Das Gemälde „Primavera“ von Sandro Botticelli wird in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert und gilt als ein Höhepunkt der Florentinischen Renaissance Malerei. Renaissance kommt aus dem Französischen und kann übersetzt werden mit: „Wiedergeburt der Künste“. Diese Kunst war von der Suche nach Neuerungen geprägt, zu denen unter anderem auch das Aufkommen mythologischer Bilder gehörte. Die Darstellungen orientieren sich an Geschichten aus vorchristlicher Zeit, in denen vom Leben der Götter und Helden und von ihrem Verhältnis zueinander die Rede ist . Für die Menschen war die Mythologie der bewunderten Griechen und Römer wesentlich mehr als eine Sammlung von heiteren, gefälligen Märchen. Sie waren so von der überlegenen Weisheit des Altertums durchdrungen, dass sie meinten, in diesen antiken Sagen müsse eine tiefe, geheimnisvolle Wahrheit verborgen sein . Die Künstler begaben sich mit dieser Art von Malerei auf ein neues Gebiet, denn für die Darstellung mythologischer Geschichten oder Personen gab es bisher kaum Vorbilder. Aufgrund der langjährigen Unklarheit über die genaue Datierung der „Primavera“ und die damit verbundenen möglichen Unterschiede in der Entstehungsgeschichte ist sie wie kaum ein anderes Gemälde immer wieder neu interpretiert worden. Im folgenden werde ich auf verschiedenen Interpretationsmodelle eingehen und sie weiter erläutern.
Gliederung:
1.) Mythen und ihre Bilder
2.) Sandro Botticelli „Primavera“
2.1) Bildbeschreibung
2.2) Die Mythologie des Bildes
2.3) Primavera als Bild der Hochzeit
2.4) Florenz als Garten der Venus
3.) Die Primavera als Schwellenbild
4.) Bibliographie
1.) Mythen und ihre Bilder
Das Gemälde „Primavera“ von Sandro Botticelli wird in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert und gilt als ein Höhepunkt der Florentinischen Renaissance Malerei. Renaissance kommt aus dem Französischen und kann übersetzt werden mit: „Wiedergeburt der Künste“. Diese Kunst war von der Suche nach Neuerungen geprägt, zu denen unter anderem auch das Aufkommen mythologischer Bilder gehörte. Die Darstellungen orientieren sich an Geschichten aus vorchristlicher Zeit, in denen vom Leben der Götter und Helden und von ihrem Verhältnis zueinander die Rede ist[1]. Für die Menschen war die Mythologie der bewunderten Griechen und Römer wesentlich mehr als eine Sammlung von heiteren, gefälligen Märchen. Sie waren so von der überlegenen Weisheit des Altertums durchdrungen, dass sie meinten, in diesen antiken Sagen müsse eine tiefe, geheimnisvolle Wahrheit verborgen sein[2]. Die Künstler begaben sich mit dieser Art von Malerei auf ein neues Gebiet, denn für die Darstellung mythologischer Geschichten oder Personen gab es bisher kaum Vorbilder. Aufgrund der langjährigen Unklarheit über die genaue Datierung der „Primavera“ und die damit verbundenen möglichen Unterschiede in der Entstehungsgeschichte ist sie wie kaum ein anderes Gemälde immer wieder neu interpretiert worden. Im folgenden werde ich auf verschiedenen Interpretationsmodelle eingehen und sie weiter erläutern.
2.) Sandro Botticelli „Primavera“
2.1) Bildbeschreibung
Das Gemälde „Primavera“ gilt als das grösste Tafelbild mythologischen Inhalts aus dem 15. Jahrhundert. Es wurde mit Tempera auf Holz gemalt und besitzt die Maße 203 x 314 cm und ist heute in den Uffizien in Florenz zu besichtigen. Es zeigt eine blumenreiche Wiese inmitten eines Orangenhains. Auf dieser Lichtung sind neun Personen zu erkennen, die scheinbar in unterschiedliche Beziehungsgefüge gruppiert sind. Die Dreiergruppe in der rechten Bildhälfte zeigt eine reich mit Blumen geschmückte, schreitende Frau, die in eine mit Blumen gefüllte Falte ihres Gewandes greift. Zu ihrer Rechten erkennt man eine junge Frau mit wehenden blonden Haaren und durchsichtigem Kleid, die zwar in den Vordergrund des Bildes zu flüchten scheint, ihren Kopf aber gleichzeitig zu einer hinter ihr befindlichen männlichen Person wendet. Dieser schräg aus den Bäumen schwebende Mann mit Flügeln versucht sie zu greifen. In der Mittelachse des Gemäldes befindet sich ebenfalls eine junge Frau mit einem roten Umhang in der Hand, die ihren Kopf etwas zur Seite neigt und den Betrachter direkt anblickt. Genau über ihr, am oberen Rand des Bildes schwebt ein pfeilschiessender Putto mit verbundenen Augen. Auf der linken Seite des Bildes, direkt neben der Zentralfigur erkennt man eine Gruppe von drei sich an den Händen haltenden Tänzerinnen mit durchsichtigen Schleiergewändern. Am linken Bildrand erscheint ein junger Mann, der mit erhobenem Arm einen Stab in die Blätterzone der Orangenbäume richtet. Im Hintergrund erblickt man zwischen den Bäumen eine hellblaue Atmosphäre, die nur an den äusseren Rändern des Gemäldes durch angedeutete Hügellandschaften und Felder unterbrochen ist.
Die Bildkomposition ergibt eine ideale Verbindung von Mittel- und Hintergrund durch das gleichförmige, zur Mitte hin ansteigende Oval der Wiese, die Personenanordnung und die Baumkronen. Botticelli verstand es ausserdem einwandfrei, in diesem Bild eine Aufhebung der Grenze zwischen Bewuchs und Person herzustellen, so das eine harmonische Einheit zwischen Mensch und Natur entstand. „Den aufrecht sich bewegenden Gestalten der linken Bildhälfte entsprechen die hinter ihnen postierten geraden Stämme, während die gebogenen, durch den Sturmeinbruch gebeugten Bäume am rechten Bildrand das Niederfliegen des männlichen Flügelwesens ebenso aufnehmen wie die gekrümmte Haltung der fliehenden Frau.“[3] Ein pflanzlicher Baldachin aus zwei Bäumen, der die Frau im Zentrum als Hauptperson des Bildes umgibt, ist eine weitere Grenzaufhebung, denn die Baumstämme sind jeweils die scheinbare Verlängerung von der Blumenfrau auf der rechten Seite, und einer der Tänzerinnen auf der linken Seite. All diese Komponenten verbinden die verschiedenen Personen kunstvoll miteinander, doch trotzdem erwecken sie den Eindruck von Einzelgängern mit einem gewissen Desinteresse an ihrer Umwelt. „Das Zentrum aller Unbestimmtheit aber bieten Geste und Gesicht“[4] der Frau im Mittelpunkt des Bildes. Es ist ungewiss, ob sie den Betrachter mit einem Blick aus Zuneigung, Abschätzung, Trauer oder Mitleid wahrnimmt, oder ob sie in sich gekehrt in ihren eigenen Gedanken schwelgt. Dieser undefinierbare Blick entsteht vor allem durch die unterschiedliche Ausarbeitung der Augenpartien und die tiefgesetzten Pupillen und Oberlider. Eine ähnliche innere Unstimmigkeit erkennt man bei der Betrachtung der Windrichtung, denn während die Kleider der Frauen alle in eine Richtung geweht werden, bewegt sich das Kleid der fliehenden Frau genau in die Gegenrichtung.
Schon allein an der Bildbeschreibung ist erkennbar, wie facettenreich dieses Bild aufgebaut ist, und dass uns in diesem Fall die bloße Betrachtung für die Interpretation nicht weiterhelfen wird. Hierzu ist es nötig, den geschichtlichen Hintergrund des Bildes zu untersuchen.
2.2) Die Mythologie des Bildes
Die eindeutige Identifizierung des Bildpersonals ist erst durch die Hinzunahme alter Textquellen von Vergil, Seneca, Lukrez, Horaz und Ovid möglich, denn die Komposition der Primavera ist weitgehend durch eine bunt zusammengewürfelte Sammlung von Textfragmenten bestimmt. Demnach handelt es sich bei der in der Bildmitte dargestellten Frauengestalt um die Liebesgöttin Venus. Sie ist in ihrem Garten abgebildet, den Polizian in seinen Gedichten als Ort des ewigen Frühlings und Friedens geschildert hat. Bei dem fliegenden Knaben oberhalb der Venus handelt es sich um ihren geflügelten Sohn Amor, deutlich erkennbar durch die Attribute Bogen, Pfeil und Augenbinde. Apuleius beschreibt den Gott der leidenschaftlichen Liebe in einer seiner Geschichten als „dreisten Tollkopf, der aller Zucht und Ordnung mit seinen schlechten Scherzen nur spottet und mitten in der Nacht, mit Flammen und Pfeil bewaffnet, sich in fremde Häuser schleicht, alle Ehen zerstört, ungestraft die größten Schandtaten verübt und jedenfalls ein regelrechter Tunichtgut ist“[5]. Der Schlüssel zur rätselhaften Szene in der rechten Bildhälfte findet sich in der antiken Schriftquelle von Ovid: den „Fasten“ (römischer Festkalender). Die jungfräuliche Nymphe Chloris irrt während des Frühlings in der freien Natur umher als sie erblickt wird von dem wärmenden Frühlingswind in Gestalt des Windgottes Zephyr. Sie flieht vor ihm, doch er verfolgt sie und macht sie gewaltsam zu seiner Frau. Da er aber seine Heftigkeit bereut, verwandelt er sie in Flora, die Blumengöttin des Frühlings und der guten Hoffnung: „Einst war ich Chloris, die ich jetzt Flora genannt werde“[6]. In diesem Zusammenhang wird auch verständlich, warum die Gewänder der beiden Frauengestalten in verschiedene Richtungen wehen. Botticellis Darstellung entspricht zwei von einander getrennten Momenten, die hier scheinbar zur selben Zeit passieren. Ausserdem gelang ihm die ideale Darstellung des Windes Zephyr durch die aufgeblasenen Backen und die Flügel, sowie die gebogenen Bäume, die sich seiner Körperhaltung anpassen. Eine andere Schriftquelle, nämlich die des Philosophen Lukrez, bringt mit der Ankunft des Frühlings (also Zephyrs) das Erwachen der sinnlichen, körperlichen Liebe in Zusammenhang: „Kaum ist nämlich der lenzliche Anblick des Tages eröffnet und entriegelt, herrscht das trächtige Wehen des Zephyrs, zeigen die Vögel zuerst in der Luft dich, Göttin, und deine Ankunft an, das Herz erschüttert von deinen Gewalten...von deinem Liebreiz gefangen (...) schüttest du allen ins Herz die sanft erregende Liebe, wirkst, dass sie voll Begier nach Arten die Rassen vermehren“[7]. Die Tänzerinnen auf der linken Bildhälfte sind vor allem durch ihre Dreierkonstellation gut erkennbar. Es handelt sich hierbei um die drei Grazien, die Begleiterinnen der Venus. Seneca beschreibt in seinen „De beneficiis“ die drei Grazien als einen Reigen leicht bekleideter Mädchen, die eine Stimmung von Schönheit und Anmut verbreiten. Er preist sie als dreifache Verkörperung der liberalitas, der selbstlosen Liebe als Geben, Empfangen und Erwidern. In Zusammenhang mit Amor, der seinen Pfeil auf das mittlere Mädchen richtet, ist hier aber ebenfalls ein Zusammenspiel von Wollust in der linken, Keuschheit in der mittleren, und Schönheit in der rechten Tänzerin dargestellt. Ihnen folgt Merkur, der mit seinen geflügelten Schuhen und dem schlangenumwundenen Stab (auch Heroldsstab oder Caduceus genannt) als Götterbote sowie als Gott der Kaufleute und Diebe bekannt ist. Ausserdem gilt er auch als Vertreiber der Winterwinde und als Bote des Frühlings. Detaillierte Anmerkungen über Merkurs Aufgaben findet man in der „Aeneis“ des Vergil, wo er als Gott beschrieben wird, der mit seinem Stab die Winde und Wolken zerteilt: „Fassend den Stab, zerteilt er die Winde und schwebt durch die trüben Nebel“[8]. Botticelli verarbeitet eben diese Szene mit Merkur in seinem Gemälde. „Die Komposition der Primavera und die Zusammenstellung des Bildpersonals ist also weitgehend durch eine bunt zusammengewürfelte Sammlung von Textfragmenten bestimmt“[9]. Einige Historiker sind der Meinung, bei diesem Gemälde handelt es sich einzig und allein um die bildnerische Umsetzung der genannten Szenen und Textquellen, doch es gibt noch einige andere Interpretationen, in denen auch der historische und politische Hintergrund untersucht und mit dem Bild in Verbindung gebracht wird.
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[1] Zöllner, Frank, Botticelli: Toskanischer Frühling. München 1998, S.6
[2] Gombrich, E. H., Die Geschichte der Kunst. Berlin 1996, S.263
[3] Bredekamp, Horst, Botticelli Primavera - Florenz als Garten der Venus. Frankfurt 1988, S.9
[4] Bredekamp, 1988, S.13
[5] Zöllner, 1998, S.39
[6] Bredekamp, 1988, S.17
[7] Deimling, Barbara, Sandro Botticelli 1444/45 – 1510. Köln 1993, S.43
[8] Zöllner, 1998, S.38
[9] Zöllner, 1998, S.42
- Citar trabajo
- Corinna Friedrich (Autor), 2004, Sandro Botticelli: "Primavera". Eine Werkanalyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26900
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