[...] Was ist also zu tun? „Interkulturelle Kompetenz heißt das Stichwort“, so ein Zitat aus dem Online-Bericht der Deutschen Bundeswehr über die Tagung „Innere Führung – Wertebindung, Stabilität und Zukunftsfähigkeit in Europa“ Ende Juni 2001 (Deutsche Bundeswehr [Online]. 2001). Doch was bedeutet „Interkulturelle Kompetenz“? Ist das nur ein „Stichwort“ oder steckt seitens der Deutschen Bundeswehr wirklich mehr dahinter. Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Ausarbeitung. Die Arbeit unt ergliedert sich in vier Themenbereiche: Teil A stellt eine der umfassendsten empirischen Untersuchungen zum Verständnis interkultureller Problematik überhaupt vor: den HERMES Attitude Survey Questionnaire (Hofstede, 1980). Diese Studie soll in die Komplexität und Vielschichtigkeit kultureller Unterschiede einführen und auf die interkulturelle Problematik aufmerksam machen. Teil B befaßt sich mit den Grundbegriffen interkultureller Handlungskompetenz und der Bedeutung interkulturellen Lernens. Diesem Teil ist eine kurze Darstellung der Deutschen Bundeswehr im Problemfeld interkultureller Begegnungen vorangestellt. Teil C geht direkt auf die von der Deutschen Bundeswehr angewandten Trainingsinhalte und -methoden zur kulturspezifischen Vorbereitung von Sold aten auf internationale Einsätze, sowie auf deren theoretischen Hintergründe ein. Teil D arbeitet eine Bewertung zu den dargestellten interkulturellen Trainingselementen bei der Bundeswehr heraus und setzt abschließend die HERMES-Studie von Hofstede in Bezug zu den angewandten Trainingsinhalten und –grundlagen, als auch zu der praktischen Darstellung der vier Dimensionen Unsicherheitsvermeidung, Machtdistanz, Individualismus und Maskulinität (Hofstede, 1980) in einer speziellen Trainingsübung.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
TEIL A – Komplexität und Vielschichtigkeit kultureller Unterschiede ( Hofstede, 1980)
1. Hermes Attitude Survey Questionnaire (Hofstede, 1980)
1.1. Vier Kulturdimensionen
1.2. Zusammenfassende Betrachtung der vier Dimensionen
2. Die Deutsche Bundeswehr vor dem Hintergrund des Hermes Attitude Survy Questionnaire
2.1. Unsicherheitsvermeidung und interkultureller Begegnung
2.2. Machtdistanz und interkulturelle Begegnung
TEIL B – Interkulturelle Handlungskompetenz
3. Die Deutsche Bundeswehr im Problemfeld der interkultureller Begegnung
4. Grundbegriffe interkultureller Handlungskompetenz
4.1. Das Eigene und das Fremde
4.2. Interkultureller Kontakt
5. Interkulturelles Lernen
TEIL C – Interkulturelles Training bei der Deutschen Bundeswehr
6. Inhalte
6.1. Kulturallgemeine Trainingselemente
6.2. Kulturspezifische Trainingsbausteine
7. Methoden
7.1. General Intercultural Sensitizer (GIS)
7.2. Übungen
8. Zeitpunkte der Anwendung
9. Lernziel
TEIL D - Bewertung des interkulturellen Trainingskonzepts der Deutschen Bundeswehr und Parallelen zur Hermes-Studie (Hofstede, 1980)
10. Bewertung des dargestellten Trainingskonzepts
11. Parallelen zwischen dem interkulturellen Trainingskonzepts der Deutschen Bundeswehr und der Hermes-Studie (Hofstede, 1980)
Ausblick
Anhang A - Unsicherheitsvermeidung (UA)
Anhang B - Machtdistanz (PD)
Anhang C - Individualismus (IDV)
Anhang D - Maskulinität (MAS)
Anhang E - Ausprägung der vier Dimensionen PD, IDV, MAS, UA
Anhang F - Das Aufgabenspektrum der deutschen Bundeswehrsoldaten bei Auslandseinsätzen
Anhang G - Selbstbild, Fremdbild und vermutetes Fremdbild von Deutschen und Somalis
Anhang H - Monochrone und polychrone Zeitauffassung – Eine konkrete Interaktionssituation
Literaturverzeichnis
Einleitung
11. September 2001: die Anschläge auf die USA erschüttern die ganze Welt. Schuldzuschreibungen sind auf allen Seiten schnell gefunden.
22. Dezember 2001: die deutsche Bundesregierung beschließt offiziell den Einsatz deutscher Bundeswehrsoldaten im Rahmen der ISAF, der „International Security Assistance Force“. Nachdem das „Taliban-Regime“ beendet und die terroristischen Strukturen in Afghanistan erfolgreich bekämpft“ sind, „gilt es [jetzt], dem Land beim Wiederaufbau zu helfen und der Bevölkerung eine Perspektive für die Zukunft zu sichern“. So viel zum Hintergrund des Afghanistan-Einsatzes nach Aussagen der deutschen Bundesregierung am 21. Dezember 2001 (Deutsche Bundesregierung. [Online]. 2001).
Die eigentliche Frage lautet aber: wie können die internationalen Einsatzmächte, wie die afghanische Regierung gemeinsam, in Kooperation miteinander ihre Ziele verwirklichen, wenn vor allem die Massenmedien Vorurteile und gegenseitige Ablehnung fördern und so der Konflikt von Anfang an vorprogrammiert zu sein scheint? Hinzu kommt, daß selbst wenn beide Parteien Hand in Hand den sogenannten „Wiederaufbau“ Afghanistans wünschten, kulturelle Unterschiede die Realisierung des Vorhabens erschweren dürften. Jeder reiselustige Deutsche weiß um die „Eigentümlichkeiten“ der „schwulen Franzosen“, der „Spaghetti fressenden Italiener“ und der „pöbelnden Holländer“. Und jeder weiß auch: das sind „nur“ Vorurteile. Vorurteile zeigen sich aber gerade dann, wenn fundamental unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen. Deutsche, Franzosen, Italiener und Holländer leben immerhin auf einem Kontinent: Europa.
Was ist also zu tun? „Interkulturelle Kompetenz heißt das Stichwort“, so ein Zitat aus dem Online-Bericht der Deutschen Bundeswehr über die Tagung „Innere Führung – Wertebindung, Stabilität und Zukunftsfähigkeit in Europa“ Ende Juni 2001 (Deutsche Bundeswehr [Online]. 2001). Doch was bedeutet „Interkulturelle Kompetenz“? Ist das nur ein „Stichwort“ oder steckt seitens der Deutschen Bundeswehr wirklich mehr dahinter. Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Ausarbeitung.
Die Arbeit untergliedert sich in vier Themenbereiche:
Teil A stellt eine der umfassendsten empirischen Untersuchungen zum Verständnis interkultureller Problematik überhaupt vor: den HERMES Attitude Survey Questionnaire (Hofstede, 1980). Diese Studie soll in die Komplexität und Vielschichtigkeit kultureller Unterschiede einführen und auf die interkulturelle Problematik aufmerksam machen.
Teil B befaßt sich mit den Grundbegriffen interkultureller Handlungskompetenz und der Bedeutung interkulturellen Lernens. Diesem Teil ist eine kurze Darstellung der Deutschen Bundeswehr im Problemfeld interkultureller Begegnungen vorangestellt.
Teil C geht direkt auf die von der Deutschen Bundeswehr angewandten Trainingsinhalte und -methoden zur kulturspezifischen Vorbereitung von Soldaten auf internationale Einsätze, sowie auf deren theoretischen Hintergründe ein.
Teil D arbeitet eine Bewertung zu den dargestellten interkulturellen Trainingselementen bei der Bundeswehr heraus und setzt abschließend die HERMES-Studie von Hofstede in Bezug zu den angewandten Trainingsinhalten und –grundlagen, als auch zu der praktischen Darstellung der vier Dimensionen Unsicherheitsvermeidung, Machtdistanz, Individualismus und Maskulinität (Hofstede, 1980) in einer speziellen Trainingsübung.
TEIL A KOMPLEXITÄT UND VIELSCHICHTIGKEIT KULTURELLER UNTERSCHIEDE
1. HERMES ATTITUDE SURVEY QUESTIONNAIRE
Die kulturvergleichende Studie von Geert Hofstede (Hofstede, 1980) basiert auf dem HERMES Attitude Survey Questionnaire, ein Fragebogen, der in den Jahren 1968 und 1972 in Tochtergesellschaften der Firma IBM in über 40 Ländern eingesetzt wurde. Auf Grundlage der Dimensionen Unsicherheitsvermeidung („Uncertainty Avoidance“), Machtdistanz („Power Distance“), Individualismus und Maskulinität fand Hofstede bedeutsame Korrelationen, sowohl zwischen den vier Dimensionen untereinander als auch hinsichtlich geographischer, ökonomischer, demographischer und politischer Indikatoren. So konnte er in einer abschließenden Clusteranalyse die untersuchten Länder in 11 Ländergruppen zusammenfassen und damit seinem Anspruch, länderübergreifende Kulturgebiete zu definieren, gerecht werden.
Zunächst sollen die vier Dimensionen im einzelnen vorgestellt und dann in einem Überblick bewertet werden. Abschließend folgt eine Darstellung der Handlungsproblematik der Deutschen Bundeswehr vor dem Hintergrund der Dimensionen Unsicherheitsvermeidung und Machtdistanz.
1.1. Vier Kulturdimensionen:
Unsicherheitsvermeidung (UA)
Das Ausmaß der Unsicherheitsvermeidung ist etwas, das unser ganzes Leben bestimmt, denn es gilt: Zukünftiges ist nie 100%ig vorhersagbar. Das Streben nach Unsicherheitsvermeidung drückt sich laut Hofstede unter anderem in Technologien, Gesetzen, Religionen, Ritualen, Regeln, etc. aus. Je nach Sichtweise stellen zum Beispiel Technologien einerseits die vielschichtigen Möglichkeiten des Menschen dar, auf der anderen Seite können sie aber auch im Sinne der Verteidigung gegen Naturungewißheiten gedeutet werden. Ebenso verhält es sich mit Gesetzen, als formale und informale Regeln, um dem Sozialverhalten eine Richtung zu geben. Oder dienen sie vielleicht nicht doch nur der Einschätzung des Verhaltens anderer? Insgesamt sind die Grenzen zwischen Unsicherheitsvermeidung und Akzeptanz der Unsicherheit dabei fließend.
Dalbert, Kulla und Samer (2002) differenzieren hinsichtlich der subjektiv als ertragbar wahrgenommenen Höhe an Ungewißheit zwischen ungewißheitstoleranten und –intoleranten Personen. Für ungewißheitstolerante Personen stellen ungewisse Situationen eine Herausforderung dar, an der sie sich messen können, und über die sie neue Einsichten in die eigene Persönlichkeit erlangen können. „Ungewißheitsintolerante Personen interpretieren ungewisse Situationen als Bedrohung und versuchen daher, ungewisse Situationen möglichst rasch zu beenden“ (Dalbert et al., 2002, S. 247). Dies geschieht zum Beispiel durch Informationssuche und Expertenbefragung. Ungewissheitsintolerante Personen zeichnen sich somit durch eine stärkere Ausprägung des von Neuberg und Newsom (1993) definierten Konstrukts „Personal Need for Structure“ aus. Anhand der Interpretation ihrer Untersuchungsergebnisse kommen sie zu dem Schluß, daß Ungewissheitsintolerante in unstrukturierten Situationen negative Erfahrungen schneller generalisieren, damit aber auch emotional stärker auf die jeweilige Gegebenheit reagieren. (Neuberg & Newsom, 1993, S. 113).
Regeln, Rituale, etc. sind im Sinne Hofstedes also wichtig, damit der Mensch in bezug auf seine eigene Person, aber auch in der Zusammenarbeit mit anderen, effektiv handeln kann. Hieran begründet sich auch die in Organisationen herrschende Notwendigkeit hierarchischer Strukturen. Auf diese Aussage wird im folgenden Abschnitt zur Machtdistanz noch genauer eingegangen werden.
Insgesamt kommt Hofstede immer wieder zu dem Schluß, daß Länder mit hohen Werten bezüglich der Unsicherheitsvermeidung sich durch oftmals aggressiveres Verhalten, einem vermehrten Bedürfnis nach Konsensus und einer stärkeren Abhängigkeit von Experten und damit wiederum weniger Eigeninitiative im Job auszeichnen. Darüber hinaus sind Diskussionen in diesen Ländern eher ideologisch als pragmatisch gefärbt.
Bezüglich der Dimension Unsicherheitsvermeidung können die im HERMES Attitude Survey Questionnaire eingesetzten Items, sowie diesbezügliche charakteristische Aussagen, in Anhang A nachgelesen werden.
Machtdistanz (MD)
In jeder Organisation ist nach Hofstede ein gewisses Maß an Machtdistanz unvermeidbar und funktional, um dem Gesetz der Entropie entgegenzuwirken, was bedeutet planvoll und effektiv arbeiten zu können. Selbst in demokratischen Ländern wählen politische Parteien eine parteiinterne Führung, obwohl ihr Grundverständnis auf dem Prinzip totaler Gleichheit basiert.
In Anlehnung an Mulder´s „Power Distance Reduction Theory“ (Hofstede, 1980, S. 92) definiert Hofstede Machtdistanz als den Punkt, an dem die sich widerstrebenden Tendenzen von Vorgesetzten, ihre Macht zu halten, und die ihrer Untergebenen, die Macht zu verringern, ein Gleichgewicht finden und beide Seiten die gegebene hierarchische Struktur der Beziehung akzeptieren. Die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Untergebenem ist jedoch sehr komplex und wird von vielen Faktoren beeinflußt. Subjektive Faktoren, wie zum Beispiel die Meinung darüber, was die Rolle des Vorgesetzten oder Untergebenen impliziert, als auch objektive Faktoren, unter anderem das Fachwissen beider Parteien, die Geschichte ihrer Beziehung, die jeweilige, aktuell zu erledigende Aufgabe und die kritischen, situativen Umstände, sind im kollektiven Gedächtnis einer jeden Person verankert.
Auf der Ebene der Gesellschaftsformen ist Machtdistanz ein wesentlicher Bestandteil elitärer Systeme. Dagegen können in pluralistischen Gesellschaften Extreme in der Verteilung von Ansehen, Macht und Reichtum aufgrund einer zumeist breiten Mittelschicht stärker ausgeglichen werden. Aber auch zwischen pluralistischen Gesellschaften variiert die Ausprägung von Machtdistanz im gesellschaftlichen System, widergespiegelt in Organisa-tionsstrukturen und hier vor allem bezüglich der Attribution von betrieblichen Fehlern. So ist in Ländern mit geringer Machtdistanz zuerst das System an sich für eventuelle Fehler verantwortlich, wohingegen in Ländern mit hoher Machtdistanz in erster Linie die untergeordnete Person zur Rechenschaft herangezogen wird. Diese Art der Attribution hat zur Folge, daß Konflikte in elitären Gesellschaften aufgrund des vermehrten Mißtrauens gegenüber Führungspersonen, aber auch gegenüber Gleichgestellten, fundamental sind. Im Gegensatz dazu können Konflikte in pluralistischen Gesellschaften pragmatisch bewältigt werden.
Anzumerken ist noch, daß nach Hofstede gerade Länder, die im Mittel zwischen hoher und niedriger Machtdistanz liegen, die größte politische Instabilität aufweisen.
Die in der HERMES-Studie eingesetzten Items, sowie charakteristische Aussagen zur Einordnung, was genau hohe versus niedrige Machtdistanz bedeutet, gibt Anhang B wieder.
Individualismus (IDV)
Den Ausführungen Hofstedes folgend ist der Begriff des Individualismus eng verbunden mit dem Begriff des Selbstkonzepts. In westlichen Ländern stellen diese beiden Attribute in erster Linie eine Verbindung zu dem Individuum selbst her, getrennt von seiner Gesellschaft und Kultur. In östlichen Ländern, wie zum Beispiel China, bezeichnet das Selbstkonzept jedoch das Individuum, das nur durch die es umgebende Kultur zu dem werden konnte, was es aktuell darstellt. In kollektivistischen Gesellschaften wird somit das Wohl des Einzelnen direkt am Wohl der Gesellschaft abgelesen und vice versa garantiert das Wohl der Gemeinschaft das Wohl des Einzelnen. In diesen Ländern fand Hofstede folglich auch geringere Tendenzen im Sinne des Individualismus.
Nach Triandis (Triandis, 1971, in Hofstede, 1980, S. 217) definiert sich Individualismus durch Effekte der Modernisierung. Individualistische Personen sind offen für neue Erfahrungen, relativ unabhängig von elterlichen Autoritäten und glauben, das, was die Natur darbietet, kontrollieren zu können. Im Kollektivismus identifizieren sich Kinder laut Hofstede dagegen auch im Alter stärker mit dem Elternhaus. Personen dieser Gesellschaftsform sehen sich den externen, mystischen Kräften und Einflüssen der Umwelt ausgesetzt.
Nach Etzioni (Etzioni, 1975, in Hofstede, 1980, S. 218) gibt es zwei Arten, sich in Organisationen zu engagieren. „Pure involvement“ verweist auf vertikale Vorgesetzter-Untergebener-Beziehungen (Subordinationsverhältnis), womit wiederum eine hohe Machtdistanz verbunden ist. Das Gegenteil davon stellt das soziale Engagement, also horizontale Beziehungen zwischen Gleichgestellten dar, verbunden mit geringer Machtdistanz.
Daraus ergibt sich ein positiver Zusammenhang zwischen Kollektivismus, in dem horizontale Beziehungen, zum Beispiel auf politischer Ebene, nicht geduldet werden, und einer hohen Machtdistanz. In diesen Ländern dürfte es leichter sein, Diktaturen zu finden, als in Ländern mit hoher Machtdistanz, aber bei gleichzeitig hohen Punktwerten auf der Individualismus-Skala. Länder wie Belgien oder Frankreich erlebten hoch autoritäre Elemente in ihrem nationalen Wertesystem, diese respektierten jedoch dauerhaft die charakteristischen Regeln pluralistischer Systeme. Nach Hofstede haben Diktatoren in diesen Ländern einfach nicht genügend passive Einwilligung seitens der Bürger erhalten, um zu überleben.
Auch zu der hier vorgestellten Dimension finden sich Items aus der HERMES-Studie und charakteristische Aussagen (siehe Anhang C).
Maskulinität (MAS)
Die Geschlechtsrollenausprägung wird über die Art der Sozialisation in der Familie, der Peergroup, der Schule und den Medien vermittelt. Organisationen sowie deren Arbeitsziele spiegeln im Sinne Hofstedes diese Ausprägungen wieder: in Wirtschaftsunternehmen sind eher maskuline Zielsetzungen gefragt, in Sozialeinrichtungen eher feminine Fähigkeiten. Maskuline Ziele definieren sich laut Hofstede durch Wichtigkeit, viel Geld zu verdienen , als auch durch die Anerkennung von Fortschritt auf Basis höherer Punktwerte. Feminine Ziele beziehen sich vor allem auf zwischenmenschliche Beziehungen, auf die Betonung der Wichtigkeit der physischen Umwelt und sind gerade im Dienstleistungssektor wieder-zufinden. Das Datenmaterial der HERMES-Studie stützt diese Feststellungen. So besetzen in ausgeprägt maskulinen Ländern vor allem Männer wirtschaftlich hohe Positionen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß im Zuge der Datenerhebung insgesamt mehr Männer als Frauen befragt wurden. Da die angewandten Fragebögen keine Skala zur Erfassung der Geschlechtsrollenausprägung beinhalten, beziehen sich die vorgestellten Aussagen darüber hinaus lediglich auf das biologische Geschlecht.
Ein detaillierte Darstellung der verwendeten HERMES-Items und sich aus der Untersuchung ergebender Aussagen bezüglich der Machtdistanz-Dimension stehen in AnhangD.
1.2 Zusammenfassende Betrachtung der vier Dimensionen
Bezüglich ihrer Historizität und ihrer wirtschaftlichen und politischen Entwicklung ergab Hofstedes Clusteranalyse eine Zusammenfassung der untersuchten Länder in 11 Ländergruppen. Anhang E gibt eine Zusammenfassung aller Länder bezüglich ihrer Ausprägungen auf den vier Dimensionen als auch das Dendrogramm der Clusteranalyse wieder.
Es zeichnen sich auf letzter Instanzebene zwei große Länderblöcke ab. Ein Block (Cluster 1-7) besteht überwiegend aus Schwellen- und Entwicklungsländern, der andere Block (Cluster 8-11) überwiegend aus Ländern der sogenannten westlichen Welt. Wenn nun, der Logik der Clusteranalyse folgend, jeder Block in sich möglichst homogen und beide Blöcke zueinander möglichst heterogen sind, dann dürften die kulturellen Unterschiede innerhalb der Blöcke, und auf tieferer Ebene innerhalb der einzelnen Cluster, geringer ausfallen als zwischen den Blöcken beziehungsweise den einzelnen Clustern. Diese Annahme steht mit den Aussagen Hofstedes allgemein in Einklang. Aber auch schon auf niedrigster Ebene, zum Beispiel innerhalb der Zusammenarbeit von Angehörigen benachbarter Kulturgebiete wie Deutschland und den Niederlanden, zeichnen sich kulturelle Unterschiede ab, die immer auch ein gewisses Konfliktpotential in sich bergen. Diese Aussage wird im folgenden Abschnitt noch einmal aufgegriffen, in dem nun die Deutsche Bundeswehr mit den Ergebnissen der HERMES-Studie in Bezug gesetzt werden soll.
2. DIE DEUTSCHE BUNDESWEHR VOR DEM HINTERGRUND DES HERMES ATTITUDE SURVEY QUESTIONNAIRE
Militärische Einrichtungen sind immer ein Sonderfall des gesellschaftlichen Systems. Doch auch sie spiegeln die gesellschaftlich geltenden Normen wider (Reeb & Többicke, 1991). Somit ist natürlich auch die Deutsche Bundeswehr von allen eventuell möglichen Konflikten, die sich aus einer interkulturellen Begegnung ergeben können, betroffen.
Im folgenden soll anhand der Dimensionen Unsicherheitsvermeidung und Machtdistanz exemplarisch aufgezeigt werden, wie kulturell unterschiedliche Implikationen bezüglich dieser Dimensionen Grundlage von Konflikten sein können.
2.1 Unsicherheitsvermeidung und interkulturelle Begegnung
Wie schon bei Hofstede deutlich wurde, tritt Unsicherheit dann auf, wenn das Verhalten anderer nicht mehr kontrollierbar, also vorhersagbar, ist. Deutlich wird dieses Unsicherheitsempfinden nach Thomas, Kammhuber und Layes (1997) vor allem in interkulturellen Verhandlungssituationen, in denen oftmals Informationen über Verhandlungs-rituale und Kommunikationsregeln der Gegenpartei fehlen. Ihren Aussagen zufolge ziehen Deutsche einen zeitlich stark segmentierten Verhandlungsprozeß vor, wohingegen nach Aussagen eines Bundeswehrsoldaten zum Beispiel in Kroatien vor jedem Verhandlungsgespräch zuerst einmal ausgiebig türkischer Kaffe getrunken wird. „Wir Deutschen kommen eben mit unserem 10 Uhr-Termin und buff um 11 Uhr sind wir fertig [...]. Da muß man sich als Deutscher immer wieder zurücknehmen.“ (Thomas et al., 1997, S. 125). Doch gerade dieses sich „immer wieder zurücknehmen“ führt in derartigen Fällen oftmals zu enormen Handlungsdruck auf Seiten der Soldaten. Es entstehen negative Urteile gegenüber dem Verhandlungspartner. „Wenn ich den kroatischen Verhandlungsstil beschreiben müßte, dann als listig, hinhaltend, berechnend und mit Zeit sein Ziel erreichend.“ (Thomas et al., 1997, S. 123). Doch Verhandlungsdauer mit Hinterlist gleichzusetzen dürfte in den meisten Fällen als ungerechtfertigt angesehen werden. Ganz im Gegenteil ist in vielen Ländern das Miteinander-warm-werden implizit verbunden mit dem Aufbau einer Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern, die Grundvoraussetzung jeder Gesprächskultur und damit Grundvoraussetzung jedes erfolgreichen Vertragsabschlusses.
2.2 Machtdistanz und interkulturelle Begegnung
Eine kulturbedingt kritische Situation, wie sie Thomas (2001) beschreibt, betraf den Bau eines Brunnens in Somalia. An dessen Konstruktion beteiligten sich sowohl deutsche Bundeswehrsoldaten als auch einheimische Somalis. Im Rahmen des Aufbaus der Infra-struktur stellten die Friedensorganisationen die technischen Geräte, das wissenschaftliche Wissen, Geld, Zeit, Material, etc. zur Verfügung. Die deutschen Soldaten hatten also gegenüber den Einheimischen von Anfang an eine Position der Macht inne. Darüber hinaus besaßen die deutschen Bundeswehrsoldaten ein implizites Bewußtsein um die eigene Person als „Abgesandter eines hochentwickelten Industriestaates“ versus eines einfachen „Dorfbewohners“ (Thomas, 2001). Die Wahrscheinlichkeit, daß dieses implizite Wissen gegenüber den Somalis teils offen, teils unbewußt zum Ausdruck kommen und damit ein Konflikt unausweichlich werde, wurde von Thomas als sehr hoch eingeschätzt. Der Konflikt ließe sich nach Hofstede (1980) mit den enormen kulturellen Differenzen zwischen der deutschen und der somalischen Kultur erklären. Doch auch bei, im Sinne Hofstedes, „kulturnahen“ Ländern zeichnen sich Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit ab. Ein diesbezügliches Beispiel stellt das Deutsch-Niederländische Korps dar, welches im August 1995 gegründet wurde. Auch hier trafen, den Aussagen Kleins zufolge, trotz aller strukturellen Gleichheit im Sinne der militärischen Organisation und annähernder Äquivalenz kultureller Dimensionen unterschiedliche Kulturen und Persönlichkeiten aufeinander (Klein, 2001). Vorurteile der Niederländer gegenüber den Deutschen betrafen anfangs vor allem die Ansichten, Deutsche seien humorlos, rassistisch, arrogant und laut. Die Deutschen konnten dagegen nicht verstehen, wie eine militärische Organisation einen, in ihren Augen, derart lockeren Führungsstil, wie die Niederländer ihn verwirklichten, begrüßen könne. In einer von Klein dargestellten Untersuchung aus dem Jahre 1997 zeichnete sich ab, daß diese Vorurteile auch nach zwei Jahren der Zusammenarbeit erhalten geblieben waren. Obwohl die Parteien sich positiv in puncto gegenseitigen Vertrauens für den Ernstfall äußerten, bleibt doch die Frage offen, wie realitätsnah diese antizipierte Einstellung letztendlich in Wirklichkeit ist.
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- Quote paper
- Christina Hunger (Author), 2003, Interkulturelle Kompetenz. Das Training der Deutschen Bundeswehr vor Auslandseinsätzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26565
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