In dem letzten Jahrzehnt wurde Migration zu einem großen Thema sowohl, in der Politik als auch in der Wissenschaft. Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war die Tatsache, dass Deutschland im Jahr 2001 von Seiten der Politik offiziell als Einwanderungsland anerkannt wurde (Geis 2001). Ein Jahr zuvor wurde nach dem StAG (Staatsangehörigkeitsgesetz) festgelegt, dass neben dem üblichen "Ius singuinis" – dem Recht des Blutes auch "Ius soli" – das Recht des Bodens anerkannt wurde. Im Zuge dieser Gesetzesänderung bekamen alle Mitbürger eine deutsche Staatsangehörigkeit, die innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik zur Welt gekommen waren. In der Wissenschaft lässt sich das vermehrte Interesse an diesem Thema anhand der explodierenden Zahl an Lehrstühlen, die sich mit Migration, Integration, Interkulturalität etc. beschäftigen, erkennen. Die Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema ist mittlerweile sehr hoch. Die Legitimation für dieses Interesse lag in den statistischen Angaben, die eine demographische Wirklichkeit wiedergegeben haben. Zurzeit leben in Deutschland etwa 16 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund (Deutscher Bundestag, 2012).
Mit der Normalisierung der Erscheinung des Migrationshintergrundes wurde zugleich den natürlichen Begleitern der Migrationsbiographie Beachtung geschenkt, unter anderem der Mehrsprachigkeit. Lange Zeit wurde Mehrsprachigkeit von Lehrkräften durchgehend stigmatisiert, als schädlich und überflüssig angesehen. Die Entwicklungen der letzten Dekade haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Mehrsprachigkeit zunehmend als eine Chance gesehen und akzeptiert wird. Der Mehrsprachigkeit werden zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben.
Diese massiven Veränderungen in der Einschätzung von Mehrsprachigkeit haben jedoch nur wenig diejenigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund betroffen, die eine geistige Behinderung haben. Besonders skandalös erscheint diese Lücke angesichts der hohen Schülerinnen- und Schülerzahlen in Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung im Vergleich zu den anderen Schulformen1. Ist die Mehrsprachigkeit im Kontext der geistigen Behinderung möglich und falls ja, welche Vorzüge und Probleme bringt sie mit sich? In dieser Arbeit wird versucht, eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Down-Syndrom
2.1 Zum Begriff des Down-Syndroms
2.2 Ursachen und Häufigkeit des Down-Syndroms
2.3 Formen der Trisomie
2.3.1 Freie Trisomie
2.3.2. Translokations-Trisomie
2.3.3 Mosaikform
2.3.4 Parallele Trisomie
2.4 Merkmale des Down-Syndroms
2.4.1 Äußere Merkmale
2.4.2 Innere Merkmale
2.5 Entwicklung eines Kindes mit Down-Syndrom
2.5.1 Entwicklung der Intelligenz
2.5.2 Soziale Entwicklung
2.5.3 Kommunikationsentwicklung
2.5.4 Entwicklung der Motorik
2.5.5 Entwicklung der Wahrnehmung
3. Typische Sprachentwicklung
3.1 Sprachmodelle
3.2 Funktionsbereiche der Sprache
3.3 Meilensteine der Sprachentwicklung
3.3.1 Pränatale Sprachentwicklung
3.3.2 Postnatale Sprachentwicklung: Nach der Geburt bis zu einem Jahr
3.3.3 Postnatale Sprachentwicklung: Ein Jahr bis zwei Jahre
3.3.4 Postnatale Sprachentwicklung: Zwei Jahre bis vier Jahre
3.3.5 Weitere Sprachentwicklung
3.4 Voraussetzungen und Bedingungen für einen erfolgreichen Spracherwerb.
3.4.1 Neurophysiologische Grundlagen
3.4.2 Sprechapparat
3.4.3 Gehör
3.4.4.Kognition
3.4.5 Interaktion zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen
3.5 Sprachererwerbstheorien
3.5.1 Outside-In-Theorien
3.5.2 Inside-out-Theorien
3.5.3 Zusammenfassung
4. Sprachentwicklung bei einem Kind mit Down-Syndrom
4.1 Besonderheiten bei der Sprachentwicklung von Kindern mit Down-Syndrom
4.1.2 Geminderte Kognition
4.1.3 Besonderheiten in der motorischen Entwicklung
4.1.4 Hörschwäche und Missbildungen des Sprechapparats
4.1.5 Beeinträchtigungen im Sehen
4.2 Sprachentwicklung bei Kindern mit Down-Syndrom in Phasen
4.2.1 Präverbale Phase
4.2.2 Lallen
4.2.3 Entwicklung der Objektpermanenz
4.2.4 Erste Wörter
4.2.5 Weiterer Sprachverlauf
4.3 Einsatz von Gebärden
4.4 Sprachverständnis
4.5 Artikulation
4.6 Pragmatische Kompetenz
5. Mehrsprachigkeit
5.1 Theoretische Grundlagen
5.1.1 Arten der Mehrsprachigkeit
5.1.2 Arbeitsdefinition der Mehrsprachigkeit im Rahmen dieser Arbeit
5.1.3 Begrifflichkeiten der Mehrsprachigkeit
5.2 Bilinguale Sprachentwicklung
5.2.1 Sprachentwicklung bei simultan bilingualen Kindern
5.2.2 Sprachentwicklung bei sukzessiv bilingualen Kindern
5.2.3 Psycholinguistische Erkenntnisse zu sukzessiv und simultan bilungualer Sprachentwicklung
5.3 Strategien bei der zweisprachigen Sprachentwicklung
6. Mehrsprachigkeit von Kindern mit Down-Syndrom
6.1 Forschungsstand zur Mehrsprachigkeit bei Kindern mit Down-Syndrom
6.1.1 Studien zur Mehrsprachigkeit bei Kindern mit Down-Syndrom
6.1.2 Artikel zum Thema Mehrsprachigkeit bei Kindern mit Down-Syndrom
7. Diskussion von Chancen und Gefahren der mehrsprachigen Erziehung
7.1 „Mythen“ über die mehrsprachige Erziehung
7.2 Risiken der mehrsprachigen Erziehung
7.3 Chancen der mehrsprachigen Erziehung
8. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Anhang
1. Einleitung
In dem letzten Jahrzehnt wurde Migration zu einem großen Thema sowohl, in der Politik als auch in der Wissenschaft. Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war die Tatsache, dass Deutschland im Jahr 2001 von Seiten der Politik offiziell als Einwanderungsland anerkannt wurde (Geis 2001). Ein Jahr zuvor wurde nach dem StAG (Staatsangehörigkeitsgesetz) festgelegt, dass neben dem üblichen lus singuinis - dem Recht des Blutes auch lus soli - das Recht des Bodens anerkannt wurde. Im Zuge dieser Gesetzesänderung bekamen alle Mitbürger eine deutsche Staatsangehörigkeit, die innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik zur Welt gekommen waren. In der Wissenschaft lässt sich das vermehrte Interesse an diesem Thema anhand der explodierenden Zahl an Lehrstühlen, die sich mit Migration, Integration, Interkulturalität etc. beschäftigen, erkennen. Die Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema ist mittlerweile sehr hoch. Die Legitimation für dieses Interesse lag in den statistischen Angaben, die eine demographische Wirklichkeit wiedergegeben haben. Zurzeit leben in Deutschland etwa 16 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund (Deutscher Bundestag, 2012).
Mit der Normalisierung der Erscheinung des Migrationshintergrundes wurde zugleich den natürlichen Begleitern der Migrationsbiographie Beachtung geschenkt, unter anderem der Mehrsprachigkeit. Lange Zeit wurde Mehrsprachigkeit von Lehrkräften durchgehend stigmatisiert, als schädlich und überflüssig angesehen. Die Entwicklungen der letzten Dekade haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Mehrsprachigkeit zunehmend als eine Chance gesehen und akzeptiert wird. Der Mehrsprachigkeit werden zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben.
Diese massiven Veränderungen in der Einschätzung von Mehrsprachigkeit haben jedoch nur wenig diejenigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund betroffen, die eine geistige Behinderung haben. Besonders skandalös erscheint diese Lücke angesichts der hohen Schülerinnen- und Schülerzahlen in Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung im Vergleich zu den anderen Schulformen1. Ist die Mehrsprachigkeit im Kontext der geistigen
Behinderung möglich und falls ja, welche Vorzüge und Probleme bringt sie mit sich? In dieser Arbeit wird versucht, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Um das Thema übersichtlich zu halten wird im Rahmen dieser Arbeit primär auf die Mehrsprachigkeit von Kindern mit Down-Syndrom eingegangen. Der Grund dafür liegt darin, dass Down-Syndrom bezüglich der Mehrsprachigkeit im Vergleich zu anderen Beeinträchtigungen eine ausreichende (dennoch keine gute) wissenschaftliche Basis hat. Im Rahmen dieser Arbeit wird auf die Geschichte, Ursachen und Merkmale des Down-Syndroms, den typischen und speziellen Sprachverlauf, sowie Mehrsprachigkeit und den Wissensstand zum Thema „Mehrsprachigkeit und Down-Syndrom“ eingegangen. Anschließend wird über die Risiken und Chancen einer mehrsprachigen Erziehung bei Kindern mit Down- Syndrom diskutiert.
2. Das Down-Syndrom
In diesem Kapitel wird das Down-Syndrom umfassend erläutert. Dazu gehören die Geschichte der Forschung und Begriffsentstehung sowie Formen, Ursachen und Merkmale des Down-Syndroms.
2.1 Zum Begriff des Down-Syndroms
„The hair is not black, as in the real Mongol, but of a brownish colour, straight and scanty. The face is flat and broad, and destitute of prominence. The cheeks are roundish, and extended laterally. The eyes are obliquely placed, and the internal canthi more than normally distant from one another. The palpebral fissure is very narrow. The forehead is wrinkled transversely from the constant assistance which the levatores palpebrarum derive from the occipito-frontalis muscle in the opening of the eyes. The lips are large and thick with transverse fissures. The tongue is long, thick, and is much roughened. The nose is small. The skin has a slight dirty yellowish tinge, and is deficient in elasticity, giving the appearance of being too large for the body” (Down 1866, S. 1)
— So beschrieb im Jahr 1866 der englische Apotheker John Langdon H. Down in seiner SchriftObservations on an ethnic classification of idiotsein Syndrom, das später nach seinem Namen benannt wurde: Das Down-Syndrom. In diesem Aufsatz unternahm Down eine Klassifikation von Behinderungen, die auf die Rassenlehre des Göttinger Anatom Johann Friedrich Blumenbach zurückging. Blumenbach unterteilte Menschen nach physiologischen Merkmalen in fünf Rassen. Nach dem gleichen Prinzip unterteilte Down alle Behinderungen aufgrund von äußerlichen Merkmalen in „Familien“. Eine solche Familie benannte er „Mongolian family“ und zu dieser „Familie“ zählte er das oben beschriebene Syndrom, das er in seiner Schrift „Mongolian type of idiocy“ nannte.
Bereits im Jahr 1932 äußerte Petrus Johannes Waardenburg, ein niederländischer Augenarzt und Genetiker, eine Vermutung, dass die charakteristischen Merkmale des Syndroms auf eine chromosomatische Störung zurückzuführen sind (Wilken & Storm 2009). Jedoch dauerte es noch fast drei Jahrzehnte bis seine Theorie bestätigt wurde. Im Jahr 1959 gelang es der französischen Forschergruppe Lejeune, Gautier und Turpin zu beweisen, dass dem Down-Syndrom eine genetische Veränderung zugrunde liegt (Wilken 2000). Die Entdeckung eines dritten Chromosoms im 21. Chromosomenpaar führte zur Bezeichnung Trisomie 21 (was jedoch nicht ganz korrekt ist, da auch das Chromosom 22 betroffen sein kann). 1961 veröffentlichten 19 internationale Genetikexperten in der wissenschaftlichen Zeitschrift The Lancet einen öffentlichen Aufruf, den als auf eine Rasse irreführenden Begriff „Mongolismus“, durch die Begriffe wie „Langdon-Down- Anomalie“, „Down-Syndrom Anomalie“, „angeborene Akromikrie“ oder „Trisomie 21
Anomalie“ umzubenennen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stimmte 1965 nach einem Antrag der Mongolei dieser Umbenennung zu (Rodríguez-Hernández 2011).
2.2 Ursachen und Häufigkeit des Down-Syndroms
Die Ursache für das Down-Syndrom liegt in der sogenannten „meiotischen Fehlverteilung“, bei der das 21. Chromosomenpaar nicht vollständig getrennt wird. In Folge dieser fehlerhaften Teilung „wandern“ in eine der beiden Tochterzelle zwei Chromosomen und in die andere Tochterzelle keins. Ein Betroffener hat eine Zelle mit 22 Chromosomen, die nicht überlebungsfähig ist und abstirbt und eine andere Zelle, mit 24 Chromosomen (statt der üblichen 23), die eine Verschmelzung mit einer anderen Zelle beginnt. Daraus ergibt sich eine vollständige Zelle mit 47 Chromosomen. Bei einer Mitose wird dann diese Zelle kopiert, so entstehen weitere Zellen, die 47, statt 46 Chromosomen enthalten (Stray-Gundersen 2011).
Ursachen für eine derartige fehlerhafte Chromosomenteilung sind bis heute nicht eindeutig geklärt (ebd.). Es wurde jedoch ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Mutter und der Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom festgestellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau zwischen 20 und 30 Jahren ein Kind mit einem Down-Syndrom bekommt liegt bei einem Fall auf 1.500 Neugeborenen, bei einer Frau über 40 Jahren liegt diese Wahrscheinlichkeit bei 1 zu 150 Geburten mit zunehmender Tendenz (Wilken & Storm 2009). Durch einen breiten Ansatz an invasiven und nicht-invasiven pränataldiagnostischen Verfahren sinkt jedoch die Zahl an Frauen, die im Alter über 40 Jahren ein Kind mit Down-Syndrom bekommen, dagegen steigt die Mutterzahl an Frauen die ein Kind mit Down- Syndrom unter 35 Jahren gebären. Das kann man damit erklären, dass Frauen unter 35 Jahren zum einen häufiger Mütter werden, damit steigt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit einem Down-Syndrom geboren wird, zum anderen nehmen Frauen unter 35 Jahren weniger Pränataluntersuchungen in Anspruch (Stray-Gundersen 2011) (Wilken & Storm 2009).
In den letzten Jahren, ging die Zahl der Geburten von Kindern mit Down-Syndrom durch die Inanspruchnahme der modernen pränatalen Diagnostik (Combined test, Ultraschal, Bluttest, Amniozentese, Chorionzottenbiopsie, Cordozentese) zurück. Statistische Daten, die am 16. Juni 2006 auf der Jahrestagung derEuropean Society of Human Geneticsin Nizza vorgestellt wurden, belegten zum ersten Mal wie hoch die Quote von Abtreibungen nach einem positiven Befund in einem pännataldiagnostischem Test wirklich ist. So wird nach diesen Daten jedes zweite Kind mit Down-Syndrom in Dänemark abgetrieben (IMABE 2007).
Down-Syndrom ist eine der am häufigsten auftretenden Chromosomenanomalien. Es kommt in allen Volksgruppen, Nationalitäten und Schichten vor. Bezüglich der Auftretungswahrscheinlichkeiten bei den unterschiedlichen Geschlechtern sind unterschiedliche Informationen zu finden. Baur (2003) spricht von einer leichten Überzahl an Jungen, die Down-Syndrom haben (etwa 53-58%). Kozma (2011) geht von einem gleichen Anteil an Mädchen und Jungen, die ein Down-Syndrom haben, aus. Weltweit wird etwa jedes 700. Kind mit einem Down-Syndrom geboren. In Deutschland werden jährlich zwischen 600 und 1000 Menschen mit Down-Syndrom geboren (Stray-Gundersen 2011).
2.3 Formen der Trisomie
In der Literatur über das Down-Syndrom findet man Beschreibungen von vier verschiedenen Formen der Trisomie 21. Diese sind: freie Trisomie 21, Translokations-Trisomie 21, Mosaikform und parallele Trisomie 21.
2.3.1 Freie Trisomie 21
Die freie Trisomie 21 ist die häufigste Form des Down-Syndroms. In der Fachliteratur schwankt die Zahl der Betroffenen zwischen 90 und 95 Prozent (Weigel 1990) (Stray-Gundersen 2011) (Ostad 2008). Diese Form des DownSyndroms beruht auf einer fehlerhaften Trennung bei der Befruchtung. Aufgrund von dieser fehlerhaften Trennung enthält das befruchtete Ei 47 statt den üblichen 46 Chromosomen (Wilken 2000).
2.3.2. Translokations-Trisomie 21
Diese Form des Down-Syndroms entsteht bei einer „unsauberen“ Trennung bei der Meiose. Es kommt zu einer Ablagerung des Chromosoms 21 auf einem anderen Chromosom (meistens dem 13-15, seltener 21.-22.) (Neuhäuser, 2003). Diese Form des Down-Syndroms ist vererbbar, da bei etwa 75% aller Translokationen ein Elternteil über zwei verklebte Chromosomen verfügt. Mit jeder weiteren Schwangerschaft steigt das Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen (Stray-Gundersen 2011, S. 23). Diese Form des Down-Syndroms liegt bei etwa 10% aller Betroffenen vor (Stray-Gundersen 2011).
2.3.3 Mosaikform
Die Mosaikform des Down-Syndroms wird je nach Autor Mosaikstruktur, Mosaikbildung, Mosaizismus oder Mosaikmuster genannt. Die Häufigkeit einer Mosaikform beim Down-Syndrom liegt bei etwa ein bis drei Prozent (Wilken 2009). Die Besonderheit dieser Form des Down-Syndroms liegt darin, dass nur ein bestimmter Satz von Zellen eine genetische Besonderheit aufweist. Die Fehlteilung
passiert nach der Befruchtung (und nicht während der Befruchtung wie bei den anderen Formen). Je später es zu einer Fehlteilung kam, desto weniger trisome Zellen hat ein Mensch. Durch diese Zusammensetzung von fehlerfreien und fehlerhaften Zellen ist diese Form des Down-Syndroms in Hinsicht auf die späteren Auswirkungen abgeschwächt (Wilken 2009) (Stray-Gundersen 2011).
2.3.4 Parallele Trisomie
Unter der parallelen Trisomie werden die Sonderformen, Übergangsfälle und vereinzelte Erscheinungen des Down-Syndroms zusammengefasst. Die Entstehungsursachen für solche Sonderformen des Syndroms sind nicht bekannt. Diese Form des Down-Syndroms wird sehr selten diagnostiziert (Ostad 2008).
2.4 Merkmale des Down-Syndroms
Unter einem Syndrom wird ein Krankheitsbild verstanden, das aus einem Symptomkomplex besteht (Duden n.d.). Bereits nach der Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom kann ein Arzt anhand von bestimmten Merkmalen ein Down- Syndrom bei einem Kind vermuten und nach einer genetischen Untersuchung sicher feststellen. Die Merkmale beim Down-Syndrom variieren jedoch stark (Ostad 2008). Im Rahmen dieser Arbeit wird nur auf die für den Spracherwerb relevanten Symptome eingegangen.
2.4.1 Äußere Merkmale
Kinder mit Down-Syndrom haben einen im Durchschnitt um drei Prozent kleineren Kopf, als die Kinder ohne Beeinträchtigung im gleichen Alter. Der Kopf wirkt jedoch normal im Vergleich zum restlichen Körper. Der Hinterkopf ist leicht abgeflacht (Brachzyphalie). Kinder mit Down-Syndrom haben einen kurzen Hals, die Augen stehen weit auseinander und sind leicht nach oben geschrägt. Etwa die Hälfte aller Kindern mit Down-Syndrom sind kurzsichtig, etwa 20 Prozent sind weitsichtig, 50 Prozent der Säuglinge haben Brushfield-Flecken in der Iris, die jedoch das Sehvermögen nicht beeinträchtigen und mit zunehmendem Alter verschwinden (Stray-Gundersen 2011) (Wilken 2000). Kinder mit Down-Syndrom haben kleine, runde und tief angesetzte Ohren. Die Ohrmuscheln haben eine veränderte Modellierung und der Gehörgang ist ziemlich schmal, was oft zu einer Verstopfung führt. Audiologische Untersuchungen ergaben, dass 54 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom eine Schalleitungsschwerhörigkeit haben, 16 Prozent haben eine Innenohrschwerhörigkeit unterschiedlichen Ausmaßes und bei acht Prozent ist eine kombinierte Schwerhörigkeit anzufinden (Schorn, 1990 in Wilken 2009). Die Zunge ist stark gefurcht und ragt vor allem bei kleinen Kindern öfters über die Lippen. Kinder mit Down-Syndrom bekommen später die Zähne, die in einer unregelmäßigen Reihenfolge wachsen. Dabei sind die Milchzähne meist klein und brechen oft am falschen Platz auf, was sich negativ auf die bleibenden Zähne auswirkt (Wilken 2000)
2.4.2 Innere Merkmale
Die typischen Merkmale eines Down-Syndroms in Bezug auf die inneren Organe sind ein angeborener Herzfehler und die Veränderung des Magen-Darm-Traktes. Diese schwerwiegenden angeborenen Fehler sind insoweit wichtig zu betrachten, da sie zumeist zu langen Krankenhausaufenthalten führen. Die Intelligenz ist in der Regel gemindert und entspricht einer leichten bis mittleren Behinderung, obwohl ein Drittel der Menschen mit Down-Syndrom entweder eine leichte geistige Behinderung haben und Normalbegabung oder eine schwere oder sehr schwere Form der geistigen Entwicklung haben. Kinder mit Down-Syndrom haben einen niedrigen Muskeltonus (Hypotonie). Ihre Muskeln wirken schlapp und entspannt (Stray-Gundersen 2011).
2.5 Entwicklung eines Kindes mit Down-Syndrom
Unter Entwicklung wird ein komplexer Prozess des Wachsens und Erlernens bestimmter Fähigkeiten verstanden (Stray-Gundersen 2011). Nach dem gängigen Verständnis von Entwicklung setzt sie sich aus der genetischen Anlage und der Einwirkung des Umfelds zusammen. Aus diesem Grund kann man nicht von „dem Menschen mit Down-Syndrom“ sprechen, da unterschiedliche Biographien und unterschiedliche Merkmale des Syndroms für eine große Streubreite von
Entwicklungsbildern sorgen (Wilken 2000) (Stray-Gundersen 2011). Die Entwicklung verläuft lebenslang, obwohl man von einer besonderen Bedeutung der frühkindlichen und kindlichen Entwicklung spricht, die die Grundlage für eine spätere Entwicklung legen (Wilken 2000). Insgesamt lässt sich sagen, dass das Entwicklungstempo von Kindern mit Down Syndrom zwar verzögert ist, es unterscheidet es sich jedoch von Kind zu Kind deutlich. Syndromtypisch ist eine Asynchronie in der Entwicklung von unterschiedlichen Kompetenzbereichen festzustellen: In den ersten drei Jahren geht die motorische Entwicklung langsamer als die kommunikative voran, nach dem dritten Lebensjahr entwickelt sich die Motorik jedoch schneller als die Kognition. Aus diesem Grund spricht man in der aktuellen Literatur zum Down-Syndrom nicht über eine verlangsamte Entwicklung von Kindern mit Down-Syndrom, sondern von einer qualitativ anderen Entwicklung (Wilken 2009).
Bereits in der pränatalen Entwicklung entwickeln Kinder mit Down-Syndrom syndromtypische Beeinträchtigungen, die einen großen Einfluss auf die spätere Gesamtentwicklung haben werden. In der Studie von Wilken (Wilken 2001 in Wilken 2009) wurde die Häufigkeit und die Art der Erkrankungen untersucht, die die Kinder mit Down-Syndrom bei der Geburt hatten. Die Krankheiten und mit ihnen einhergehende Krankenhausaufenthalte wirken sich negativ auf die Gesamtentwicklung des Kindes aus.
Vor allem sind Fehlbildungen des Herzens die mit Abstand häufigste angeborene Beeinträchtigung (Wilken 2009). Der angeborene Herzfehler schränkt die Aktivität und motorische Belastbarkeit des Kindes ein, die zusätzlich durch eine ausgeprägte Hypotonie stark reduziert ist. Hypotonie erschwert die Nahrungsaufnahme und damit verbundenes Training der Gesichtsmuskeln (Stray-Gundersen 2011). Aus diesem Grund wird heutzutage versucht, alle angeborene Fehler in den ersten Lebensjahren zu operieren, um die Entwicklung des Kindes nicht zu beeinträchtigen.
In der zweiten Hälfte der Fetalzeit treten Abweichungen in der Entwicklung des Gehirns auf. Das Gehirn entwickelt sich langsamer als es bei einem Kind ohne Down-Syndrom der Fall ist, was eine Auswirkung auf das Hirngewicht und das Hirnvolumen hat. Neben den physiologischen Abweichungen wurde auch die strukturelle Veränderung im Gehirn eines Kindes mit Down-Syndrom festgestellt. Das Gehirn ist weniger ausdifferenziert und verfügt über nur wenige synaptische Verknüpfungen. Eine Myelinisierung der Nervenzellen findet verzögert statt, was eine direkte Auswirkung auf die Schnelligkeit der Informationsübertragung hat (Wilken 2009).
2.5.1 Entwicklung der Intelligenz
Für eine Sprachentwicklung ist die Intelligenzentwicklung von besonderer Bedeutung. Verschiedene Bedingungen können die Intelligenz entweder positiv oder negativ beeinflussen: Die Form des Down-Syndroms, zusätzliche Beeinträchtigungen, Geschlecht (man geht davon aus, dass Mädchen über eine höhere kognitive Fähigkeit verfügen), Neugier und Ausdauer (obwohl die Ausdauer bei den Kindern mit Down-Syndrom stark an zusätzliche Beeinträchtigungen gekoppelt ist), sozialer, familiärer Umfeld des Kindes, Qualität und Quantität von Reizen, die das Kind erfährt. Mit dem Intelligenzniveau sind auch die Bereiche der Wahrnehmung, des Gedächtnisses und der motorischen Entwicklung eng gekoppelt. Andersrum wirken sich alle diese Entwicklungsfelder auf die Entwicklung der Intelligenz aus (Wilken 2000).
Wenn man den Intelligenzquotienten von einem Menschen mit Down-Syndrom mit einem nicht behinderten Gleichaltrigen vergleicht, stellt man fest, dass der Unterschied in der Entwicklung der geistigen Kompetenzen mit der Zeit immer größer wird. Wilken geht davon aus, dass eine Zunahme an Intelligenz vor allem in den ersten 15 Lebensjahren stattfindet, obwohl auch später gewisse Intelligenzzunahmen zu beobachten sind. Der unterschiedliche Entwicklungsverlauf macht es schwierig, die Leistungen von Menschen mit und ohne Behinderung anhand von Intelligenztests zu vergleichen (Wilken 2000). Rauh (2002) spricht davon, dass das Intelligenzniveau von Kindern mit Down-Syndrom bis zum Alter von 4-5 Jahren dem halben Intelligenzniveau eines nicht behinderten Gleichaltrigen entspricht. Besondere Schwierigkeiten haben Kinder mit Down-Syndrom mit abstraktem Denken, Analyse und Beobachtung. Diese Kinder haben meist eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne und sind weniger motiviert, was man bei der Förderung des Kindes in Betracht ziehen muss (Stray-Gundersen 2011).
2.5.2 Soziale Entwicklung
Kinder mit Down-Syndrom werden oft in ihrem Verhalten, als eine recht homogene Gruppe beschrieben, die sich durch Freundlichkeit, Anpassungsfähigkeit, Hilfsbereitschaft und fröhliches Wesen auszeichnet. Obwohl man derartige Verallgemeinerungen und Generalisierungen kritisch reflektieren sollte (Kinder mit Down-Syndrom können durchaus starr sein, verfügen über eine niedrige Frustrationstoleranz, vermeiden gezielt Misserfolge und sind oft nicht in der Lage auf Verbote anzugehen) stellt man jedoch fest, dass der Bereich der sozialen Entwicklung sich vergleichsweise schnell entwickelt, im Kindesalter und auch später im Erwachsenenalter (Wilken, 2000) (Wendeler 1996).
2.5.3 Kommunikationsentwicklung
Kommunikationsentwicklung ist ein weiterer wichtiger Entwicklungsbereich. Darunter werden alle Verhaltensformen zusammengefasst, an denen ein Mensch bewusst oder unbewusst teilnimmt. Unter Kommunikation versteht man nicht nur die Spachkommunikation sondern auch den paraverbalen und den nonverbalen Bereich (Herpertz-Dahlmann et al. 2008). Nicht lautsprachliche Kommunikationsformen wie Lächeln, Blickkontakt, Mimik oder Gestik bereiten Kindern mit Down-Syndrom wenig Probleme (Wilken 2009). Es ist allerdings häufig eine verzögerte Antwortfähigkeit bei den gemeinsamen Handlungen zu beobachten: Das Kind fängt nach einer verbalen Ansage manchmal verzögert an zu strampeln oder zu lächeln. Allgemein wirken Kinder mit Down-Syndrom in den ersten Monaten nach der Geburt passiv und ruhig und verdeutlichen ihre Wünsche kaum durch Lautieren oder ein entsprechendes Verhalten (Wilken 2000) Durchschnittlich fangen die Babys mit einem Down-Syndrom im Alter von zwei Monaten an zu lächeln, was ein Monat später ist, als bei Babys ohne Down-Syndrom. Im späteren Lebensverlauf gleichen Kinder mit Down-Syndrom ihre Schwierigkeiten in Kommunikation durch ein stark ausgeprägtes Kommunikationsvermögen und gut entwickelte soziale Fähigkeiten (Stray-Gunderson 2011).
2.5.4 Entwicklung der Motorik
Hypotonie kommt bei Kindern mit Down-Syndrom sehr häufig vor. Die auftretende Muskelschwäche hat eine große Auswirkung auf die allgemeine Beweglichkeit des Kindes und die Koordination von Muskeln. Mit der Zeit und mit dem Einsatz von speziellen Fördermaßnahmen kann man dieses Problem ausgleichen. Hypotonie hat auch die Auswirkungen auf den Atem, die Nahrungsaufnahme und die Sprachfähigkeit des Kindes. Zusätzlich ist die Beweglichkeit des Kindes durch die überdehnbare Sehnen und Bänder beeinflusst. Die dadurch entstehende Überbeweglichkeit der Glieder verhindert die Stabilität des Körpers (wie alle Muskeln sind die Stimmbänder davon auch betroffen) (Wilken 2000) (Wilken 2005).
2.5.5 Entwicklung der Wahrnehmung
Unter Wahrnehmung, versteht man eine bedeutungsbezogene Verarbeitung von Informationen, die wir mit unseren Sinnen aufnehmen. Bei Menschen mit DownSyndrom ist die Auswahl und Verarbeitung von Wahrnehmungen aufgrund der veränderten funktionellen Bildung des Gehirns beeinträchtigt. Zusätzlich werden viele Wahrnehmungskanäle wie Sehen, Hören, sowie Tasten durch syndromspezifische Beeinträchtigungen eingeschränkt (Wilken 2000).
3. Typische Sprachentwicklung
Der Mensch gilt als das einzige Lebenswesen, das über die Fähigkeit verfügt eine gesprochene Sprache zu sprechen. In der Linguistik wird die Kommunikation mit Lautsprache, Schriftsprache oder Gebärden als verbale oder expressive Kommunikation bezeichnet. Eine weitere Form der Kommunikation ist die rezeptive Kommunikation (Haveman 2008). Unter rezeptiv versteht Franke (1994, S. 183) „aufnehmend, empfangend, empfänglich“. Im Logopädischen Handlexikon von Franke wird die Sprache als „auf kognitiven Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes, historischer Entwicklung unterworfenes Mittel zum Ausdruck bzw. Austausch von Gedanken, Vorstellungen, Erkenntnissen und Informationen sowie zur Fixierung und Tradierung von Erfahrung und Wissen“ bezeichnet (ebd. S. 201f.). Merkmale der Sprache, die sie von den Kommunikationssystemen anderer Tiere, vom Schreien eines Babys oder von dem Emotionsausdruck unterscheiden sind die Willkür der Sprache, Kontextfreiheit der Sprache, kulturelle Vermittlung der Sprache und die Tatsache, dass die Sprache ein kombinatorisches System bildet, d. h. man kann die Sprachelemente miteinander immer neu kombinieren lassen (Szagun 2011). Die Gesamtzahl der Sprachen weltweit beträgt 6.412 (Stand 2002), alleine in Europa werden 143 Sprachen gesprochen (Haarmann 2002).
Sprachentwicklung ist kein isolierter Vorgang, sondern ein Teil der biologischen Gesamtentwicklung eines Individuums, die mit seiner Sozialisation einhergeht (Kulturministerium Sachsen- Anhalt 2011). Sprachentwicklung setzt viele Fähigkeiten voraus, über welche ein Neugeborenes verfügen muss, um eine Sprache zu erlernen (Haveman 2008). Im Entwicklungsprozess spielen endogene und exogene Faktoren eine Rolle (Wilken 2000). Endogene sowie exogene Voraussetzungen für das Erlernen der Sprache werden später in Rahmen dieses Kapitels diskutiert.
3.1 Sprachmodelle
Eine der bis jetzt ungelösten Fragen der Sprachentwicklung lautet: Wie ist es dem Kind möglich, die Sprache innerhalb kürzester Zeit ohne zielgerichtete Instruktionen und trotz der komplexen Strukturen zu erlernen (Siegler 2001)? Man weiß heutzutage, dass ein Kind mit etwa fünf Jahren bereits alle wesentlichen grammatikalischen Strukturen seiner Muttersprache beherrscht, sein Vokabular wächst aber mit der Zeit (Woolfolk 2008).
Es gibt eine Vielzahl an Modellen der Sprachproduktion, die die Sprechsituation detailliert analysieren und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bestandteilen herstellen.2Als Standardmodell gilt das Modell von Bock und Levelt (1994) (in Schuhardt 2010), in dem die grammatische Dekodierung beschrieben wird. Unter grammatischer Dekodierung versteht man einen Prozess, der für die Selektion der richtigen lexikalen Konzepte und den Zusammenbau des syntaktischen Rahmens zuständig ist (Schuchardt 2010). Nach diesem Modell sind alle Wörter in einem mentalen Lexikon gespeichert und werden erst nach Bedarf aufgerufen. Alle gespeicherten Wörter besitzen drei Informationseigenschaften: Bedeutung, Lemma (syntaktische Eigenschaften) und das Lexem (morphologische und phonologische Eigenschaften). Informationen über Syntax und Bedeutung eines Satzes werden generell vor Informationen über den Klang gewonnen. Die Autoren unterscheiden vier Ebenen der Sprachproduktion: Nachricht (beinhaltet die Aspekte der vom Sprecher intendierender Bedeutung), funktionale Verarbeitung (lexikalische Selektion und funktionale Zuordnung), positionelle Verarbeitung (Festlegung der Satzstruktur: Satzordnung und Flexion) und die phonologische Enkodierung (Rhythmus, Intonation etc.) (Schuchardt 2010).
3.2 Funktionsbereiche der Sprache
Wie man aus dem Modell von Bock und Levelt sehen kann, ist unser Sprechakt höhst komplex und setzt viele Kompetenzen voraus. Rezeptive und expressive Sprache setzen im Wesentlichen die Aneignung der folgenden Funktionsbereiche voraus:
- Der phonologisch-syntaktische Bereich dient der Kodierung und Dekodierung von Sprachsignalen (Prosodie3, Grammatik4und Syntax5). Dieser Bereich ist biologisch determiniert und bereits im Säuglingsalter verfügbar.
- Der semantische Bereich bezieht sich auf den Inhalt und stellt den Bezug zur Kognition her. Sprachsignale müssen mit inhaltlichen Aussagen verbunden werden, damit sie als Informationsträger dienen können.
- Der kommunikativ-soziale Bereich bezieht sich auf die Anwendung der Sprache im sozialen Kontext. Er ist angelehnt an die nonverbale Kommunikation der ersten Jahre und später an den Kommunikationsstil der sozialen Umgebung (Largo 1995) (Woolfolk 2008).
3.3 Meilensteine der Sprachentwicklung
In der Fachliteratur findet man die Angaben zu einer durchschnittlichen Sprachentwicklung. Diese Angaben beziehen sich auf einen westlichen Kulturkreis. Diese Abgrenzung ist an dieser Stelle wichtig, da die Kultur weitgehend bestimmt welche sprachlichen Mittel für den Menschen wichtig sind (Woolfolk 2008).
3.3.1 Pränatale Sprachentwicklung
Bereits zu Beginn der Schwangerschaft beginnt ein Dialog zwischen Mutter und Kind, erst biochemisch und ab dem zweiten Schwangerschaftsmonat sensomotorisch. Ab etwa dem fünften Monat ist das Kind in der Lage zu hören. Die Geräuschkulisse des Kindes bilden natürliche Geräusche der Mutter und später, ca. ab dem sechsten Monat, kann das Kind die Stimme der Mutter differenzieren. Bereits vor der Geburt kann das Kind prosodische Merkmale der Mutter wahrnehmen und diese nach der Geburt wiedererkennen (Szagun 2011).
3.3.2 Postnatale Sprachentwicklung: Nach der Geburt bis zu einem Jahr
Schon einige Tage nach der Geburt zeigen Säuglinge eine Präferenz für die Stimme der eigenen Mutter (Lohaus, Vierhaus & Maas 2010). Das Kind artikuliert gegenüber den Eltern seine Bedürfnisse durch Schreien oder Mimik und bekommt Zuwendung von den Bezugspersonen. Das Kind erlernt die wichtigsten Regeln und Lautkombinationen der Muttersprache. Dabei achtet ein Kind besonders auf die Prosodie vom Gesagten. Ein Kind lernt am besten, wenn es einfache, kontrastierende, wiederholende Anregungen bekommt und seine Bezugspersonen ihn dabei unterstützen. Sie verwenden die sogenannte Motherese, eine kindergerechte Sprache, die durch eine Übertreibung im Tonfall, langsame und kontrastreiche Sprachmelodie mit deutlichen Pausen gekennzeichnet ist. Diese Sprachmerkmale wurden sowohl in der Lautsprache von unterschiedlichen Sprachfamilien als auch in der nonverbalen Kommunikation von Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung beobachtet (Boysson-Bardies, 1990). Diese prosodische Muster, die das Kind lernt, sind für den späteren Grammatikerwerb von großer Bedeutung. So beginnen die Kinder im Alter von acht bis neun Monaten, Pausen an grammatikalisch sinnvolle Stellen zu setzen (Weinert 2006).
Mit ca. vier Monaten kann das Kind den eigenen Namen im Sprachstrom erkennen. Mit etwa einem Jahr spricht das Kind bereits ein bis zwei Wörter, seine rezeptive Sprache beträgt etwa 50 Wörter. Zwischen dem sechsten und zehnten Monat beginnt das Kind zu plappern. Beim Plappern entstehen die erste Silben, die mehrmals wiederholt werden (Siegler, DeLoache, Eisenberg 2011).
[...]
1Die Tatsache, dass der Anteil an ausländischer Schülerschaft an Sonderschulen im Vergleich zu den Regelschulen besonders hoch ist beobachtet man seit den 80ern. 1985 besuchten sechs Prozent aller ausländischen Schülerinnen und Schülern die Sonderschule. Besonders hoch war der Anteil an Sonderschulen für Lernbehinderte und Geistigbehinderte. Im Laufe der Zeit stieg die Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. In Nordrhein-Westfalien betrug 1997 der Anteil an solchen Schülerinnen und Schülern 18,7 Prozent (Hohmeier, 2000), im Schuljahr 2010/2011 war der Anteil 24,2 Prozent (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalien, 2011) im Schuljahr 2011/2012 betrug der Anteil 22,8 (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalien, 2012) Prozent und im Schuljahr 2012/2013 23,2 Prozent (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein- Westfalien, 2013).
2Modell der Sprachproduktion von Fromkin (1971), Sprachproduktionsmodell von Garrett (1980), Dell (1986), Levelt (1989), Meyer (2000)
3Muster mit denen eine Sprache gesprochen wird: Rhythmus, Thempo, Tonfall, Melodie, Intonation usw. (Siegler, DeLoarche 2011)
4Regeln des Zusammenfügens von Wörtern zu Sätzen unter Berücksichtigung des Bedeutungsgehaltes (Woolfolk 2008, S. 70).
5Regeln des Zusammenfügens von Wörtern zu Sätzen (Woolfolk 2008, S. 70).
- Citation du texte
- Anna Vaskova (Auteur), 2013, Mehrsprachigkeit bei Kindern mit Down-Syndrom, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/270890
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