Die vorliegende Arbeit geht der Fragestellung nach, ob sich die Norm ISO 31000 für Risikomanagement als Leitlinie zur Strukturierung von Innovationsmanagement in Unternehmen eignet. Sowohl Risiko- als auch Innovationsmanagement sind gleichermassen auf den Umgang mit Dynamik, Komplexität und Ungewissheit ausgerichtet. In einer Literaturanalyse werden die Empfehlungen der ISO 31000 mit Aussagen zum Innovationsmanagement verglichen.
Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass die Grundsätze und der Rahmen der ISO 31000 weitgehend den Anforderungen an ein Innovationssystem entsprechen: Die Grundsätze (principles) spiegeln die normative Ebene des Innovationsmanagement wider, der Rahmen (framework) adressiert die strategische Ausrichtung. Die Phasen und Entscheidungspunkte des Risikoprozesses stimmen mit der groben Strukturierung der Ideengenerierung /-sammlung und Ideenrealisierung überein, wobei die Vielfalt der Prozessgestaltung im Innovationsmanagement über die generische Prozessdefinition der ISO 31000 hinausgeht. Die prozessbegleitende Kommunikation sowie die kontinuierliche Überwachung und Überprüfung kommt den Forderungen entgegen, auch im Innovationsmanagement Rückkoppelungen (Feedbackschlaufen) zu etablieren, welche die Flexibilität innerhalb und zwischen den Teilprozessen erhöhen. Dadurch wird ein ganzheitlicher Managementansatz betont, der nicht nur die Kundensicht betrachtet, sondern die Integration der Interessen aller Stakeholder beabsichtigt. Das Unternehmensziel der Kundenzufriedenheit wird bewusst mit der nachhaltigen Existenzsicherung und Weiterentwicklung des Unternehmens verknüpft.
Die ISO 31000 bietet verschiedene Möglichkeiten, das Innovationsmanagement in einem Unternehmen zu verbessern, und unterstützt:
• die systematische Auseinandersetzung mit Innovation,
• die Professionalisierung des Innovationsmanagement,
• die enge Verknüpfung von Qualität, Risiko und Innovation,
• die Integration der relevanten Managementsysteme des Unternehmens,
• eine ganzheitliche Sichtweise auf die Wertschöpfungsprozesse,
• die Reflexion der Unternehmensentwicklung im offenen Dialog.
Inhaltsverzeichnis
Management Summary
Einleitung
1 Problemstellung und Zielsetzung
1.1 Ausgangslage
1.2 Problemstellung
1.3 Fragestellung
1.4 Zielsetzung und Methodik
Hauptteil
2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Management
2.2 Management von Risiko
2.3 Management von Innovation
2.3.1 Begriffe
2.3.2 Ziele und Aufgaben
2.3.3 Geschichte
2.3.4 Auslegung und Konzept
2.3.5 Innovationsprozess
2.3.6 Innovationsfähigkeit
3 Hypothese und Voraussetzungen
4 Analyse und Ergebnisse
4.1 Überprüfung der Voraussetzungen für die Hypothese
4.2 Grundsätze (principles)
4.2.1 Wert (value)
4.2.2 integraler Bestandteil der Unternehmensprozesse
4.2.3 Teil der Entscheidungsfindung (decision making)
4.2.4 Ungewissheit zum Gegenstand (uncertainty)
4.2.5 systematisch (systematic, structured, timely)
4.2.6 die best-verfügbaren Information
4.2.7 angepasst (tailored)
4.2.8 Mensch & Kultur (human factors)
4.2.9 transparent (transparent & inclusive)
4.2.10 dynamisch und rekursiv (reponsive to change)
4.2.11 KVP
4.3 Rahmen (framework)
4.3.1 Integriertes Managementsystem..
4.3.2 Framework for Excellence
4.4 Prozess (process)
4.4.1 Prozessübergreifende Aktivitäten
4.4.2 Kontext herstellen (establishing the context)
4.4.3 Beurteilung (assessment)
4.4.4 Analyse (analysis)
4.4.5 Bewertung (evaluation)
4.4.6 Steuerung (treatment)
5 Diskusssion der Ergebnisse
5.1 Zusammenfassung
5.2 Diskussion
5.2.1 Diskussion der Grundsätze
5.2.2 Diskussion von Rahmen und Prozess
5.3 Chancen und Risiken der Hypothese
5.3.1 Nutzen eines IM-Systems im Unternehmen
5.3.2 Chancen eines Integrierten Managementsystems:
5.3.3 Chancen eines integrierten Managementsystems auf der Basis der ISO Standards
5.3.4 Risiken
5.3.5 Zusammenfassung und Fazit der Chancen und Risiken
Schluss
6 Schlussfolgerungen
6.1 Fazit
6.2 Konsequenzen für die Innovationsforschung
6.3 Konsequenzen für die Innovationspraxis
7 Kritik und Ausblick
7.1 Kritische Würdigung der Arbeit
7.1.1 Ausblick
8 Anhang
8.1 Literaturverzeichnis
8.2 Abbildungsverzeichnis
8.3 Tabellenverzeichnis
8.4 Abkürzungsverzeichnis
8.5 Weitere Anhänge
8.5.1 Ganzheitliches Systemdenken
8.5.2 Übersicht der Literatur Reviews
8.5.3 Anhänge zum Innovationsprozess
8.5.4 Anhänge von Meier (2011)
8.6 Selbständigkeitserklärung
Einleitung
1 Problemstellung und Zielsetzung
1.1 Ausgangslage
Die Anzahl der Publikationen zum Thema Innovation und deren Förderung, Planung und Steuerung in Organisationen ist in den letzten 20 Jahren beträchtlich gestiegen (vgl. Abb. 15 und Abb. 16 im Anhang).
Die Diskussion um das Thema Innovation untersucht, mit welchen Mitteln die Innovationsleistung eines Unternehmens verbessert werden kann, und welche Probleme dabei entstehen. Verschiedene Literaturstudien der letzten zwei Jahre haben aus den bis heute verfügbaren Erkenntnissen allgemeingültige Aussagen zusammengefasst und analysiert, welche Einflussfaktoren auf die Innovationsleistung in der Wertschöpfung massgebend sind.
Übereinstimmend münden die Ergebnisse der Literaturanalysen in der Empfehlung, ein Modell (framework) zu entwickeln, das zum Management von Innovationen in Unternehmen anwendbar ist. Sowohl in der Innovationsforschung als auch in der -praxis wird die Weiterentwicklung eines solchen Modells vorangetrieben (Böhle, Bürgermeister & Porschen. 2011; Crossan & Apaydin, 2010; Eveleens, 2010; Gopalakrishnan, Kessler & Scillitoe, 2010; Keupp, Palmié, & Gassmann, 2011; Morris, 2011).
Im Rahmen der Entwicklung von Best Practice -Managementsystemen wurde die Norm ISO 31000 für Risikomanagement entwickelt, welche die Verknüpfung von verschiedenen Perspektiven auf die Wertschöpfung eines Unternehmens zu einem ganzheitlichen integrierten Wertemanagementsystem ermöglicht (Meier, 2011, S. 77-78).
Die Idee liegt nahe, diese Norm als Modell für eine effektive und effiziente Integration von Innovation in das Management von Unternehmen anzuwenden.
1.2 Problemstellung
Gassmann & Sutter (2011, S. 2) stellen die Frage, ob Innovation Zufall oder ein vom Management klar geführter Prozess sei, und sie fordern mehr Managementforschung für eine nachhaltige Gestaltung und Steuerung von Innovation (Gassmann & Sutter, 2011, S. 5; Keupp, Palmié, & Gassmann, 2011). Obwohl eine Vielzahl von Ratgeberempfehlungen verfügbar sind, bleibt deren Anwendung in der Unternehmenspraxis hinter den Erwartungen zurück. Andere Autoren halten Innovation für wenig vorhersehbar oder gar planbar und suchen nach einem "anderen Management", mit dem die Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation in einer Organisation nachhaltig verbessert werden kann.
Auf der Basis der Veröffentlichungen bis Ende 2012 gibt es bisher zwar viele Hinweise dazu, welche Faktoren ein Innovationsmanagement Framework beinhalten sollte, es fehlen aber konkrete Vorstellungen, wie ein solches in dem bereits existierenden Managementsystem eines Unternehmens umgesetzt werden soll (Gassmann & Sutter, 2011, S. 4-6).
Das führt zu dem Problem, dass Innovationsmanagement zusätzlich zum bestehenden Managementsystem einer Organisation als eigene Disziplin eingeführt wird. Es wird dadurch neben den bereits bestehenden Unternehmenszielen, -strategien und -praktiken ausgeführt. In der Regel ruft die fehlende Integration in der Praxis Konflikte und schliesslich Wirkungsverluste hervor.
1.3 Fragestellung
Die Masterarbeit greift dieses Problem auf und zeigt, wie Innovationsmanagement als integraler Bestandteil des Unternehmensmanagements eingebunden und nachhaltig betrieben werden kann. Zu diesem Zweck wird das bereits bestehende Modell zum Integrierten Risikomanagement, die Managementnorm ISO 31000:2009 auf das Innovationsmanagement übertragen und nachgewiesen, dass diese Norm sich gleichermassen für ein nachhaltiges Innovationsmanagement in einer Organisation eignet. Anhand der folgenden drei Aspekte wird geprüft:
1. Stimmen die Prinzipien der Norm mit den aus der aktuellen Literatur bekannten Determinanten und Einflussfaktoren für Innovation überein?
2. Lässt sich aus dem Rahmen der Norm ein Framework für Innovationsmanagement ableiten?
3. Ist der in der Norm beschriebene Prozess zum Risikomanagement auf das Innovationsmanagement sinnvoll anzuwenden?
1.4 Zielsetzung und Methodik
Die Arbeit soll aus den bisherigen Erkenntnissen der Innovationsforschung und den gegenwärtigen Entwicklungen der Best-Practice -Ansätze in der Unternehmensführung ein Konzept zur systematischen Integration des Innovationsmanagement in das Wertemanagement von Unternehmen ableiten und bewerten.
Zu Beginn werden Annahmen aus der relevanten Management-Literatur entliehen, um die Hypothese dieser Arbeit zu begründen.
Anschliessend wird die Analogie zur Risikomanagement-Norm konkret an den drei obengenannten Fragestellungen überprüft, indem Literatur zu Innovationsmanagement, Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien und Experten-Empfehlungen mit den Inhalten der ISO 31000:2009 verglichen werden. Anhand der Chancen und Risiken der vorgestellten These wird deren Relevanz beurteilt, und in den Schlussfolgerungen wird der Nutzen für die Praxis herausgestellt.
Hauptteil
2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Management
Ziel des Management ist es, in der Wertschöpfung einen im Vergleich zu Wettbewerbern höheren Nutzen für alle Bezugsgruppen zu schaffen (Bleicher, 2011, S. 18).
Management bedeutet das Gestalten, Steuern und Weiterentwickeln von Unternehmen (Ulrich, 1987, S. 99ff). In der Beschreibung von Bleicher (2011, S. 73) ist Management:
1. Gestaltung eines institutionellen Rahmens, der die Handlungsfähigkeit sowie die Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit einer Organisation sicherstellt.
2. Steuerung durch das Bestimmen von Zielen und das Entscheiden, Auslösen und Kontrollieren von zielgerichteten Aktivitäten.
3. Weiterentwicklung einerseits als das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf, andererseits als Emergenz in sozialen Systemen, bedingt durch Wissen und Lernen, Können und Wollen.
Das Verständnis von Management hat sich stark gewandelt und das Ende der Transformation ist noch nicht abzusehen. Aus der Betriebswirtschaft haben sich über die Organisationslehre zwei Richtungen entwickelt:
- Management mit dem Fokus Strukturierung: strukturelle und prozessuale Betrachtung hin zur Gestaltung und Lenkung von
soziökonomischen Systemen.
- Management mit dem Fokus Verhalten: verwandt mit den Verhaltens- und Kognitionswissenschaften (science of mind) und zunehmend gekoppelt mit den Neurowissenschaften (Peters & Ghadiri, 2011).
Beide sind gleichermassen notwendig für das Verständnis der Veränderungsprozesse in Richtung Wissensgesellschaft und dem Wertewandel von Mitarbeitenden und Kunden, der sich derzeit aufgrund der zunehmenden Bewusstwerdung für ökologische Zusammenhänge, globalisierende Markt- und Wettbewerbsbedingungen, verminderte Wachstumserwartungen und technologische Entwicklungen vollzieht (Bleicher, 2011, S. 47-63).
Beide sind gleichermassen notwendig für das Verständnis der Veränderungsprozesse in Richtung Wissensgesellschaft und dem Wertewandel von Mitarbeitenden und Kunden, der sich derzeit aufgrund der zunehmenden Bewusstwerdung für ökologische Zusammenhänge, globalisierende Markt- und Wettbewerbsbedingungen, verminderte Wachstumserwartungen und technologische Entwicklungen vollzieht (Bleicher, 2011, S. 47-63).
Als Antwort auf die Herausforderungen zur Bewältigung steigender Komplexität und Beschleunigung des Wandels wurde das Konzept zum Integrierten Management (auch als St. Galler Managementmodell bezeichnet) entwickelt, das Management als Zusammenführung, Integration der Strukturen und des Verhaltens in Aktivitäten betrachtet.
Das Konzept unterscheidet drei Dimensionen des Managements: normative, strategische und operative Aufgabenfelder, zwischen welchen wechselseitige Abhängigkeiten bestehen (Bleicher, 2011, S. 88). Integriert werden die Aufgabenfelder über eine Managementphilosophie, die für alle Beteiligten Klarheit über die Grundlagen ihres Handelns schafft, welche ihrerseits eine Vision oder ein Leitbild, formuliert, das für die Beteiligten Möglichkeiten zur Identifikation ermöglicht:
- Die Ebene des normativen Managements beschäftigt sich mit den generellen Zielen, den Prinzipien, Normen und Spielregeln einer Unternehmung, die darauf ausgerichtet sind, ihre Lebens- und Entwicklungsfähigkeit zu ermöglichen.
- Die Ebene des strategisches Management liegt im Aufbau, in der Pflege und der Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen der Organisation, für die Ressourcen aufgewendet werden müssen.
-Die Ebene des operativen Management bezieht sich auf die Umsetzung des normativen und strategischen Managements und ist auf die leistungs-, finanz- und informationswirtschaftlichen Prozesse des Unternehmens ausgerichtet.
Diese Betrachtung des Management-Gesamtsystems lässt sich rekursiv auf alle Subsysteme der Organisation übertragen, auf die Sektoren, die Unternehmens- und Geschäftsbereiche, die Abteilungen und Gruppen. Die horizontale Integration lässt sich über Strukturen und Verhalten zu Aktivitäten herbeiführen, die vertikale Integration über die Dimensionierung in die normativen, strategischen und operativen Ebenen. (vgl. Abb. 12, S. 43).
Methodisch eignet sich das Modell vor allem zur Selbstreflexion im Dialog mit allen Beteiligten im System, die ihren eigenen Kontext über Wertvorstellungen, über die eigene interne Situation und über ihre externen Rahmenbedingungen in die Unternehmnesziele einbringen. Dazu gibt das Modell einen problembezogenen Ordnungsrahmen vor und entwirft ein Vorgehensmuster zur integrativen Konzipierung von Lösungsrichtungen. Es bietet sich als ein "Leerstellengerüst" für sinnvolle und ganzheitliche Managementsysteme an (Bleicher, 2011, S. 85-96).
Das Konzept des Integrierten Management geht davon aus, dass nur ganzheitliches Denken zur Bewältigung komplexer Probleme beitragen kann. Merkmale von ganzheitlicher, systematischer Betrachtung (Ulrich, 1984, S. 52 ff.) sind im Anhang 8.5.1 erläutert.
2.2 Management von Risiko
Die ISO 31000:2009 ("ISO 31000") ist ein internationaler Standard, d.h. eine Norm für Managementsysteme mit Fokus Risiko. Sie steht auf der gleichen Ebene wie Qualitätsmanagement, ist aber nicht zertifizierungsfähig, da sie als Empfehlungsnorm ihren Zweck in der Integration von Risikomanagement in bestehende Managementsysteme sucht, welche unterschiedliche Perspektiven auf die Wertschöpfung verfolgen (Meier, 2011, S. 12).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: ISO 31000:2009: Risikomanagement Grundsätze, Rahmen und Prozess (ISO, 2009)
Meier (2011) beschreibt die wesentliche Merkmale der ISO 31000 wie folgt:
- Top-Level-Norm für Risikomanagement (RM)
- Generische Definition von Risiko in Bezug auf Ziele
- Öffnung der Perspektive für Chancen
- Unternehmerische Norm zu RM
- Interdisziplinäre Norm zu RM
- Generische Beschreibung der Grundsätze, Richtlinien und des Prozesses für RM
- Integrator für alle Aktivitäten zu RM
- Ansatz zu einem unternehmensweiten RM
- Ansatz für ein integriertes Managementsystem
- Empfehlung für alle Arten von RM
Die ISO 31000 ist eine Leit- oder Empfehlungsnorm, die für ein generisches Muster zur Integration von RM in das Managementsystem einer Organisation steht. Sie ist nur sinnvoll anzuwenden, wenn die in der Norm generisch gefassten Grundsätze, der Rahmen und der Prozess gemäss den Gegebenheiten der jeweiligen Organisation (Kontext) ausgestaltet werden (Meier, 2011).
Die Grundsätze (principles) können als normative Vorgaben betrachtet werden, welche starken Einfluss auf die Wirksamkeit eines RM-Systems ausüben. Es sind die Aspekte einer Organisation, die zur kritischen Selbstreflexion dienen, um eine grundlegend positive Einstellung und erfolgswirksames Verhalten auf den Ebenen von Individuum, Gruppe und Organisation zu entwickeln. Jede Organisation sollte danach streben, diese Prinzipien in die eigene Managementphilosophie einzubauen, um risikobewusstes Entscheiden und Handeln als Merkmal des "richtigen" und "guten" Management zu manifestieren (vgl. Malik, 2011, S. 66).
Nach dieser Leitlinie konstruiert das Unternehmen einen eigenen Rahmen, über den das RM in den Rahmen des Managementsystems der Organisation eingeflochten wird. Der Rahmen ist das Management-Prinzip, nach der das Unternehmen seine Wertschöpfung allgemein ausrichtet. Der gleiche Rahmen bewegt das RM auf der strategischen Ebene, und im Idealfall auch alle anderen Perspektiven des Managements auf die Wertschöpfung wie Qualität, Gesundheit, Umwelt, u.v.m.. Der Schlüssel dazu ist:
- eine motivierte und überzeugte Entscheidung (mandate and commitment), die auf allen Ebenen und durch alle Stufen hindurch abgestimmt wird, und
- mehrstufige Feedback-Regelkreise (monitoring and review), welche die Fähigkeiten zur Entwicklung einer selbstregulierenden und lernenden Organisation aktivieren.
Die operative Umsetzung des RM führt in einen Prozess, der Risiken systematisch sucht, identifiziert und analysiert, auf ihre Relevanz zu den Unternehmenszielen prüft und mit zu bestimmenden Massnahmen steuert. Der Prozess folgt wiederum der Struktur des Rahmens, um sich fortwährend zu verbessern. Kontinuierliche aktive Kommunikation und Dialog verstärken das Risikobewusstsein und die Anpassungsfähigkeit des Rahmens.
Die ISO 31000 wird begleitet von der ISO 31010:2009, einer Sammlung von Methoden-, Techniken und Werkzeugen, sowie der ISO 73:2009, dem Wörterbuch für RM als interdisziplinäre Grundlage für die Risikokommunikation.
2.3 Management von Innovation
2.3.1 Begriffe
Innovation ist ein viel verwendeter Begriff in der Management Literatur, dessen Auslegung viele unterschiedliche Aspekte aufweist. An dieser Stelle werden die Definitionen einiger zeitgenössische Experten zum Thema zitiert:
- "Kreative Ideen oder neues Wissen sind noch keine Innovation. Innovationen resultieren erst dann aus Ideen, wenn diese in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden (invention), die tatsächlich erfolgreiche Anwendung finden und den Markt durchdringen (diffusion) […] Innovation = Idee + Invention + Diffusion" (Müller-Prothmann & Dörr, 2011, S. 7).
- "Innovation ist die Hervorbringung eines neuartigen Produkts, Verfahren durch Kombination von Produktionsfaktoren" (Hauschildt & Salomo, 2011, S. 34).
- "Innovationen sind als neuer Ansatz einer nutzenstiftenden Problemlösung zu verstehen, die sich auf neue oder verbesserte Erzeugnisse, Leistungen, Verfahren, Organisationsformen, Märkte, etc. bezieht." (Bullinger & Schlick, 2002 In: Spath, Linder & Seidenstricker, 2011, S. 156).
- "Die Welt der Innovation ist so vielfältig wie ein Fingerabdruck. Produktinnovationen fallen ebenso unter diesen Begriff wie Prozessinnovationen, Dienstleistungsinnovationen und sozial getriebene Innovationen" (Meissner, 2011, S. 7).
Als Innovationsmanagement (IM) wird die bewusste und systematische Gestaltung von Wertschöpfung durch Innovation verstanden. Dies umfasst die Organisation von Strukturen und Prozessen, Zuweisung von Verantwortung und Entscheidung sowie die Allokation von Mitteln in einem Systemzusammenhang.
2.3.2 Ziele und Aufgaben
Ziel des IM ist die systematische Unterstützung des gesamten Entstehungsprozesses von der Generierung von Ideen bis zur erfolgreichen Markteinführung auf allen Organisationsebenen (normativ, strategisch und operativ). Ziele und Strategie werden mit allen Beteiligten abgestimmt und deren Erreichen überwacht und überprüft.
Zu den Aufgaben zählen die Erfassung und Bewertung von innovativen Ansätzen innerhalb und ausserhalb der Organisation, Förderung von unternehmensinternem
Potenzial und Organisationsstrukturen, Abstimmung mit der Unternehmensentwicklung,
-strategie, -zielen und Marketing, Planung und Steuerung sowie Durchführung und Kontrolle der Innovationsaktivitäten und Schutz der Nutzungsrechte
(Müller-Prothmann & Dörr, 2011, S. 11-30).
2.3.3 Geschichte
Historisch gesehen hat sich der Begriff des Innovationsmanagement (IM) in den letzten 200 Jahren vom einfachen, "mechanistischen" zum komplexen, "systemischen" Verständnis gewandelt, vgl. Abb. 2 (Meissner, 2011, S.26).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Verständnis von Innovationsmanagement im Wandel (Meissner, 2011, S.26)
2.3.4 Auslegung und Konzept
Eine allgemeingültige Definition und Auslegung von IM wird umfassend durch Literaturanalysen aufgezeigt, die jeweils unabhängig voneinander den Grossteil der Literatur zum Thema Innovation in Organisationen bis einschliesslich 2010 ausgewertet haben (vgl. Übersicht der ausgewerteten Literatur in der Anlage, Abb. 14-5). (Crossan & Apaydin, 2010; Eveleens, 2010; Gopalakrishnan, Kessler & Scillitoe, 2010; Keupp, Palmié, & Gassmann, 2011; Morris, 2011).
Die Veröffentlichungen nach dem Jahr 2010 knüpfen daran an und vertiefen Gestaltungselemente von Struktur und Prozess. Die Rahmendarstellung von Crossan & Apaydin (2010), siehe Abb. 3, ist daher gut zur Theorieauslegung geeignet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Multidimensionales Rahmenkonzept der Innovation (Crossan & Apaydin, 2010)
2.3.4.1 Definition und Abgrenzung
Die Unterscheidungsdimensionen (dimensions of innovation) beschreiben die zwei Perspektiven, aus denen Innovation in der Literatur betrachtet wird:
- Innovation als Entstehungsprozess von neuartigen Produkten, Diensten, Verfahren, etc. (innovation as a process)
- Innovation als Ergebnis (innovation as an outcome), z.B. das Telefon
Innerhalb der Dimensionen dienen weitere Differenzierungsmerkmale zur Abgrenzung.
Für Innovation als Ergebnis:
- Endprodukt (form): Innovation als neue Technologie / Produkt / Prozess / Dienstleistung / Geschäftsmodell / Systeminnovation
- Auswirkung (magnitude): inkrementelles / radikales oder disruptives Vorgehen
- Bezug (referent): Innovation bezogen auf: Unternehmen, Branche, Markt, Gesellschaft, politisches System
- Art und Weise (type): Innovation technischer / administrativer / ideeller Art
- Sichtbarkeit (nature): deutlich sichtbar / nicht wahrgenommen
Für Innovation als Entstehungsprozess:
- Ebene (level): auf der Ebene von Individuum / Gruppen / Organisation
- Treiber (driver): ressourcen- / markt- / technologie- / zufallsgetrieben
- Ursprung in der Organisation (direction): Top Down / Bottom Up
- Quelle (source): eigene Erfindung (Forschung und Entwicklung) / Übernahme und Anpassung einer fremden Erfindung
- Entstehungsort (locus): innerhalb des Unternehmens / durch Kooperation oder Netzwerk (open innovation)
2.3.4.2 Einflussfaktoren
Die Erfolgsfaktoren (determinants of innovation) richten den Blick auf die Leistungsmerkmale der Wirksamkeit und der Effizienz des Entstehungsprozesses von Innovation. Aus der Literaturanalyse lassen sich drei Hauptkategorien von Einflussrichtungen auf den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen herauslesen, die gleichzeitig als Hebel zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit angesetzt werden können:
- Führung und Mitarbeitende(leadership)
- psychosoziale Gestaltungselemente (Mensch und Kultur), dazu Stichworte beispielsweise auf der Ebene:
- "Individuum": Offenheit, Pro-Aktivität, Eigeninitiative, Motivation, Selbstbewusstsein, Emotionalität, Kreativität, Veränderungsbereitschaft. Selbstorganisation, Entscheidungsfreude, Erfolgsorientierung, Erfahrung.
- "Gruppe": Kulturelle und persönliche Diversität, Interdisziplinarität, Zielorientierung, Hilfsbereitschaft, Kooperation, Konfliktfähigkeit, Integration.
- "Kultur": Identität, Feedback, Fehlertoleranz, Mitarbeiterförderung, Offene Kommunikation über Organisations- und Hierarchiegrenzen hinweg, Freiräume für Ideen und kreative Alternativen, Offenheit für Wandel.
-Organisation und Strukturierung
(managerial levers) – ressourcenorientierte Sichtweise, siehe auch Hauschildt & Salomo (2011) und Meissner (2011):
- Ressourcen: Personal, Sach- und Finanzmittel.
- Potenziale: Methoden (Organisation, Planung, Konfliktregulierung) und Fachwissen (Technologie und Markt), informelles Wissen (Personen, Netzwerke), Kooperation und Vernetzung, Organisationales Lernen.
- Verantwortungs- und Entscheidungsstrukturen (Linie oder Projekt).
- Innovationsstrategieentwicklung: Zukunftsvisionen, Kernkompetenzen, Chancen und Risiken, Innovationsziele definieren.
- Innovation und Routine trennen, De-/Zentralisierung, Open/Closed
- Prozessebene
(business processes): Phasen, Aktivitäten, Rollen, Methoden, Werkzeuge, Kennzahlen, Überwachung, kontinuierliche Prozessverbesserung
(Crossan & Apaydin, 2010; Eveleens, 2010; Gassmann & Sutter, 2011, S. 4-17); Gopalakrishnan, Kessler & Scillitoe, 2010; Hauschildt & Salomo, 2011, S. 34-41; Meissner, 2011, S. 45-60; Müller-Prothmann & Dörr, 2011, S. 13-30).
2.3.5 Innovationsprozess
Den Weg von der Idee zum Wert ist ein Prozess der Verwandlung. Er beginnt mit der Wahrnehmung eines Anstosses (Push oder Pull), welcher einen Handlungsbedarf weckt. Dieser Bedarf erzeugt eine Idee, die in ein physisches oder virtuelles Produkt verwirklicht und anschliessend profitabel verkauft wird (Bircher, 2005, S. 22). Die Abfolge der Prozessphasen zur Innovation kann, muss aber nicht - linear sein (Böhle, Bürgermeister & Porschen, 2012, S. 57; Ili & Albers, 2010, S. 22). Wie der Begriff der Innovation selbst, wird auch der Prozess von den Autoren in Tab. 1 unterschiedlich gegliedert. Deren jeweilige Strukturierungsmöglichkeiten aus der Literatur sind mit den Innovationsprozessphasen von Prothmann & Dörr (2011, S. 7) in Beziehung gesetzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Aktivitäten in den Projektphasen verschiedener Autoren
Herstatt (1999; S.80) bezeichnet die Ideenphase auch als "frühe Phase" oder als Fuzzy Frontend. Die letzte Phase wird je nach betrachteter Perspektive "Diffusion" (Unternehmen) oder "Adoption" (Kunde) genannt (Meissner, 2011, S. 22).
Der Innovationsprozess wird in der Regel von den betrieblichen Standardprozessen abgegrenzt und wir projektmässig geführt. Innovationsarbeit soll grundsätzlich von der Alltagsarbeit abgegrenzt werden, die keinen Bezug zur Innovation hat, um die Stabilität der nach Leistungseffektivität und Kosteneffizienz optimierten Betriebsprozesse nicht zu stören (Böhle, Bürgermeister & Porschen, 2011, S. 49; Hauschildt & Salomo, 2011, S. 46).
2.3.6 Innovationsfähigkeit
Spath, Linder, & Seidenstricker (2011, S. 199-221) adressieren die allgemeine Fähigkeit eines Unternehmens, Innovationen zeitnah zu entwickeln und am Markt zu platzieren, als Verbesserungspotenzial für das IM. Aus der Menge der Erfolgsfaktoren haben sie neun Gestaltungsfelder zusammengefasst (vgl. Abb. 4): Innovationskultur, Strategie, Technologie, Markt, Produkt und Dienstleistung, Prozess, Struktur und Netzwerk, Kompetenz und Wissen, Projektmanagement.
Abb. 4: Gestaltungsfelder analog zu Spath, Linder, and Seidenstricker, 2011, S. 199)
Das strategische Planung der Innovationstätigkeit eines Unternehmens beginnt mit der Identifikation der eigenen Innovationsfähigkeit, in der sie mithilfe eines Audits die unternehmensspezifische Ausprägung der neun Gestaltungsfelder aufnehmen (vgl. Abb. 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Innovationsaudit & InnovationCard (analog Spath, Linder, & Seidenstricker, 2011, S. 204)
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