Das rege Interesse an jugendlichen Peergroups und Jugendkulturen, das aktuell in der sozial- und erziehungswissenschaftlichen Forschung herrscht, gibt Anlass, auch ältere Studien zu diesem Thema zu betrachten, einerseits um Jugendkulturen historisch zu vergleichen und zu verstehen, inwiefern sich ihre Rolle in einem größeren gesellschaftlichen Kontext verändert hat, andererseits um nachzuvollziehen, wie sich die Forschung methodisch entwickelt hat, ob und wenn ja welche anderen Aspekte von Jugendkulturen, z.B. im Hinblick auf die weitere Entwicklung ihrer Mitglieder, nun fokussiert werden. Vielleicht hilft hier gerade das Studium vergangener Forschung auch, den Blick für das Verhältnis von Forschungsinteresse und -ergebnis zu schärfen, insofern bei älteren Studien eher mit anderen Paradigmata zu rechnen ist, als bei neueren.
Für diesen Zweck ist Paul Willis „Spaß am Widerstand“ sehr gut geeignet (Titel der Originalausgabe: „Learning to labour. How working class kids get working class jobs.“). Dabei handelt es sich um den Bericht über ein Projekt, in dem Willis von 1972 bis 1975 den „Übertritt von Jungen aus der Arbeiterklasse ohne höhere Schulbildung ins Arbeitsleben“ (S. 9) untersuchte, und dessen Analyse. In einer der ersten rein qualitativen Studien in diesem Forschungsbereich hat er die Schüler einer Schulklasse in einer mittelenglischen Großstadt in ihren letzten Schuljahren und in der Zeit danach begleitet. In seinem Buch geht er der Frage nach, welche Rolle die spezifische Jugendkultur einer Gruppe von Arbeiterkindern in dieser Klasse, die sich in klarer Opposition zu den Werten der Schule befand, bei diesem Übergang gespielt hat.
Rezension
Willis, Paul 1979: Spaß am Widerstand. Gegenkultur in der Arbeiterschule, Frankfurt: Syndicat
Das rege Interesse an jugendlichen Peergroups und Jugendkulturen, das aktuell in der sozial- und erziehungswissenschaftlichen Forschung herrscht, gibt Anlass, auch ältere Studien zu diesem Thema zu betrachten, einerseits um Jugendkulturen historisch zu vergleichen und zu verstehen, inwiefern sich ihre Rolle in einem größeren gesellschaftlichen Kontext verändert hat, andererseits um nachzuvollziehen, wie sich die Forschung methodisch entwickelt hat, ob und wenn ja welche anderen Aspekte von Jugendkulturen, z.B. im Hinblick auf die weitere Entwicklung ihrer Mitglieder, nun fokussiert werden. Vielleicht hilft hier gerade das Studium vergangener Forschung auch, den Blick für das Verhältnis von Forschungsinteresse und -ergebnis zu schärfen, insofern bei älteren Studien eher mit anderen Paradigmata zu rechnen ist, als bei neueren.
Für diesen Zweck ist Paul Willis „Spaß am Widerstand“ sehr gut geeignet (Titel der Originalausgabe: „Learning to labour. How working class kids get working class jobs.“). Dabei handelt es sich um den Bericht über ein Projekt, in dem Willis von 1972 bis 1975 den „Übertritt von Jungen aus der Arbeiterklasse ohne höhere Schulbildung ins Arbeitsleben“ (S. 9) untersuchte, und dessen Analyse. In einer der ersten rein qualitativen Studien in diesem Forschungsbereich hat er die Schüler einer Schulklasse in einer mittelenglischen Großstadt in ihren letzten Schuljahren und in der Zeit danach begleitet. In seinem Buch geht er der Frage nach, welche Rolle die spezifische Jugendkultur einer Gruppe von Arbeiterkindern in dieser Klasse, die sich in klarer Opposition zu den Werten der Schule befand, bei diesem Übergang gespielt hat.
Der erste Teil der Publikation versteht sich als Ethnografie der Schule und der oppositionellen Kultur der Arbeiterjugendlichen (der „lads“) in dieser und bleibt tatsächlich über weite Teile sehr nah am empirischen Material. Das besteht vorwiegend aus Gruppen- und Einzelinterviews, zum Teil auch aus Beobachtungen bestimmter Situationen, wobei letztere leider nicht explizit als solche gekennzeichnet werden, d.h. es lässt sich nicht eindeutig sagen, ob es sich dabei um eigene Beobachtungen des Autors handelt, oder z.B. um die Zusammenfassung von Schilderungen seiner Interviewpartner. In diesem ersten Teil folgt auf eine Charakterisierung der „lads“-Kultur meist ein charakteristischer Auszug aus dem empirischen Material, der sie belegen und verdeutlichen soll. Auf diese Weise wird zunächst die „Gegen-Schulkultur“ als Opposition gegen die Autorität dargestellt, die vorwiegend als Stil zum Ausdruck kommt und als „getarnte […] Auflehnung, die stets vor der offenen Konfrontation halt macht.“ (S. 26) Die „lads“ grenzen sich von den konformistischen Schülern, den „ear'oles“ ab, also den Schülern, die ͵ganz Ohrʹ sind, höchst passiven Zuhörern. Ihr Selbstbewusstsein speist sich aus dem, worin sie sich den „ear'oles“ überlegen sehen: aus der Möglichkeit, Spaß, Unabhängigkeit und Aufregung zu haben und aus einer sexuellen Überlegenheit. Noch konkreter als im Verhalten zeigt sich die Opposition als symbolisch-stilistische, wobei vor allem Kleidung, Zigaretten und Alkohol eine Rolle spielen, die öffentlich zur Schau gestellt bzw. konsumiert werden, um die Lehrer zu provozieren. Willis bezeichnet die Gegen-Schulkultur als informelle Opposition gegen die formelle Kultur der Schule, bzw.
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- Ingmar Ehler (Author), 2013, Rezension zu Paul Willis: Spaß am Widerstand, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265988