Die Hausarbeit zu Max Frisch „Homo faber“ mit dem Thema „Mythologische Bezüge“ thematisiert die inhaltliche Beziehung zwischen dem Werk und antiken Mythen.
Ein Schwerpunkt ist hierbei auf die Gemeinsamkeiten der Protagonisten im Vergleich zu denen am deutlichsten erscheinenden Mythen bzw. Sagen gelegt, welche zusätzlich angesprochen werden. Hierzu werden die Protagonisten des jeweiligen Mythos bzw. der jeweiligen Sage mit den handelnden Personen, deren Eigenschaften und dem Geschehen in Max Frisch’s Werk verglichen. Beziehungen sowie Abweichungen des Mythos im Werk werden erläutert und zusammenfassend grafisch dargestellt.
Vor allem konzentrieren sich die gesamten Zusammenhänge auf die Hauptprotagonisten in „Homo faber“: Walter Faber, Hanna Landsberg sowie Elisabeth Piper, von Walter Faber Sabeth und von Hanna Elsbeth genannt.
Die Mythologie im gesamten Werk soll allerdings laut Frisch nicht überbewertet werden, dennoch angesichts der Vielzahl an vergleichbaren Geschehnissen bzw. Bezügen zu den Mythen, drängt sich die Annahme auf, dass Frisch diese Anspielungen bewusst gewählt hat.
Allumfassend befasst sich die Hausarbeit mit zentralen Mythen die sich im Bericht „Homo faber“ wiederfinden. Auch in der Mythologie leben die Menschen mit den Göttern. So nehmen auch diese menschliche Schwächen an, machen Fehler oder verstricken sich, wie auch Faber, in Schuldzusammenhängen. Dadurch enthalten diese eigentlich übernatürlichen Wesen durchaus menschliche Züge.
Letztlich soll auf einen weiteren Aspekt, die Schuldfrage an Sabeths Tod, eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Ödipussage
2.1 Der Mythos
2.2 Bedeutung der Ödipussage im Werk
3. Demeter-Persephone(Kore)-Motiv
3.1 Sagenstoff
3.2 Bedeutung im Werk
4. Die Klytämnestra-Handlung
4.1 Sagenstoff
4.2 Bezug zum Werk
5. Die Erinnyen
5.1 Sagenstoff
5.2 Bezug zum Werk
6. Hermes – der Götterbote als Vermittler?!
7. Die Götter der Zeit – Fabers Omega-Uhr
9. Schluss
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Hausarbeit zu Max Frisch „Homo faber“ mit dem Thema „Mythologische Bezüge“ thematisiert die inhaltliche Beziehung zwischen dem Werk und antiken Mythen.[1]
Ein Schwerpunkt ist hierbei auf die Gemeinsamkeiten der Protagonisten im Vergleich zu denen am deutlichsten erscheinenden Mythen bzw. Sagen gelegt, welche zusätzlich angesprochen werden. Hierzu werden die Protagonisten des jeweiligen Mythos bzw. der jeweiligen Sage mit den handelnden Personen, deren Eigenschaften und dem Geschehen in Max Frisch’s Werk verglichen. Beziehungen sowie Abweichungen des Mythos im Werk werden erläutert und zusammenfassend grafisch dargestellt.
Vor allem konzentrieren sich die gesamten Zusammenhänge auf die Hauptprota-gonisten in „Homo faber“: Walter Faber, Hanna Landsberg sowie Elisabeth Piper, von Walter Faber Sabeth und von Hanna Elsbeth genannt.
Die Mythologie im gesamten Werk soll allerdings laut Frisch nicht überbewertet werden, dennoch angesichts der Vielzahl an vergleichbaren Geschehnissen bzw. Bezügen zu den Mythen, drängt sich die Annahme auf, dass Frisch diese Anspielungen bewusst gewählt hat.
Allumfassend befasst sich die Hausarbeit mit zentralen Mythen die sich im Bericht „Homo faber“ wiederfinden. Auch in der Mythologie leben die Menschen mit den Göttern. So nehmen auch diese menschliche Schwächen an, machen Fehler oder verstricken sich, wie auch Faber, in Schuldzusammenhängen. Dadurch enthalten diese eigentlich übernatürlichen Wesen durchaus menschliche Züge.
Letztlich soll auf einen weiteren Aspekt, die Schuldfrage an Sabeths Tod, eingegangen werden.
2. Die Ödipussage
2.1 Der Mythos
Ödipus ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Laios, des Königs von Theben, und der lokaste, Königin von Theben. (Vgl. Waldherr 2000: 33)
Beide blieben lange Zeit kinderlos, woraufhin sich Laios eines Tages auf den Weg zum Orakel[2] in Delphi macht.[3] Im Heiligtum zu Delphi fleht Laios den Gott Apollon um ein Kind an. Als Antwort wird ihm folgende Prophezeiung mitgeteilt: „Dir soll ein Sohn geboren werden, der wird seinen Vater erschlagen und seine Mutter zur Gemahlin nehmen“. (Vgl. Waldherr 2000: 33)
Kurze Zeit später gebärt lokaste wirklich einen Sohn. Um allerdings dem vorhergesagten Schicksal zu entgehen, lassen die Eltern den neugeborenen Jungen mit durchstochenen Fersen und zusammengeschnürten Füßen durch einen Hirten in dem wilden Waldgebirge Kithairon aussetzen. (Vgl. Pasche 2013: 35)
Der Hirte hat jedoch Mitleid mit dem unschuldigen Knaben und übergibt ihn deshalb einem anderen Hirten, der im Gebirge die Herden des Königs Polybos von Korinth weidet, welcher das Kind letztlich mit in sein Königsschloss nimmt. Da das wohlgebildete Knäblein der Königin Merope sehr gefällt, und das Königspaar zusätzlich kinderlos ist, nimmt es den Knaben als ihr eigenes Kind an sich bzw. es wird von beiden adoptiert und wir ihr eigen aufgezogen. Aufgrund des Zustandes seiner Füße nennen Polybos und Merope den Findling Ödipus, was übersetzt „Schwellfuß“ bedeutet. Von ihnen wird er mit so viel Liebe aufgezogen, das er nicht einmal im Traum daran denken könnte, dass es sich nicht um seine leiblichen Eltern handle. (Vgl. Waldherr 2000: 33)[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ohne über seine wirkliche Herkunft Bescheid zu wissen, wächst Ödipus in Korinth auf. Als Ödipus im jugendlichen Alter im Hof über Andeutungen erfährt, die besagen, dass er nicht der leibliche Sohn seiner Eltern sei, wendet er sich zunächst an Polybos und Merope um bittet um Aufklärung. Die Antwort der beiden befriedigt ihn nicht, worauf er schließlich, in der Hoffnung um Aufklärung, das Orakel in Delphi um eine Antwort bittet. (Vgl. Lachner 1999: 72)
Er befragt das Orakel, wer er sei, woraufhin das Orakel Ödipus die Antwort dafür schuldig bleibt und verkündet[5]: „Du wirst deinen Vater erschlagen und deine Mutter heiraten.“
Da Ödipus Polybos für seinen leiblichen Vater hält, kehrt er nicht nach Korinth zurück um diese schreckliche Tat zu vermeiden, sondern geht stattdessen nach Theben. Dorthin unterwegs begegnet ihm an einer engen Weggabelung Laios in seinem Wagengespann. Da Ödipus dem Wagenlenker nicht mehr schnell genug ausweichen kann, kommt es zum Streit, in dessen Verlauf Ödipus Laios erschlägt. Ohne seinen wirklichen Vater zu kennen, erfüllt er daher unwissentlich den ersten Teil der Prophezeiung, den Vatermord. (Vgl. Pasche 2013: 35)
Als Ödipus nach Theben gelangt, wird es zu jener Zeit von der Sphinx heimgesucht, einem Todesdämon in geflügelter Löwengestalt mit Mädchenkopf. Sie tötet jeden, der nicht in der Lage ist, ihr Rätsel zu lösen, welches lautet: „Was ist am Morgen vierfüßig, zu Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig?“ Die Antwort lautet: der Mensch. (Lachner 1999: 72)
Kreon, der Schwager des toten Laios, übernimmt nach dessen Ableben die Herrschaft über Theben. Jener Person, die das Rätsel der Sphinx lösen könne, verspricht Kreon den Thron von Theben sowie seine Schwester lokaste zur Frau. Ödipus löst das Rätsel, die Sphinx tötet sich selbst und Theben ist von nun an von der Sphinx befreit. Da Ödipus jene Person ist, wird er als Belohnung zum König von Theben ernannt und er erhält die verwitwete Königin lokaste, seine eigene Mutter, zur Frau. Aus dieser Ehe gehen vier Kinder hervor: Eteokles, Polyneikes, Antigone und Ismene. Folglich erfüllt er hiermit auch den zweiten Teil der Prophezeiung, er nehme, wiederum unwissentlich, seine Mutter zur Frau.[6] Beide wissen demnach weder von der Tötung des Laios durch Ödipus noch von ihrer biologischen Verwandtschaft.[7]
Einige glückliche Jahre später bricht in Theben die Pest aus und das Orakel von Delphi verkündet, dass der Mörder des Laios gefunden werden müsse, damit die Pest verschwinden könne. Nachdem Ödipus des Mordes an Laios beschuldigt wird, er dies aber bestreitet, unternimmt er selbst Untersuchungen. Diese bringen die Wahrheit ans Licht. Durch die Untersuchung alter Vorfälle kommt er zur Selbstkenntnis: Er selbst ist der Mörder, Laios, den er getötet hatte, sein Vater und lokaste seine Frau, ist seine Mutter. Letztlich erhängt sich lokaste, Ödipus sticht sich die Augen aus und wird zudem von seinen Söhnen des Landes verwiesen.[8]
2.2 Bedeutung der Ödipussage im Werk
Der Ödipus-Mythos und Max Frisch „Homo faber“, eine antike Sage, eine Gestalt der griechischen Mythologie und ein Bericht aus dem 20. Jahrhundert mit dem Technikermensch Walter Faber. Zwei unterschiedliche Handlungen in verschiedenen Zeitaltern, dennoch spiegeln sich zentrale Motive der Sage, die allerdings variiert werden, im Bericht „Homo faber“ wieder.
So liegt wohl die deutlichste Gemeinsamkeit im Inzest. Hierbei ist durchaus zu beachten, dass es sich nicht wie bei Ödipus um einen Mutter-Sohn-Inzest handelt, sondern stattdessen um einen Inzest zwischen Vater und Tochter.
Die Ödipussage verkörpert somit den wahrscheinlich berühmtesten Fall des Inzests.[9]
Außerdem stellt die Ödipussage ein psychoanalytisches Erklärungsmodell für den vorliegenden Inzest dar, welches hilft, die Verhaltensweisen des Menschen auf ihre unbewussten Ursachen zurückzuführen, um diese so besser verstehen zu können. (Vgl. Peren-Eckert/Greese 2011: 85)
Hinter diesem Modell steckt der sogenannte „Ödipuskomplex“, den Sigmund Freud 1897 zum ersten Mal formulierte.[10] Hinter den Begründungen, die in der Ödipussage für den Inzest zwischen dem Sohn und der Mutter gegeben waren, vermutete er Ödipus Unkenntnis über die wahren Eltern. (Vgl. Eisenbeins 2012: 99)
Die kindlichen Entwicklungsschritte wurden so von Freud in 3 Phasen unterteilt:
- die orale (Mund) Phase,
- die anale (Darmausgang) Phase,
- und letztlich die phallische (griech. Phallos = der Penis) Phase, die für den Ödipuskomplex ausschlaggebend ist.[11]
In dieser Phase geht jedes Kind davon aus, dass jeder Mensch einen Penis besitzt, gleichzeitig lernt es die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen kennen.[12]
Während dieser so bezeichneten „phallischen Phase“ entwickelt jeder Junge unbewusst den Triebwunsch, die Mutter sexuell zu besitzen, bzw. sich mit ihr geschlechtlich zu vereinigen. Von nun an beginnt er den Vater als seinen Rivalen anzusehen und versucht ihn zu beseitigen, indem er seine Rolle einnimmt.[13]
Dieser benannte „Ödipuskomplex“ lässt sich gleichermaßen auf das Verhältnis zwischen Tochter und Vater übertragen, in diesem Fall spricht man vom „Elektrakomplex“.
Zur Erläuterung: „Auch das Mädchen verliebt sich zuerst in die Mutter und lehnt den Vater als Rivalen ab. Unter dem Gefühl des eigenen Penismangels wendet es sich letztlich von der Mutter ab und dem Vater zu. In ihrem Unterbewusstsein formt sich hier der Penisneid zum Wunsch um, sich mit dem Vater sexuell zu vereinigen.“ (Peren -Eckert/Greese 2012: 85)
Umfassend beschreibt also Freuds Ödipuskomplex die sexuelle Anziehung des Kindes zum anders geschlechtlichen Elternteil sowie gleichzeitig die Eifersucht gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil.[14]
Wiederum belegen einige Forschungen, dass Verwandtschaft zu erhöhter sexueller Anziehung führt, allerdings beim Wissen darüber jedoch im Normalfall gehemmt wird, so Wrobel (2012: 62).
In Einbezug der vorliegenden Aspekte lässt sich somit das kontaktsuchende Verhalten seitens Sabeth Faber gegenüber erklären, denn häufig betont er, dass es von ihrer Seite ausgegangen sei: „Jedenfalls war es das Mädchen, das in jener Nacht, (…) in mein Zimmer kam.“ (S.125) Gleichzeitig stellt dies die Stelle dar, in der der Inzest zwischen Vater und Tochter begangen wird, Faber verbringt die Nacht zusammen mit seiner Tochter und stellt es hiermit da, als wollte nur sie es.
Fabers schmerzende und „verbundenen Füße“ (S.135) erinnern stark an die wörtliche Übersetzung von Ödipus, dem „Schwellfuß“. Gleich unwissend wie Ödipus und lokaste, wissen auch Faber und Sabeth nichts von ihren wirklichen Beziehungen zueinander, dieser Irrtum kostet lokaste sowohl auch Sabeth letztlich das Leben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[15]
In Hannas Wohnung sind „Oedipus und die Sphinx, auf einer kaputten Vase dargestellt“ (S.142), eine weitere Auffälligkeit. Hanna „ arbeitet in einem Archäologischen Institut“ (dies.), daher „gehören [Götter] zu ihrem Job“ (dies.). Hanna beschäftigt sich folglich mit der Rekonstruktion solcher Vasen aus der Antike. Mit den Worten: „Was ich arbeite? (…) Du siehst es ja, Scherbenarbeit. (…) Ich kleistere die Vergangenheit zusammen.“ (S.138), möchte sie zum Ausdruck bringen, dass ihr Leben genauso ist, wie ihre Arbeit, ein einziger Scherbenhaufen. In ihrem Leben läuft alles anders, als sie es sich vorgestellt hat. Erst trennen sich Faber und Hanna, ungeachtet davon, dass sie ein Kind erwarten und schließlich verlässt Sabeth, ihr einziges Kind, die Mutter, um die Welt zu erkunden. Hanna fühlt sich alleine, hat Angst, ihre Tochter ganz zu verlieren. Sabeth wird demnach wieder willen Hanna erwachsen und möchte ihr eigenes Leben leben, was Hanna bewusst wird.
Eine weitere Andeutung auf die Ödipussage lässt sich am Ende finden. Um der Firma Hencke-Bosch Filme von Joachims Plantage zu zeigen, ist Faber nach Düsseldorf gereist. Dort sieht er plötzlich die Aufnahmen, die ihn mit seiner inzwischen verstorbenen Tochter während ihrer gemeinsamen Reise zeigen, als er mit einem Techniker die Vorführung vorbereitet. (Lachner 1999: 73)
Den Anblick der „tote[n] Tochter“ (S.191) trifft Faber bei der Vorstellung der Filme tief, woraufhin er fluchtartig das Firmengelände verlässt und „wie blind“ (S.192) zum Bahnhof eilt, um den nächsten Zug nach Zürich zu nehmen. (Vgl. Lachner 1999: 73)
Ödipus blendet[16] sich aus Schuldgefühlen selbst, indem er sich die Augen aussticht. Faber lediglich spielt mit diesem Gedanken: „Ich sitze im Speisewagen und denke: Warum nicht diese zwei Gabeln nehmen, sie aufrichten in meinen Fäusten und mein Gesicht fallen lassen, um die Augen loszuwerden?“ (S.192)
Nach langem Beteuern der Unschuld gesteht er sich mit diesen Worten sehr wohl eine Schuld am Tod seiner Tochter ein, weiß aber zugleich, dass mit „Selbstmord“ (S.136) nichts gelöst wäre.
Mit diesem Gedanken möchte er gleichzeitig andeuten, dass er nicht mehr sehen kann, was er seit einiger Zeit verloren hat, seine Tochter Sabeth. (Vgl. Knapp/ Knapp 1993: 68)
Faber kommt sich „wie ein Blinder vor“ (S.7) und wird sowohl oft als „blind“ (S.192) bezeichnet.
Die Selbstblendung bei Ödipus stellt eine Strafe für seine Blindheit, zudem auch die Scham vor den Kindern und allen anderen, dar. Beide gehen größtenteils blind durchs Leben. Bei Faber allerdings bezieht sich die Blindheit nicht nur auf den Inzestvorgang, sondern vor allem auf die Unfähigkeit des Sehens im Allgemeinen. Faber ist Techniker, er ist blind für die Erkenntnis der Wahrheit, die Welt sieht er technisiert bzw. durch das Auge einer Kamera, denn zum Beispiel „[filmte er] (mit [seinem] neuen Tele-Objektiv) die winkende Ivy.“ (S.68) Die Sicht durch die Kamera lässt kein Erleben zu, womit er schließlich bei dieser Unfähigkeit des Schauens bleibt, die er mehrmals betont, indem er sich selber „wie ein Blinder vor[kam]“ (S.7) oder auch Hanna ihn als „stockblind“ (S.144) bezeichnet. (Vgl. Schilling 2008: 10)
Wie blind Faber wirklich ist, wird zudem deutlich, als Hanna sagt, dass Faber sogar weniger sehen würde, als der blinde Armin, mit dem es wunderbar war, durch die Welt zu gehen. (Vgl. S.183)
Die Technik als Hilfsmittel des Optischen versagt jetzt, wo er sie bräuchte.
Ob Faber oder Ödipus, beide befreien Kraft ihrer Ratio die Menschheit vom Übel – sei es nun die zivilisatorische Unterentwicklung oder die Sphinx. Beide bringen aber auch womöglich noch größeres Unheil über ihre Mitmenschen, so Meurer (1988: 25) dessen Meinung ich durch die gewonnenen Erkenntnisse einstimmig teilen kann.
Der Vergleich des Mythos mit Faber zeigt:
Beide machen sich unwissentlich schuldig. Ödipus an seinen Eltern und Faber an seiner Tochter Sabeth. (Vgl. Adam/Wessels 2012: 47)
So wird Ödipus scheinbar schuldlos schuldig. Denn soll er sich von jeder Frau fernhalten, nur weil er zweifeln muss, ob seine angeblichen Eltern bei denen er aufgewachsen ist, auch seine leiblichen Eltern sind? Dennoch trägt er die Konsequenz dieser Schuld, in dem er sich blendet. Vermutlich auch deshalb, weil es unbewusst vielleicht doch Ödipus Wunsch war, ein intimes Verhältnis mit der Mutter einzugehen, wobei wir hier wieder auf Freuds Theorie zurückgreifen könnten. (Vgl. Lachner 1999: 74)
Ähnlich geht es auch Faber. „Was konnte [er] dafür, dass alles so gekommen war“ (S.153), denn Walter Faber ging davon aus, dass Hanna sich an die Abmachung hält und einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen würde.
Es konnte ja keiner ahnen dass er seine eigene Tochter kennenlernt, von deren Existenz er bis dahin gar nichts wusste, und mit ihr ein Verhältnis beginnt. Doch als Sabeth gestorben ist, merkt Faber, dass nun Ausreden nicht mehr gültig sind. Er hatte oft genug die Gelegenheit, seinem Gefühl, dass Sabeth ihn an Hanna erinnere, durch ein paar wenige Fragen auf den Grund zu gehen. Weil er dies aber unterlässt, zeigt er letztlich, dass er sich fürchtet, in der Geliebten die er sieht, seine Tochter zu erkennen. Selbst nachdem er erfahren hat, dass Sabeth Hannas Tochter ist, klammert er sich weiterhin an die Hoffnung, das Sabeth, mit der er bereits die Nacht verbracht hatte, nicht seine Tochter sei. (Vgl. Lachner 1999: 74)
Unteranderem aus diesen Gründen ist Faber mehr Schuld zuzuweisen als Ödipus. Wäre er nicht nackt bei dem Schlangenbiss auf sie zugelaufen, so wäre sie nicht zurückgewichen, gestolpert und die Böschung hinunter gestürzt. Was zudem noch gravierender erscheint, hätte Faber den Ärzten im Krankenhaus von dem Sturz erzählt, so hätte ein ärztlicher Eingriff das Leben von Sabeth retten können. (Vgl. Adam/Wessels 2012: 47)
Hanna aber trifft genauso eine Schuld, wenn auch in geringerem Maße. Sie hätte Faber von seiner Tochter erzählen sollen, dann wäre es gar nicht zu diesem Schicksaal gekommen. Zusammenfassend lässt sich erläutern, das Fabers Beteuerungen seiner Schuldlosigkeit als rhetorisch aufzufassen sind: „Was ist denn meine Schuld?“ (S.123), „Was konnte ich dafür, dass alles so gekommen war “ (S.153f). Faber bekennt aber auch an zwei zentralen Stellen seine Schuld: „ Aber auch Hanna hat nicht ahnen können, dass Sabeth auf dieser Reise grade ihrem Vater begegnet, der alles zerstört “ (S.203), „ Was änderte es, dass ich meine Ahnungslosigkeit beweise, mein Nichtwissenkönnen! Ich habe das Leben meines Kindes vernichtet und ich kann es nicht wiedergutmachen“ (S. 72).
So hat das vorherbestimmte Schicksal schon damals begonnen, als er Hanna mit dem gemeinsamen Kind, welches er als „ihr Kind“ bezeichnete, zurückließ, die er zwanzig Jahre später wieder trifft. Die Gründe liegen also in der Vergangenheit, an die nicht mehr gedacht wird. (Vgl. Knapp/Knapp 1993: 69)
Faber ist, wie Ödipus, schuldlos-schuldig geworden, indem er die Frage nach Sabeths Vater immer wieder verzögert und verdrängt hat. Um wieder für ihn zu sprechen hat auch Hanna - die Mutter - eine gewisse Mitschuld. So hätte sie dem Vater die Wahrheit nicht verschweigen dürfen, sie konnte jedoch nicht ahnen, dass Faber ihre Tochter auf dem Schiff trifft.[17]
[...]
[1] http://www.buchhexe.com/wp-content/uploads/2013/01/Max-Frisch-Homo-faber.jpg (18.11.2013)
[2] Orakel = Weissagung durch einen Priester/Priesterin
[3] Vgl. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipus (19.11. 2013)
[4] http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/93/Gustave_Moreau_005.jpg (26.11.2013)
[5] Vgl. ders.
[6] Vgl. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipus (19.11. 2013)
[7] URL: ders. (19.11. 2013)
[8] Vgl. URL: ders. (19.11. 2013)
[9] Vgl. URL: http://www.fvss.de/assets/media/jahresarbeiten/deutsch/Homo%20Faber.pdf (18.11.2013)
[10] Vgl. URL: dies.
[11] Vgl. URL: dies.
[12] Vgl. URL: http://lexikon.stangl.eu/5380/phallische-phase/ (18.11.2013)
[13] Vgl. URL: http://lexikon.stangl.eu/5380/phallische-phase/ (18.11.2013)
[14] URL: http://www.fvss.de/assets/media/jahresarbeiten/deutsch/Homo%20Faber.pdf (18.11.2013)
[15] http://vccslitonline.cc.va.us/oedipusthewreck/images/sphinx.jpg (5.11.2013)
[16] blendet (Blendung) = eine Form der Bestrafung, die zur dauerhaften Erblindung führt.
[17] URL: http://www.schreiben10.com/referate/Literatur/14/Homo-Faber-Max-Frisch-reon.php (18.11.2013)
- Citar trabajo
- Tobias Haas (Autor), 2013, Mythologische Bezüge in Max Frischs "Homo faber", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269600
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