„Wie ist es möglich, etwas a priori anzuschauen? Anschauung ist eine Vorstellung, so wie sie unmittelbar von der Gegenwart des Gegenstandes abhängen würde. Daher scheint es unmöglich, a priori ursprünglich anzuschauen, weil die Anschauung alsdenn ohne einen weder vorher, noch jetzt gegenwärtigen Gegenstand, worauf sie sich bezöge, stattfinden müßte, und also nicht Anschauung sein könnte.“ Dieses Zitat aus der Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können von Immanuel Kant zeigt die Problematik auf, die sich bei der Suche nach apodiktischem Wissen ergibt. Im Rahmen dieser Hausarbeit wird kritisch untersucht, wie Kant das erkenntnistheoretische Problem im ersten Teil der Prolegomena, Wie ist reine Mathematik möglich, löst.
Kant stellt die Frage nach Erkenntnissen a priori, weil metaphysische Erkenntnisse diese Eigenschaft haben. Er möchte, anders als die ihm vorausgegangenen Metaphysiker, untersuchen, ob Metaphysik überhaupt als Wissenschaft möglich ist. Dies wäre dann der Fall, wenn metaphysische Urteile a priori und synthetisch gegeben sind. Nach Kant ist die bisherige Metaphysik unwissenschaftlich. Die Mathematik und die Naturwissenschaft sind hingegen erprobte Wissenschaften. Kant zeigt in der Prolegomena auf, wie die reine Mathematik und die reine Naturwissenschaft möglich sind. (Das Wort „rein“ impliziert, dass die Erkenntnisse frei von aller Erfahrung also a priori sind.) Anschließend zieht er eine Parallele der beiden Wissenschaften zu der Metaphysik. So beweißt Kant in der Prolegomena, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich ist.
Kant setzt sich bereits vor dem Erscheinen der Prolegomena mit der Erkenntnistheorie auseinander. Im Jahre 1781 veröffentlichte Immanuel Kant die erste Fassung der Kritik der reinen Vernunft (A Ausgabe). Da diese auf Unverständnis stieß, schrieb Kant die Prolegomena, welche die Inhalte der Kritik der reinen Vernunft vereinfacht darstellen sollte. Sie stellt eine Art Vorwort für die zweite, verbesserte Ausgabe (Ausgabe B) der Kritik der reinen Vernunft dar, welche 1787 erschien.
Inhaltsverzeichnis
1. Wie ist reine Mathematik möglich? Erkenntnistheoretische Implikationen des Ersten Teils der Prolegomena Kants
2. Wie ist reine Mathematik möglich?
2.1. Problemstellung: Wie sind synthetische Sätze a priori möglich?
2.2. Differenzierung zwischen Ding und Ding an sich
2.3. Reine Anschauungsformen: Raum und Zeit
3. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Wie ist reine Mathematik möglich? Erkenntnistheoretische Implikationen des Ersten
Teils der Prolegomena Kants. „Wie ist es möglich, etwas a priori anzuschauen? Anschauung ist eine Vorstellung, so wie sie unmittelbar von der Gegenwart des Gegenstandes abhängen würde. Daher scheint es unmöglich, a priori ursprünglich anzuschauen, weil die Anschauung alsdenn ohne einen weder vorher, noch jetzt gegenwärtigen Gegenstand, worauf sie sich bezöge, stattfinden müßte, und also nicht nschauung sein könnte͘“1 Dieses Zitat aus der Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können2 von Immanuel Kant zeigt die Problematik auf, die sich bei der Suche nach apodiktischem Wissen ergibt. Im Rahmen dieser Hausarbeit wird kritisch untersucht, wie Kant das erkenntnistheoretische Problem im ersten Teil der Prolegomena, Wie ist reine Mathematik möglich,3 löst.
Kant stellt die Frage nach Erkenntnissen a priori, weil metaphysische Erkenntnisse diese Eigenschaft haben. Er möchte, anders als die ihm vorausgegangenen Metaphysiker, untersuchen, ob Metaphysik überhaupt als Wissenschaft möglich ist. Dies wäre dann der Fall, wenn metaphysische Urteile a priori und synthetisch gegeben sind. Nach Kant ist die bisherige Metaphysik unwissenschaftlich. Die Mathematik und die Naturwissenschaft sind hingegen erprobte Wissenschaften. Kant zeigt in der Prolegomena auf, wie die reine Mathematik und die reine Naturwissenschaft möglich sind͘ (Das Wort „rein“ impliziert, dass die Erkenntnisse frei von aller Erfahrung also a priori sind.) Anschließend zieht er eine Parallele der beiden Wissenschaften zu der Metaphysik. So beweißt Kant in der Prolegomena, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich ist.4
Kant setzt sich bereits vor dem Erscheinen der Prolegomena mit der Erkenntnistheorie auseinander. Im Jahre 1781 veröffentlichte Immanuel Kant die erste Fassung der Kritik der reinen Vernunft (A Ausgabe).5 Da diese auf Unverständnis stieß, schrieb Kant die Prolegomena, welche die Inhalte der Kritik der reinen Vernunft vereinfacht darstellen sollte. Sie stellt eine Art Vorwort für die zweite, verbesserte Ausgabe (Ausgabe B) der Kritik der reinen Vernunft dar, welche 1787 erschien.6
2. Wie ist reine Mathematik möglich?
2.1. Problemstellung: Wie sind synthetische Sätze a priori möglich?
In § 6 der Prolegomena wird eine Erkenntnis gesucht, die apodiktisch gewiss, absolut notwendig, nicht auf Erfahrungen beruhend, synthetisch und ein reines Produkt der Vernunft ist. Die Frage lautet: „Wie ist es nun der menschlichen Vernunft möglich, eine solche Erkenntnis gänzlich a priori zu Stande zu bringen?“7
Um zu verstehen, warum Kant diese Frage stellt, muss ein Blick auf die Ausgangsfrage der Prolegomena geworfen werden, die da wäre: Ist Metaphysik (als Wissenschaft) möglich? Zur Beantwortung der transzendentalen Hauptfrage zeigt Kant zunächst auf, welche Eigenschaften metaphysische Urteile haben müssen, damit die Metaphysik als Wissenschaft Bestand hat. Metaphysische Urteile sind a priori. Sie dürfen nicht auf Erfahrung beruhen, weil diese durch die Subjektivität der Wahrnehmung eines Individuums verfälscht werden können. Urteile a priori werden von der Vernunft hervorgebracht. Damit sind diese immer auch rein. Metaphysische Urteile müssen synthetisch sein, da analytische Urteile das Wissen nicht erweitern. Die Wissenschaft wird durch analytische Urteile nicht vorangebracht.8 Im Folgenden wird also nach einer Erkenntnis gesucht, die die Eigenschaften eines (vor der Wissenschaft Bestand habenden) metaphysischen Urteils hat.
In § 7 nennt Kant drei Eigenschaften der reinen Mathematik:
1) Der Begriff der mathematischen Erkenntnis wird in der reinen Anschauung (nicht empirischen) dargestellt.9 An dieser Stelle ist es Sinnvoll die Bedeutungen der Wörter „Begriff“ und „ reine nschauung“ näher zu betrachten͘
Begriffe sind Produkte des Verstandes. Durch die Vorstellung des Verstandes wird der Gegenstand/ Begriff erkannt bzw. hervorgebracht. Diesen Akt nennt man Spontaneität der Begriffe.10
Durch Sinneswahrnehmungen bzw. die sinnliche Anschauung werden Erkenntnisse gewonnen. Mit reiner Anschauung meint Kant, dass diese frei von allen Erfahrungen d.h. allem Empirischen bzw. allem Sinnlichen überhaupt ist. Die reine Anschauung entspringt dem Verstand oder auch der Vernunft. Die reine Anschauung erlangt reine Erkenntnisse.11
Ohne Anschauung sind Begriffe ohne Bedeutung und andersherum. In der Transzendentalen Logik äußert sich Kant zu der Beziehung der Begriffe und der nschauung: „Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, nschauungen ohne Begriffe sind blind͘“12
2) Apodiktisch gewisse Urteile a priori, aus denen andere Urteile hervorgehen, aber selbst keinem anderen Urteil untergeordnet sind, heißen Grundsätze. Sie sind entweder intuitiv oder diskursiv. Intuitive Urteile können in der Anschauung dargestellt werden. Sie heißen Axiome. Diskursive Urteile lassen sich nur in Begriffen darstellen. Sie heißen Akroame. Analytische Prinzipien sind Akroame, weil sie diskursiv sind. Synthetische Prinzipien sind Axiome, wenn sie intuitiv sind.13
Die Urteile der Mathematik sind Axiome d.h. sie sind intuitiv (nicht diskursiv).14 Die mathematische Erkenntnis wird demnach aus der Anschauung (nicht aus Begriffen) gewonnen.15
3) Die apodiktischen Lehren der Mathematik werden durch die Anschauung erläutert (nicht hergeleitet). Die Lehren bestehen also unabhängig von der Anschauung.16
Nach Kant ist Mathematik als Wissenschaft möglich, wenn ihr eine reine Anschauung zu Grunde liegt und ihre Begriffe sich in concreto (in der Realität) darstellen lassen. Des Weiteren müssen sich die Begriffe der Mathematik konstruieren lassen d.h. die dem Begriff korrespondierende Anschauung muss a priori dargestellt werden können.17 Urteile reiner Anschauung können ebenso wie Urteile empirischer Anschauung synthetisch erweitert werden. Urteile reiner Anschauung sind a priori und damit apodiktisch gewiss. Hingegen sind Urteile empirischer Anschauung nur a posteriori und empirisch gewiss. Um eine apodiktisch gewisse Erkenntnis zu erlangen, muss die Anschauung also a priori erfolgen.18 In § 8 lautet die Frage:„Wie ist es möglich, etwas a priori anzuschauen?“19 Bei der
[...]
1 Kant, Immanuel: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. Stuttgart: Reclam 1989Ebenda. S. 38 f.
2 Ebenda.
3 Vgl. Kant: Prolegomena.S. 37 - 54
4 Vgl. Kant: Prolegomena.
5 Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. Hrsg.: Ingeborg Heidemann. Stuttgart: Reclam 1966.
6 Zum hier behandelten Kapitel „Wie ist reine Mathematik möglich“6 aus der Prolegomena ist der erste Teil der transzendentalen Elementarlehre „Die transzendentale Ästhetik“6 aus der Kritik der reinen Vernunft analog.
7 Kant: Prolegomena. S. 37
8 Vgl. Ebenda. S.24 f.
9 Vgl. Ebenda. S. 37
10 Eisler: Begriff. In: Kant Lexikon. S. 58 - 60
11 Vgl. Eisler: Anschauung. In: Kant Lexikon. S. 15 - 17; Eisler: Rein. In: Kant Lexikon. S. 464 f.
12 Kant: Kritik der reinen Vernunft. S. 120
13 Eisler: Grundsätze.
14 Vgl. Kant: Prolegomena.
15 Vgl. Eisler: diskursiv. In: Kant Lexikon S. 98
16 Vgl. Kant: Prolegomena. S. 37
17 Vgl. Kant: Prolegomena. S. 38; Eisler: Konstruktion. In: Kant Lexikon. S. 305
18 Vgl. Kant: Prolegomena. S. 38
19 Ebenda. S. 38
- Citation du texte
- Esther Schmitt (Auteur), 2011, Wie ist reine Mathematik möglich?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268516
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