind und aus dem gleichen Internalisierungsprozess resultieren (Berger/Luckmann 1969: S. 144). Das Individuum externalisiert sein eigenes selbst in die Gesellschaft, internali- siert diese aber auch gleichzeitig (Ebd.: S. 139). Es muss nicht nur die situative Hal- tung oder Einstellung von Anderen verstehen, es ist außerdem von großer Relevanz, auch die Welt, die die Anderen bewohnen, zu verstehen und deuten zu können. Des Weiteren muss es längere Zeit in Interaktion mit Anderen zu stehen, um sich schließ- lich bewusst zu werden, welche Rolle es in der Gesellschaft einzunehmen hat und wie andere Leute es selbst wahrnehmen (Berger/Luckmann 1969: S. 140). Diese Art der Wahrnehmung geschieht allerdings nicht nur einseitig, es werden die Wahrneh- mung und Identitäten beiderseits wechselseitig beeinflusst und nur wer die Fähigkeit erlangt hat, seinem Umfeld in dieser Art und Weise entgegenzutreten, wird zu einem Mitglied der Gesellschaft (Berger/Luckmann 1969: S. 140). Der Prozess, in dem der Mensch dessen fähig wird, bezeichnen Berger und Luckmann als Sozialisation. Die- ser Begriff kann als lebenslanger Prozess (Ebd.: 148) in verschiedene Phasen unter- teilt werden. Durch die primäre Sozialisation, welche einem in der Kindheit wider- fährt, wird man zu einem Mitglied der Gesellschaft. Als sekundäre Sozialisation wird jede weitere Einweisung in neue Ausschnitte der Gesellschaft bezeichnet (Ebd.: S. 140f.)
In der primären Sozialisation macht das Kind erste Erfahrungen mit der Wirklichkeit. Die zu dem Zeitpunkt einzig wahre Welt des Kindes wird durch die signifikant Anderen vermittelt (Abels 2009: S. 128). Signifikant Andere sind hierbei die Eltern, größere Geschwister oder andere konkrete Personen in der unmittelbaren Umgebung des Kindes. Das Kind kann sich seine signifikanten Anderen nicht aussu- chen, sie sind vielmehr als gegeben anzusehen. Sie gelten als Primärgruppe eines Kindes und vermitteln ihm neben der Sprache, einem der wichtigsten Attribute einer Gesellschaft, spezifische Rollen und Einstellungen. Dabei fließen auch solche Ein- stellungen mit ein, welche soziokulturell bedingt sind und je nach sozialer Lage und biografischem Hintergrund variieren. (Berger/Luckmann 1969: S. 141) Das Kind vergleicht sein Verhalten mit dem der signifikant Anderen und passt sich Ihnen bis zu einem gewissen Grad an. Es verinnerlicht ihre Angewohnheiten und Ansichten und bringt diese dann selbst zum Ausdruck. (Ebd.: S. 142) Demnach internalisiert das Kind in der primären Sozialisation die von den signifikant Anderen vermittelten Werte und Normen.
[...]
1 Berger/Luckmann sprechen hier von „Allerweltswissen“ (Berger/Luckmann 1969: S. 16)
2 Als soziale Rolle wird in der Psychologie ein sozial definiertes Verhaltensmuster bezeichnet, welches von einer Person, die in einer Gruppe eine bestimmte Funktion innehat, erwartet wird. Verschiedene Situationen ermöglichen dem Individuum auch die Übernahme unterschiedlicher sozialer Rollen (Zimbardo/Gerrig 1974: S. 410)
3 Identität ist generell das Bewusstsein einer Person über sich selbst. (Zimbardo/Gerrig 1974: S. 545f, 788)
- Arbeit zitieren
- Christian Kautz (Autor:in), 2012, Identität und Sozialisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271261
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