Die Braut von Messina zählt zu Schillers klassischen Dramen.
Für sein Werk hat Schiller keine Quellen im eigentlichen Sinne benutzt, er ließ sich jedoch durch einige Werke anregen.
Der Stoff zur Braut von Messina ist vom Dichter frei erfunden, allerdings ist unbestritten, Schiller weist ja selber darauf hin, dass das griechische Drama König Ödipus von Sophokles den Bezugspunkt bildet
Schiller ging es in seinem Werk Die Braut von Messina um die Konstruktion einer Konstellation, wie er sie am Ödipus des Sophokles bewunderte, ein von den Protagonisten nicht erkanntes Schicksal, das sie unerkannt beherrschte und dem sie notwendig unterliegen mussten.
Schillers Werk Die Braut von Messina war 1799 unter dem Titel Die feindlichen Brüder vorbereitet und im Februar 1803 vollendet worden.[1] Der endgültige Titel des Werkes tauchte aber erst am 9. September 1802 in einem Brief an Körner auf.[2]
Die Braut von Messina zählt zu Schillers klassischen Dramen. Klassisches Drama heißt hier, sich bewusst machen, dass Kunst künstlich ist, um einen Darstellungs- und Wahrheitswert zu gewinnen, welchen nur die Kunst und nicht Natur bzw. Naturnachahmung birgt.
Für sein Werk hat Schiller keine Quellen im eigentlichen Sinne benutzt, er ließ sich jedoch durch einige Werke anregen.[3] Wichtig sind auch einige Grundkonstellationen, wie sie in Schillers Dramen schon vorgekommen sind und wie sie sich auch in anderen Dramen finden lassen. An die erste Stelle tritt das Motiv der verfeindeten Brüder, welches in Schillers Die Räuber, aber auch in Euripides Die Phönizierinnen vorkommt. Des weiteren das Motiv des ausgesetzten Kindes und das Motiv des Gesellschaftsfluches und des Untergangs eines Geschlechtes, beides zu finden bei Sophokles.[4] Für das Inzest-Motiv stellt Horace Walpoles Drama The Mysterious Mother von 1768 das Vorbild.[5]
Der Stoff zur Braut von Messina ist vom Dichter frei erfunden, allerdings ist unbestritten, Schiller weist ja selber darauf hin, dass das griechische Drama König Ödipus von Sophokles den Bezugspunkt bildet.[6] Zwar gibt es unübersehbare Parallelen zum Stoff von Sophokles Ödipus, aber auch zu Sturm- und Drang Dramen, so dass eher von einer Verschmelzung antiker und moderner Motive gesprochen werden müsste.[7] Die analytische Methode des sophokleischen Dramas ist Schiller wichtiger als die Übernahme der Bedeutung des Schicksals- und Schuldmotivs aus der griechischen Tragödie. In einem Brief an den Altphilologen Johann Wilhelm Süvern unterstreicht Schiller seine Verehrung der sophokleischen Tragödie, betont aber zugleich, dass es nicht mehr um ein bloßes kopieren des antiken Musters gehen kann.[8]
Schiller ging es in seinem Werk Die Braut von Messina um die Konstruktion einer Konstellation, wie er sie am Ödipus des Sophokles bewunderte, ein von den Protagonisten nicht erkanntes Schicksal, das sie unerkannt beherrschte und dem sie notwendig unterliegen mussten. Hierzu hätte allerdings das Inzest-Motiv ausgereicht, Schiller aber hat das Thema von den verfeindeten Brüdern mit dem Motiv der erotischen Rivalität hinzugefügt. Diese Motiv-Konstellation löste erst die Diskussion über die Gründe von Krieg und Frieden im Volk von Messina aus. Hier scheint auch das Erbe des philosophischen Arztes erneut deutlich zu werden, welcher seine Gestalten in künstlichen und kunstvollen Ordnungen und Zuordnungen aufbaut, um an ihnen psychische und soziale Befunde und deren Anamnese zu diagnostizieren. Die Erschaffung bestimmter Strukturen erlaubt es dem Autor, die Verhaltensmechanismen seiner Protagonisten und ihre analytisch nach und nach hervortretenden Gründe wie in einem individual- und massenpsychologischen Experiment zu zeigen. Bei Schillers Die Braut von Messina ist es deshalb angebracht, nicht alleine von einem sophokleischen Erbe, sondern auch von einem freudianischen Ausblick zu sprechen. „Der Starke achtet es/ Gering, die leise Quelle zu verstopfen,/ Weil er dem Strome mächtig wehren kann.“ (V.44-46). Was aber, wenn der Starke, wie in König Ödipus, schwach wird oder gar stirbt wie der Fürst in Die Braut von Messina, denn dann wird die verschwiegene Quelle psychischer Deformation zum alles mit sich reißenden und alles zerstörenden Schwefelstrom (vgl. V.399). Donna Isabella ist, wie Iokaste, durch die Zumutung ihr Kind töten zu lassen, beschädigt. Und Beatrice, als Kind verstoßen, wie Ödipus, versucht unbewusst die Wunde durch Inzest zu schließen. Die Gründe für den Bruderzwist bleiben Ungewiss (vgl. V.410-411). Dieser familiäre Konflikt zieht sich fort bis hin zum Bürgerkrieg.[9] Aber anders als Ödipus in Theben stellt Schillers Werk nicht mehr nur die Emanzipation vom Schicksal dar. Der Umgang der Figuren mit dem Schicksal ist als Ausdruck ihres je interessegeleiteten Handelns erkennbar. Schillers Stück leitet sein Erkenntnispotential weniger aus der antiken Tragödie ab, sondern aus einer Analyse der neuzeitlichen Verhältnisse um 1800. Der eine Orakelspruch, mit dem im antiken Stück aus frühgeschichtlicher Zeit noch der Bezug zum vorgeschichtlichen Mythischen aufrechterhalten wird, kehrt in den beiden Träumen und den daran anschließenden, widersprüchlichen Auslegungen ihrer Ratgeber gleichsam verdoppelt in das Moderne Werk wieder. Reflektiert wird hier das Auseinanderbrechen der Totalität in eine Welt partikularisierter Einzelinteressen. Das Machtinteresse des Vaters und das familiäre Interesse der Mutter sind ebensowenig zu harmonisieren, wie die Interessen der jeweiligen Ratgeber, d.h. des sternekundigen Arabiers, auf Seiten des Fürsten und des christlichen Mönchs, auf Seiten Donna Isabellas.[10] Der dem griechischen Drama ursprünglich eigene Götterfluch, aus dem heraus sich die tragische Entwicklung vollzieht, wird in der Braut von Messina nach innen gewendet und erfährt eine familiale Verinnerlichung. Die Fürstenfamilie entwickelt die tragische Situation und vollzieht die Katastrophe, weil ihre einzelnen Mitglieder nur nach Vorgabe ihrer Charaktereigenschaften oder nach Maßgabe ihres Begehrens handeln. Das wird besonders deutlich in der unterschiedlichen Bewertung der tragischen Ereignisse. Während Donna Isabella den Glauben an eine mythische Schicksalsgewalt wachruft (vgl. V. 1695), erkennt Don Cesar seine Liebe zu Beatrice als eigentliche Schuldursache Aus der anfänglichen Versöhnung der beiden Brüder wird tödlicher Hass, die Rivalität um die gleiche Geliebte führt zum Brudermord, die Geliebte erweist sich als Schwester und am Schluss richtet sich der Mörder selbst.[11] Die Schuldzusammenhänge, die das Geschehen bestimmen, haben sich gemäß dem Muster der tragischen Analysis des sophokleischen König Ödipus bereits in der Vergangenheit aufgebaut. Nach dem Vorbild des attischen Dramas sind es zwei Träume, die schon auf das Unheil vorausdeuten welches dem Fürstenhaus und seinen Söhnen durch die Geburt einer Tochter droht. Die Opposition der Traumdeutungen ist aber nur scheinbar. Die mit Hilfe der Mutter veranlasste Zusammenführung der zerstrittenen Brüder, ist nur durch ihre jeweilige Liebe zu der Unbekannten Schönen, der Schwester, möglich.Wodurch die Prophetie der Mutter scheinbar erfüllt wird. Die Versöhnung schlägt jedoch schnell wieder in heftig aufblitzende Eifersucht um, als die Brüder erkennen, dass sie dasselbe Mädchen lieben. In einer Szene von gesteigerter Dynamik ersticht Don Cesar seinen Bruder und erfüllt damit die Prophetie des Traums seines Vaters, dass die Tochter die Seelen seiner Söhne in heißer Liebesglut verbinden werde.[12]
[...]
[1] Vgl. Darsow, Götz-Lothar: Friedrich Schiller. Stuttgart, Weimar: Metzler 2000 (=Sammlung Metzler 330), S.208.
[2] Vgl. Luserke-Jaqui, Matthias: Friedrich Schiller. Tübingen, Basel: Francke 2005 (=utb 2595), S.334.
[3] Vgl. Luserke-Jaqui, Matthias: Friedrich Schiller: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder. In: Friedrich Schiller. Dramen. Neue Wege der Forschung, hg. von ders.. Darmstadt: WBG 2009, S.190-196.
[4] Vgl. Zymner (2002), S.130.
[5] Vgl. Alt, Peter-André: Friedrich Schiller. München: Beck 2004, S.108-109.
[6] Vgl. Luserke-Jaqui (2009), S.196.
[7] Vgl. Darsow (2000), S.209.
[8] Vgl. Zymner (2005), S.333-334.
[9] Vgl. Darsow (2000), S.209-210.
[10] Vgl. Vonhoff, Gert: Der Geschichte eine Form. Schillers >>Braut von Messina<<. In: Germanisitk. Interpretationen zur neueren deutschen Literaturgeschichte, hg. von Thomas Althaus und Stefan Matuschek. Münster, Hamburg: LIT 1994, S.92.
[11] Vgl. Zymner (2005), S.343-344.
[12] Vgl. Alt (2004), S.107-108.
- Citar trabajo
- Sabrina Thorwesten (Autor), 2012, Orakelspruch und Geschwisterinzest in Schillers Tragödie "Die Braut von Messina", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268182