Im Jahre 2012 verhängte der Staat Israel ein Einreiseverbot gegen Günter Grass aufgrund seines israelkritischen Gedichtes "Was gesagt werden muss", in dem er geschrieben hatte, dass die Atommacht Israel den Weltfrieden bedrohe und das iranische Volk mit einem Erstschlag auslöschen könne. Der Schriftsteller hat das gegen ihn verhängte Einreiseverbot als "Zwangsmaßnahme" bezeichnet, die an DDR-Methoden erinnere. "Zuvor sei ihm zweimal die Einreise in ein Land verboten worden, nämlich in die DDR und Ende der 1980er Jahre nach Birma", schreibt er in einem kurzen Text in der Süddeutschen Zeitung mit der Überschrift "Damals wie heute – meine Antwort auf jüngste Beschlüsse". "In beiden Fällen wurde die in Diktaturen übliche Praxis vollzogen", schreibt er weiter und fügt hinzu: "Jetzt ist es der Innenminister einer Demokratie, des Staates Israel, der mich mit einem Einreiseverbot bestraft und dessen Begründung für die von ihm verhängte Zwangsmaßnahme (dem Tonfall nach) an das Verdikt des Ministers Mielke erinnert." Erich Mielke war in der DDR Chef der Staatssicherheit.
Das Bild des Günter Grass über die DDR
Prolog:
In den Unterscheidungen zwischen dem bloßen ICH, dem zur Fiktion werdenden ICH und dem zeitgenössischen ICH verbirgt sich eine Absage an eine deutsch-bürgerliche Tradition, die einmal mit Goethes Dichtung und Wahrheit ihren Anfang nahm. Grass vertraut nur unter extremen Vorbehalt einer direkten Aussagekraft seines ICH, das nur in seinen zeitgenössischen Bezügen als ICH eine Realität gewinnt, die sowohl literarisch standhält als auch allgemeine Bedeutung haben kann.[1]
Der Schriftsteller Grass verwirklicht seine Legitimation als zeitgenössisches ICH und er sieht sich als Schriftsteller in seinem Vermögen berufen, sich schreibend, erzählend der Zeitgenossenschaft bewusst zu machen und solches Bewusstsein den Lesern zu vermitteln. „Er sieht sich selbst abhängig stehen in der Geschichte, und in der Möglichkeit, sich dessen exemplarisch zu vergewissern, hat er die einzige Möglichkeit erkannt, sich gegen solche Abhängigkeit auch aufzulehnen.“[2]
Günter Grass – eine Biographie der Jahre 1946 bis 1966
Aus dem Krieg und der Gefangenschaft entlassen, blieb ihm, da er nicht wusste, wo seine Eltern waren, nichts übrig als umherzuziehen, auf der Suche nach irgendetwas, nach Essbarem vor allem. Er arbeitet eine Zeit lang bei Bauern, ging dann ins Saarland und machte in Göttingen den Versuch wieder zur Schule zu gehen. Er entschied sich, in der Nähe von Hannover in den Kalibergwerk zu gehen, und dieses Jahr hatte seine literarischen Folgen gehabt, was sich später in seinem Roman Hundejahre wiederspiegelt. Die Arbeit im Kalibergwerk hatte Grass aufgegeben, als er erfuhr, wo sich seine Eltern und Schwester befanden. Anfang Dezember 1946 hatte er sie unter erbärmlichen Umständen wiedergesehen. Jetzt bei den Eltern fasste er den Entschluss, Bildhauer zu werden, was Streit mit sich brachte, da sein Vater ihn als Bürolehrling unterbringen wollte.[3]
Im Jahre 1947 begann er mit einer Steinmetzlehre in Düsseldorf und absolvierte von 1948 bis 1952 das Studium der Bildhauerei und Graphik bei Sepp Mages und Otto Pankok an der Kunstakademie Düsseldorf. Der Steinmetzmeister verschaffte ihm eine Schlafstelle im katholischen Caritas-Heim, in dem Lehrlinge, Studenten und alte Leute untergebracht waren. Bis 1951 hatte er dort gewohnt, meistens mit zehn Leuten in einem Raum, dann erst hatte er sich ein erstes eigenes Zimmer leisten können, ein leeres Badezimmer. Bis in die Gegenwart belastete Grass die Erinnerung an ein Leben ohne jede Möglichkeit, allein zu sein. Im Jahre 1951 machte er eine Reise nach Italien und im Frühjahr 1952 unternahm er eine Autostoppreise kreuz und quer durch Frankreich. Zu Beginn des Jahres 1953 übersiedelte Grass nach Berlin und begann mit dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste als Schüler von Karl Hartung.[4] Ein Jahr später heiratete er die Schweizer Ballettstudentin Anna Schwarz und begann mit seiner literarischen Tätigkeit. Zu dieser Zeit strebte der Wiederaufbau in der Bundesrepublik unaufhaltsam dem Wirtschaftswunder entgegen und die Ära Adenauer war auf der Hochebene ihres Erfolges bereits angelangt. Die Dichter und Schriftsteller im Land allerdings hatten mitten in jenem Jahrzehnt der deutschen Nachkriegsliteratur, in dem vor allem die Lyrik florierte, vorerst andere Probleme. Im Jahre 1955 kam es zur ersten Veröffentlichung eines Gedichtes von Günter Grass im Heft 3 der Akzente – Zeitschrift für Dichtung und er nahm an einem Lyrikwettbewerb des Süddeutschen Rundfunks teil, bei dem er den dritten Preis bekam. Außerdem wurde er Mitglied der Gruppe 47, die auf den besten Weg war, zum Motor der Literaturszene zu werden.[5]
Die Zeitschrift Akzente, die ein Jahr nach ihrer Gründung schon zur repräsentativen Literaturzeitschrift der Bundesrepublik geworden war, stand Grass nun offen und schon im Heft 6 des Jahrganges 1955 erschienen weitere Gedichte und sein Prosastück Meine grüne Wiese. Des Weiteren hatte er seinen Verlag gefunden, sodass die Zusammenarbeit mit dem Luchterhand Verlag begann, der 1956 den Gedichtband Die Vorzüge der Windhühner herausgab, von dem 700 Exemplare bis 1959 verkauft wurden. „Grass hat in seinem ersten Gedichtband mit kräftigen und weichen Strichen eine schöne, doch nicht gefahrlose Bilderbuchwelt entworfen und in trockenen Farben ausgemalt, und sie ist schon deshalb nicht kunstgewerblich, weil ihre Eigenart als sinnlich faßliche und dennoch entrückte Bilderbuch- und Wunschwelt aus allerdings realen Versatzstücken nicht einen Augenblick lang in Vergessenheit gerät.“[6]
In seinen frühen Arbeiten ist die Bildphantasie des Zeichners und des Poeten identisch, und die Ambivalenzen seiner Bilderwelt hat Grass Mitte der 1950er Jahre einfallsreich in immer anderen Konstellationen durchgespielt. Von seinen frühen Stücken zwischen 1954 und 1961 blieben einige unveröffentlicht, wobei sich von einer kontinuierlichen Produktion noch nicht reden lässt. Seine Artistik, die ihn auf unbestimmte Art unbefriedigt ließ, war nicht nur Höhepunkt und Abschluss seiner literarischen Inkubationszeit, nach der etwas anderes, das eigentliche Werk einsetzt. „Wiederherstellung und die immer überlegenere Variation der modernen literarischen Standards, ihre Fortentwicklung in den Literaturen fremder Sprachen eingeschlossen – das waren ohne Zweifel noch immer die Konstanten der deutschen Nachkriegsliteratur.“[7] Grass setzte alles daran, über sie hinauszugelangen und er war einer der ersten, für seine Generation zweifellos der erste.
Anfang 1956 ging Grass mit seiner Frau Anna nach Paris, die ihre Ballettausbildung dort weiterführen wollte, und hatte die Intention, ein „dickes“ Buch zu schreiben, nachdem er sich entschlossen hatte, die Ausbildung an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin abzubrechen. Im Jahre 1957 kamen seine Zwillinge Franz und Raoul zur Welt und sein Stück Hochwasser wurde in Frankfurt uraufgeführt. Ein Bündel von Antrieben hielten Grass an, etwas von sich zu fordern, etwas zu versuchen, von dem es in der Literatur der zweiten Hälfte der 1950er Jahre kaum etwas gab. „Wirklichkeit, insbesondere die jüngste zeitgeschichtliche Wirklichkeit der Nazi-, Kriegs- und Nachkriegszeit war damals zwar nicht völlig ausgeblendet, doch sie blieb verschleiert.“[8]
So schrieb er an seinem Roman Die Blechtrommel, der die Geschichte des 1924 in Danzig geborenen Sonderlings Oskar Matzerath erzählt. Im Frühjahr 1958 unternahm er eine Reise nach Polen, wo er seine Heimatstadt Danzig besuchte, und im selben Jahr erhielt er nach einer Lesung aus diesem Roman einen Preis der Gruppe 47 auf der Tagung in Allgäu. Im Jahre 1959 wurde der Roman Die Blechtrommel veröffentlicht, der sich zum Kassenschlager entwickelte. Nach Erscheinen dieses Romans wurde der Autor vielstimmig als Nihilist mit Neigung zur Pornographie und Gotteslästerung beklagt. Pornographie, Blasphemie und Nihilismus waren nur Worte der 1950er Jahre für einen den finsteren großen Zeiten des Nationalsozialismus und ihren lang anhaltenden Nachwehen angemessenen Realismus. „Um 1960 galt Günter Grass als Begründer einer neuen grotesken Literatur. Wiedergelesen, erweist Die Blechtrommel sich längst als ein rabiat realistischer und Aufklärung suchender Roman, in dem eine groteske Hauptfigur und einige groteske Bildmuster den Griff nach der schockierenden Realität, die er mitteilt, ermöglichen.“[9]
[...]
[1] Vgl. Vormweg, Grass, S. 22.
[2] Ebd., S. 23.
[3] Vgl. Vormweg, Grass, S. 27ff.
[4] Vgl. ebd., S. 32f.
[5] Vgl. Vormweg, Grass, S. 35f.
[6] Ebd., S. 37.
[7] Ebd., S. 39.
[8] Vormweg, Grass, S. 46.
[9] Vormweg, Grass, S.63.
- Arbeit zitieren
- DI MMag Fabian Prilasnig (Autor:in), 2013, Das Bild des Günter Grass über die DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269015
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