In der Diplomarbeit werden Möglichkeiten und Ansätze untersucht, um dem bestehenden Fachkräftemangel in der stationären Altenpflege entgegenzuwirken. Im Theorieteil werden gegenwärtige Arbeitsmarktsituationen und der stetig zunehmende Mangel an Fachkräften geschildert.
Im 2. Kapitel wird als Ausgangslage die demographische Entwicklung in Deutschland und deren Konsequenzen dargestellt. Es folgen die Definitionen zentraler und relevanter Begrifflichkeiten. Dabei werden u.a. die Veränderung der Werte der Mitarbeiter beschrieben und damit einhergehende Ansprüche an Arbeitgeber im Altenhilfesektor aufgezeigt.
Einen Einblick in die Personalakquisition liefert Kapitel 3. Es folgen detaillierte Ausführungen zu Ansätzen des Personalmarketings in Unternehmen und deren Konsequenzen für die Identifizierung relevanter Bedürfnisse, die Mitarbeiter durch ihren Arbeitsplatz erfüllt sehen wollen. Dazu werden durch eine standardisierte Befragung von 100 Altenpflegeschülern, die als zentrale Zielgruppe identifiziert wurden, die Charakteristika eines „idealen Arbeitgebers“ ermittelt. Aus den gewonnenen Ergebnissen werden Maßnahmen für Entscheidungsträger in der Altenpflege abgeleitet und ein konkretes Anwendungsbeispiel in der Praxis skizziert.
Zum Abschluss erfolgt eine kritische Reflexion der Arbeit.
Inhaltsverzeichnis:
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
Gesetze
1 Ausgangssituation
1.1 Rahmenbedingungen und Problemstellung
1.2 Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit
2 Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegewesen
2.1 Demografische Entwicklung
2.1.1 Geburtenniveau
2.1.2 Migration
2.1.3 Lebenserwartung
2.2 Arbeitsmarkt der Zukunft
2.2.1 Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials
2.2.2 Werteänderung bei den Mitarbeitern
2.3 Situation in der Altenpflege
2.3.1 Veränderung der Familien- und Haushaltsstruktur
2.3.2 Multimorbidität im Alter
2.3.3 Berufsbild und Prestige
2.3.4 Auswirkungen der Versorgungslücke in der Altenpflege
3 Personalakquisition
4 Personalmarketing
4.1 Personalmarktforschung
4.2 Einflussfaktoren auf das Personalmarketing
4.3 Positionierung als attraktiver Arbeitgeber
4.3.1 Attraktivitätsfaktoren
4.3.2 Die Anreiz-Beitrags Theorie
4.3.3 Engagementmodell nach Hewitt
4.4 Motivation und Arbeitszufriedenheit
4.4.1 Zweifaktorentheorie nach Herzberg
4.4.2 Wirkungen und Folgen psychischer Anforderungen und Belastungen nach Büssing
5 Studie: Ermitteln eines Wunschprofils von Altenpflegeschüler an einen idealen Arbeitgeber
5.1 Ziele und Methodik der Befragung
5.2 Fragebogenkonstruktion
5.2.1 Hypothesenbildung
5.2.2 Auswahl der Items und Struktur der Subitems
5.2.3 Formale Struktur der Antwortskala
5.2.4 Fragebogenlayout
5.2.5 Gütekriterien
5.3 Durchführung der Befragung
5.4 Datenauswertung und Interpretation der Ergebnisse
5.4.1 Deskriptive Statistik
5.4.2 Bivariate Analysen
5.4.3 Induktive Statistik (Hypothesentests)
6 Anwendungsbeispiel: Unternehmenspräsentation in Altenpflegeschulen
7 Diskussion und Zusammenfassung
7.1 Schlussfolgerungen
7.2 Kritik an der Studie
7.3 Ausblick
Literaturverzeichnis
ANHANG:
1 Informationsblatt
2 Fragebogen
3 Ergebnisse der Items 5-12
4 Auszug aus Mitarbeiterbefragung 2012
5 Projektstrukturplan
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Top 10 der Engpassberufe für beruflich qualifizierte Fachkräfte
Abbildung 2: Versorgungslücke an Vollzeitkräften in der Pflege 2009-2030
Abbildung 3: Entwicklung Jugend- und Altenquotient
Abbildung 4: Wanderungssalden zwischen Deutschland und dem Ausland
Abbildung 5: Lebenserwartung bei Geburt in Jahren
Abbildung 6: Szenarien zur Entwicklung des Erwerbspotenzials bis 2050
Abbildung 7: Wechsel des Arbeitgebers unter der Generation Y
Abbildung 8: Kann die Generation Y sich vorstellen, beim selben Arbeitgeber jahrelang tätig zu sein?
Abbildung 9: Privathaushalte nach Haushaltsgröße
Abbildung 10: Beschaffungsarten
Abbildung 11: Strategisches Dreieck im Personalmarketing
Abbildung 12: Instrumente des Personalmarketing
Abbildung 13: Antriebsfaktoren (Engagement Drivers)
Abbildung 14: Differenzierung nach dem Bereich
Abbildung 15: Geschlecht und Alter in absoluten und relativen Zahlen
Abbildung 16: Verbleib in der Altenpflege bzw. Wechsel des Arbeitgebers
Abbildung 17: Arbeitszeitmodell
Abbildung 18: Cronbachs Alpha
Abbildung 19: Portfolio über das strategische Handeln
Tabelle 1: Pflegebedürftige nach dem Alter 2009
Tabelle 2: Vor- und Nachteile der Personalbeschaffung
Tabelle 3: Rangliste der Items 5-12 (allgemeine Skala)
Tabelle 4: Ergebnisse der Frage 14 nach Punktesystem (Wichtigkeitsskala)
Tabelle 5: Vergleich der Ranglisten aus den Ergebnissen aus Frage 14 und Frage 5-12
Tabelle 6: Auszug Wichtigkeitsskala der Schüler, die nicht bei ihrem bisherigen Arbeitgeber verbleiben
Tabelle 7: Wichtigkeitsskala differenziert nach wechselwilligen und nicht wechselwilligen Schülern
Tabelle 8: Zuordnung der Items
Tabelle 9: Verteilung der Rangplätze aus Item 14
Tabelle 10: Auszug aus Excel: Codierung der Antworten aus Frage 14, Berechnung der Differenz und des Rangplatzes
Tabelle 11: Wilcoxon-Test bei Frage 6A mit den nachfolgenden Items
Tabelle 12: Aussage 10A differenziert nach Geschlecht
Tabelle 13: Zweistichproben t-Test
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gesetze
SGB XI (1994): Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung vom 26.5.1994, SGB, 38. Aufl. 2010 1376:1479.
1 Ausgangssituation
1.1 Rahmenbedingungen und Problemstellung
Der Autor ist beschäftigt in der „Sonnengartenstiftung Tannhausen“, eine gemeinnützige Stiftung des privaten Rechts. Sie besteht aus zwei in Baden-Württemberg gelegenen Alten- und Pflegeheimen. Der Autor arbeitet seit 1996 im Gründerhaus im Ostalbkreis, er hat hier die Funktion einer stellvertretenden Wohn- und Pflegegruppenleitung (WPGL) inne. 2004 wurde in der Sonnengartenstiftung Tannhausen ein Qualitätsmanagement-System eingeführt, der Autor ist seitdem auch als Qualitätsmanagement-Beauftragter (QMB) tätig. Seit Einführung des Qualitätsmanagement-Systems wurden mehrere Projekte in einer festen Projektgruppe, in der der Autor Mitglied ist, erstellt.
Im Rahmen seiner Tätigkeit in der Projektgruppe als auch als stellvertretender WPGL arbeitet der Autor eng mit der Einrichtungsleitung (EL) im Bereich Neueinstellung von Mitarbeitern zusammen. Hier ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Auswahlmöglichkeit an neuen Mitarbeitern zunehmend geringer wird, externe Stellenausschreibungen der Einrichtung bleiben länger vakant. Auch in anderen Einrichtungen der stationären Altenpflege ist die gleiche Problematik zu beobachten. Die Akquisition neuer Mitarbeiter wird daher eine der zentralen Herausforderungen im Pflegemanagement in den nächsten Jahren. So folgert Schmitz treffend: „Was nützt eine gute Nachfrage, wenn die Heimaufsicht Belegungsverbote wegen Personalknappheit ausspricht?“ (Schmitz 2012: 12). In Hamburg musste bereits ein Pflegedienst wegen Personalmangel schließen (vgl. Tackenberg et al. 2009: 10). Deswegen fordert der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) von der Bundesregierung ein „… sofortiges Handeln ..“ (Tackenberg et al. 2009: 3), um den „… zunehmenden Pflegekollaps …“ (Tackenberg et al. 2009: 3) zu verhindern. Die Pflege ist also gerade dabei, selbst ein „Pflegefall“ zu werden. Die Einrichtungen der stationären Altenpflege können sich jedoch bei der „Pflege“ dieses „Pflegefalls“ nicht nur darauf verlassen, dass die Politik dieses Problem löst, sondern sie müssen auch selbst initiativ tätig werden. Welche Faktoren die Attraktivität einer Einrichtung steigern und mit welchen daraus folgernden Maßnahmen Einrichtungen der stationären Altenpflege dem Personalmangel entgegenwirken können, ist Gegenstand dieser Arbeit.
1.2 Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, Gründe für den zukünftigen Fachkräftemangel und mögliche Maßnahmen dagegen, speziell für Unternehmen der stationären Altenpflege, aufzuzeigen. Im Besonderen wird hier die Strategie des Bewerbens des Arbeitgebers bei potenziellen Mitarbeitern, im vorliegenden Fall bei Altenpflegeschülern, dargestellt. Das Hauptziel der Arbeit ergibt sich darin, dass die Erwartungen möglicher Mitarbeiter an einen „idealen“ Arbeitgeber bekannt werden und somit Einrichtungen in der Altenpflege weiterhelfen, sich als attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt präsentieren zu können.
Zunächst ergibt sich die Notwendigkeit einer theoretischen Betrachtung des Themas. Es wird anfangs evaluiert, ob ein Fachkräftemangel tatsächlich vorhanden ist. Hiezu werden die demografische Entwicklung und der Arbeitsmarkt der Zukunft prognostiziert. Im Besonderen wird die Situation im Kontext der stationären Altenpflege beleuchtet. Es werden einige Möglichkeiten zur Personalakquisition angeführt. Ein großer Einfluss auf die Rekrutierung von Mitarbeiter findet durch das Personalmarketing statt. Dessen Aktionsfelder und explizit die Notwendigkeit einer attraktiven Positionierung eines Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt zur Personalgewinnung werden fundiert dargelegt, dabei werden auch einige für die Thematik relevanten Theorien skizziert. Im Anschluss daran wird eine empirische Studie aufgeführt, in der Altenpflegeschüler im Setting von verschiedenen Fachschulen mittels eines standardisierten Fragebogens über ihre Erwartungen an einen „idealen“ Arbeitgeber befragt wurden. Dazu werden im Detail die Ziele und Methodik der Befragung, die Fragebogenkonstruktion, die Durchführung, die Datenauswertung und deren Interpretation geschildert. Dies impliziert auch die Erstellung von Hypothesen und deren statistische Überprüfung. Die gewonnenen Ergebnisse werden im darauf folgenden Kapitel im Rahmen eines Projektes praktisch angewendet. Hierbei präsentiert sich ein Unternehmen an einer Fachschule als attraktiver Arbeitgeber. Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und mögliche Entwicklungstendenzen aufgeführt. Beschließend findet eine kritische Reflexion der Arbeit statt.
Über alle Branchen hinweg ist das Thema „Fachkräftemangel“ aktuell. Gerne wird auch in den Medien auf dieses Thema hingewiesen. Auf Grund der Brisanz existieren zahlreichen Studien dazu, auch und besonders für den Sektor Gesundheitswesen oder speziell Altenpflege. Über die Vorstellungen, was sich potenziell neue Mitarbeiter von einem idealen Arbeitgeber wünschen, wurde bis zum aktuellen Zeitpunkt, gerade in der Altenpflege, in Deutschland noch keine Studie veröffentlicht. In Österreich sind zwei Studien vorhanden, die Rahmenbedingungen (z.B. durch die Ausbildung zusammen mit Krankenpflegeschülern) unterscheiden sich jedoch in einigen Punkten von denen in Deutschland (siehe Kapitel 5).
In dieser Studie wird der Begriff „Schüler“ bzw. „Altenpflegeschüler“ geschlechtsneutral verwendet und schließt sowohl die männliche wie auch weibliche Form mit ein.
2 Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegewesen
Eine exakte Definition für den Begriff „Fachkräftemangel“ existiert nicht (vgl. Biersack et al. 2007: 1). Als Fachkräfte werden allgemein „… Erwerbstätige mit akademischen Hochschulabschluss, abgeschlossener Lehre oder einen Abschluss als Meister, Techniker oder Fachwirt“ (Burkhart et al. 2012: 47) bezeichnet. Andere Erwerbstätige ohne diesen Abschluss werden als „…gering Qualifizierte“ (Burkhart et al. 2012: 47) tituliert. Im Gesundheits- und Pflegewesen bilden diese Mitarbeiter einen großen Anteil. Laut Statistischen Bundesamt arbeiteten 2009 in der stationären Altenhilfe 27,9% aller Mitarbeiter als Personen, die nach den obigen Kriterien als gering Qualifizierte zu bezeichnen sind (vgl. Pfaff 2011: 21). Deswegen umfasst der Begriff „Fachkräftemangel“ in dieser Branche nicht nur Fachkräfte im eigentlichen Sinne, sondern kann auch als Synonym für den allgemeinen Begriff „Personalmangel“ verwendet werden (vgl. Burkhart et al. 2012: 47).
Laut Definition der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt sich ein Fachkräfteengpass in einem Beruf an der Dauer, bis eine offene Stelle wieder besetzt ist (Vakanzzeit). Weitere Indikatoren für diesen Engpass sind „[n]eben der .. Vakanzzeit .. auch die Anzahl der Arbeitsstellen, die bereits länger als 3 Monate im Bestand gemeldet sind und die Relation der gemeldeten Arbeitslosen zu den gemeldeten Arbeitsstellen…“ (BA 2013: 3).
Nach einem Bericht der BA von Anfang 2013 besteht in der Altenpflege in allen Bundesländern ein Mangel an Arbeitskräften, der sich vor allem auf Fachkräfte konzentriert. Die Vakanzzeit beträgt bei Fachkräften in der Altenpflege 126 Tage. Dies sind 56 Prozent oder 45 Tage mehr als der Mittelwert in allen Berufen. Ferner beträgt die Besetzung für jede zweite vakante Arbeitsstelle länger als drei Monate (vgl. BA 2013: 15ff.). Der Fachkräftemangel zeigt sich auch daran, dass auf 100 offene Stellen nur noch 35 Arbeitslose in der Altenpflege kommen (im Mittelwert aller Berufe kommen auf 100 offene Stellen 380 Arbeitslose). Dies ist der niedrigste Wert aller Berufe. Zudem steigt in den letzten Jahren die Nachfrage nach Altenpflegekräften (vgl. BA 2013: 15ff.).
Diesen Sachverhalt bestätigt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Bei dieser Studie sind die Fachkräfte in der Altenpflege die am zweitstärksten gesuchte Berufsgruppe. Dies geht ebenso aus Abbildung 1 hervor, in der eine Rangliste der zehn größten „Engpassberufe“, gemessen an der Relation aus Arbeitslosen und gemeldeten offenen Stellen, aufgelistet wird. Auch dies wird als eindeutiger Beleg für den Engpass und die Personalknappheit in der Pflege angesehen (vgl. Demary, Seyda 2013: 12).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Top 10 der Engpassberufe für beruflich qualifizierte Fachkräfte. Quelle: Demary, Seyda 2013: 12).
Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch verstärken (vgl. Demary, Seyda 2013: 12). 2020 fehlen bei den Pflegekräften im Gesundheitswesen laut einer Studie von PricewaterhouseCoopers 212.000 Vollzeitkräfte, 2030 sind es bereits ca. 328.000 Vollzeitkräfte. Das bedeutet, dass 30% des Personalbedarfs im Gesundheitswesen 2030 nicht gedeckt werden kann (vgl. Burkhart et al. 2012: 8). Besonders in der Altenpflege gibt es einen signifikanten Mangel an Fachkräften. Bis 2030 fehlen in den Einrichtungen der Altenpflege 168.300 Vollzeitpfleger, dies entspricht ca. 33 Prozent der dann benötigten Fachkräfte (vgl. Burkhart et al. 2012: 24). Verdeutlicht wird das gesamte Ausmaß des Defizits noch an folgender Aussage: 2030 werden „… zwei Pflegekräfte die Arbeit leisten, die heute von dreien erledigt wird.“ (Burkhart et al. 2012: 24).
Auch eine Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) von 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass 2035 in der gesamten Gesundheits- und Sozialwesenbranche rund 680.000 Arbeitskräfte mit einem fachbezogenem Berufsabschluss in Deutschland fehlen werden. Damit ist nach relativen Zahlen das Gesundheits- und Sozialwesen die Branche mit dem größten Fachkräftemangel (vgl. Neubauer et al. 2012: 61). Auch im prozentualen Vergleich mit anderen Berufsgruppen ist diese Branche mit am auffälligsten. In Gesundheitsberufen werden 2035 rund 19 Prozent der Stellen in Deutschland unbesetzt bleiben (vgl. Neubauer et al. 2012: 57).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Versorgungslücke an Vollzeitkräften in der Pflege 2009-2030. Quelle: Bertelsmann Stiftung. Online im Internet: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/ SID-DE7EEDB9-DFF43798/bst/xcms_bst_dms_36956_36960_2.jpg
Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe: Zum einen der demographische Wandel, der die Bevölkerungszahlen in Deutschland schrumpfen lässt. Des Weiteren sind viele junge Menschen weniger loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber, sie binden sich nur noch selten länger an ein Unternehmen. Die derzeitigen Anforderungsprofile an diverse Arbeitsstellen, auch in der Pflege, ändern sich rasant, was einer steten Weiterqualifizierung der Mitarbeiter bedarf. Dieses wird jedoch von manchen Mitarbeitern abgelehnt. Von den Stellensuchenden sind nur gut ein Drittel bereit, ihren Wohnort zu wechseln (vgl. Knoblauch, Kurz 2007: 21). Als Folge wird ein Kampf um Pflegekräfte zwischen den Einrichtungen des Pflegemarktes entbrennen. „Gesundheits- und Pflegewesen konkurrieren schon heute um den knappen Pflegenachwuchs. Dieser Wettbewerb wird sich bis 2030 noch deutlich verschärfen.“ (Burkhart et al. 2012: 24).
Abbildung 2 (Seite 5) stellt den Mangel an Vollzeitkräften in der Pflege im Jahre 2030 im bundesweiten Vergleich dar, bezogen auf eine Studie der Bertelsmann Stiftung 2012. Auffallend ist hier das Defizit an Fachkräften in Nordrhein-Westfalen und in Teilen Ostdeutschlands. Aber auch in Baden-Württemberg zeigen sich große Versorgungslücken pro Kreis. Insbesondere im Ostalbkreis, in dem die Einrichtung beheimatet ist, in dem der Autor angestellt ist, werden 2030 2000 bis 2500 Vollzeitäquivalente fehlen (vgl. Rothgang et al 2012: 155ff).
Die für den Fachkräftemangel zentralen Faktoren „demographische Entwicklung“ und „Arbeitsmarkt der Zukunft“ werden im Folgenden näher dargestellt.
2.1 Demografische Entwicklung
„81,8 Millionen Menschen lebten Ende 2010 in Deutschland, die Hälfte davon in städtischem Gebiet. …1,4 Kinder brachte eine deutsche Frau durchschnittlich zur Welt, … 2010 war jede fünfte verstorbene Frau 90 Jahre oder älter. Zwei von fünf Haushalten sind Einpersonenhaushalte.“ (Statistisches Bundesamt 2012: 23). Diese Kennzahlen beschreiben den aktuellen demografischen Stand für Deutschland, dem eine negative Entwicklung in den nächsten Jahren prognostiziert wird.
Drei Potentiale beeinflussen die Demografie einer Gesellschaft: Erstens wird die Demografie durch das Geburtenniveau bzw. die Fertilitätsrate, d.h. die Anzahl der Kinder einer Frau während ihres Lebens, bestimmt, zweitens durch die Migration und drittens durch die Lebenserwartung (vgl. Rump 2009: 17f):
2.1.1 Geburtenniveau
„Deutschland gehört zu den Ländern mit einem sehr niedrigen Geburtenniveau und einer schnellen Alterung.“ (Bujard et al. 2012: 5). Das Bundesamt für Bevölkerungsforschung stellt fest: „Das langfristig niedrige Geburtenniveau ist von enormer gesellschaftspolitischer Bedeutung, weil es eine der Hauptursachen für das Schrumpfen und Altern der Bevölkerung darstellt.“ (Bujard et al. 2012: 5). In Deutschland beträgt die Fertilitätsrate 1,4, sie müsste jedoch bei 2,1 liegen, damit die Bevölkerungszahl stabil bleibt (vgl. Rump 2009:17). Ende des Jahres 2010 lebten im deutschen Bundesgebiet 81,7 Millionen Menschen (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 26), nach der neuesten Volkszählung wurde die Zahl auf nur noch 80,3 Millionen Stand Ende des Jahre 2011 korrigiert (vgl. Statistisches Bundesamt 2013: 6). Nach der Variante 1 der koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des statistischen Bundesamtes, dass ein Wanderungssaldo von 100.000 zur Berechnungsgrundlage annimmt, wird sich diese Zahl bis zum Jahre 2030 auf 77,3 Millionen reduzieren, dabei wird jedoch die Zahl der unter 30-Jährigen um gut 20 Prozent zurückgehen, die Anzahl der über 60-Jährigen dagegen um 27 Prozent steigen (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 50). Diese Prognosen stammen noch vor der Auswertung des aktuellen Zensus, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Zahlen noch schwerwiegender ausfallen werden.
Auch die Gegenüberstellung des Jugend- und Altenquotienten und dessen zukünftige Kalkulation belegen diesen Trend. Der Jugendquotient stellt den Prozentanteil der unter 20-Jährigen und der Altenquotient den Prozentanteil aller über 65-Jährigen im Vergleich zur Bevölkerungsanzahl aller Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahren dar. Heute sind beide Quotienten nahezu gleich, in Zukunft wird sich der Altenquotient gegenüber dem Jugendquotienten nahezu verdoppeln (siehe Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Entwicklung Jugend- und Altenquotient. Quelle: Statistisches Bundesamt 2012: 50.
Vier Trends zeigen sich für den Geburtenrückgang verantwortlich: Familien mit ein oder zwei Kinder sind gesellschaftliche Normalität, immer häufiger bleibt der Wunsch zur Familiengründung völlig aus, die partnerschaftlichen Formen des Zusammenlebens haben sich verändert und die Generationenbeziehungen haben sich ebenfalls verändert (vgl. Bujard et al. 2012: 5f)
2.1.2 Migration
Trotz niedriger Fertilitätsraten stagniert die Bevölkerungszahl in Deutschland in den letzten Jahren. Grund dafür ist ein positiver Wanderungssaldo, dies bedeutet, dass mehr Menschen nach Deutschland immigrieren als aus Deutschland emigrieren. Um die Bevölkerungszahl jedoch weiterhin konstant zu halten, bedarf es eines Zuwanderungsüberschusses von 500.000 Menschen pro Jahr. Diese hohe Anzahl birgt das Risiko, den sozialen Frieden zu gefährden und ist daher nur schwer zu realisieren (vgl. Rump 2009: 25f). Dies belegt auch Abbildung 4, in der die Differenz zwischen Zu- und Fortzüge in den letzten 60 Jahren aufgezeigt werden. Der benötigte Überschuss von jährlich 500.000 Zuwanderern wurde nur Ende der 60er Jahre und zu Beginn der 90er Jahre erreicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Wanderungssalden zwischen Deutschland und dem Ausland, in 1000. Quelle: Statistisches Bundesamt 2012: 47.
2.1.3 Lebenserwartung
Die Lebenserartung steigt kontinuierlich an. Dies basiert auf einer besseren medizinischen Versorgung, verbesserten Lebensbedingungen und weniger körperlich belastende und beanspruchende Arbeitsbedingungen (vgl. Rump 2009: 27).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Lebenserwartung bei Geburt in Jahren. Quelle: Statistisches Bundesamt 2012: 37.
Aktuell hat ein neugeborener Junge eine Lebenserwartung von 78 Jahren, ein Mädchen von 83 Jahren (siehe Abbildung 5 vorherige Seite). Hinzukommt, dass die geburtenstarken Jahrgänge aus den 1960er Jahren nun das Rentenalter erreichen (vgl. Bujard et al. 2012: 6). Zusammen mit dem Geburtenrückgang, der stagnierenden Migration und der steigenden Lebenserwartung ergibt dies als Folge ein kontinuierliches Schrumpfen und Altern der Bevölkerung.
2.2 Arbeitsmarkt der Zukunft
Auch der Arbeitsmarkt der Zukunft wird einem Wandel unterlegen sein. Dafür zeichnet sich zum einen eine Reduzierung des Erwerbspersonenpotenzials durch die demografische Entwicklung verantwortlich, zum anderen kann auch eine Veränderung im Wertesystem der Mitarbeiter beobachtet werden.
2.2.1 Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials
Für den Arbeitsmarkt bedeutet der demografische Wandel einen Rückgang und dazu eine durchschnittliche Alterung der erwerbsfähigen Personen. Abbildung 6 zeigt unter der Darstellung von drei verschiedenen Szenarien der Zuwanderung von Arbeitskräften die Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials, dies umfasst die Summe aller Erwerbstätigen, Erwerbslosen und einer stillen Reserve (vgl. Fuchs, Dörfler 2005: 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Szenarien zur Entwicklung des Erwerbspotenzials bis 2050. Quelle: Fuchs, Dörfler 2005: 1.
„Insgesamt verringert sich das Erwerbspersonenpotenzial der 19- bis 64-Jährigen zwischen 2009 und 2030 auf Bundesebene um 5,8 Prozent.“ (Rothgang et al. 2012: 52). Hier gibt es jedoch deutliche Unterschiede auf Kreisebene. In drei Viertel aller Kreise, vor allem in Ostdeutschland, wird die Erwerbsbevölkerung um bis zu 10 Prozent schrumpfen, und somit die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Pflege noch verschärfen (vgl. Rothgang et al. 2012: 52).
2.2.2 Werteänderung bei den Mitarbeitern
Früher gab es einen „Pakt“ zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeiter. Das Unternehmen hat dem Mitarbeiter Arbeitssicherheit und ein geregeltes Einkommen garantiert, im Gegenzug stand der Mitarbeiter seinem Arbeitgeber loyal gegenüber. „In Zeiten, in denen Beruf mit >Berufung< und >Berufsein< sowie lebenslanger Übernahme einer Arbeitsaufgabe gleichgesetzt wurde, war berufliche Mobilität eine Seltenheit …“ (Voges 2002: 182). Diese Mobilität bezog sich meist auf einen „… innerbetriebliche[n] Wechsel auf eine höhere Position.“ (Voges 2002: 182). Der künftige Arbeitsmarkt ist jedoch durch einen Wandel gekennzeichnet, die zentralen Kriterien lauten nun Motivation und Leistungsfähigkeit. (vgl. Scholz 2011: 411). Scholz kreiert dafür den Begriff „Darwiportunismus“, der sich aus den zwei Trends Darwinismus und Opportunismus zusammensetzt, die konträr zum oben geschilderten „Pakt“ laufen. Darwinismus bedeutet nach dem „Survival of the Fittest“, dass nur der Mitbewerber auf dem Markt überlebt, der besser als seine Kontrahenten ist, sowohl intern im Unternehmen als auch extern auf dem Arbeitsmarkt. Oft führt dies zu einem extremen Kosteneinsparzwang der Unternehmen, Sicherheiten können dadurch nicht mehr gegeben werden. Der andere Trend ist der Opportunismus, der die Werteänderung der Mitarbeiter darstellt (vgl. Scholz 2011: 411). Diese Werteänderung wird auch detailliert von Parment geschildert. Parment nennt die zukünftigen Mitarbeiter Angehörige der Generation Y, welche in den 80er und 90er des letzten Jahrhunderts geboren sind. Diese Generation charakterisiert, dass sie weniger Wert auf Tradition legt, Arbeit wird weniger als Pflicht verstanden, der Spaß-Faktor und ein hoher Lebensstandart rücken dagegen in den Mittelpunkt. Sie werden weniger loyal gegenüber dem Arbeitgeber sein, bei Bedarf schneller das Unternehmen wechseln. Die Familienstrukturen werden von bisherigen traditionellen Familienverbänden abweichen, wodurch alternative Lebensgemeinschaften entstehen, was flexiblere Arbeitszeiten und generell eine Veränderung der Arbeitszeit bei den Unternehmen mit sich bringen wird. Allgemein wird durch den Zugriff auf soziale Netzwerke ein Jobwechsel schneller und einfacher durchzuführen sein, wovon die Mitarbeiter der Generation Y auch Gebrauch machen werden. Dies belegt eine Studie von Parment, in der nur gut 27 Prozent der Befragten angaben, beim bisherigen Arbeitgeber zu bleiben, auch wenn die Arbeitsstelle gut ist (siehe Abbildung 7) (vgl. Parment 2009: 68ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Wechsel des Arbeitgebers unter der Generation Y. Angaben in Prozent. Quelle: vgl. Parment 2009: 73.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der gleichen Studie wurde untersucht, ob die Angehörigen der Generation Y sich vorstellen können, viele Jahre (oft 15 bis 20 Jahre und mehr) beim selben Arbeitgeber tätig zu sein. Diese Verbindung bezeichnet Parment als Partnergesellschaft (PG). Nur knapp 12 Prozent der Befragten streben dieses Ziel an (siehe Abbildung 8) (vgl. Parment 2009: 73f).
Abbildung 8: Kann die Generation Y sich vorstellen, beim selben Arbeitgeber jahrelang tätig zu sein? Quelle: vgl. Parment 2009: 74.
Zusammenfassend bedeutet dies, dass der Mitarbeiter in den kommenden Jahren eher bereit ist, den Arbeitgeber zu wechseln, die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber nimmt ab. Es besteht die Gefahr für die Unternehmen, dass sie „… dadurch erpressbar sind, dass sie keine qualifizierten Mitarbeiter finden können und … [deswegen] auf Maximalforderungen eingehen müssen.“ (Scholz 2011: 411). Die Folge sind zusätzliche Anstrengungen für den Arbeitgeber, um gute Mitarbeiter zu akquirieren und zu halten. Als positiver Effekt wird die Abwerbung von Mitarbeiter von anderen Unternehmen leichter.
2.3 Situation in der Altenpflege
Auf die Altenpflege hat der demographische Wandel einen doppelten Effekt. Hier sind zum einen die oben beschriebenen Szenarien am Arbeitsmarkt zu nennen, zum anderen speziell für die Pflege die Auswirkungen auf die Anzahl der Pflegebedürftigen durch die Veränderung der Familien- und Haushaltstruktur und die Erhöhung der Lebenserwartung. Darüber hinaus wird die Situation vom Berufsbild und Prestige des Berufes selbst nachteilig beeinflusst, was zu weiteren Konsequenzen führt.
2.3.1 Veränderung der Familien- und Haushaltsstruktur
Die Familie war in früheren Generationen „… jene Solidargemeinschaft .., die die beste Versorgung für ältere Angehörige gewährleistet“ (Voges 2002: 66) hat. Diese Familienstruktur hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten geändert. Gründe dafür sind der Anstieg an kinderlosen Beziehungen und das zunehmende Scheitern von Lebensgemeinschaften (vgl. Voges 2002: 66). So hat sich die Anzahl kinderloser Paare im Zeitraum von 1996 bis 2011 um gut 1,2 Millionen erhöht, knapp 39 Prozent aller Ehen werden mittlerweile geschieden, 1991 waren es noch ca. 25 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 53ff.).
Die Anzahl der Alleinstehenden hat sich von 1996 bis 2011 um knapp 3,4 Millionen erhöht (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 53). Vor allem in den Großstädten ist dieser Entwicklung zu beobachten. Dies liegt zum einen an der Entstehung des „sozialen Singles“, also der Tendenz, v.a. unter Jüngeren, diese Lebensform bewusst zu wählen. Zum anderen durch den „biologischen Single“ im Alter, was hauptsächlich Frauen betrifft, bedingt durch die Frühsterblichkeit der Männer (vgl. Voges 2002: 66). Frauen haben dabei eine im Durchschnitt fünf Jahre höhere Lebenserwartung als Männer (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 38). Fast jede zweite Person im Alter von über 65 Jahren lebte 2011 alleine (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 52).
Abbildung 9 zeigt die Größenverteilung der Privathaushalte seit 1991, auffällig sind hier die Zunahme an Ein-Personenhaushalte und der gleichzeitige Rückgang an Familien mit vier oder mehr Mitgliedern, die mittlerweile nur noch 12 Prozent aller Privathaushalte umfassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Privathaushalte nach Haushaltsgröße in Prozent. Quelle: Statistisches Bundesamt 2012: 51.
Dieser Trend zur Singularisierung hat zur Folge, dass Einschränkungen im Alter auf Grund fehlender Haushaltsmitglieder nicht mehr kompensiert werden können (vgl. Voges 2002: 66). Pflegebedürftige sind dann auf professionelle Hilfe, z.B. in einem Pflegeheim angewiesen. 2009 wurden 30 Prozent aller Pflegebedürftiger, das sind 700.000 Personen, vollstationär versorgt (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 126)
Auch die Organisation des Alltags hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Gerade Frauen nehmen aus normativen Gründen die Rolle des Unterstützers eines pflegebedürftigen Familienmitglieds ein. Dabei muss eine vorhandene bisherige Erwerbstätigkeit häufig vorübergehend aufgegeben werden. Diese zeitliche Unterbrechung hat den Nachteil, dass anschließend der Widereinstieg in die Berufstätigkeit erschwert ist (vgl. Voges 2002: 71). Laut statistischem Bundesamt sind immer weniger Frauen bereit, dies in Kauf zu nehmen. Bei leicht abnehmender Gesamtbevölkerung hat sich die Zahl der erwerbstätigen Frauen in den letzten zehn Jahren von 14,6 Millionen auf 16,6 Millionen im Jahr 2011 erhöht (vgl. Statistisches Bundesamt 2012: 352). Zu dem bedeutet die Versorgung eines pflegebedürftigen Familienmitglieds nicht nur finanzielle Einschränkungen, z.B. durch den Erwerb von Inkontinenzartikeln, sondern auch Beeinträchtigungen, die mit der Pflege an sich verbunden sind. Dies sind sowohl körperliche Belastungen bedingt durch die Pflegetätigkeit als auch psychische Belastungen. z.B. durch das Krankheitsbild des zu Versorgenden oder durch eine Umkehrung der Eltern-Kind-Beziehung (vgl. Voges 2002: 72). Interessant wird es sein, wie die kommende Generation mit diesen Belastungen umgehen wird. Wird die Belastungsgrenze erreicht, kommt es typischerweise zu einer Übersiedlung ins Pflegeheim (vgl. Voges 2002: 80). „Der Bedarf für berufliche Altenpflege dürfte in dem Maße steigen, wie ... [zukünftig Frauen] eigene Erwerbsinteressen durchsetzen und sich dem .. Druck zu familialer Pflege entziehen können.“ (Voges 2002: 71).
2.3.2 Multimorbidität im Alter
Die unter 2.1 beschriebene Erhöhung der Lebenserwartung führt nicht grundsätzlich zu Multimorbidität im Alter. Es kann jedoch „…mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass Menschen im höheren Lebensalter einen großen Verlust an Aktivität und Selbständigkeit bis hin zur chronischen Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit erfahren.“ (Voges 2002: 74). Wann eine Person als pflegebedürftig gilt, wird unter §14 Abs. 1 SGB XI definiert. Eine Verbesserung im Gesundheitswesen hat dazu beigetragen, dass Krankheiten, die früher zum Tod im Säuglings- oder Kindesalter führten, nahezu beseitigt wurden. Die nun für die Morbidität und Mortalität relevanten Krankheitsbilder entstehen im mittleren und hohen Erwachsenenalter, darunter fällt eine Zunahme chronisch degenerativer Erkrankungen wie auch ein starker Anstieg an mentalen Erkrankungen demenziellen Ursprunges. Jeder Zweite über 85 Jahren leidet heutzutage an einer demenziellen Erkrankung, wie z.B. Morbus Alzheimer. Diese Krankheitsbilder sind oft der Auslöser für eine Übersiedlung in ein Pflegeheim, was durch unvermittelt auftretende Akuterkrankungen noch beschleunigt wird (vgl. Voges 2002: 74ff.). Durch eine Erhöhung der Lebenserwartung sowie Veränderung der Generationenbeziehung und familiären Zusammenlebens steigt die Anzahl der Pflegebedürftigen an. Personen mittleren Alters werden in Zukunft mehr für ihre Gesundheit vorsorgen, dadurch verschiebt sich die Sterblichkeit ins höhere Lebensalter (vgl. Voges 2002: 57ff.). In dieser letzten Lebensphase konzentrieren sich zunehmend schwere Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit, zu dessen Versorgung daraufhin auch mehr Pflegekräfte benötigt werden (vgl. Voges 2002: 57ff.). Jedoch ist dabei zu beachten, dass der Lebensstil Älterer und Hochbetagter sich in den letzten Jahrzehnten deutlich geändert hat. Der Drang nach Individualität und Freiheit hat auch diese Generation erreicht. Eine Folge davon ist, dass ältere Pflegebedürftige möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld versorgt werden möchten und erst bei erhöhter Pflegebedürftigkeit in ein Heim umziehen. Diese Vorgehensweise wird dazu durch staatlicher Seite in §43 SGB XI mit dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ gefördert. Deswegen ist eine exakte Prognose laut Voges für den Pflegesektor schwierig (vgl. Voges 2002: 65).
Tabelle 1 auf Seite 15 zeigt die Anzahl der Pflegebedürftigen nach dem Alter (Stand Ende 2009). Hier ist deutlich zu erkennen, dass mit zunehmendem Alter die Pflegebedürftigkeit exponential steigt.
Tabelle 1: Pflegebedürftige nach dem Alter 2009. Quelle: statistisches Bundesamt 2012: 126
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.3 Berufsbild und Prestige
Ein wichtiger Aspekt im Bezug auf den Fachkräftemangel in der Altenpflege ist das Berufsbild und Prestige dieses Berufes. Durch ein Berufsbild werden „…die unterschiedlichen Aspekte eines Berufes in systematischer Weise …“ (Voges 2002: 32) aufgezeigt, „… so dass ein differenziertes Bild für potenzielle Berufseinsteiger als künftige Arbeitskraftanbieter sowie Nachfrager dieser Arbeitskraft vermittelt wird.“ (Voges 2002: 32). Gerade für Berufseinsteiger soll das Berufsbild Informationen über den Beruf vermitteln und dadurch Interesse für dieses Arbeitsfeld wecken. Geprägt ist ein Berufsbild deshalb zum einem durch materielle Gratifikationen sowie Karrieremöglichkeiten, zum anderen durch Tätigkeitsmerkmale des Berufes, wobei das Fähigkeitsprofil definiert wird (vgl. Voges 2002: 32). Darüber hinaus hat ein Berufsbild die Funktion, „… den Beruf so in der öffentlichen Wahrnehmung darzustellen, dass er eine hohe soziale Anerkennung erfährt.“ (Voges 2002: 33). Für Berufsinhaber erzeugt ein Berufsbild eine Identität und hilft bei der Orientierung bzw. auch Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen.
Das Berufsbild der Pflege wird dominiert durch die „Grundfähigkeiten“ wie Freundlichkeit, Geduld, Empathie, die der Berufseinsteiger mit in den Beruf einbringen soll. Da diese nicht angelernten Fähigkeiten von der Gesellschaft wenig honoriert werden, werden im Berufsbild der Pflege oft die „…zertifizierten berufsfachlichen Fähigkeitsanteile hervorgehoben“ (Voges 2002: 36), auch um die professionelle Pflege von der Laienpflege zu unterscheiden.
Elementar für die Attraktivität eines Berufes ist auch das Berufsprestige bzw. das soziale Ansehen des Berufes. Pflege gilt als typischer Frauenberuf mit einem niedrigen Prestige. Grund dafür ist vor allem die niedrigen Bildungs- und Einkommensbestandteile sowie geringe Aufstiegsmöglichkeiten. Voges reiht den Beruf des Altenpflegers in einer Rangliste der Statuslage in die untere Mittelgruppe ein, nennt hier als Grund das „… Image einer Allerweltsqualifikation …“ (Voges 2002: 50). Unterschiede gibt es hier jedoch in der Prestigezuteilung zwischen Männer und Frauen als Berufsinhaber eines frauenspezifischen Berufes wie der Altenpflege. Männer bekommen hier ein höheres Prestige, da ihnen in der Arbeitsorganisation und bestimmten Tätigkeiten höhere Fähigkeiten zugeschrieben werden als Frauen (vgl. Voges 2002: 54). Dies führt auch dazu, „… dass Pflege bei Frauen als Berufsinhaber nicht als deren berufliches Fähigkeitsprofil wahrgenommen und honoriert wird“ (Voges 2002: 55). Auch die geringe Nähe zum Tätigkeitsbereich des Arztes, der in der Statusrangliste an erster Stelle steht, bringt der Altenpflege, im Gegensatz zur Krankenpflege, einen Prestigenachteil bei (vgl. Voges 2002: 55). Dies alles führt dazu, dass der Beruf der Altenpflege für Schulabsolventen nicht besonders attraktiv erscheint und deswegen andere, interessantere Berufe erlernt werden. Das hat wiederum negative Konsequenzen für die Behebung des Fachkräfteproblems.
Des Weiteren treten in der Altenpflege hohe psychische wie physische Belastungen auf (vgl. Voges 2002: 220ff.). Branchen mit diesen Merkmalen haben einen hohen Anteil an Berufsaussteigern (vgl. Voges 2002: 130), was insgesamt wieder den Engpass an Fachkräften in der Altenpflege verstärkt. Auf der anderen Seite verläuft die Entwicklung im Pflegebereich oft konträr zu anderen Teilarbeitsmärkten. Nimmt hier die Chance auf einen Arbeitsplatz ab (z.B. durch konjunkturelle Entwicklungen), dann steigt die Attraktivität des Pflegeberufes an, da dieser eine hohe Arbeitsplatzsicherheit garantiert. Auch für Arbeitslose oder Personen mit einer branchenfremden Qualifikation bietet der Altenpflege-Arbeitsmarkt gute Erwerbsmöglichkeiten (vgl. Voges 2002: 256ff.).
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- Arbeit zitieren
- Thomas Lutz (Autor:in), 2013, Die Pflege pflegen. Dem Problem des Fachkräftemangels in der stationären Altenpflege durch Personalmarketing entgegenwirken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269521
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