Geschichten lassen sich grundsätzlich unterschiedlich erzählen und ebenso unterschiedlich analysieren. Zu den im vergangenen Jahrhundert entwickelten Literaturtheorien zählt die Erzähltheorie. Einer der führenden Narratologen, Gérard Genette, entwickelte ein Modell, in dem er literarische Texte in Ordnung, Dauer, Frequenz, Modus und Stimme unterteilte. Eine Untergruppe des Modus ist die Fokalisierung. Dieser Begriff beschreibt, aus wessen Sicht erzählt wird („wer sieht ?). Genette unterscheidet zwischen „Nullfokalisierung (focalisation zéro)“, „interne Fokalisierung (focalisation interne)“ und „externe Fokalisierung (focalisation externe)“. Die interne Fokalisierung unterteilt er in „fest“ (hier wird durchgehend aus dem Blickwinkel ein und der selben Personen erzählt), in „variabel“ (die fokale Figur wechselt) und in „multipel“ (ein bestimmtes Ereignis wird von verschiedenen Personen beschrieben).
Selten wird in einer Erzählung der Fokalisierungstyp durchgängig beibehalten, oft wechseln sich die verschiedenen Formen untereinander ab . In Kafkas „Das Urteil“ findet sich sowohl die Nullfokalisierung, als auch die interne und die externe Fokalisierung. Den beiden agierenden Personen (Vater und Sohn) ist gleichbleibend ein bestimmter Typus zugeordnet. Inwieweit sich dies auf die Rezeption auswirkt und ob eventuell eine Verbindung zu einem der damaligen gesellschaftlichen Parallel-Diskurse herzustellen ist, möchte ich versuchen in diesem Essay zu klären.
Dazu beschreibe ich zuerst kurz die vorhandenen Fokalisierungstypen, danach gebe ich Beispiele aus der Vater-Sohn-Darstellung. In der Schlussbetrachtung versuche ich die Frage nach der Wirkung der angewandten Fokalisierungstypen auf den Rezipienten zu beantworten und eventuelle Verbindungen zu dem gesellschaftlichen Décadence-Diskurs der Jahrhundertwende aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fokalisierungstypen in „Das Urteil"
- Vater- und Sohn-Darstellung
- „Das Urteil" und der Décadence-Diskurs
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert die Fokalisierungstypen in Franz Kafkas „Das Urteil" und untersucht, wie diese den Rezipienten beeinflussen. Es wird außerdem untersucht, ob sich Parallelen zum Décadence-Diskurs der Jahrhundertwende aufzeigen lassen.
- Fokalisierungstypen in Kafkas „Das Urteil"
- Rezipientenwirkung des narrativen Modus
- Gesellschaftliche Paralleldiskurse
- Décadence-Diskurs der Jahrhundertwende
- Generationenkonflikt zwischen Vater und Sohn
Zusammenfassung der Kapitel
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Die Einleitung stellt die Fokalisierung als ein wichtiges Element der Erzähltheorie vor und erläutert die verschiedenen Fokalisierungstypen nach Gérard Genette. Die Arbeit konzentriert sich auf die Fokalisierungstypen in Kafkas „Das Urteil" und die Auswirkungen auf die Rezeption.
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Im zweiten Kapitel werden die Fokalisierungstypen in „Das Urteil" genauer beschrieben. Es wird gezeigt, dass die Erzählung sowohl die Nullfokalisierung als auch die interne und externe Fokalisierung verwendet. Der Fokus liegt auf der Darstellung des Dialogs zwischen Vater und Sohn und den verschiedenen Fokalisierungstypen, die dabei zum Einsatz kommen.
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Das dritte Kapitel analysiert die Darstellung von Vater und Sohn in der Erzählung. Es wird untersucht, wie der Sohn den Vater wahrnimmt und wie diese Wahrnehmung die Beziehung zwischen den beiden beeinflusst. Die Analyse zeigt, wie die Fokalisierung die Wahrnehmung der Figuren durch den Leser beeinflusst.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Fokalisierungstypen in Kafkas „Das Urteil", die Rezipientenwirkung des narrativen Modus, die gesellschaftlichen Paralleldiskurse, den Décadence-Diskurs der Jahrhundertwende und den Generationenkonflikt zwischen Vater und Sohn. Die Analyse von Kafkas „Das Urteil" beleuchtet die Bedeutung der Fokalisierung für die Interpretation der Erzählung und die Verbindung zu den gesellschaftlichen Strömungen der Zeit.
- Quote paper
- Gudrun Kahles (Author), 2012, Fokalisierungstypen in Kafkas "Das Urteil", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267587
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