[...] Durch diese Problematik rückt die Entwicklung neuer Organisationskonzepte
für Unternehmen verstärkt in das wissenschaftliche Betrachtungsfeld.
Grundkonsens neuer Konzepte ist der Abbau festgefahrener hierarchischer
Strukturen. In erster Linie wird dabei auf Dezentralisierung, Selbstorganisation
und Selbstverantwortung abgestellt, um so ein höheres Flexibilitätsvermögen
in veränderten Rahmenbedingungen und damit eine dauerhafte
Sicherung von Marktakzeptanz und nachhaltigem Erfolg der Unternehmen
zu sichern. In der Diskussion um neue Organisationskonzepte werden aber teilweise
die Nachteile der traditionellen Organisationsform Hierarchie mit den Vorteilen
neuer Organisationsformen verglichen und euphorisch resümiert,
dass jegliche hierarchische Strukturen abgebaut, zerstückelt und niedergerissen
werden müssen, um so einem „kreativen Chaos“ Platz zu machen
(vgl. PETERS 1993, S. 198). Doch Hierarchiefreiheit kann in großen Unternehmen
zu einem enormen Anstieg von Abstimmungsbeziehungen führen
und so die Komplexität weiter erhöhen (vgl. KRÜGER 1994).
Die Frage, die sich in der Entwicklung neuer funktionaler Organisationsmodelle
stellt, kann daher nicht einfach auf die Frage „Hierarchie Ja oder
Nein?“ reduziert werden (vgl. GAIROLA 1994, S. 20ff.). Hatte doch die
hierarchische Organisationsstruktur als Stabilitätsfaktor mit klarer Definition von Verantwortlichkeiten in der Unternehmenspraxis langjährig ihre wichtige
Bedeutung.
Um ein ganzheitliches Bild und damit eine wissenschaftlich fundierte Aussage
auf den theoretischen und praktischen Gehalt neuer Organisationsformen
zu ermöglichen, sollen in dieser Arbeit ausgewählte neue organisatorische
Konzepte dahingehend untersucht werden, ob sie tatsächlich als
„hierarchielos“ begriffen werden können. Dazu wird, um geeignete Vergleichskriterien
zu erhalten, zunächst das Konzept der Hierarchie eingehend
erarbeitet. Es werden dann die neuen Organisationsformen Prozessorganisation,
Netzwerkorganisation und Lernende Organisation vorgestellt
und anschließend kritisch auf ihre Strukturen hin untersucht.
Ziel dieser Arbeit ist es, heraus zu arbeiten, ob die vorgestellten Organisationskonzepte
strukturell als hierarchiefreie Alternativen begriffen oder
eher als Ergänzung zur traditionellen Hierarchieausprägung gedacht
werden können.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen zur Organisation
2.1. Eingrenzung des Organisationsbegriffs
2.2. Notwendigkeit der Organisationsgestaltung in Form von Regeln
2.3. Begriffsbestimmung der formalen und informalen Organisation sowie der Aufbau- und Ablauforganisation
3. Hierarchie
3.1. Charakteristik der Hierarchiestruktur
3.1.1. Der Hierarchiebegriff
3.1.2. Formale und inhaltliche Gestaltungsparameter der hierarchischen Organisationsgestaltung
3.1.3. Arten von Hierarchiestrukturen
3.2. Hierarchielegitimation
3.2.1. Die Theoretische Begründung der Hierarchie
3.2.2. Die praktische Funktionalität der Hierarchie
4. Ausgewählte neue Organisationsformen
4.1. Ursachen für neue Organisationskonzepte
4.2. Die Prozessorganisation
4.3. Die Netzwerkorganisation
4.3.1. Das Beziehungsgeflecht Netz im Unternehmen
4.3.2. Übergreifende Unternehmenszusammenarbeit
4.4. Die Lernende Organisation
4.4.1. Organisationales Lernen
4.4.2. Die Lernorganisation als Unternehmung
5. Untersuchung neuer Organisationsformen auf „Hierarchiefreiheit“
5.1. Überblick
5.2. Kritische Überlegung zur Gestaltung der Prozessorganisation
5.2.1. Strukturelle Gestaltung der Organisationskonzeption Prozess
5.2.2. Funktionale oder prozessorientierte Organisationsgestaltung
5.3. Kritische Betrachtung der Netzwerkorganisation
5.3.1. Strukturgestaltung in der Organisationsform Netz
5.3.2. Folgen der Selbstorganisation im Unternehmensnetz
5.3.3. Strukturen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit
5.3.4. Folgen der Überschreitung herkömmlicher Organisationsprinzipien
5.4. Kritische Auseinandersetzung mit der organisationalen Strukturgestaltung in der Lernenden Organisation
5.4.1. Gilt die Lernende Organisation als anti-strukturell?
5.4.2. Strukturen in der Lernenden Organisation
5.4.3. Die Lernende Organisation als übergeordnete Gestaltungsphilosophie
5.5. Dilemmata der Dezentralisierung
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Trends und Organisationsmodelle
Abb. 2: Organisationaler Lernzyklus
1. Einleitung
Bisherige Organisationskonzepte von Unternehmen gründen sich auf dem funktional mechanischen Wissenschaftsbild der Organisationstheorie, welches Taylor in seiner Theorie der wissenschaftlichen Betriebsführung entwickelte (vgl. Walter-Busch 1996, S. 119ff.). In der Konsequenz wurden Unternehmen traditionell in Form einer starr zentralistisch organisierten Hierarchie ausgestaltet.
Doch Wettbewerbsintensität, Globalisierungstendenzen, Schnelllebigkeit durch kurzlebigere Marktzyklen und Wertewandel in den letzten Jahrzehnten führen zu einer immer stärker werdenden Umweltkomplexität. Daraus resultieren zunehmende Flexibilitätsanforderungen an Unternehmen mit permanent steigendem Handlungs- und Innovationsdruck. Das zwingt Unternehmen in immer stärkerem Maß dazu, die eigenen Strukturen neu zu überdenken und zu reorganisieren, um so überschaubar, flexibel sowie innovativ zu bleiben. Denn eine starr aufgebaute Hierarchie ist weitgehend ungeeignet, sich schnell und effizient den unterschiedlichen Kundenbedürfnissen anzupassen und mit kürzer werdenden Innovations- und Produktlebenszyklen Schritt zu halten (vgl. Holtbrügge 2001a).
Durch diese Problematik rückt die Entwicklung neuer Organisationskonzepte für Unternehmen verstärkt in das wissenschaftliche Betrachtungsfeld. Grundkonsens neuer Konzepte ist der Abbau festgefahrener hierarchischer Strukturen. In erster Linie wird dabei auf Dezentralisierung, Selbstorganisation und Selbstverantwortung abgestellt, um so ein höheres Flexibilitätsvermögen in veränderten Rahmenbedingungen und damit eine dauerhafte Sicherung von Marktakzeptanz und nachhaltigem Erfolg der Unternehmen zu sichern.
In der Diskussion um neue Organisationskonzepte werden aber teilweise die Nachteile der traditionellen Organisationsform Hierarchie mit den Vorteilen neuer Organisationsformen verglichen und euphorisch resümiert, dass jegliche hierarchische Strukturen abgebaut, zerstückelt und niedergerissen werden müssen, um so einem „kreativen Chaos“ Platz zu machen (vgl. Peters 1993, S. 198). Doch Hierarchiefreiheit kann in großen Unternehmen zu einem enormen Anstieg von Abstimmungsbeziehungen führen und so die Komplexität weiter erhöhen (vgl. Krüger 1994).
Die Frage, die sich in der Entwicklung neuer funktionaler Organisationsmodelle stellt, kann daher nicht einfach auf die Frage „Hierarchie Ja oder Nein?“ reduziert werden (vgl. Gairola 1994, S. 20ff.). Hatte doch die hierarchische Organisationsstruktur als Stabilitätsfaktor mit klarer Definition von Verantwortlichkeiten in der Unternehmenspraxis langjährig ihre wichtige Bedeutung.
Um ein ganzheitliches Bild und damit eine wissenschaftlich fundierte Aussage auf den theoretischen und praktischen Gehalt neuer Organisationsformen zu ermöglichen, sollen in dieser Arbeit ausgewählte neue organisatorische Konzepte dahingehend untersucht werden, ob sie tatsächlich als „hierarchielos“ begriffen werden können. Dazu wird, um geeignete Vergleichskriterien zu erhalten, zunächst das Konzept der Hierarchie eingehend erarbeitet. Es werden dann die neuen Organisationsformen Prozessorganisation, Netzwerkorganisation und Lernende Organisation vorgestellt und anschließend kritisch auf ihre Strukturen hin untersucht.
Ziel dieser Arbeit ist es, heraus zu arbeiten, ob die vorgestellten Organisationskonzepte strukturell als hierarchiefreie Alternativen begriffen oder eher als Ergänzung zur traditionellen Hierarchieausprägung gedacht werden können.
2. Grundlagen zur Organisation
2.1. Eingrenzung des Organisationsbegriffs
Der Begriff „Organisation“ zeigt sich sowohl in der Umgangssprache als auch in der Wissenschaftsliteratur äußerst vielfältig. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass eine arbeitsteilige und zielorientierte Vorgehensweise zur Lösung komplexer Probleme, die Menschheitsgeschichte von Anfang an begleitete. Mit der Entstehung größerer gesellschaftlicher Einheiten, wie Kirche, Staat und Heer, wurde frühzeitig die Suche nach pragmatischen organisatorischen Lösungen sowie zweckmäßigen und allgemeingültigen Organisationsprinzipien ausgelöst. Im Zuge der damit verbundenen wirtschaftlichen Entwicklung wurde diese Problemlösungskonzeption in den Bereich der Wirtschaft übernommen und auf Unternehmen übertragen (vgl. Bleicher 1991, S. 34; Vahs 2001, S. 8; Weibler 2002a, S. 11ff.).
Allgemein kann Organisation als Form geregelter, zweckorientierter Kooperation oder einfach als Ordnungsprinzip verstanden werden, welche im Kontext von interpersoneller Arbeitsteilung, Stellenbildung und Prozessgestaltung steht (vgl. Walter-Busch 1996; Gukenbiehl 2000). Eine exakte Definition des Begriffs gestaltet sich jedoch in der heutigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung sehr vielfältig, weil immer wieder neue Aspekte gewählt werden, um das Phänomen Organisation zu beschreiben. Grundsätzlich aber können drei Sichtweisen unterschieden werden, die jeweils ihren Niederschlag im
- funktionalen,
- instrumentellen und
- institutionellen
Organisationsbegriff finden (vgl. Weibler 2002a; Bea / Göbel 2002).
Die funktionale Auffassung von Organisation setzt an konkreten Handlungen an, die eine bestimmte Form von Ordnung in einem System herstellen. Sie zeigt die Art und Weise sowie die Ziele der Ordnungsbildung als Prozess auf, indem sie von sozialen Systemen ausgeht, die arbeitsteilig zu strukturieren sind. Ordnung ist in diesem Zusammenhang eine Bedingung der Aufgabenerfüllung sozialer Systeme. Unter dem funktionalen Organisationsbegriff wird daher ein Prozess verstanden, durch den Ordnung entsteht (vgl. Hill et al. 1994, S. 17; Gomez / Zimmermann 1999, S. 17; Vahs 2001, S. 8f.; Weibler 2002a, S. 25ff.; Bea / Göbel 2002, S. 2f.).
Das instrumentelle Verständnis setzt an dem Ergebnis des Ordnungsprozesses einer „organisierten“ Struktur in Form von Regelungen an. Diese Struktur hilft den Prozess der Leistungserstellung zu steuern. Dabei ist die Strukturierung von Arbeitsprozessen als Handlungsvorschrift zu verstehen, um Unternehmensziele zu erreichen. Der instrumentelle Begriff definiert Organisation als ein dauerhaftes Regelsystem sowie als zielorientiertes Führungsinstrument der Unternehmung (vgl. Schreyögg 1999, S. 5ff.; Bea / Göbel 2002, S. 3f.; Weibler 2002a, S. 25ff.).
Im Unterschied zu vorgenannten Organisationsverständnissen lenkt das institutionelle Verständnis den Blickwinkel auf das Gesamtsystem, auf das Unternehmen als Institution innerhalb der Umwelt. Dieses weist eine spezifische Zweckorientierung, geregelte Arbeitsteilung im Sinne einer eigenen Handlungsstruktur auf und konstituiert sich über Grenzziehung zur Umwelt (vgl. Minssen 2000). Organisationen bestehen dabei aus mehreren Personen mit einem gemeinsamen Ziel, die in einer bestimmten Ordnung zueinander stehen. Zentralpunkt ist in diesem Verständnis das kollektive Denk- und wirtschaftliche Handlungssystem als Gesamtheit (vgl. Gomez / Zimmermann 1999, S. 17). Der institutionelle Begriff definiert Organisation als Institution, in der eine Gruppe von Personen ein Regelsystem geschaffen hat, um gemeinsam Ziele zu verfolgen. Die institutionelle Organisation ist zeitlich stabil strukturiert und trotz theoretischer Grenzen gegenüber der Umwelt offen, zielgerichtet und zweckorientiert (vgl. Schanz 1992, Sp. 1460; Schreyögg 1999, S. 9f.; Gomez / Zimmermann 1999, S. 16f.).
Je nach zugrundeliegendem Verständnis ergibt sich eine andere Sichtweise auf das Phänomen Organisation. Die verschiedenen Sichtweisen, funktional, instrumentell und institutionell, sind jedoch nicht unabhängig und losgelöst voneinander, sondern sie bedingen sich gegenseitig und lassen sich aufeinander zurückführen.
In dieser Arbeit wird dem instrumentellen Verständnis von Organisation der Begriff Unternehmensstruktur als Führungsinstrument gleichgesetzt. Die Organisationsstruktur kann dabei begrifflich als relativ beständiges Ordnungsmuster gefasst werden, welches sich als Regelsystem charakterisieren lässt, in dem Verhalten und Handeln der Organisationsmitglieder auf ein übergeordnetes Ziel hin koordiniert werden (vgl. Frese 1992, Sp. 1679f.; Janning 2002, S. 27). Der institutionellen Sichtweise entsprechend, wird hier unter Organisation die Gesamtheit einer Unternehmung als zielorientiertes soziales Gebilde verstanden, deren Mitglieder ein gemeinsames Leistungsziel verfolgen.
2.2. Notwendigkeit der Organisationsgestaltung in Form von Regeln
Die Unternehmung als institutionelle Organisation ist im Wirtschaftsprozess auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet. Aus diesem Ziel leitet sich als allgemeine Aufgabe die dauerhafte Sicherung von Marktakzeptanz und nachhaltigem Unternehmenserfolg ab (vgl. Krüger 1994; Bea / Göbel 2002). Die Gesamtaufgabe der Unternehmung ist jedoch aufgrund begrenzter individueller Kapazität zu umfangreich, um von einem einzelnen Individuum erfüllt werden zu können (vgl. Scherm 2002). Eine Aufteilung in Teilaufgaben auf mehrere Personen ist deshalb unumgänglich.
Die Auffächerung in verschiedene Teilaufgaben (Differenzierung) muss jedoch in eine sinnvolle Ordnung zu einander gebracht werden (Integration), um die unternehmerische Zielsetzung zu ermöglichen[1]. Im Kern geht es darum, Regeln zur Aufgabenverteilung, zur Koordination der Arbeit, zur Gestaltung des Arbeitsinhaltes, zur Festlegung von Verantwortungsbereichen und zur Zuordnung von Kompetenzen zu schaffen (vgl. Steinmann / Schreyögg 2000, S. 403).
Organisatorische Regeln reduzieren dabei die Umwelt- und die Entscheidungskomplexität, indem sie die Vielfalt möglicher Handlungsvarianten auf ein handhabbares Maß einschränken. Regeln klären Informationsflüsse in Unternehmen und versorgen so die Aufgabenträger mit den zur Leistungserstellung relevanten Informationen. Organisationsregeln steuern das Verhalten der Mitglieder und tragen damit zur Vereinfachung der Interaktion zwischen einzelnen Individuen bei. Sie gewährleisten die Konsistenz und Stabilität von Entscheidungen im Zeitablauf und erhöhen die notwendige Entscheidungsqualität. Gestaltungsgrundsatz ist dabei vor allem die Sicherung von Effektivität und Effizienz der Unternehmung als Maßgrößen für Zielerreichung und Wirtschaftlichkeit (vgl. Steinmann / Schreyögg 2000; Scholz 1992).
Strukturelle Regeln grenzen einzelne Aufgabengebiete und Handlungsspielräume der Akteure in einem System ab und unterstützen die effektive Verwirklichung von Unternehmenszielen. Sie können so integrierend sowie identitätsstiftend wirken und machen damit kollektives Handeln erst möglich (vgl. Krüger 1994; Burr 1998, S. 315; Vahs 2001).
2.3. Begriffsbestimmung der formalen und informalen Organisation sowie der Aufbau- und Ablauforganisation
Die Gesamtheit der geschaffenen Organisationsregeln für die Unternehmenssteuerung wird formale Organisationsstruktur genannt. Diese formale Struktur ist zweckrational gestaltet und bewusst geplant. Im Gegensatz dazu steht die informale Organisationsstruktur. Sie beruht auf persönlichen Einstellungen, Normen und Motiven, die von der formalen Organisationsstruktur gar nicht oder anders repräsentiert werden (vgl. Kieser / Kubicek 1992; Krüger 1994; Bea / Göbels 2002).
Traditionell wird in der deutschen Organisationslehre die formale Organisationsstruktur in die zwei Gestaltungsbereiche[2]
- Aufbauorganisation und
- Ablauforganisation
unterschieden (vgl. Gaitanides 1992).
Die Aufbauorganisation bildet den statischen Rahmen einer Organisation. Sie befasst sich mit der Zerlegung, Verteilung und Koordination von Arbeitsaufgaben im Unternehmensprozess und spiegelt die Gestaltung der Verteilungsbeziehungen auf Organisationsmitglieder wieder. Differenzierte Aufgaben werden zu Funktionen zusammengefasst und ergeben organisatorische Einheiten. Ergebnis ist eine funktionale Struktur der Unternehmung, welche sich auch als Stellengefüge im Organigramm niederschlägt (vgl 1991, S. 42; 2002, S. 37; 2002, S. 248). Nach traditionellem Verständnis geht die Aufbauorganisation der Ablauforganisation in der Organisationsgestaltung voraus.
Die Ablauforganisation ist als Wirkungssystem zwischen den organisatorischen Einheiten und als Ergebnis der Gestaltung von Arbeitsbeziehungen zu verstehen (vgl. Bleicher 1991, S. 42). Einzelne Prozesse der Aufgabenerfüllung werden hierbei unter Zielsetzung von effizienter Ressourcennutzung und Flexibilität betrachtet. Diese raum-zeitliche Organisierung der Arbeit ist der dynamische Aspekt der organisatorischen Strukturgestaltung (vgl. Scherm 2002, S. 37; Bea / Göbel 2002, S. 290).
Beide Strukturbereiche sind nicht unabhängig von einander, sondern sie stellen nur unterschiedliche Betrachtungsweisen der formalen Unternehmensgestaltung dar (vgl. Scherm 2002). Traditionelle Formalgestaltung ist die Hierarchie.
Da in der Organisationsgestaltung davon ausgegangen wird, dass Aufbau vor Ablauf zu erfolgen hat, findet in der Praxis oft eine getrennte Planung statt. Dies führt dazu, dass die hierarchische Strukturplanung ohne größere Berücksichtung von Prozessabläufen entwickelt wird. In der Folge führt es zu einer unzweckmäßigen Zergliederung von Arbeitsabläufen und zu einer unflexiblen Gestaltungskonzeption der Unternehmung. Um diese Unzulänglichkeiten, die Kritik und die daraus resultierenden Forderungen nach hierarchielosen Unternehmensstrukturen beurteilen zu können, muss daher zunächst der Begriff, die Notwendigkeit und die Gestaltung der Hierarchie als formale Organisationsstruktur geklärt werden.
3. Hierarchie
3.1. Charakteristik der Hierarchiestruktur
3.1.1. Der Hierarchiebegriff
Ursprünglich bezeichnete Hierarchie die Gesamtheit der kirchlichen Rangordnung (vgl. Pfeifer 2000, S. 539). Erst allmählich wurde der Begriff in die Betriebswirtschaftslehre übertragen. Im klassischen Sinn wird Hierarchie als grundlegendes Ordnungsmuster und spezifischer Regelmechanismus begriffen, um komplexe Systeme zu bewältigen (vgl. Breisig / Kubicek 1987; Krüger 1994).
Hierarchie kann einerseits als formale Struktur einer Über- und Unterordnungsbeziehung (instrumentelle Sichtweise der Organisation) und andererseits als grundlegendes organisatorisches Ordnungsprinzip in Unternehmen interpretiert werden (institutionelle Sichtweise). Dominierende Grundlage ist die vertikal und pyramidenförmig abgestufte Ordnung einzelner Organisationselemente (vgl. Laske / Weiskopf 1992).
Dabei werden jeweils bestimmte Aufgabenkomplexe der Unternehmung zu einem Verantwortungsbereich zusammengefasst und so von anderen Bereichen getrennt bzw. entkoppelt (vgl. Kieser / Kubicek 1992, S. 96f.). Dieser zusammengefasste Verantwortungsbereich ist die kleinste organisatorische Einheit und wird als Stelle bezeichnet (vgl. Krüger 1994, S. 45). Einzelne Stellen werden zu Abteilungen zusammengefasst und sind so angelegt, dass sie vertikal angesiedelt und prinzipiell systematisch über alle Ebenen von oben nach unten miteinander verbunden sind (vgl. Bartölke 1980, Sp. 830). Einzelne Stellen sind von jeweils einer bestimmten übergelagerten Stelle, von einer Instanz abhängig. Instanzen sind mit Entscheidungskompetenz, Weisungsbefugnis und Verantwortung ausgestattet (vgl. Kieser / Kubicek 1992, S. 83). An der Spitze der Hierarchie steht als oberste Instanz die Unternehmensführung.
Diese hierarchische Strukturanordnung führt dazu, dass die Abstimmung nicht mehr individuell zwischen allen möglichen Stellen einer Organisation getroffen werden muss und Arbeiten so konzentrierter ausgeführt werden können. Ebenfalls können Abstimmungsprobleme gebündelt und auf übergeordnete Entscheidungsebenen verlagert werden.
Zusammenfassend kann daher Hierarchie als ein strukturell ausgestalteter Koordinationsmechanismus definiert werden, der durch, von der Spitze ausgehenden, entscheidungsabhängigen Über- und Unterordnungsbeziehungen ein Unternehmen in seinen Handlungsbezügen vertikal organisiert.
3.1.2. Formale und inhaltliche Gestaltungsparameter der hierarchischen Organisationsgestaltung
In der organisatorischen Gestaltung der Hierarchie ergeben sich Besonderheiten, die die spezielle Struktur derselben ausmachen. Dabei wird der Aufbau formal im wesentlichen von den drei Gestaltungsparametern
- Leitungsbreite
- Leitungstiefe und
- Struktur der Weisungsbeziehung
bestimmt (vgl. Krüger 1994, S. 63ff.).
Die Leitungsbreite kennzeichnet die Anzahl der Stellen, die einer Instanz untergeordnet sind. Allgemein wird die Leitungsbreite auch als Kontrollspanne bezeichnet. Je nach zugeordneten Stellen ist ein hierarchischer Strukturaufbau mit breiter oder geringer Kontrollspanne möglich.
Die Leitungstiefe ist die Anzahl der übereinander gelagerten Ebenen, der Hierarchiestufen. Leitungsbreite und -tiefe stehen in der Regel in negativer Korrelation zu einander. Je größer die Anzahl der einer Instanz direkt untergeordneten Stellen ist, desto geringer ist in der Regel die Anzahl der Leitungsebenen einer Organisation (vgl. Krüger 1994, S. 64). Es sind ebenso flache, wie steile Hierarchien in einer Unternehmung möglich.
Die Struktur der Weisungsbeziehung ist in der Hierarchiegestaltung allgemein ein Einliniensystem. Die Entscheidungskompetenz und Weisungsbefugnis im Sinne der Einheit der Auftragserteilung liegt hier über mehrere Stellen bei nur einer Instanz. Als Sonderfall kann die Weisungsbefugnis auch auf mehrere Instanzen aufgeteilt (Mehrliniensystem) werden.
Je nach Ausgestaltung von Leitungsbreite, Leitungstiefe und Weisungsbeziehung, kommt es zu unterschiedlichen Ausprägungen der Hierarchie. Obwohl in der allgemeinen Auffassung von einer Pyramidenstruktur der Hierarchie ausgegangen wird, ergeben die formalen Gestaltungsparameter eine Bandbreite von Zwiebel- bis zur inversen Trapezform (vgl. Krüger 1994, S. 64).
Bedeutsamer als formale Gestaltungsparameter der Hierarchie sind jedoch inhaltliche Gestaltungsaspekte. Hierzu werden die wesentlichen Parameter
- Entscheidungspartizipation
- Entscheidungsdelegation und
- Entscheidungs(de)zentralisation
unterschieden (vgl. Krüger 1985, S. 297f.; Krüger 1994, S. 66ff.).
Unter Entscheidungspartizipation versteht sich die freiwillige und fallweise Beteiligung rangniederer Stellen an den Entscheidungen höherer Instanzen (vgl. Bea / Göbel 2002, S. 254). Es ist die Beteiligung der Mitarbeiter an der Willensbildung einer hierarchisch nächst höheren Ebene (vgl. Hill et al. 1994, S. 235). Je geringer die Partizipation, desto autonomer werden Entscheidungen von einer Instanz getroffen. Je größer der Partizipationsgrad, desto größer ist die Mitbestimmung hierarchisch untergeordneter Stellen bzw. Organisationsmitgliedern.
Unter Entscheidungsdelegation wird die Übertragung von Kompetenzen auf Andere verstanden (vgl. Bea / Göbel 2002, S. 253). Die Delegation im engeren Sinn erstreckt sich auf zwei hierarchische Ebenen in einer Linie (vgl. Krüger 1994, S. 67). Hierbei werden Aufgaben und insbesondere Entscheidungskompetenzen sowie Verantwortung auf die direkt nachgeordnete organisatorische Einheit übertragen. Delegation im weiten Sinn dagegen ist über alle hierarchische Ebenen möglich. Es betrifft Kompetenzen und Verantwortung einer Stelle in der Unternehmung, die ihr von vornherein zugeordnet sind.
Die Entscheidungszentralisation bezieht sich auf die Bündelung von Entscheidungsbefugnissen auf den oberen Hierarchieebenen. Völlige Zentralisation liegt immer dann vor, wenn Entscheidungskompetenzen nur auf der obersten Leitungsebene konzentriert sind. Demgegenüber wird unter Entscheidungsdezentralisation die Verteilung von Aufgaben und den damit verbundenen Kompetenzen an organisatorische Grundeinheiten verstanden. Innerhalb einer Hierarchie können Entscheidungen sowohl einzeln, als auch in Gruppen getroffen werden. Die Dezentralisation liegt immer dann vor, wenn Entscheidungskompetenzen systematisch nach unten delegiert werden (vgl. Krüger 1985, S. 293).
Der jeweilige Zentralisationsgrad beeinflusst die Leitungstiefe und Leitungsbreite einer Organisation. Denn je mehr Kompetenzen auf untergebene Stellen verlagert werden, desto größer ist die Anzahl der Stellen, die von einer einzelnen Instanz bewältigt werden können. Auch die Kontrollspanne kann jetzt um so größer gestaltet werden (vgl. Bea / Göbel 2002, S. 254f.). Die Entscheidungs(de)zentralisation ist in ihrer Ausgestaltungsmöglichkeit sehr unterschiedlich. Starre Zentralisation ist in einem Unternehmen ebenso möglich, wie komplexe Dezentralisation.
Die inhaltlichen Gestaltungsparameter einer Hierarchie sind nicht losgelöst voneinander. Je größer die Partizipation, desto mehr kann letztlich delegiert werden. Und je größer der Delegationsgrad einer Unternehmung ist, desto größer ist auch ihr Dezentralisationsgrad.
Auf Grund der notwendigen Verknüpfungen vorgenannter hierarchischer Gestaltungsparameter wird deutlich, dass vielfältige und differenzierte Muster von Hierarchien möglich sind, die ihren Niederschlag in den unterschiedlichen Gestaltungsarten finden (vgl. Bartölke 1980; Krüger 1994).
3.1.3. Arten von Hierarchiestrukturen
Viele Probleme und Kritikpunkte zur Hierarchie resultieren aus einer einseitigen Begriffsauffassung, da Hierarchie oft nicht in ihrer Komplexität begriffen wird. Vielmehr verschmelzen verschiedene Gestaltungsformen zu einer starren und statischen Sichtweise. Dies beruht darauf, dass Unternehmen traditionell nach den tayloristischen Kriterien wissenschaftlicher Betriebsführung bürokratisch, starr und statisch gestaltet wurden (Taylor 1919; Weber 1980). [Im weiteren Text wird diese Auffassung als lineare Hierarchie bezeichnet, um diese Organisationsgestaltung klar von anderen abzugrenzen.]
Die Kenntnis verschiedener Hierarchiearten mit unterschiedlich inhaltlicher Ausgestaltung ist jedoch notwendig, um neue alternative „hierarchielose“ Organisationsformen kritisch hinterfragen zu können.
Aus möglichen Kombinationen der zuvor dargestellten inhaltlichen Gestaltungsparameter einer Organisation lassen sich folgende Hierarchiearten charakterisieren (vgl. Krüger 1994; Probst, 1993):
- zentralistische Hierarchie
- delegationsergänzte Hierarchie
- partizipationsergänzte Hierarchie
- dezentralistische Hierarchie
- heterarchische Hierarchie, als Sonderfall.
Kennzeichnend für die zentralistisch organisierte Hierarchie ist die weitgehende Konzentration von Entscheidungsprozessen an der Unternehmensspitze. Koordinationsregeln sind durch strikte Weisungslinien geprägt. Untergeordneten Stellen wird keinerlei Entscheidungspartizipation eingeräumt und Delegationsmaßnahmen an nachrangige organisatorische Einheiten beschränken sich auf unbedeutende Aufgaben (vgl. Krüger 1994, S. 69f.).
In der delegationsergänzten Hierarchie werden zu Entlastungszwecken der Unternehmensführung Routineentscheidungen delegiert. Partizipation an Führungsprozessen jedoch ergibt sich für untergeordnete Stellen keine oder nur in sehr untergeordneter Bedeutung (vgl. Krüger 1994, S. 70).
Die partizipationsergänzte Hierarchie weist ebenfalls noch weitgehend zentralisierte Entscheidungsprozesse und nur die Delegation von Routineentscheidungen auf. Zusätzlich werden hier untere und mittlere Ebenen der Organisation in Entscheidungsprozesse involviert. Dabei können Unternehmensmitarbeiter partizipativ lediglich informierend und beratend an der Willensbildung oberer Instanzen mitwirken (vgl. Krüger 1994, S. 70).
In dezentralistischen Hierarchien sind organisatorische Subsysteme weitgehend selbstständig geführt. An der Hierarchiespitze bleiben vorwiegend die strategischen Entscheidungen einer Organisation konzentriert. Strategische Entscheidungsprozesse bestimmen sich nach den Unternehmenszielen, -grundsätzen und -strategien. Aus der Umsetzung und Kontrolle von strategisch Gewolltem, leiten sich operative Entscheidungen ab, die weitestgehend auf untere und mittlere Ebenen delegiert werden (vgl. Krüger 1994, S. 71).
Die heterarchische Hierarchie ist als Sonderfall zu betrachten. Unter Heterarchie[3] versteht man im Organisationszusammenhang das Prinzip fluktuierender hierarchischer Beziehungen zwischen verschiedenen organisatorischen Einheiten (vgl. Probst 1993, S. 495). Dabei sind mehrere, voneinander relativ unabhängige organisatorische Stellen in einem Handlungssystem lose gekoppelt (vgl. Bühl 1987, S. 242).
Heterarchie bedeutet, dass hierarchische Strukturen situationsbedingt und fluktuierend angepasst werden. Je nach Problemsituation wird eine effiziente Anpassung in der Form gewährleistet, dass Entscheidungs- und Verantwortungskompetenz diejenige Stelle erhält, die über die größten oder spezialisiertesten Ressourcen und Fähigkeiten verfügt, um eine Problemsituation zu bewältigen. Je nach bestmöglichem Potenzial zur Lösung von Unternehmensaufgaben wandern Kompetenzen und Führung von Subsystem zu Subsystem. Es besteht zwischen allen organisatorischen Einheiten nur eine situative und temporäre Kopplung, die immer wieder neu konfiguriert wird. Das bedeutet, dass sich hierarchische Strukturen nach Bedarf ändern oder sogar umkehren lassen und damit auch Kompetenzen neu zugeordnet werden (vgl. Probst 1994, S. 314).
Heterarchische Hierarchie beinhaltet als oberste Ebene die Unternehmensleitung, wo vorwiegend strategische Entscheidungen in Form von Zielen und Grundsätzen getroffen werden. Die Ausgestaltung von Kompetenz und deren Regelung werden jedoch grundsätzlich an untere Ebenen delegiert. Diese Ebenen bestehen nicht mehr in Über- und Unterordnungen, sondern in organisatorischen Subsystemen. Es existiert keine zentrale Kontrolle, sondern die Führung organisatorischer Teilsysteme wird in Konkurrenz und Konflikt, in Kooperation und Dominanz, in Sukzession und Substitution immer wieder neu ausgehandelt (vgl. Bühl 1987, S. 242). Die Parameter Entscheidungsdezentralisation, -delegation und -partizipation erfahren in der heterarchischen Hierarchie ihre größtmögliche Ausprägung.
Hierarchie sorgt also für die bessere Gestaltung des Arbeitsinhaltes, für die konkrete Festlegung des Verantwortungsbereiches und für die Zuordnung notwendiger Kompetenzen. Der organisatorische Koordinationsmechanismus ist jedoch nicht nur ein Sachzusammenhang, sondern er begründet Über- und Unterordnungen in unterschiedlichster Ausgestaltung. Als zweckrational gestaltete Organisationsstruktur, kommt der Hierarchie aber auch theoretische und praktische Bedeutung zu, deren Legitimation im Weiteren geklärt werden soll.
[...]
[1] Differenzierung und Integration der Arbeit als Basisaufgaben der Organisationsgestaltung sind latent widersprüchlich. Je stärker eine Organisation differenziert wird, desto mehr Anstrengungen müssen unternommen werden, um die Aktivitäten zweckmäßig zu integrieren. Diese Problematik wird unter dem Begriff Dualproblem der Organisationsgestaltung zusammengefasst (vgl. Schreyögg 1990, S. 17).
[2] Die Trennung der beiden Gestaltungsbereiche in Aufbau- und Ablauforganisation, hat sich ausschließlich im deutschen Sprachraum sowohl in der Theorie als auch in der Praxis durchgesetzt (vgl. Gaitanides 1992, Sp.1).
[3] Das Wort Heterarchie geht ursprünglich auf die griechischen Wörter heteros (der Andere) und archein (herrschen) zurück. Heterarchie bedeutet die Herrschaft Vieler oder Anderer, in diesem Zusammenhang verschiedener Organisations-mitglieder (vgl. u.a. Foerster / Pörksen 1998, S. 87f.).
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.