Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der neueren Geschichte Bosniens und der Herzegowina von 1918 bis 1991 und gliedert sich in drei Hauptkapitel, die die
zeitgeschichtlichen Epochen der staatsrechtlichen und politischen Stellung Bosniens und der Herzegowina innerhalb der zwei jugoslawischen Staaten und des Unabhängigen Staates Kroatien umfassen:
- Die Zwischenkriegszeit – als Bestandteil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (1918-1929) beziehungsweise des Königreichs Jugoslawien (1929-1941)
- Der Zweite Weltkrieg – als Bestandteil des Unabhängigen Staates Kroatien (1941-1945)
- Die Nachkriegszeit – als Bestandteil des kommunistischen Jugoslawien (1945-1991)
Es handelt sich um eine synthetische Darstellung der Geschichte Bosnien-Herzegowinas im zwanzigsten Jahrhundert, wobei der Schwerpunkt auf die staatsrechtliche und administrative Entwicklung gesetzt wurde.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Zur Struktur der Arbeit
1.2 Die Quellen und ihre Auswertungsgesichtspunkte
2 DAS KÖNIGREICH SHS (JUGOSLAWIEN)
2.1 Die ideologische Grundlage und die Staatsgründung
2.2 Die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung
2.3 Die Vidovdan-Verfassung (28.06.1921)
2.4 Die Königsdiktatur
2.5 Das Abkommen Cvetkovi -Ma ek und die Errichtung der Banschaft Kroatien
3 DER ZWEITE WELTKRIEG UND DER UNABHÄNGIGE STAAT KROATIEN (USK)
3.1 Bosnien-Herzegowina als Bestandteil des Unabhängigen Staates Kroatien
3.2 Genozid des Ustascha-Regimes an Serben und der Widerstand
3.3 Racheaktionen der Tschetniks
3.4 Die Vernichtungspolitik des Ustascha-Regimes und die „Pazifikation“ der aufständischen Gebiete
3.5 Westbosnien als Kerngebiet der jugoslawischen Partisanenbewegung
3.6 Sieg der kommunistischen Bewegung und die Errichtung der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und Herzegowina
4 DAS KOMMUNISTISCHE JUGOSLAWIEN
4.1 Nachkriegsjahre und Aufbau
4.2 Der Bruch zwischen Tito und Stalin und der jugoslawische Sonderweg zum Kommunismus
4.3 Politische und wirtschaftliche Behauptung Bosniens innerhalb Jugoslawiens
4.4 Titos Tod und die Wirtschaftskrise
4.5 Der Zusammenbruch des Sozialismus in Jugoslawien
4.6 Einführung des Mehrparteiensystems und die ersten Wahlen 1990 ...
5 SCHLUSSBEMERKUNGEN
QUELLEN UND LITERATURVERZEICHNIS
DIAGRAMMVERZEICHNIS
KARTENVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
PERSONENREGISTER
1 EINLEITUNG
1.1 Zur Struktur der Arbeit
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der neueren Geschichte Bosniens und der Herzegowina von 1918 bis 1991 und gliedert sich in drei Hauptkapitel, die die zeitgeschichtlichen Epochen der staatsrechtlichen und politischen Stellung Bosniens und der Herzegowina innerhalb der zwei jugoslawischen Staaten und des Unabhängigen Staates Kroatien umfassen:
Die Zwischenkriegszeit - als Bestandteil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (1918-1929) beziehungsweise des Königreichs Jugoslawien (1929-1941) Der Zweite Weltkrieg - als Bestandteil des Unabhängigen Staates Kroatien (1941-1945) Die Nachkriegszeit - als Bestandteil des kommunistischen Jugoslawien (1945-1991) Es handelt sich um eine synthetische Darstellung der Geschichte BosnienHerzegowinas im zwanzigsten Jahrhundert, wobei der Schwerpunkt auf die staatsrechtliche und administrative Entwicklung gesetzt wurde.
1.2 Die Quellen und ihre Auswertungsgesichtspunkte
Sowohl in der jugoslawischen, als auch in der allgemeinen Historiographie gibt es viele Publikationen zum Thema „der Zerfall Jugoslawiens“ und seiner politischen Geschichte beziehungsweise Vorgeschichte.1 Jedoch gibt es aber relativ wenige Publikationen, die sich ausschließlich oder teilweise mit dem Status Bosniens innerhalb Jugoslawiens beschäftigen. Da wären vor allem Monographien von Sre ko Džaja, Holm Sundhaussen, John R. Lampe und Sabrina P. Ramet.2 Vielmehr ist dieses Thema ein Bestandteil der Überblicksdarstellungen eines größeren Zeitraums oder historischer Analysen der Nationswerdung und nationalen Geschichte der drei bosnisch-herzegowinischen Völker - der Bosniaken, Serben und Kroaten.
Einige synthetische Werke, die sich mit der Geschichte Bosnien-Herzegowinas von seinen Anfängen bis ins zwanzigste Jahrhundert beschäftigen und in ihren Untersuchungen die Stellung Bosniens und der Herzegowina innerhalb Jugoslawiens zumindest teilweise abdecken, wurden in Betracht gezogen. Zu nennen wären hier: Malcolm, Lovrenovi , Keßelring, Hadžihuseinovi .3 Obwohl diese Arbeit ebenfalls eine synthetische Darstellung ist, war die behandelte Zeitspanne wesentlich länger, sodass vielen, für diese Analyse wichtigen Kausalitäten oft nicht sehr viel Raum und Bedeutung geschenkt wurde, diese aber immerhin wegen ihrer Überblicksfunktion wichtig waren.
Die wichtigsten Autoren der national-historischen Monografien, deren Bestandteil auch die geschichtliche Periode 1918-1991 ist, sind unter anderem:
- bei den Bosniaken: Mustafa Imamovi und Nijaz Durakovi4
- bei den Serben: Dušan T. Batakovi , Vladimir orovi5
- bei den Kroaten: Ivo Peri , Franko Miroševi6
Allgemein für diese Werke gilt, dass man sich hier auf einzelne Volksgruppen konzentrierte und sie in den Vordergrund stellte. Eine besonders kritische Interpretation und äußerst vorsichtige Miteinbeziehung dieser Literatur in die Untersuchungen war notwendig, da nicht selten die anderen Nationen entweder ganz ignoriert oder sogar abwertend dargestellt wurden.
Außer der umfangreichen Literatur und historischen Quellen wurden ebenfalls wirtschaftliche und demographisch-statistische Datenquellen für die Untersuchungen herangezogen.
Die wirtschaftliche Entwicklung Bosniens und der Herzegowina wurde vor allem im Kapitel über die kommunistische Periode näher analysiert, während welcher die Teilrepublik eine besonders starke autonome Stellung innerhalb Jugoslawiens besaß. Die demographischen Analysen haben die Aufgabe, die Veränderungen in der ethnischen Struktur zu verfolgen und darzustellen, soweit sie eine Bedeutung für politische Entscheidungen und Ereignisse haben.
Die einzelnen Darstellungen aller wesentlichen staatsrechtlichen und administrativ- territorialen Einteilungen wurden durch die Verwendung von geografischen Karten unterstützt.
2 DAS KÖNIGREICH SHS (JUGOSLAWIEN)
2.1 Die ideologische Grundlage und die Staatsgründung
Nach der vierjahrhundert langen osmanischen Herrschaft (1463-1878) folgte eine relativ kurze österreichisch-ungarische Periode (1878-1918), die aber Dynamik in alle gesellschaftlichen Segmente von den politischen, wirtschaftlichen bis zu den kulturellen, bringt. Das Attentat am habsburgischen Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo, durchgeführt vom jungen bosnischen Serben Gavrilo Princip (1894-1918), gilt in der Historiographie immer noch als ein sehr umstrittenes Ereignis.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren Serbien und Montenegro schon souveräne Staaten, die ihre Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich im Laufe des 19. Jahrhunderts errungen hatten. Im Ersten Balkankrieg 1912 konnten die beiden neugegründeten Staaten im Bund mit zwei weiteren Balkanstaaten, Bulgarien und Griechenland, die osmanischen Truppen von der ganzen Balkanhalbinsel bis auf Ostthrakien zum Rückzug bringen. Im Vielvölkerstaat der Österreichisch-ungarischen Monarchie lebten fast 6 Millionen Südslawen.7
Die Tradition des kroatischen Staatsrechts8, wonach die kroatische Staatlichkeit nie aufhört hat zu existieren, wurde Jahrhunderte lang gepflegt. Im 17. Jahrhundert setzte sich der katholische Theologe Juraj Križani (1618-1683) für eine Annäherung der Orthodoxie an den Katholizismus durch die Anerkennung des Papstes und die Vereinigung aller Slawen unter der Führung Russlands ein. Seine Ideen kamen erst durch die Veröffentlichung seiner Werke im 19. Jahrhundert ans Tageslicht.
Der serbische Sprachreformator Vuk Karadži brach mit der kirchenslawischen Tradition der Schriftsprache und führte eine Standardisierung der Volkssprache, basierend auf dem bei den Serben meistverbreiteten ostherzegowinischen štokawischen Dialekts durch. Im Unterschied zu seinen kroatischen Kollegen, die der Illyristischen Bewegung angehörten, war Karadži der Ansicht, dass alle Südslawen, die den štokawischen Dialekt sprechen, unabhängig von ihrer Konfession, der serbischen Nation zuzuschreiben seien.9
Die Ideologie der Illyrische Bewegung in Kroatien basierte auf sprachlicher und ethnischer Verwandtschaft aller Südslawen und wurde von integrativen Tendenzen mit anderen südslawischen Völkern gekennzeichnet. Das kroatische Staatsrecht war die ideologische Basis des Illyrismus im Kampf gegen die Magyarisierung.
Die Illyrische Bewegung hatte kaum Anhänger bei anderen südslawischen Völkern, trug aber wesentlich zur Vereinheitlichung des ohnehin stark partikularisierten kroatischen politischen und Kulturraumes sowie einer Schriftsprache bei, die, wie bei Karadži , ebenfalls auf der Grundlage des ostherzegowinischen štokawischen Dialekts beruhe. Die während der Blüte der Republik Ragusa (Dubrovnik) benutzte Schriftsprache gehörte auch zu diesem Dialekt.10 Die Wahl ausgerechnet dieses Dialekts deutet auf integrative Tendenzen hin, da auch alle Serben štokawischen Dialekt sprechen.
Eine Wiedergeburt der Ideen der Illyrischen Bewegung fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Agitation des einflussreichen Bischofs von akovo Josip Juraj Strossmayer (1815-1905) und seines Kollegen dem kroatischen Historiker Franjo Ra ki (1828-1894) für die Vereinigung aller Südslawen statt. Der Letzere führte erstmals den Begriff Jugoslawismus (jugoslovjanstvo) ein, der für die geistig- kulturelle Annäherung der Südslawen stand.11 Ihr Wirkungsraum beschränkte sich auf das Habsburgerreich und stütze sich voll für die Gleichberechtigung aller südslawischen Völker, setzte aber Kroaten als Träger des historisch autochthonen staatspolitischen Rechts in den Mittelpunkt. Strossmayer engagierte sich besonders stark, so wie sein Vorgänger Križani , für die Annäherung zwischen der römischkatholischen und orthodoxen Kirche.12
Charakteristisch für politische Konzepte zur Lösung der nationalen Frage der Südslawen im neunzehnten Jahrhundert war die Tatsache, dass zwei verschiedene Ideologien im Widerspruch standen: die unitaristisch-expansionistische setzte eine nationale Homogenisierung voraus, während die autonom-föderalistische Solidarität und Gleichberechtigung aller Südslawen in den Vordergrund stellte. Aus der Kombination der beiden Auffassungen entstanden sowohl die großserbische als auch die großkroatische Ideologie.13
Der kroatische Politiker Ante Star evi setzte sich für die Stärkung des Kroatentums und der kroatischen Unabhängigkeit ein14. Somit wurde er ein großkroatischer Opponent zur großserbischen Ideologie, die sich im geheimen Programm der serbischen nationalen und auswärtigen Politik „Na ertanije“ (1844) von Ilija Garašanin, wiederspiegelte.15
Der integrative Jugoslawismus der südslawischen Völker trat als die erfolgreichere Ideologie gegenüber den nationalistischen großstaatlichen Ideologien, sowohl nach dem Ersten, als auch nach dem Zweiten Weltkrieg hervor.
Bei den großen Nationen, wie etwa den Italienern oder den Deutschen, war der Prozess der Schaffung eines Nationalstaates bereits im 19. Jahrhundert abgeschlossen und die Territorialverschiebungen infolge der späteren kriegerischen Auseinandersetzungen betrafen oft nur die ethnisch stark gemischten Randgebiete.
Im Falle der neu entstandenen südslawischen Staaten Serbien und Montenegro dauerte der Prozess der territorialen Abgrenzung beziehungsweise Befreiung der besetzten Gebiete bis zu den Balkankriegen 1912/13, nach welchen die beiden Staaten ihr Staatsgebiet beträchtlich erweitern konnten.
Die Kroaten, Slowenen und Serben jenseits der Drina und Save sahen in der Vereinigung mit dem serbischen Staat eine gute Möglichkeit für die Befreiung von der Habsburgermonarchie. Nach außen wurde diese Politik als Vereinigung aller Südslawen in einem Staat proklamiert, aber in Wirklichkeit ging es vor allem um nationale Interessen und wie sich später nach dem Zerfall Jugoslawiens auch in der Praxis zeigte, war dies nur eine Übergangslösung für Kroaten und Slowenen auf ihrem Weg zum unabhängigen Staat. Ähnlich wie die zwei anderen slawischen „Kleinvölker“ die Tschechen und Slowaken, die ebenfalls im großen Habsburger Kaiserreich gelebt hatten, sahen die Slowenen, Kroaten und Serben gute Zukunftsperspektiven, wenn sie sich vereinigen würden. Ein großes Problem war dabei der Standpunkt Serbiens in Bezug auf den gemeinsamen Staat aller Südslawen (ausgenommen die Bulgaren).
Im Laufe des Ersten Weltkriegs, als die Österreichisch-ungarische Monarchie kurz vor dem Zerfall stand, arbeiteten zwei politische Partner an der Gründung eines neuen gemeinsamen Staates. Auf der einen Seite stand der im Frühjahr 1915 gebildete Jugoslawische Ausschuss, der aus den Vertretern der Slowenen, Kroaten und Serben aus dem Habsburgerreich bestand, dessen politisches Konzept die Bildung eines föderativen Rechtsstaates vorsah und auf der anderen Seite die serbische Regierung unter der Leitung von Nikola Paši , die vor allem um die Vereinigung beziehungsweise Erschließung aller „serbischen Gebiete“ in einem Staat bemüht war. Die bedeutendsten Mitglieder des Jugoslawischen Ausschusses waren die kroatischen Politiker Frano Supilo (1870-1917) und Ante Trumbi (1864-1938) und ihr slowenischer Kollege Anton Korošec (1872-1940).
Die Regierung Paši führte harte Verhandlungen mit dem Jugoslawischen Ausschuss und als Ergebnis dieser entstand die Deklaration von Korfu („Krfska deklaracija“)16, ein sehr zweideutiges und umstrittenes Dokument, welches nach dem Krieg die Gründung eines konstitutionellen parlamentarischen Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen mit der serbischen Dynastie Kara or evi auf dem Thron vorsah. Der neue Staat sollte die Gleichheit aller Völker und Konfessionen sowie den Gebrauch der Volksnamen und der beiden Schriften und garantieren.17 18
Die serbische Seite verstand unter dem Jugoslawismus zum größten Teil ihre expansionistischen Ziele und betrachtete nicht selten die neuerworbenen Gebiete als Kriegsgewinn aus dem Ersten Weltkrieg, da Serbien zu den Siegermächten gehörte. Außerdem bevölkerten die Serben einen großen Teil des am 29. Oktober 1918 in Zagreb vom „Nationalrat“ der Südslawen ausgerufenen „Staat der Slowenen, Kroaten und Serben“, der die ehemaligen südslawischen Länder innerhalb der Monarchie umfasste.
In den ersten Nachkriegsjahren spitzen sich territoriale Konflikte mit den Nachbarn. Italien hatte bereits Istrien okkupiert. Die serbische Armee hatte kurzzeitig Klagenfurt besetzt. Der Friedensvertrag von St. Germain 1919 sah ein Plebiszit in Kärnten vor, das schließlich im Oktober 1920 auch abgehalten wurde. Die Kärntner entschieden sich aber für den Verbleib im österreichischen Staat. Mit Ungarn gab es ebenfalls Streitigkeiten um die Grenzziehung. Mit dem Abschluss des Friedensvertrages von Trianon im Jahre 1920 wurden die Streitigkeiten beendet.19
Im Parlament von Montenegro gab es scharfe Gegensätze zwischen zwei Fraktionen - die proserbische konnte sich aber durchsetzen. Sie plädierte für eine Vereinigung mit Serbien, während die andere Fraktion das ausdrücklich ablehnte und auf der montenegrinischen Souveränität beharrte.
Ein paar Tage nach der Ausrufung des Staates der Slowenen, Kroaten und Serben wurde in Sarajevo ein eigener Nationalrat für Bosnien-Herzegowina gebildet.20 Schließlich wurde am 1. Dezember 1918 die Vereinigung des Königreichs Serbien mit dem Staat der Slowenen, Kroaten und Serben vom serbischen Prinzregent Aleksandar Kara or evi proklamiert und der neue Staat - „Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ geschaffen.
Der Zusammenbruch der Habsburger Monarchie brachte chaotische Zustände und allgemeine Anarchie mit sich. Viele Bauern wurden beraubt. Unter diesen Umständen litt vor allem die muslimische Bevölkerung, die ihre alten Privilegien in der Monarchie behalten konnte und die größten Güter innehatte. Der bosnische Reis ul-Ulema Džemaludin auševi (1870-1938) erzählte einem französischen Journalisten über Gräueltaten an Muslimen, die den serbischen Triumphzügen unter aktiver oder passiver Beteiligung der serbischen Truppen zum Opfer fielen. Obwohl er von über 1000 Getöteten sprach, kann dies nicht einer Bestätigung für den Hass zwischen diesen zwei Ethnien dienen, da sich das Land im chaotischen Zustand befand und viele Uniformierte auf eigene Faust agierten, verbunden mit dem Hass der Soldaten aus Serbien gegen die Muslime, die kein Zusammenleben kannten und oft den Grund für ihre Untaten auf nationalen Amselfeld-Mythos stützten, nach welchem sie als Zerstörer des serbischen Staates galten, da sie den Osmanen gleichgesetzt wurden.21
In der Zeit zwischen den beiden Volkszählungen, 1910 und 1921, wurde in Bosnien eine Bevölkerungsabnahme von 300.000 Personen festgestellt. Nach wie vor ist es unklar, wie viele davon durch Rachemaßnahmen gegen die muslimische und kroatische Bevölkerung zum Opfer fielen, die während des Krieges loyal der Österreich-ungarischen Krone waren, oder tatsächlich durch den Kriegseinsatz auf beiden Seiten starben, oder gar durch die tobende Typhusepidemie.22
Die Ursachen für die Vergeltungsaktionen der serbischen Bauern und Soldaten vor allem an Muslimen, sind außer der von ihnen verübten Gewaltverbrechen während des Ersten Weltkriegs ebenfalls in den großen sozialen Unterschieden zwischen diesen zwei Bevölkerungsgruppen zu suchen. Als Resultat der Jahrhunderte langen osmanischen Besatzung des Landes war die Verteilung des Bodenbesitzes im ethnischen Sinne völlig unausgewogen. Die Muslime besaßen den Großteil des landwirtschaftlich genutzten Bodens. ( vgl. Diagramme 2-1, 2-2)23
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diagramm 2-1: Ethnisch-konfessionelle Verteilung des Bodenbesitzes in Bosnien-Herzegowina (1910)24
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diagramm 2-2: Ethnisch-konfessionelle Struktur Bosniens und der Herzegowina (1910)25
Im neugegründeten Staat der Serben, Kroaten und Slowenen hatten die bosnischen Muslime keinen Status einer Nation, sondern wurden als Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft angesehen, die die Wahl hatten, sich entweder zum Serbentum oder Kroatentum zu bekennen. Die Verfechter der großserbischen Ideologie bezeichneten sie als Serben islamischen Glaubens und die „Großkroaten“ als kroatische Muslime.26
Für die beiden entgegen gesetzten politischen Strömungen waren sie nur ein Produkt osmanischer Herrschaft auf dem serbokroatischen Boden. In der habsburgischen Ära verwendeten sie selbst den Ausdruck „islamisches Volk“, um damit einen eigenen Korpus zu manifestieren und die lang fällige Bodenreform als etwas Antimuslimisches verhindern zu können.27
Um ihre Interessen auch im neuen Staat vertreten zu können, wurden relativ schnell drei neue Parteien gegründet, von denen die „Jugoslawische Muslimische Organisation“ relativ schnell eine führende Rolle übernahm.
2.2 Die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung
Die staatrechtliche Stellung des Königreichs SHS wurde auch zwei Jahre nach der Ausrufung nicht geklärt. Vier verschiedene politische Konzepte boten sich für die Lösung dieser Frage an:
Integralistisches Konzept zentralistische Staatsform, Schaffung einer neuen jugoslawischen Nation, Umbenennung des Staatsnamen in Jugoslawien Großserbisches Konzept zentralistische Staatsform, Expansion der serbischen Institutionen und des serbischen Staatskonzeptes, keine Änderung des Staatsnamens, Betonung der Rolle Serbiens bei der Befreiung der durch die Zentralmächte okkupierten Gebiete im Ersten Weltkrieg
- Föderalistisches Konzept föderalistische Staatsform, Beharren auf die Gleichberechtigung der drei Staatsvölker
- Separatistisches Konzept Auflösung des Staates und Anerkennung der historischen Länder als eigene Staaten28
Die Ergebnisse der am 28. November 1920 abgehaltenen Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung waren von der Dominanz zweier großer Rivalen gekennzeichnet, die in erster Linie um die Vorherrschaft bei den serbischen Wählern kämpften - der Serbischen Radikalen Nationalpartei und der Demokratischen Partei.
Die beiden Parteien zusammen konnten aber keine absolute Mehrheit erlangen. Den 37 Prozent aller Stimmen der beiden serbischen zentralistischen Parteien standen 33 Prozent der Stimmen von antizentralistischen Parteien (Die Kroatische Bauernpartei, slowenische und kroatische Autonomisten, Die Jugoslawische Muslimische Organisation usw.) gegenüber.29
Die Demokratische Partei unter der Leitung des kroatischen Serben Svetozar Pribi evi (1875-1936), die ein integralistisches Konzept verfolgte, konnte 92 Mandate in der Nationalversammlung für sich verbuchen, während auf der anderen Seite die großserbisch orientierte Radikale Nationalpartei unter der Führung des langjährigen Regierungschefs des Königreichs Serbien Nikola Paši 91 Mandate errang.
Die Demokraten waren viel stärker als Radikale in Kroatien, Kosovo und Sandschak, aber weniger stark in Makedonien und Montenegro. Sie konnten sich in Bosnien und der Herzegowina mit einem dreimal so großen Stimmenanteil behaupten, als in Serbien, der Vojvodina und Dalmatien.
Während die politische Plattform der Demokraten gesamtjugoslawisch ausgerichtet war, setzten die Radikalen Serbien in den Vordergrund. Dadurch konnten die Demokraten die Stimmen der serbischen Population, die weiter weg von Serbien lebte, für sich in Anspruch nehmen. Im Gegensatz dazu hatten die Radikalen viel mehr Erfolg in Serbien selbst und in den an Serbien angrenzenden Gebieten.
Außer diesen zwei Parteien, die die meisten serbischen Wähler mobilisierten, war in Bosnien und der Herzegowina nach der Anzahl der errungenen Mandate der Bauernbund (Savez težaka) unter Mihailo Avramovi (1864-1945) die stärkste serbische Partei.
Die größte oppositionelle Partei war die Kommunistische Partei mit 58 Mandaten. Ihre Wähler konnten die Kommunisten vor allem aus den 100.000 aus der Sowjetunion zurückgekehrten Kriegsgefangenen rekrutieren. In Bosnien und der Herzegowina waren die Kommunisten aber mit nur vier Mandaten wenig erfolgreich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diagramm 2-3: Mandatsverteilung in der Nationalversammlung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen - nach den ersten Parlamentswahlen vom 28. November 192030
Die größte kroatische Partei, die Kroatische Republikanische Bauernpartei, geleitet von ihrem charismatischen Führer Stjepan Radi (1871-1928), kam nach der Anzahl der Mandate (50) auf den vierten Platz, nach der Stimmenanzahl aber auf den dritten Platz. Der Grund für mehr Mandate für die Kommunistische Partei, obwohl sie weniger Stimmen bekam, war ihre gesamtjugoslawische Orientierung und ihr Antreten im ganzen Land, während sich die Kroatische Republikanische Bauernpartei auf die kroatischen historischen Länder konzentrierte.31
Die kroatischen Stimmen in Bosnien und der Herzegowina bekamen aber zwei andere kroatische Parteien. Die Kroatische Landwirtepartei mit sieben und die Kroatische Volkspartei mit drei Mandaten repräsentierten die bosnisch-kroatische Wählerschicht. Dieses Ergebnis zeigte eine fortführende Tendenz der kroatischen Wähler, die noch aus der österreichisch-ungarischen Zeit stammt, wonach die „christlich-liberale“ Kroatische Landwirtepartei wesentlich mehr Stimmen als die „doktrinäre“ Kroatische Volkspartei erringen konnte.32
Die Jugoslawische Muslimische Organisation gewann bei den Wahlen im November 1920 fast alle muslimischen Stimmen in Bosnien und errang 24 Sitze in der Volksversammlung (siehe Diagramm 2-4). Die anderen zwei muslimischen Parteien, die Unabhängige Muslimische Partei und die Muslimische Volkspartei, erlangten nur einen geringen Stimmenanteil. Die JMO war eine konfessionelle Partei, die sich um den Schutz der moslemischen Landbesitzer vor antimuslimischen Übergriffen, vor allem von den serbischen Pachtbauern, einsetzte und gegen die Aufteilung der bosnischen Muslime durch ihre Assimilierung in den serbischen oder kroatischen Nationalkorpus.33
Die Charakteristik dieser Wahl in Bosnien und der Herzegowina ist eine allgemeine Ablehnung der assimilierenden gesamtstaatlich orientierten Parteien seitens der Bevölkerung und „weitere Pflege historisch gewachsener ethnischer Unterschiede“.34
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diagramm 2-4: Die Parlamentswahlen 1920 - Stimmenvergleich zwischen Bosnien-Herzegowina und dem Königreich SHS insgesamt
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Diagramm 2-5: Verteilung der Mandate aus Bosnien und der Herzegowina in der Nationalversammlung des Königreichs SHS nach den Wahlen vom 28. November 192035
2.3 Die Vidovdan-Verfassung (28.06.1921)
Eines der Schlüsselereignisse im Königreich SHS war die Verabschiedung der ersten Verfassung, die nach dem großen serbischem Feiertag Vidovdan (St.Veits Tag) benannt wurde, da sie gerade an dem Tag vom Parlament beschlossen wurde.
Wochenlange Debatten, vor allem um den Namen des neuen Staates, Anerkennung religiöser Freiheiten, eventuelle Einführung einer zweiten Parlamentskammer und die Diskussion über die Organisation der lokalen Institutionen ergaben viele Vorschläge für die zukünftige Gestaltung des gemeinsamen Staates. Man versuchte einen Kompromiss zwischen dem unitaristischen und dem föderalistischen Konzept für den Staat des dreistämmigen Volkes zu schaffen. An der Tagesordnung waren politische Arrangements unter den Parteien, um für ihre eigenen Vorschläge in der Verfassungsdebatte die notwendige Unterstützung zu bekommen.
Schließlich war es am 28. Juni 1921 soweit. Die großen serbischen Parteien, die Demokraten und die Radikalen, „erkauften“ sich die Stimmen der beiden muslimischen Parteien, der Jugoslawischen Muslimischen Organisation und des Džemijet, durch eine Übereinkunft mit diesen, nach welcher die muslimischen Großgrundbesitzer für den enteigneten Landbesitz durch die Agrarreform von 1919- 1920 entschädigt werden sollten.
Die zentralistische Verfassung wurde nach dem Vorbild der serbischen Verfassung aus dem Jahre 1903 erstellt und mit einer einfachen Mehrheit verabschiedet, nicht wie 1917 in der Korfu Deklaration zwischen der serbischen Regierung und dem Jugoslawischen Ausschuss ausgemachten notwendigen Mehrheit von mindestens 60 Prozent der Delegiertenstimmen. Die meisten slowenischen und kroatischen Abgeordneten boykottierten die Abstimmung.36
Durch die neue Verfassung wurde das Königreich SHS als eine konstitutionelle, parlamentarische Erbmonarchie definiert. Das Land sollte in 33 Verwaltungsgebiete (oblasti) aufgeteilt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Karte 2-1: Königreich SHS nach der administrativen Aufteilung des Landes am 26.04.192237
Die historischen Gebiete waren damit zerschlagen, obwohl die Grenzen der neuen Verwaltungsgebiete nicht über sie hinaus gingen, waren sie nicht mehr miteinander durch höhere Administrationsinstanz verbunden, sondern der Zentralregierung direkt untergestellt. Die Einteilung des Landes wurde dann ein Jahr später am 26.04.1922 durch ein Gesetz formell in die Wege geleitet.
Die administrativen Zentren der bosnisch-herzegowinischen „Oblasti“ waren:
- Banja Luka
- Biha
- Mostar
- Sarajevo
- Travnik
- Tuzla
Obwohl die Kommunistische Partei Jugoslawiens in der verfassungsgebenden Nationalversammlung die stärkste oppositionelle Kraft war, beschränkte sie ihren Kampf für die Rechte der Arbeiterschaft nicht nur auf parlamentarische Mittel. Im ganzen Land wurden von Kommunisten Arbeiterstreiks, Demonstrationen und sogar Gewaltakte gegen die Institutionen des herrschenden Staatssystems organisiert. Der Widerstand erreichte seinen Höhepunkt beim Protest der Bergarbeiter bei Tuzla (Husino - Der Husino Aufstand), die die Einhaltung der von der Regierung festgesetzten Lohnhöhe forderten.
Bei den Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Bergarbeitern gab es Tote auf beiden Seiten. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen und endete am 29.Dezember 1920 mit dem Regierungsbeschluss ( die „Obznana“) über das temporäre Verbot jeder Tätigkeit der Kommunistischen Partei, die für die Organisation des Aufstands verantwortlich war.38
Die Kommunisten wollten sich für dieses Verbot rächen und ein halbes Jahr später töteten sie in einem Attentat in Delnice am 21. Juli 1921, den Verfasser der „Obznana“, den Innenminister Milorad Draškovi . Ihre weitere Tätigkeit konnte die Kommunistische Partei nur mehr im Untergrund und illegal fortsetzen. Die „Obznana“ traf die Partei sehr hart und bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verloren die Kommunisten fast ihren gesamten Einfluss auf das politische Leben im Land.39
Die Regierungskoalition brach im Frühling 1922 auseinander. Die Jugoslawische Muslimische Organisation ging in die Opposition. Zwischen den Demokraten und den Radikalen kam es zum heftigen Machtkampf. Die Demokratische Partei zerfiel in zwei Flügel. Der eine wurde vom Anführer der „Pre ani“ (die Serben westlich des Flusses Drina) Pribi evi und die andere vom Anführer der „Serbianer“ innerhalb der Partei Ljubomir Davidovi (1863-1940) geführt.
Am 18. März 1923 wurden aufgrund der Regierungskrise die vorgezogenen Wahlen abgehalten und die Radikalen gingen als Hauptsieger, die Demokraten dagegen als größte Verlierer aus den Wahlen hervor. Unter dem neuen Regierungschef Nikola Paši formierten die Radikalen eine Minderheitsregierung, die sich aufgrund eines starken oppositionellen Block nur bis 27. März 1924 halten konnte. Erst unter Vermittlung des Königs konnte eine neue Regierung von den oppositionellen Kräften unter der Führung von Davidovi aufgestellt werden, die bereits im Oktober 1924 durch eine ultimative Forderung des Königs auf den Rücktritt des Regierungschefs zerfiel.40
Auf einer Sitzung des Kroatischen Volksabgeordnetenrates (Hrvatsko narodno zastupstvo), deren Mitglieder die Arbeit im Belgrader Parlament boykottierten, bezeichnete Stjepan Radi am 25. November 1922 seine Äußerungen über die kroatisch-serbische Einheit in der Vorkriegszeit als Resultat der damaligen politischen Realität: „20 Jahre lang haben wir erzählt, dass wir und die Serben eins sind. Wir haben dies deshalb getan, weil wir uns gegen die Ungarn, Italiener und Deutschen verteidigen mussten.“41
Ständige Streitigkeiten im Parlament und eine instabile Regierungen führten zu vorgezogenen Wahlen am 8. Februar 1925, denen nach zweieinhalb von starken politischen Konflikten gekennzeichneten Jahren am 11. September 1927 die nächsten folgten. Die Partei Radi s konnte sich beide Male in Kroatien behaupten und ihren Einfluss auf die bosnischen Kroaten verstärken.
Die Kluft zwischen den Serben aus Serbien (den „Serbienern“) und den Serben außerhalb Serbiens (den „Pre ani“) wurde immer tiefer. Der Anführer von „Pre ani“, Svetozar Pribi evi bildete mit seinem kroatischen Kollegen aus der Kroatischen Bauernpartei, Stjepan Radi , eine oppositionelle Koalition.
Die ständigen Streitigkeiten im Parlament und das Auftauchen vieler Korruptionsskandale, sowie die scharfe Kritik der Opposition an der Regierung, vor allem seitens des rhetorisch sehr begabten und impulsiven Stjepan Radi , führten am 20. Juni 1928 zu einem Attentat in Belgrader Parlament. Fünf kroatische Abgeordnete wurden vom montenegrinischen Abgeordneten Puniša Ra i (1886- 1944) angeschossen, wobei zwei von ihnen vor Ort starben.
Stjepan Radi starb am 8. August an den Folgen des Attentats. Obwohl Vieles an ein organisiertes Verbrechen hindeutete, konnten die später durchgeführten gerichtlichen Untersuchungen, wie erwartet, die Hintergründe für diese politischen Morde im Staatsparlament nicht beleuchten.42
2.4 Die Königsdiktatur
Der König Alexander Kara or evi (1888-1934) reagierte auf die tiefe Regierungskrise mit der Aufhebung der Vidovdan-Verfassung von 1921 und der Auflösung des Parlaments. Die Verkündung seiner Diktatur fand am 6. Jänner 1929 statt. An diesem Tag fing eine neue Phase in der Geschichte des südslawischen Staates an.43
Noch am selben Tag wurde die Bildung einer neuen Regierung bekanntgegeben. Alexander ernannte den General Petar Živkovi (1879-1947) zum Ministerpräsidenten.44 Ebenfalls am 6. Jänner wurde vom König ein Staatssicherheitsgesetz erlassen, das „alle politischen Organisationen und Parteien mit religiösem oder ethnischen Charakter“ verbot.
Die Ideologie des jugoslawischen Integralismus wurde vom König gefördert und alle anderen widerstrebenden Kräfte im Land durch Verfolgungen, Pressezensur und andere Methoden bekämpft. Dieser Ideologie folgend, wurde der Staat am 3. Oktober 1929 in „Das Königreich Jugoslawien“ umbenannt. Die dreiunddreißig existierenden Verwaltungsbezirke („oblasti“) wurden abgeschafft und das Land in neun Banschaften komplett neu aufgeteilt.
Die alten historischen Gebiete wurden zerstückelt und untereinander gemischt. Nach 400 Jahren des kontinuierlichen Bestehens der Administrationseinheit Bosniens und der Herzegowina wurden bereits 1922 die historischen Verwaltungsgrenzen abgeschafft. Die neue Reform setzte diese Tendenz fort und die äußeren Grenzen der neu geschaffenen Banschaften wurden so gezogen, dass die Bezirke verschiedener historischen Länder einer Verwaltungseinheit zugeordnet wurden. Banschaften wurden nach Flüssen benannt, um dadurch die alten Namen zu vermeiden. Das Gebiet Bosniens und der Herzegowina wurde in vier Banschaften geteilt:
- Die Vrbas-Banschaft - erstreckte sich zu einem größeren Teil auf Bosniens und zu einem kleineren auf Kroatien
- Die Drina-Banschaft - bestand aus zwei ungefähr gleich großen Teilen Bosniens und Serbiens
- Die Küsten-Banschaft - bestand aus zwei ungefähr gleich großen Teilen Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens (Dalmatien)
- Die Zeta-Banschaft - bestand aus Teilen Bosnien-Herzegowinas, Montenegro und Teilen Serbiens und des Kosovo
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Karte 2-2: Administrative Aufteilung des Königreichs Jugoslawien in 9 Banschaften vom 3. Oktober 192945
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Diagramm 2-6: Ethnische Struktur der Banschaften Vrbas, Drina, Zeta und der Küstenbanschaft46
Die Aufteilung des Landes in neun Banschaften wurde ganz im Sinne des großserbischen Konzepts durchgeführt. In sechs von insgesamt neun dieser Verwaltungseinheiten hatte die serbische Bevölkerung eine absolute Mehrheit. In der Save- und der Küsten-Banschafte waren die Kroaten die mehrheitliche Volksgruppe und in der Drau-Banschaft die Slowenen.
Die administrativen Grenzen von vier Banschaften, die das historische Gebiet Bosniens und der Herzegowina umfassten, wurden so ausgewählt, damit die Serben eine klare Dominanz in drei Einheiten - der Vrbas-, der Drina- und der ZetaBanschaft besaßen und die Kroaten in der Küsten-Banschaft.( Diagramm 2-6) Der Anteil der muslimischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung in den einzelnen Verwaltungseinheiten wurde durch die Einteilung deutlich geschwächt.
Auf der Bezirksebene hatten die Serben die absolute Mehrheit in 23 und die relative in fünf, die Muslime die absolute in elf und die relative in zwei und die Kroaten die absolute in acht und relative in vier Bezirken.47
Die Gouverneure der neuen Verwaltungseinheiten (die Bani) wurden direkt vom König ernannt. Eine Neuerung war, dass auch die Kommissare direkt von Banus ernannt wurden und nicht wie bisher von den gewählten örtlichen Regierungsvertretern.48
Die Maßnahmen der Zentralisierungspolitik trafen auch die Religionsgemeinschaften. Durch eine königliche Verordnung aus dem Jahre 1930 wurden zwei bestehende islamische Organisationen eine für die bosnischen Muslime mit dem Sitz in Sarajevo und eine andere für die Muslime in Makedonien und Kosovo mit dem Sitz in Skopje miteinander vereinigt. Alle jugoslawischen Muslime wurden einem Reis ul-Ulema und einem Religionsrat unterstellt.
Der bosnich-muslimische Reis Džemaludin auševi protestierte gegen diese neue Regelung und trat von seinem Amt zurück. Der neue Oberhaupt der islamischen Glaubensgemeinschaft wurde der Vorgänger von Mehmed Spaho an der Spitze der Jugoslawischen Muslimischen Organisation und ein proserbisch orientierter Politiker namens Ibrahim Maglajli (1861-1936).49
Der König verkündete am 3. September 1931 die „oktroyierte“ Verfassung, die ihm auch formell große Kompetenzen einräumte. Jugoslawien blieb eine konstitutionelle Erbmonarchie, wie in der Vidovdan-Verfassung festgelegt war, lediglich die Bezeichnung parlamentarisch wurde gestrichen. Sie betonte den zentralistischen Charakter des Staates und verdeutlichte den nationalen Unitarismus. Neben der bestehenden Nationalversammlung („Skupština“) gründete der König die zweite Parlamentskammer - den Senat, dessen Mitglieder zur einer Hälfte von ihm ernannt wurden und zur anderen Hälfte vom Volk gewählt wurden.50
[...]
1 Dunja Mel i, Hg., Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen (Wiesbaden 2007b)
2 Sre ko M. D ž aja, Die politische Realität des Jugoslawismus. (1918 - 1991) ; mit besonderer Berücksichtigung Bosnien-Herzegowinas (Untersuchungen zur Gegenwartskunde Südosteuropas 37, München 2002), Holm Sundhaussen, Experiment Jugoslawien. Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall (Meyers Forum 10, Mannheim/ Wien 1993), John Lampe, Jugoslavija kao istorija. Bila dvaput jedna zemlja (Beograd 2004), Sabrina P. Ramet, Nationalism and Federalism in Yugoslavia 1962-1991 (Bloomington/Indianapolis 1992)
3 Noel Malcolm, Geschichte Bosniens (Frankfurt am Main 1996), Ivan Lovrenovi , Unutarnja zemlja. kratki pregled kulturne povijesti Bosne i Hercegovine (Zagreb 2004), Salih Sidki Had ž ihuseinovi , Povijest Bosne (Sarajevo 1999)
4 Mustafa Imamovi , Historija Bošnjaka (Sarajevo 1997), Nijaz Durakovi , Prokletstvo Muslimana (Sarajevo 1993)
5 Dušan T. Batakovi / Nikola Samard ž i , Nova istorija srpskog naroda (Beograd/Lausanne 2002), Vladimir orovi , Istorija Srba (Niš 2005)
6 Ivo Peri / Franko Miro š evi , Povijesti Hrvata - od 1918. do danas (Zagreb 2007)
7 Rudolf Rothaug, Geographischer Atlas zur Vaterlandskunde an den österreichischen Mittelschulen (Wien 1911)
8 ausführlicher über den Begriff „Kroatisches Staatsrecht“
Mirjana Stefanovski, Ideja hrvatskog državnog prava i stvaranje Jugoslavije (Die Idee des kroatischen Staatsrechts und die Schaffung Jugoslawiens) (Beograd 1995)
9 Näheres über "Srbi svi i svuda" von Vuk Stefanovi Karadži siehe Wolf Dietrich Behschnitt,
Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830 - 1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie (Südosteuropäische Arbeiten 74, München 1980), S-65-82
10 Dunja Mel i , Der Jugoslawismus und sein Ende, in: Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen, hg. von Mel i, Dunja (2007a) S. 210-231, S. 211
11 Günter Sch ö dl, Südslawen und Habsburgermonarchie um 1900. Zur Europäizität des "Jugoslawismus" (2006).
http://www.europa.clio-online.de/2006/Article=145. (22.01.2009)
12 Mel i , Jugoslawismus a (wie Anm. 10), S. 214
13 Mel i , Jugoslawismus a (wie Anm. 10), S. 214
14 Behschnitt, Nationalismus (wie Anm. 9), S. 173
15 Näheres über “Na ertanije“ siehe Behschnitt, Nationalismus (wie Anm. 9), S. 54-65
16 Genannt nach der Insel Korfu, welche während der Okkupation Serbiens seitens der Zentralmächte vorläufiger Sitz aller serbischen staatlichen Institutionen war.
17 Lampe, Jugoslavija kao istorija (wie Anm. 2), S. 93-94
18 Interessantes zu den Hintergründen über die Verhandlungen auf der Insel Korfu, siehe Ivan Me š trovi , Uspomene na politi ke ljude i doga aje (Zagreb 1993), S. 67-70
19 Lampe, Jugoslavija kao istorija (wie Anm. 2), S. 102-103
20 Malcolm, Geschichte Bosniens (wie Anm. 3), S. 192
21 Malcolm, Geschichte Bosniens (wie Anm. 3), S. 192-193
22 Malcolm, Geschichte Bosniens (wie Anm. 3), S. 192
23 Michael Portmann, Aspekte des nationalen Konflikts in Bosnien-Herzegowina von 1878 bis 1945 (München 2007), S. 17
24 Quelle:
Portmann (wie Anm. 23), S. 17
25 Quelle:
Portmann (wie Anm. 23), S. 17
26 Aleksandar Jakir, Bosnien-Herzegowina im ersten und zweiten jugoslawischen Staat, in: BosnienHerzegowina. Wegweiser zur Geschichte, hg. von Ke ß elring, Agilolf (2005) S. 53-65, S. 55
27 D ž aja, Politische Realität des Jugoslawismus (wie Anm. 2), S. 160
28 D ž aja, Politische Realität des Jugoslawismus (wie Anm. 2), S.13-14
29 Ivo Banac, Jugoslawien 1918-1941, in: Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen, hg. von Mel i, Dunja (2007) S. 153-169
30 Quelle:
Narodna skup š tina Kraljevine SHS, Statisti ki pregled izbora narodnih poslanika za Ustavotvornu Skupštinu Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, izvršenih na dan 28.novembra 1920. godine (1921) Das Diagramm - geordnet nach Mandaten
31 Branislav Gligorijevi , Parlament i politi ke stranke Jugoslavije, 1919-1929 (Beograd 1979), S. 82- 89
32 D ž aja, Politische Realität des Jugoslawismus (wie Anm. 2), S. 175
33 Banac (wie Anm. 29), S. 160
34 D ž aja, Politische Realität des Jugoslawismus (wie Anm. 2), S. 175
35 Quellen:
Narodna skup š tina Kraljevine SHS, Statisti ki pregled za Skupštinu (wie Anm. 30) Nusret Š ehi , Bosna i Hercegovina 1918-1925 (Sarajevo 1991), S. 175-180
36 Lampe, Jugoslavija kao istorija (wie Anm. 2), S. 111-113
37 Slobodna enciklopedija Vikipedija, Administrativna podela Kraljevine Jugoslavije na oblasti, od 26. aprila 1922. godine (2006a).
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/sr/f/fa/KraljevinaSHS1922.jpg. (28.01.2009)
38 “Obznana“ ist in der jugoslawischen Historiographie die Bezeichnung für das Verbot der Tätigkeit der Kommunistischen Partei im Königreich SHS
39 Torsten Szobries, Sprachliche Aspekte des "nation-building" in Mazedonien. Die kommunistische
Presse in Vardar-Mazedonien (1940 - 1943) (Studien zur modernen Geschichte 53, Stuttgart 1999), S. 78-79
40 Sundhaussen, Experiment Jugoslawien (wie Anm. 2), S. 51
41 Aleksandar Jakir, Dalmatien zwischen den Weltkriegen: Agrarische und urbane Lebenswelt und das Scheitern der jugoslawischen Integration (München 1999), S. 350
42 D ž aja, Politische Realität des Jugoslawismus (wie Anm. 2), S. 26
43 Die darauffolgende Periode wird in der ex-jugoslawischen Literatur als Diktatur des 6.Jänner
(Šestojanuarska diktatura) bezeichnet, die durch das Attentat an König Alexander I 1934 sehr stark geschwächt wurde und nach den Wahlen 1935 der Parlamentarismus wieder eingeführt wurde. Die oktroyierte Verfassung von 1931 war aber bis zur Kapitulation des Königreichs Jugoslawien am 17. April 1941 gültig.
44 Ferdo ulinovi , Jugoslavija izme u dva rata (Zagreb 1961), S. 9
45 Quelle:
Vikipedija, Administrativna podela Kraljevine Jugoslavije na Banovine iz 1929. godine, sa ucrtanom Banovinom Hrvatskom iz 1939. godine (2006b).
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/sr/a/a6/KraljevinaJugoslavijaBanovine1929.jpg. (27.01.2009)
46 Quelle:
D ž aja, Politische Realität des Jugoslawismus (wie Anm. 2), S. 168
47 D ž aja, Politische Realität des Jugoslawismus (wie Anm. 2), S.167-168
48 Malcolm, Geschichte Bosniens (wie Anm. 3), S. 199
49 Malcolm, Geschichte Bosniens (wie Anm. 3), S. 200
50 Arnold Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918-1938 (München 1996), S. 67
- Quote paper
- Ernest Plivac (Author), 2009, Bosnien-Herzegowina im Rahmen der beiden jugoslawischen Staaten und des Unabhängigen Staates Kroatien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/270694
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