Hauptaufgabe der vorliegenden Arbeit besteht darin, Kontroversen innerhalb des noch relativ jungen Spiegelneuronen- Forschungszweiges aufzugreifen, auf sie einzugehen sowie Pro- und Kontraargumente einander gegenüberzustellen und herauszuarbeiten, ob es überhaupt möglich ist, die heterogene und durchaus komplexe Symptomatik des Autismus allein durch die Minderaktivierung bestimmter Hirnareale zu erklären. Die Arbeit gliedert sich in fünf Bereiche, wobei das erste Kapitel eine allgemeine Übersicht über das Störungsbild Autismus zusammenfassen soll, ausgehend von der Erstbeschreibung über die Symptomatik bis hin zum Kernbereich Ursachenforschung. In Kapitel zwei wird der Bereich der Spiegelneuronenforschung beleuchtet. Nach einem geschichtlichen Abriss, folgt die Ausführung zur Lokalisation der Spiegelzellen beim neurotypischen Menschen und beim Menschen mit Autismus. Mittels der funktionellen Bildgebungsverfahren PET, MEG, TMS, EEG und fMRT, wird ein potenzieller Beweis für die Existenz der Spiegelzellen angeführt und erstmals auf Unterschiede in der Aktivierung bestimmter Hirnareale der autistischen Probanden und zugehöriger Kontrollgruppe herausgestellt. Im Kapitel drei gilt es ausführlich zu überprüfen, welche Ansätze das Spiegelneuronensystem für die Ursachenerklärung autistischer Störungen bietet. Beginnend mit der Darstellung des aktuellen Forschungsstandes (Problemaufriss) und einer kurzen Beschreibung des methodischen Zugangs zum Thema, soll es um die im Titel aufgeworfene Fragestellung diskutiert gehen. Es wird diskutiert, welche Symptome sich auf den Ebenen der Kernbereiche Verhalten, Emotion und Kommunikation auf ein defizitäres Spiegelneuronensystem bei Menschen mit Autismus zurückführen lassen und welche nicht. Insbesondere Studien der Forscherteams um Rizzolatti, Oberman & Ramachandran, Dinstein, Dapretto und Williams werden vorgestellt und miteinander in Verbindung gesetzt. Dabei sollen Stand- und Kritikpunkte auf ihre Stichhaltigkeit überprüft und Beweise, Fehlinterpretationen, Spekulationen und Missverständnisse aufgedeckt werden. Im Kapitel vier werden die Ergebnisse zusammengefasst und Möglichkeiten und Grenzen des Forschungszweiges zusammen getragen. In einem Fazit wird auf die pädagogische Relevanz der Spiegelneuronenforschung im Kontext von Autismus-Spektrum-Störungen eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Autismus-Spektrum-Störungen
- 1.1 Begriff und Geschichte
- 1.2 ASS — ein seltenes Störungsbild?
- 1.3 Diagnostische Kriterien und Kernsymptome
- 1.3.1 Diagnostik nach ICD-IO und DSM-V
- 1.3.2 Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion
- 1.3.3 Auffälligkeiten in der Kommunikation
- 1.3.4 Auffälligkeiten im Verhalten
- 1.4 Ursachenmodelle
- 1.4.1 Genetik
- 1.4.2 Umwelteinflüsse
- 1.4.3 Neurowissenschaft
- 1.4.3.1 Neuroanatomie
- 1.4.3.2 Neuropsychologie
- 1.4.3.3 Neurobiologie
- 2. Spiegelneuronenforschung
- 2.1 Nachweis der Spiegelneuronen bei neurotypischen Menschen
- 2.1.1 Entdeckung
- 2.1.2 Darstellung der Lokalisation und Funktion von Spiegelneuronen durch funktionelle Bildgebung
- 2.1.2.1 PET
- 2.1.2.2 MEG
- 2.1.2.3 TMS
- 2.1.2.4 fMRT
- 2.1.2.5 Weitere Annahmen zur Funktion von Spiegelneuronen
- 2.2 Nachweis von Anomalien im Spiegelneuronensystem bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen
- 2.2.1 Darstellung der Lokalisation und Funktion von Spiegelneuronen durch funktionelle Bildgebung
- 2.2.1.1 fMRT
- 2.2.1.2 EEG
- 2.2.1.3 MEG und TMS
- 2.2.1 Darstellung der Lokalisation und Funktion von Spiegelneuronen durch funktionelle Bildgebung
- 2.1 Nachweis der Spiegelneuronen bei neurotypischen Menschen
- 3. Spiegelneuronen als mögliches Ursachenerklärungsmodell des Autismus
- 3.1 Problemaufriss und aktueller Forschungsstand
- 3.2 Methodischer Zugang
- 3.3 Die „broken mirror"-Forschung
- 3.4 Welche Symptome könnten durch das Spiegelneuronensystem erklärt werden?
- 3.4.1 Verfechter der „broken mirror"-Theorie
- 3.4.2 Annahmen
- 3.4.3 Kernbereich Verhalten
- 3.4.4 Kernbereich soziale und emotionale Interaktion
- 3.4.4.1 Spiegelneuronen im limbischen System
- 3.4.4.2 Der Mangel an Empathievermögen und die gestörte soziale und emotionale Interaktion
- 3.4.5 Kernbereich kommunikative Interaktion
- 3.5 Die „unbroken mirror"-Forschung
- 3.6 Welche autismusspezifischen Symptome können nicht durch das Spiegelneuronensystem erklärt werden?
- 3.6.1 Verfechter der „unbroken mirror"-Theorie
- 3.6.2 Annahmen
- 3.6.3 Kernbereich Verhalten
- 3.6.4 Kernbereich soziale Interaktion
- 3.6.5 Kernbereich kommunikative Interaktion
- 4. Möglichkeiten und Grenzen in der Spiegelneuronenforschung
- 4.1 Möglichkeiten
- 4.2 Grenzen
- Ausblick
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen autismusspezifischen Symptomen und dem Spiegelneuronensystem besteht. Die Arbeit analysiert den aktuellen Forschungsstand zur Spiegelneuronenforschung im Kontext von Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und diskutiert die „broken mirror"- und „unbroken mirror"-Theorien. Die Arbeit zielt darauf ab, die relevanten Studien und ihre Ergebnisse zu analysieren, um die Frage zu beantworten, ob ein defizitäres Spiegelneuronensystem als alleiniges Ursachenerklärungsmodell für die Symptomatik von ASS gelten kann.
- Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und ihre Kernsymptome
- Spiegelneuronenforschung und ihre Bedeutung für das Verständnis von Handlungen und Emotionen
- Die „broken mirror"-Theorie und ihre Annahmen über die Rolle des Spiegelneuronensystems bei ASS
- Die „unbroken mirror"-Theorie und ihre Kritik an der „broken mirror"-Hypothese
- Möglichkeiten und Grenzen der Spiegelneuronenforschung im Kontext von ASS
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine umfassende Übersicht über Autismus-Spektrum-Störungen, beginnend mit der historischen Entwicklung des Begriffs, der Prävalenz und den diagnostischen Kriterien. Es werden die drei Kernbereiche der Symptomatik - soziale Interaktion, Kommunikation und Verhalten - detailliert beschrieben. Schließlich werden verschiedene Ursachenmodelle für ASS vorgestellt, wobei der Fokus auf genetischen, umweltbedingten und neurowissenschaftlichen Faktoren liegt.
Das zweite Kapitel widmet sich der Spiegelneuronenforschung. Es wird die Entdeckung des Spiegelneuronensystems beim Makaken und die Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Menschen beschrieben. Es werden verschiedene funktionelle Bildgebungsverfahren wie PET, MEG, TMS und fMRT vorgestellt, die zur Lokalisation und Funktionsanalyse des Spiegelneuronensystems eingesetzt werden. Anschließend wird auf mögliche Anomalien im Spiegelneuronensystem bei Menschen mit ASS eingegangen, wobei die Ergebnisse von fMRT-, EEG-, MEG- und TMS-Studien diskutiert werden.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Frage, ob das Spiegelneuronensystem als mögliches Ursachenerklärungsmodell für Autismus-Spektrum-Störungen dienen kann. Es werden die „broken mirror"- und „unbroken mirror"-Theorien vorgestellt und ihre jeweiligen Annahmen und Argumente diskutiert. Es wird untersucht, welche autismusspezifischen Symptome auf den Ebenen Verhalten, soziale Interaktion und kommunikative Interaktion durch ein defizitäres Spiegelneuronensystem erklärt werden könnten und welche nicht.
Das vierte Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und beleuchtet die Möglichkeiten und Grenzen der Spiegelneuronenforschung im Kontext von ASS. Es werden die Herausforderungen und die Notwendigkeit weiterer Forschung im Bereich der Spiegelneuronenforschung hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Autismus-Spektrum-Störungen, Spiegelneuronensystem, „broken mirror"-Theorie, „unbroken mirror"-Theorie, Imitation, Handlungsverständnis, Empathie, soziale Interaktion, Kommunikation, funktionelle Bildgebung, fMRT, EEG, MEG, TMS, Ursachenforschung, Diagnostik, Therapieansätze.
- Arbeit zitieren
- Jana Winkler (Autor:in), 2013, Autismus im Kontext der Neurowissenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265460
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