Abstrakt
Es ist keine Literatur gefunden worden, die hauptsächlich den Einzelunterricht behandelt hat. So ist diese Arbeit hauptsächlich durch Lektüre der Psychologie und Fremdsprachendidaktik entstanden und versucht zu zeigen, welche Aussagen die Wissenschaft im Bereich des Einzelunterrichts machen kann.
Die Hauptfrage in dieser Arbeit ist: soll der Lehrer im Einzelunterricht jeden Lerner genauso unterrichten wie er andere unterrichtet? In der wissenschaftlichen Literatur wird diese Frage dahingehend beantwortet, dass der Lehrer den Unterricht jedem Lerner nach seinen Bedürfnissen, seiner Art zu lernen, seiner Motivation und seinen Lernhintergründen gestalten muss. Die wissenschaftliche Literatur ist aber noch nicht in der Lage, genau auszusagen, welcher Lerner wie unterrichtet werden sollte. Sie kann aber schon aussagen, welche Unterschiede zwischen den Lernern bestehen und wie sich der Lehrer beim Beobachten von manchen, in der Literatur herausgehobenen Verhaltensweisen eines Lerners verhalten sollte.
Da im Einzelunterricht der Lerner sehr verschiedene Ziele haben kann und nicht für jedes Ziel eine Methode vorhanden ist, ist in dieser Arbeit der Versuch unternommen worden, entsprechende Methodenvorschläge zu unterbreiten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Sprache und Spracherwerb
1.1. Begriffsklärung
1.1.1. Die Definition von Sprache im Fremdsprachenunterricht
1.1.2. Die Termini „Erst“- und „Muttersprache“
1.1.3. Lernen oder Erwerben der Erstsprache?
1.1.4. Erst- und Zweitsprache
1.1.5. Zweit- und Fremdsprache
1.1.6. Die Definition von gesteurtem und ungesteuertem Lernen/Erwerben
1.2. Der Fremdsprachenunterricht sollte auf Erkenntnisse der Zweitspracherwerbsforschung aufbauen
1.3. Beispiele für empirische Forschungen beim Fremdsprachenerwerb
1.4. Was müssen Spracherwerbstheorien beschreiben können?
1.5. Einige Spracherwerbstheorien, die beim Methodenwählen und -ausarbeiten im Einzelunterricht hilfreich sein können
1.6. Die sechs Grundgrößen von Klein
2. Der Sprachlerner
2.1. Die Unterschiede der Lerner nach Neuner und Hunfeld
2.1.1. Alter
2.1.2. Das Geschlecht des Lerners
2.1.3. Die Lernbiografie des Lerners
2.1.4. Das Ziel des Lerners
2.1.5. Das Vorwissen
2.1.6. Veranlagung
2.2. Die Unterschiede der Lerner auf sprachlicher Ebene
2.2.1. Welche Muttersprache spricht der Lerner?
2.2.2. Wie gut spricht der Lerner seine Muttersprache?
2.2.3. Deutsch als erste oder als zweite Fremdsprache?
2.2.4. Wie wurde die erste Fremdsprache gelernt?
2.2.5. Wird die Fremdsprache wiedererworben?
2.2.6. Kann der Lerner schon einbisschen Deutsch?
2.3. Die Persönlichkeit des Sprachlerners
2.4. Sprachlernfähigkeit
2.5. Motivation
2.6. Lernstile
2.7. Lernstrategien und Lernerautonomie
2.8. Die Sprachlernbiografie des Lerners am Beispiel Iran
3. Einzelunterrichtsplanung
3.1. Erkenntnisse der Lernpsychologie und der pädagogischen Psychologie auf den Einzelunterricht
3.2. Wie der Lehrer im Einzelunterricht den Lernstil des Lerners identifiziert
3.3. Methoden im fremdsprachlichen Einzelunterricht
3.4. Das Modell Didaktische Analyse übertragen auf den Einzelunterricht
3.5. Gruppenarbeit und Einzelunterricht
3.6. Der Einzelunterrich: eine Art Binnendifferenzierung
4. Offene Fragen und Forschungsvorschläge
4.1. Offene Fragen
4.2. Forschungsvorschläge
Schluss
Literaturverzeichnis
Vorwort
Ich bedanke mich herzlich bei meinen Eltern, ohne deren Geduld und Hilfe diese Arbet nicht zustande gekommen wäre. Ich bedanke mich von allen Professoren, die mich im Bachelor- und Masterstudium begleitet haben und von denen ich sehr viel gelernt habe. Ich bekanke mich bei Herrn Doktor Arash Farhidnia und Frau Doktor Ursula Wiese (Fayyaz), ohne deren Betreuung und Hilfe ich diese Arbeit nicht geschafft hätte. Ich bedanke mich bei Frau Doktor Narges Khodaee und Herrn Doktor Mahmud Haddadi, die mir immer liebevoll geholfen haben. Ich bedanke mich auch bei den Professoren der Isfahener Universität, von denen ich in der Bachelorstudium sehr viel gelernt habe: Herrn Doktor Djahangir Fekri, Frau Fereshteh Mehrabi, Herrn Masoud Mansouri und Herrn Mohammad Ali Shihi. Ein Dankeschön an alle.
Abstrakt
Es ist keine Literatur gefunden worden, die hauptsächlich den Einzelunterricht behandelt hat. So ist diese Arbeit hauptsächlich durch Lektüre der Psychologie und Fremdsprachendidaktik entstanden und versucht zu zeigen, welche Aussagen die Wissenschaft im Bereich des Einzelunterrichts machen kann.
Die Hauptfrage in dieser Arbeit ist: soll der Lehrer im Einzelunterricht jeden Lerner genauso unterrichten wie er andere unterrichtet? In der wissenschaftlichen Literatur wird diese Frage dahingehend beantwortet, dass der Lehrer den Unterricht jedem Lerner nach seinen Bedürfnissen, seiner Art zu lernen, seiner Motivation und seinen Lernhintergründen gestalten muss. Die wissenschaftliche Literatur ist aber noch nicht in der Lage, genau auszusagen, welcher Lerner wie unterrichtet werden sollte. Sie kann aber schon aussagen, welche Unterschiede zwischen den Lernern bestehen und wie sich der Lehrer beim Beobachten von manchen, in der Literatur herausgehobenen Verhaltensweisen eines Lerners verhalten sollte.
Da im Einzelunterricht der Lerner sehr verschiedene Ziele haben kann und nicht für jedes Ziel eine Methode vorhanden ist, ist in dieser Arbeit der Versuch unternommen worden, entsprechende Methodenvorschläge zu unterbreiten.
Einleitung
Diese Arbeit ist nur durch das Lesen von Büchern und eigenen Überlegungen entstanden, da keine direkte Literatur für den Einzelunterricht gefunden wurde. Sie kann als eine Gundlage für dieses Feld gesehen werden, auf der empirische Forschungen aufbauen können.
Den Einzelunterricht kann der Lehrer nicht mit gleichen Prinzipien führen, wie den Klassenunterricht, denn es gibt große Unterschiede zwischen diesen beiden Unterrichtsformen.
Die Frage, der in dieser Arbeit nachgegangen wird, ist diese: Wie kann der Lehrer einen Lerner effektiv eine Fremdsprache unterrichten und ist die Wissenschaft schon soweit, dass sie Aussagen darüber machen kann, welcher Lerner wie am besten unterrichtet werden kann?
Es gibt in der Fachliteratur Forschungen, die das Gebiet des Einzelunterrichts nur berühren. Genauer gesagt wird die Theorie des Einzelunterrichts aus den folgenden Forschungsrichtungen zusammengestellt:
- Die Fremdpracherwerbsforschung: Diese Arbeit befasst sich mit dem Unterricht, in dem Deutsch als Fremdsprache gelehrt wird, deswegen stehen die Erkenntnisse dieser Forschungen deren Wichtigkeit nach im ersten Kapitel.
- Die Methoden des Fremdsprachenunterrichts erlangen im Einzelunterricht Wichtigkeit, denn jede Methode ist konzipiert worden, um bestimmte Ziele zu erreichen, d.h. mit jeder Methode werden bestimmte Bereiche der Sprache behandelt, es gibt aber (noch) keine Methoden für jedes Ziel. Darüber hinaus werden bei jeder Methode bestimmte Lernstile bevorzugt. Der Lehrer muss sich im Einzelunterricht darüber bewusst sein und Methoden modifizieren bzw. ausarbeiten können, deshalb sollte er gute Kenntnisse über Mehoden haben.
- Die pädagogische Psychologie und die Lernpsychologie: Diese beiden Forschungsrichtungen beschreiben wie Lernen stattfindet und wie man die Lerntheorien im Unterricht anwenden kann.
- Die Psychologie der individuellen Unterschiede: In der Pychologie gibt es ein großes Feld: die Forschung der indviduellen Unterschiede. Dieses Feld geht auf die Unterschiede der Individuen ein und zeigt deren Persönlichkeitsunterschiede. Geht aber nicht darauf ein, wie der Einzelne am besten unterrichtet werden kann.
- Die Binnendifferenzierung: Die sprachdidaktische Binnendifferenzierung ist für den Klassenunterricht vorgesehen, sie gibt Techniken, mit denen der Lehrer im Klassenverband die Einzelschüler effektiv unterrichtet.
- Die Forschug über Lernstile: Dieses Forschungsfeld besagt, dass jeder Lerner anders lernt, und es für jeden angenehmer ist, auf eine bestimmte Art und Weise zu lernen. Dies heißt für den Klassenunterricht, dass der Lehrer mit sehr vielen verschiedenen Methoden und Techniken unterrichten muss, damit er jedem in der Klasse gerecht wird. Für den Einzelunterricht heißt dies aber, dass der Lehrer zuerst den Lernstil des Lerners ausmachen muss, und dann auf dieser Art und Weise unterrichten muss.
- Die Forschung über Sprachlernfähigkeit: Der Lehrer sollte im Einzelunterricht über den Grad der Sprachlernfähigkeit des Lerners Bescheid wissen, damit er das Niveau des Unterrichts, dem Lerner anpassen kann.
- Die Motivationsforschung: Im Einzelunterricht ist es wichtig zu wissen warum der Lerner die Fremdsprache lernen will und welche Antriebe den Lerner dazu bewegen dies zu tun. Lernt der Lerner die Fremdsprache für eine Prüfung oder aus eigenem Interesse? Bei jedem Fall sollte der Lehrer anders unterrichten. Und wenn er den Lerner gut kennt, dann kann er auch seine Motivation erhöhen.
- Die Forschung der Lernstrategien: Lernstrategien sind, einfach zu sprechen, Lernstile, die von dem Lerner bewusst angewandt werden (vgl. Dörnyei 2005: 162). So könnte der Lehrer im Einzelunterricht Lernstrategien vermitteln, mit denen der Lerner effektiver lernen kann. Und dies beschleunigt den Lernvorgang, was eins der übergeordneten Ziele für den Einzelunterricht ist.
- Die Forschung über Lernerautonomie: Im Einzelunterricht, kann ein Ziel des Lerners sein, sich so schnell wie möglich von dem Lehrer unabhängig zu machen und selber weiterzulernen, deswegen bekommen die Erkenntnisse dieser Forschungen Wichtigkeit.
Die Ziele des Einzelunterrichts: Im Einzelunterricht formuliert sich der Lerner sein Ziel selbst und für jedes Ziel müssen Methoden gewählt oder ausarbeiten bzw. modifiziert werden. Der Einzelunterricht hat, außer dem Ziel, den Lerner zu seinem Ziel zu verhelfen, noch ein anderes Ziel: den Lerner, angesichts seiner Fähigkeiten, so schnell wie möglich in der Zielerreichung kompetent zu machen, d.h. der Lerner muss sein Ziel in kürzester Zeit erreichen. Noch ein Ziel des Einzelunterrichts ist es, das Lernen dem Lerner angenehm und effektiv zu machen und die Motivation zu steigern bzw. zu erhalten.
Aufbau der Arbeit: Im Einzelunterricht unterrichtet der Lehrer die Sprache (Kapitel 1) einem Lerner (Kapitel 2) mit einer Methode (Kapitel 3). Das vierte und damit das letzte Kapitel bezieht sich auf offene Fragen und Forschungsvorschläge.
1. Kapitel1: Sprache und Zweitspracherwerb. In diesem Kapitel wird zuerst auf die Definition von Sprache eingegangen und drei Definitionen von der Sprache gegeben, die im dritten Kapitel beim Methodenausarbeiten Wichtigkeit finden. Es wird der Schluss gefasst, dass der natürliche Zweitspracherwerb regelgeleitet ist. Um diese Regeln bestimmen zu können, werden einige Beispile für empirische Forschungen des Zweitspracherwerbs gebracht, und es wird auf Spracherwerbstheorien eingegangen.
2. Kapitel 2: In diesem Kapitel werden Lernerunterschiede beschrieben. Der größte Unterschied zwischen Einzelunterricht und Unterricht im Klassenverband ist, dass es nur einen Lerner gibt und dass der Lehrer diesen einen Lerner unterrichten muss. So sollte er wissen wo die Unterschiede zwischen den Lernern bestehen und seinen Lerner gut kennen. Deshalb wird auf die Persönlichkeit des Lerners eingegangen. Es ist für den Einzelunterricht wichtig, dass der Lehrer die Persönlichkeit seines Lerners kennt, weil er so näher bestimmen kann, wie er am besten lernt oder wie er sich in bestimmten Situationen fühlt. Sprachlernfähigkeit, Lernmotivation, Lernstile und Lernstrategien sind besonders wichtige Kriterien weil sie für jeden individuellen Sprachlerner unterschiedlich ausgeprägt sind.
3. Das dritte Kapitel bezieht sich darauf, wie sich der Lehrer in verschiedenen Situationen zu verhalten hat, wie die Methodik und die Unterrichtsplanung des Einzelunterrichts aussehen muss und wie wichtige Erkenntnisse aus dem Gruppenunterricht die auf den Einzelunterricht übertragen werden könnten. Dabei werden Themen wie Erkenntnisse aus der Lernpsychologie, Merkmale des Lehrer- und Lernerverhaltens, methodische Vorschläge für den Fremdsprachenunterricht auf die Situation des Einzelunterrichts angewandt.
1. Sprache und Zweitspracherwerb
Dieses Kapitel ist die theoretische Grundlage der Arbeit. Hier wird über Sprache und Spracherwerb diskutiert, diese werden in späteren Kapiteln wie dem Unterkapitel 3.3. nochmal aufgegriffen.
1.1. Begriffsklärung:
1.1.1. Die Definition von Sprache im Fremdsprachenunterricht: Die Sprachtheorie ist sehr wichtig, da sie die Methode, die für den Unterricht gewählt wird, beeinflusst. Wie man die Sprache definiert, nimmt Einfluss darauf, wie man die Sprache unterrichtet, d.h. wie man sie lehrt und wie der Lerner sie lernt, d.h. sie beeinflusst die Unterrichtsmethode. Z.B. wenn der Lehrer nach der kommunikativen Methode unterrichtet, dann ist das Ziel an erster Stelle, dass der Lerner im Alltag zu kommunizieren fähig wird, er kann aber mit dieser Methode erst spät die Fähigkeit erwerben, Bücher zu lesen. Die kommunikaive Methode definiert Sprache anders als die Grammatik-Übersetzungs-Methode. Nach Richards und Rodgers (vgl. 2001: 20f) gibt es für die Sprache, die man unterrichtet, drei unterschiedliche theoretische Ansätze:
- Struktureller Ansatz (structural view): Die Sprache ist ein System, in dem Elemente unterschiedlicher Art mit einander verbunden werden, um Bedeutung zu erzeugen. Wenn man nun mit diesem Ansatz eine Sprache unterrichtet, dann werden die Elemente des Sprachsystems wichtig, diese Elemente sind phonologische Elemente, grammatische Elemente, grammatische Operationen und lexikalische Elemente (vgl. Richards/Rodegers 2001: 20).
- Funktionaler Ansatz (functional view): Die Sprache kann als ein Mittel gesehen werden, das Funktionen erfüllt. Diese Theorie von der Sprache hebt die semantische und die kommunikative Dimension der Sprache hervor (vgl. Richards/Rodgers 2001: 21).
- Interaktionaler Ansatz (interactional view): Die Sprache kann als ein Mittel gesehen werden, das für die Interaktion zwischen Individuen zuständig ist (vgl. Richards/Rodgers 2001: 21).
1.1.2. Die Termini „Erst“- und „Muttersprache“: Diese Termini werden in der Literatur unterschiedlich gebraucht. Der Terminus „Muttersprache“ deutet zuerst auf die Sprache der Mutter, obwohl Situationen vorkommen können, in denen die Erstsprache des Kindes, nicht die Sprache der Mutter ist (vgl. Apeltauer 1997: 10). In dieser Arbeit wird der Terminus „Erstsprache“ benutzt und er bezeichnet die Sprache, die als Kind gelernt worden ist und die das höchste Niveau der Nativität erreichen kann. „Der Erstspracherwerb ist ein natürlicher Prozess, er wird nicht systematisch und planvoll von außen gesteuert, dauert recht lange und führt in der Regel zur ‚perfekten‘ Beherrschung der zu lernenden Sprache“ (Klein 2001: 605).
1.1.3. Lernen oder Erwerben der Erstsprache? Forscher sprechen mehr von Erstspracherwerb (acquisition) und weniger von Lernen einer Erstsprache. In der Psychologie ist „Lernen“ kein neutrales Wort, da es viele Theorien gibt, die „Lernen“ unterschiedlich definieren, aber der Terminus „Erwerb“ ist neutral (vgl. Lyons 1981: 252). Desweiteren „Lernen“ geschieht bewusst und „Erwerben“ unbewusst, d.h. man benötigt dazu kenen Lehrer, und da man die Erstsprache unbewusst und ungesteuert lernt wird dazu das Verb „erwerben“ gebraucht (vgl. Rösler 1994: 5).
1.1.4. Erst- und Zweitsprache: Erst- und Zweitsprache weisen nach Klein (vgl. 1992: 53) folgende Unterschiede auf: Der Zweitsprachlerner ist älter, mit dem Erwachsenwerden verändern sich die biologisch determinierten Funktionen, wie die Sprechorgane und die Hörfähigkeit. Es ist aber fragwürdig, ob diese Einfluss auf den Spracherwerb ausüben oder nicht. Beim Zweitspracherwerb ändert sich das sprachliche und das nichtprachliche Wissen. Das sprachliche Wissen ändert sich, da man schon eine Sprache kennt und diese den Zweitspracherwerb beeinflusst. Das nichtsprachliche Wissen, d.h. das Weltwissen, ändert sich auch, denn man ist bei dem Zweitspracherwerb älter und schon oder zum Teil in eine Kultur hineingewachsen.
1.1.5. Zweit- und Fremdsprache: „Die Aneignung einer Fremdsprache unterscheidet sich von der Aneignung einer Zweitsprache“ (Apeltauer 1997: 15). Die Unterschiede zwischen Zweit- und Fremdsprache:
- Die Zweitsprache wird meist ungesteuert gelernt, die Fremdsprache meist gesteuert (das gesteuerte und das ungesteuerte Lernen/Erwerben wird demnächst im Unterkapitel 1.1.6. erklärt).
- Die Fremdsprache kann mit der Zeit in Zweitsprache übergehen. D.h. eine institutionell gelernte Sprache (z.B. Deutsch) in einem Land (außer Deutschland) und ohne Kontakt zu Deutschen ist eine Fremdsprache, die z.B. mit einer längeren Reise nach Deutschland zu einer Zweitsprache übergehen kann (vgl. Rösler: 1ff).
- Die Zweitsprache besitzt für den Sprecher eine höhere biographische Bedeutung, z.B. in Migrationssituationen, bei der Berufsausübung, bei Heirat mit einem Zielsprachler oder bei längerem Aufenthalt im Zielsprachenland (vgl. Glück 2000: 814).
- Fremdsprachenlernen ist fast immer institutionell gesteuert und Zweitspracherwerb findet fast immer im Land der betreffenden Sprache statt (vgl. Rösler 1994: 10). D.h. mit der Aneignung der Regeln und Wörter in einer Institution, die außerhalb des Zielsprachenlandes liegt, kann man meist eine Fremdsprache lernen, in diesem Fall kann man die Fremdsprache aber nicht erwerben.
- Das Verb, das meist mit Zweitsprache gebraucht wird, ist „erwerben“, denn Zweitsprache wird meist ungesteuert oder natürlich gelernt, mit Fremdsprache wird das Verb „lernen“ gebraucht, denn sie wird meist institutionell gesteuert gelernt.
1.1.6. Die Definition von gesteuertem und ungesteuertem Lernen/Erwerben: Beim ungesteuerten Fremdsprachenerwerb erwirbt der Lerner die Sprache unbewusst, der Prozess wird durch inhaltsbezogene Kommunikation ausgelöst und die linguistischen Daten werden zu einer impliziten Grammatik verarbeitet, die in spontaner Rede wirksam wird, aber beim gesteuerten Fremdsprachenlernen wird dem Lerner formales Wissen über die Sprache gelehrt, das er bewusst aufnimmt, einübt und abrufbar macht (vgl. Heyd 1991: 13). Mit ungesteuerter Zweitspracherwerb ist das Lernen der Fremdsprache im Alltag des Zielsprachenlands gemeint. Die Adjektive „gesteuert“ und „ungesteuert“ sind aber auch nicht ganz unproblematisch zu benutzen, denn nicht-instutitionelle Kommunikation kann Steuerungselemente enthalten, z.B. kann der Kommunikationspartner, den Zweitsprachenerwerber korrigieren und die Regel dafür aussagen. Oder gibt es bei der institutionell-gesteuerten Erwerb von Sprache auch Momente, in denen die Lerner ungesteuert lernen (vgl. Rösler 1994: 5f).
1.2. Der Fremdsprachenunterricht sollte auf Erkenntnisse der Zweitspracherwerbsforschung aufbauen: Der ungesteuerte Spracherwerb hat sich im Verlauf von hunderttausenden, vielleicht Millionen Jahren, in denen der Mensch Sprachen gelernt hat, so weit man weiß ohne systematischem Unterricht (nicht unterrichtsgesteuert), entwickelt und Gesetzmäßigkeiten gebildet. Der Mensch hat also seine Fähigkeit, eine Fremdsprache zu lernen, ungesteuert ausgebildet und man kann nicht annehmen, dass diese Fähigkeit frei manipulierbar ist, man kann aber annehmen, dass diese Fähigkeit vielleicht gegenüber manchen Unterrichtsmethoden resistent ist (vgl. Klein 1992: 31). So sollte der ungesteuerte Zweitspracherwerb erforscht werden, um daraus effektive Methoden für den Unterricht abzuleiten. Wenn der ungesteuerte Erwerb als etwas natürliches gesehen wird, dann sollte man nach Rösler das institutionell gesteuerte Zweitsprachenlernen diesem möglichst anpassen:
„Wenn man annimmt, dass jede Art von Spracherwerb, oder zumindest jede Art des Erwerbens einer anderen Sprache als der Muttersprache, gleich oder ähnlich verläuft, dann folgt daraus, dass das institutionelle Lernen auf den Ergebnissen der Erforschung des natürlichen Spracherwerbs aufbauen müsse“ (Rösler 1994: 6).
1.3. Beispiele für empirische Forschungen beim Fremdsprachenerwerb: Es gibt universale Phasen beim ungesteuerten Lernen von Fremdsprachen, die aber nicht voneinander scharf zu trennen sind. Um diese Phasen bei den Lernern ausfindig zu machen, werden Tests, durchgeführt, und dann werden die Aussagen der Testpersonen transkribiert, d.h. schriftlich sehr genau aufgezeichnet. Nachsprechtests, Übersetzungstests, lautes Lesen, vorstrukturierte Aufgaben, Vervollständigungsaufgaben, Nacherzählungen, Frage- und Antwort-Aufgaben gehören zu den Mitteln der Zweitspracherwerbsforschung (vgl. Roche 2001: 64). Hier werden zwei Tests als Beispiel angeführt, der Nachsprechtest und der Übersetzungstest, denn aus diesen Tests wird deutlich, was die Testperson hört und was sie versteht und wie sich Anfänger und Fortgeschrittene voneinander unterscheiden. Diese Forschungen können dazu beitragen, hinter die Gesetzlichkeiten vom Zweitspracherwerb zu kommen und auch Techniken zu liefern das Sprachniveau von jemandem, der eine Sprache ungesteuert gelernt hat, zu ermitteln.
1.3.1. Beispiel für einen Nachsprechtest: Beim Nachsprechtest wird es dem Erwerber ein Satz langsam vorgesagt und die Testperson soll ihn wiederholen. Anschließend wird der wiederholte Satz transkribiert und analysiert. Bei Lernern mit kürzerem oder längerem Aufenthalt im Zielsprachenland, wird der Untershied im Sprachstand bemerkbar. Im Test sollten Testpersonen den Satz: „Vielleicht hat sie ihn zu Hause bei ihren Eltern vergessen“ („ihn“ bezieht sich hier auf „Pass“) nachsprechen. In diesem Satz stehen bewusst zwei Pronomen (sie und ihn) neben einander. Nach der Analyse der Antworten kam man zu diesem Ergebnis: Der erste und der letzte Wort im Satz wurden von allen Testpersonen (Anfänger und Fortgeschrittene) reproduziert (die Wörter„vielleicht“ und „vergessen“). Das zeigt, dass der Anfang und das Ende des Satzes für Lerner wichtig sind. Fast alle hatten „zu Hause“ reproduziert, das zeigt, dass „Haus“ ein vertrautes Wort ist, und es kann auch sein, dass es nach „hat er ihn zu“ steht und das, dieses Wort so besonders hervortreten lässt. Wenige reproduzierten das Wort „Eltern“, das kann daran liegen, dass dieses Wort vielleicht nicht so vertraut wie das Wort „Haus“ ist. Kein Einziger hat das Pronomen „ihn“ reproduziert. Dies kann daran liegen, dass „ihn“ perzeptuell an einer am wenigsten auffälligen Stelle steht, da es von der Intonation her nicht hervorghoben ist. Pronomina im Nominativ kommen in der Sprache häufiger vor, als diese in Akkusativ, und sie werden auch früher gelernt. Das Pronomen „sie“ haben die Testpersonen nach der mittleren Niveau reproduziert, nicht aber die, die im Anfängerniveau waren. Das zeigt, dass sie das Pronomen „sie“ früher als „ihn“ gelernt haben (vgl. Klein 1992: 83ff).
1.3.2. Beispiel für einen Übersetzungstest: Bei dem Übersetzungstest, hören Testpersonen eine Geschichte in 29 Sätzen auf Deutsch, und danach werden die Sätze einzeln vorgelesen und die Testperson soll diese spontan in ihre Muttersprache übersetzen. Aus diesem Test kann man schließen, wie die Testpersonen den Satz hören und interpretieren. Sehr viele haben den Satz „[...] sonst können wir nächstes Jahr nicht nach Spanien zurückkehren“ erstaunlicherweise mit den Wörtern „Söhne“ oder „Kinder“ in ihre Muttersprache (Spanisch) übersetzt, wie „en esto ano va mi hijo a Espana y no volvera mas“ (=heuer geht mein Sohn nach Spanien und wird nicht mehr zurückkommen). Es kommt so vor als ob die meisten das Wort „sonst“, „Sohn“ gehört haben und dann manche von ihnen dieses als „Kind“ übersetzt haben. Das Wort „sonst“ gehört zu den Wörtern, die relativ spät gelernt werden, d.h. sehr fortgeschrittene Lerner können dieses Wort richtig übersetzen. Die Testpersonen waren Spanier und im Spanischen wird zwischen langen und kurzen Vokalen „Sohn“ und „sonst“ nicht unterschieden, so klingen diese Wörter für Spanier relativ ähnlich. Hier kann man den Einfluss der Muttersprache auf die Fremdsprache sehen. Dies zeigt, dass die sprachliche Eingabe phonologisch nach dem Schema der Erstsprache zurecht gemacht wird. Ein anderer Satz war dieser: „Aber ich will das Geld nicht verlieren“. Einer der Testpersonen hat diesen Satz so übersetzt:“por la noche, por la noche, la noche la ha perdido“ (=nachts (spätabends), nachts, nachts hat er sie verloren). In dieser Übersetzung kann so interpretiert werden, dass das Wort „aber“ als „Abend“ gehört worden ist.
Diese beiden Tests zeigen, was der Lerner hört und was er daraus macht, und sie zeigen auch welche Wortarten bei dem ungesteuerten Fremdsprachenerwerb früher oder später gelernt werden (vgl. Klein 1992: 86ff).
Diese waren Beispiele für empirische Untersuchungen, es gibt aber auch Theorien für den Zweitsprachenerwerb.
1.4. Was müssen Spracherwerbstheorien beschreiben können? Nach Huneke und Steinig (vgl. 2002: 24) sollen Spracherwerbstheorien in der Lage sein die folgenden Punkte zu beschreiben :
- Eine Spracherwerbstheorie müsste in der Lage sein, den Spracherwerbsprozess als Ganzes zu beschreiben und mögliche Verbindungen zu nicht-sprachlichem Lernen aufzuzeigen. Es reicht nicht aus, wenn die Rolle einzelner Faktoren, wie Alter oder Motivation, im Spracherwerbsprozess beschrieben wird.
- Eine Spracherwerbstheorie müsste in der Lage sein beschreiben zu können, ob der Erwerb einer Muttersprache Ähnlichkeiten mit dem Erwerb einer Fremdsprache aufweist, oder diesem Prozess unähnlich ist.
- Eine Spracherwerbstheorie müsste in der Lage sein Aussagen darüber machen zu können unter welchen Bedingungen ein erfolgreicher L2-Erwerb gelingen kann.
Nach diesem Zitat schreiben Huneke und Steinig, dass keine der bisherigen Theorien diese Forderungen erfüllen.
1.5. Einige Spracherwerbstheorien, die beim Methodenwählen und -ausarbeiten im Einzelunterricht hilfreich sein können: Hier wird auf einige Theorien hingewiesen, die im Einzelunterricht beim Ausarbeiten der Methoden hilfreich sein können: Die kontrastive Erwerbstheorie, die Input-Hypothese und die Affektive- Filter-Hypothese. Diese Theorien scheinen aus diesem Grund für den Einzelunterricht geeignet, da sie auf das Individuum und seine Besonderheiten hinweisen. Die Kontrastive Erwerbstheorie weist auf des Lerners Muttersprache und die Fremdsprachen, die er schon gelernt hat, die Input-Hypothese weist auf des Lerners Sprachstand und die Affektive-Filter-Hypothese auf des Lerners psychischem Aufbau, damit Hemmungen vermieden werden. Nach einer Erklärung dieser Theorien, werden sie auf ihre Revanz für den Einzelunterricht untersucht.
1.5.1. Die kontrastive Erwerbstheorie (Kontrastiv-Hypothese): diese Hypothese geht davon aus, dass die Erstsprache des Lerners, den Fremdsprachenerwerb beeinflusst. Nach dieser Hypothese, ist die Sprache für den Lerner einfacher zu lernen, und es werden keine Fehler gemacht, wenn die Fremdsprache mit der Erstsprache, bei bestimmten Spracherscheinngen, Ähnlichkeiten aufweist. In diesem Fall spricht man von positivem Transfer. Wenn aber die Muttersprache sich von der Fremdsprache unterscheidet, dann ist das eine mögliche Fehlerquelle, so spricht man von negativem Transfer oder Interferenz. Nach dieser Hypothese, kann man die Fehlerquellen von Anfang an identifizieren, wenn man die Muttersprache mit der Fremdsprache kontrastiv vergleicht. So kann man sagen, dass dieser Teil der Hypothese linguistisch ausgelegt ist. In dieser Hypothese werden mögliche Fehlerquellen identifiziert und es wird versucht, diese zu vermeiden. Fehler gelten als „bad habits“, sind also schlechte Gewohnheiten. Mit diesem Ausdruck kommt diese Hypothese dem Behaviorismus nah, in dem Fehler immer unterdruckt werden. Die Kontrastive Hypothese wurde heftig angegriffen, „wegen ihrer ausschließlich linguistischen Basis, ihrer behavioristischen Ausrichtung und der starken Betonung des Transfer-/Interferenzbegriffs, [sie] kann inzwischen als widerlegt gelten“ (vgl. Heyd 1991:14). Kritik dieser Hypothese: Es kann beobachtet werden, dass kontrastierende Spracherscheinungen einfach gelernt werden können und, dass Kontrastmangel zur Schwierigkeiten führen kann. Diese Hypothese kann nicht bei Erstsprachenerwerb angewandt werden (vgl. Heyd 1991: 14) u. (vgl. Klein 1992: 37f). Die Relevanz der kontrastiven Hypothese für den Einzelunterricht kommt daher, dass obwohl diese Hypothese heftig kritisiert worden ist, sie doch etwas wahres in sich hat: die Muttersprache beeinflusst die Fremdsprache auf jeden Fall, dies wird besonders bei der Phonetik deutlich, also wenn der Lehrer die Muttersprache des Lerners kennt, kann er bei der Phonetik oder Grammatik, sogar bei Wortschatz Vergleiche anstellen, die dem Lerner helfen die Fremdsprache besser zu lernen. Es sei auf Wolfgang Butzkamm verwiesen, der die Muttersprache als wichtigen Bestandteil des Unterrichts hervorhebt.
1.5.2. Die Input-Hypothese: Krashen hat die Input-Hypothese entwickelt. “Second languages are acquired by understanding messages or by receiving comprehensible input” (Gass/Selinker 2001: 309). Dieses Zitat, das zum Teil von Krashen ist, hat zwei Teile: 1. Muss der Lerner den Input verstehen können (understanding message). 2. “Comprehensible input” ist nach Krashen ein Input, der nur geringfügig über dem grammatikalischen Wissen des Lerners liegt. Wenn sich der Lerner auf der Stufe i befindet, um auf die Stufe i+1 zu gelangen, muss der Lerner einen Input erhalten, der i+1 entspricht. D.h. der Spracherwerb entwickelt sich stufenweise. Der Input ist etwas was der Lerner hört oder liest, der Input kann auf ihn gerichtet sein, oder auch nicht (vgl. Henrici 2001: 733), aber wenn der Lerner den Input versteht, dann hat er automatisch den Wert i+1, d.h. der Lerner kann nur den Input verstehen, der auch nur eine Stufe höher liegt als sein eigenes Niveau. Der Lerner erwirbt die Sprache über ihre Bedeutung (vgl. Heyd 1991: 18). Diese Hypothese hat Einflüsse auf den Unterricht ausgeübt. Forschungen haben gezeigt, dass Lerner bessere Ergebnisse erzielen, wenn Lehrer ihre Sprache durch Wiederholungen, verlangsamtes Sprechtempo Mimik und Gestik auf i+1 abstimmen. Jedoch gibt es auch Forschungen, die diesen Ergebnissen entgegengesetzt sind (vgl. Henrici 2001: 733). Den Input, nimmt sich der Lerner von dem, was er hört oder liest, also stehen Hören und Lesen (die rezeptiven Fertigkeiten), vor Sprechen und Schreiben (den produktiven Fertigkeiten). Der Lehrer sollte die produktiven Fertigkeiten den Lernern nicht aufzwingen, denn diese werden sich nach genügendem Input automatisch von selbst einstellen (vgl. Heyd 1991: 19). Kritik an die Input-Hypothese: Um lesen zu können sollte man Aussprache beherrschen, um schreiben zu können sollte man sprechen können, diese Fertigkeiten ergänzen sich gegenseitig, man kann nicht nur die rezeptiven Fertigkeiten unterrichten und dann erwarten, dass sich die produktiven Fertigkeiten entwickeln. Die produktiven Fertigkeiten sind im allgemeinen schwieriger als die rezeptiven, diese verlangen von dem Lerner etwas mehr als die rezeptiven, deshalb müssen die Lerner dazu ermutigt und motiviert werden, sich produktiv zu verhalten. Da es im Einzelunterricht nur einen Lerner gibt, kann der Lehrer den Input genau auf ihn einstellen. Diese Hypothese kann für rezeptive Ziele von Bedeutung sein, d.h. Lesen und Hörverstehen können von dieser Hypothese profitieren.
1.5.3. Die Affective-Filter-Hypothese: Wörtlich bezieht sich diese Hypothese auf einen affektiven Filter, der, wie ein Filter, nicht zulässt, dass mancher Input aufgenommen wird, deshalb sollte versucht werden diesen Filter so gering wie möglich zu halten. Diese Hypothese bezieht sich auf das Individuum, seine Motivation und den Grad seiner gefühlsmäßigen Hemmungen. Je geringer diese Hemmungen, desto mehr versucht der Lerner mit den Muttersprachlern in Kontakt zu treten und so an mehr Input heranzukommen, und desto mehr wünscht er z.B. sich zu integrieren. Diese Hypothese besagt, dass Input allein nicht für den Fremdsprachenerwerb ausreicht, sondern Gefühle mitentscheidend sind, so sollte der Lehrer die Klassenatmosphäre vertrauensvoll gestalten, um Hemmungen gering zu halten. Anhand dieser Hypothese kann man begründen, warum manche Lerner besser lernen als andere und wie diese Unterschiede entstehen (vgl. Heyd 1991: 19) u. (vgl. Gass/Selinker 2001: 205). Kritik: Es scheint problematisch, dass diese Hypothese, die aus Ergebnissen der Fremdspracherwerbsforschung eingeleitet worden ist,ohne weitere Untersuchungen, sich auf den Unterricht übertragen lässt (vgl. Heyd 1991: 19). Diese Hypothese kann großen Einfluss auf den Einzelunterricht ausüben, denn hier hat der Lehrer mit einem Lerner zutun und wenn er seine persönlichen Eigenschaften kennt, kann er sich so verhalten, dass die Hemmungen immer weniger werden und die Motivation steigt.
Klein (vgl. 1992: 42ff) erklärt die Spracherwerbstheorien für unausreichend und versucht die Faktoren, die für den Spracherwerb wichtig sind, auf sechs Grundgrößen zu reduzieren (vgl. auch Klein 2001: 604ff).
1.6. Die sechs Grundgrößen von Klein: Klein (vgl. 1992: 43ff) hat sechs Grundgrößen für den Spracherwerb vorgeschlagen: Antrieb, Sprachvermögen, Zugang, Struktur des Verlaufs, Tempo des Verlaufs, Endzustand. Die drei ersten Grundgrößen bestimmen den Prozess des Spracherwerbs und die drei letzten sind Kategorien, die den Prozess selbst kennzeichnen.
1.6.1. Antrieb: Alles, was den Lerner dazu bringt seine Sprachlernfähigkeit anzuwenden, wird als Antrieb verstanden. Es sind sehr unterschiedliche Faktoren, die den Spracherwerb vorantreiben, wie Bedürfnis nach Kommunikation oder Integration usw.
1.6.2. Sprachvermögen: Alle Menschen haben von Natur aus die Sprachfähigkeit, d.h. sie können sich irgendwie ausdrücken oder verstädnigen, auch wenn sie motorisch nicht in der Lage sind zu sprechen, können sie z.B. Gebärdensprache benutzen. Die Fähigkeit, Sprachen zu lernen, ist nach Klein (vgl. 1992: 49f) keine separate Fähigkeit, sondern die Eigenschaft des Sprachverarbeiters[1] (vgl. Klein 2001: 606), der aktiv wird, wenn ein Antrieb besteht. Man kann den Spracherwerb und seine Gesetzlichkeiten nicht verstehen, solange man nicht weiß, wie der Sprachverarbeiter fuktioniert. Die Funktion des Sprachverarbeiters ist abhängig von: 1. biologischen Determinanten und 2. von dem Wissen, über das der Sprachverarbeiter verfügt. Hier werden diese kurz geschildert.
1.6.2.1. Biologische Determinanten des Sprachverarbeiters: Biologische Komponenten des Sprachverarbeiters sind die Sprechorgane, die Ohren und Teile des Zentralnervensystems, wie z.B. das Gedächtnis. Die biologischen Determinanten verändern sich mit dem Alter. Die Empfindlichkeit des Ohrs nimmt beispielsbeise mit zunehmendem Alter für hohe Schallfrequenzen ab. Das Denken nimmt mit zunehmenem Alter zu und bleibt lange erhalten. Die Organe, die für die Aussprache zuständig sind, werden mit dem Alter schwächer, d.h. je älter man wird, desto schwieriger kann man die Laute einer Fremdsprache richtig aussprechen, hier gibt es aber auch entgegengesetzte Meinungen (vgl. Klein 1992: 22) (und vergleiche auch Unterkapitel 2.1.1.)
1.6.2.2. Das verfügbare Wissen: Das Wissen, das wir zum Sprechen und verstehen brauchen ist zweigeteilt, sprachlich und nichtsprachlich. Sprachliches Wissen ist z.B. das Wissen über Phonologie, Morphologie, Syntax usw. Nichtsprachliches Wissen kann z.B. sein, dass man die Situation, in der man sich befindet, richtig versteht und den Kontext beachtet. Wenn man z.B. einen Satz hört, muss man wissen wer diesen Satz sagt, worüber gesprochen wird und was mit diesem Satz gemeint sein kann. Dieses nichtsprachliche Wissen ist so stark, dass wenn das sprachliche Wissen nicht vorhanden ist, man dennoch Sätze richtig verstehen kann, ein Beispiel hierfür kann sein, dass wenn einer im Lebensmittelhandel sagt, „Ich Brot“, dann würde jeder verstehen „Ich will ein Brot“ und nicht „Ich bin ein Brot“ (Beispiel von Klein 1992: 51). Sprachliches und nichtsprachliches Wissen müssen zusammenwirken, damit man sprechen und verstehen kann. Beim ungesteuerten Fremdspracherwerb hat das Kontextwissen am Anfang eine große Bedeutung, da das sprachliche Wissen nicht ausgeweitet ist.
1.6.3. Zugang: Wenn man keinen Zugang in die Fremdsprache hat, kann man keine Fremdsprache lernen. Der Zugang besteht aus zwei Komponenten: Eingabe (Input) und die Möglichkeit zu kommunizieren. Hier werden diese kurz erläutert:
1.6.3.1. Die Eingabe: Die Eingabe, als gehörtes Material allein, reicht nicht aus, um eine Fremdsprache zu erwerben. Man kann jahrelang chinesisches Radio hören, aber verstehen wird man trotzdem nichts. Vom Fernsehen kann man aber eine Fremdsprache lernen. Mit dem Input gewinnen die Pralellinformationen an Bedeutung, d.h. man kann beim Hören auch sehen, wie Menschen reagieren, welche Mimik oder Gestik sie benutzen, wann, d.h. an welcher Tageszeit oder Situation, sie bestimmte Wörter benutzen usw.
1.6.3.2. Die Möglichkeit zu kommunizieren: Der ungesteuerte Spracherwerb ist „lernen in und durch Kommunikation“. Im ungesteuerten Fremdspracherwerb benutzt der Lerner seine Lernervarietät[2], um das Gesagte oder Gelesene zu verstehen und sich ausdrücken zu können.
1.6.4. Struktur des Verlaufs: Die Struktur des Verlaufs wird durch Antrieb, Sprachverarbeiter (d.h. die Instanz, die im Gedächtnis liegt und für die Sprachverarbeitung und Sprachproduktion zuständig ist) und Zugang bestimmt. Um die Verlaufsstruktur bestimmen zu können, müssen zwei Fragen beantwortet werden: 1. (Die Frage der Synchronisierung): Wie sind die einzelnen Fertigkeiten und Kenntnisse, die erworben werden müssen, synchronisiert? 2. (Die Frage der Variabilität): Wie variabel ist der Verlauf bei verschiedenen Lernern und Lernergruppen?
1.6.4.1. Die Frage der Synchronisierung: Um eine Fremdsprache erwerben zu können, muss man sprachliches und nichtsprachliches Wissen miteinander verbinden. Phonologie, Morphologie, Syntax usw. gehören zu sprachlichem Wissen. Wenn man die Morphologie beherrschen möchte, dann muss man aber die Phonologie beherrschen, d.h. die linguistischen Schichten sind von einander abhängig. Wenn man die gesamte Sprache beherrschen möchte, dann muss man alle linguistischen Schichten beherrschen. Bei der Synchronitätsfrage kommt es daruf an, wie der Erwerber diese von-einander-abhängigen Schichten synchron verarbeitet.
1.6.4.2. Die Frage der Variabilität: Die Aufgabe des Spracherwerbers in ungesteuerten Situationen ist es, den Input in elementare Einheiten zu gliedern, diese in ihrer Funktion zu deuten und die Regeln zu entschlüsseln, nach denen sich die Einheiten zu komplexeren Einheiten verbinden lassen. Diese Aufgabe wird nicht von allen Lernern in gleicher Weise gelöst und man kann Variabilität beim ungesteuerten Spracherwerb feststellen (vgl. Klein 2001: 611). Dies besagt jedoch nicht, dass der Spracherwerb nicht festen Gesetzlichkeiten folgt, man kann sagen, dass es regelhaft zu Unterschieden beim Fremdspracherwerb kommt (vgl. Klein 1992: 60).
1.6.5. Tempo des Verlaufs: Wie alle Prozesse, verläuft der Spracherwerbsprozess über eine Dauer, d.h. er beginnt an einer gewissen Zeit und nach einiger Zeit wird der Prozess beendet. Das Tempo des Spracherwerbs wird, wie die „Struktur des Verlaufs“, durch Antrieb, Sprachverarbeiter und Zugang bestimmt. Ein Beispiel für den Antrieb ist das Gefühl, sich integrieren zu müssen, wenn dieses Gefühl sehr hoch ist -so nimmt man an- wird unter gleichen Umständen, der Spracherwerb schneller voranschreiten. Ein Beispiel dafür, dass der Sprachverarbeiter das Tempo des Spracherwerbs ändern kann, ist die Beobachtung, dass Gedächtnisprobleme den Spracherwerb hemmen können, aber es gibt auch Beobachtungen, die dieser Erkenntnis entgegengesetzt sind (vgl hierzu Fromkin 2003: 49ff). Jemand der mehr Zugang zur Sprache hat, wird sie auch schneller erwerben. Der Zugang bestimmt, auf welchen Feldern der Sprache, sich die Fähigkeiten ausbilden. Z.B. Wenn Bücher den einzigen Zugang zur Sprache ausmachen, dann wird man sich wohl im Bereich Leseverstehen ausbilden, wenn das Fernsehen die einzige Zugangsquelle für Sprache darstellt, dann wird sich die Fertigkeit Hörverstehen am stärksten ausbilden, genau von diesem Prinzip wird beim Ausarbeiten von Methoden für verschiedene Ziele für den Einzelunterricht Gebrauch gemacht. Antrieb und Zugang sind variabel oder veränderbar, damit verändert sich auch das Tempo. Am Anfang kann z.B. das Bedürfnis nach Kommunikation einen starken Antrieb schaffen, aber später, wenn man einigermaßen kommunizieren kann, lässt er nach und damit wird vielleicht auch das Tempo verlangsamt und ein neues Bedürfnis bestimmt den Lernfortschritt.
1.6.6. Endzustand: Der Endzustand wird in drei Untergruppen geteilt: 1. Die Sprache wird auf muttersprachlicher Ebene beherrscht. 2. Der Spracherwerb bleibt auf einer Lernervarietät stehen, die unter dem muttersprachlichen Niveau liegt (Fossilierung). 3. Der Spracherwerb sinkt, nach dem Erreichen einer höheren Lernervarietät, auf eine Varietät, die früher erworben worden war, dies geschieht manchmal mitten im Gespräch und nur für ein oder zwei Sätze (Rückschritt oder Backsliding).
1.6.6.1. Ideale Sprachkompetenz: Im Idealfall geht man von der „idealen“ Beherrschung der Zielsprache aus, aber nicht selten kommt es zur Fossilierung.
1.6.6.2. Fossilierung: Wenn keine Motivation oder kein Bedarf für den Spracherwerb gespürt wird, bleibt der Spracherwerber auf der Lernervarietät stehen, auf der er sich gerade befindet. Dabei kann die Fossilierung bestimmte linguistische Schichten (wie z.B. Phonologie) betreffen, z.B. kann die Entwicklung des Spracherwerbs bei Phonetik stehen bleiben und sich bei anderen Fähigkeiten entwickeln, dies wird als die „Selektivität der Fossilierung“ bezeichnet (vgl. Schlichter 2005: 10).
1.6.6.3. Rückschritt oder Backsliding: „Erwerbsverläufe sind nicht durch eine gradlinige Zunahme gekennzeichnet, sondern durch Momente des Backsliding“ (Ahrenholz 2008: 51). Nach Selinker sind Fossilierung und Backsliding im Fremdspracherwerb und nicht im Erstspracherwerb zu finden (vgl. Scharff Rethfeld 2010: 49).
Die sechs Grundgrößen von Klein geben ein ausgezeichnetes Mittel zur Hand, den Spracherwerb zu beschreiben. Für den Einzelunterricht sind sie auch von größter Relevanz, denn mit dieser Theorie ist man in der Lage, für jedes Ziel eine Unterrichtsmethode zu konzipieren. Diese Theorie besagt, dass wenn z.B. der Lerner als Ziel hat, deutsches Fernsehen zu sehen und zu verstehen, dann sollte er auch mehr Input von dem Fernsehen bekommen, aber wenn der Lerner Deutsches Radio verstehen möchte, dann reicht es nicht aus nur Deutsches Radio zu hören, denn da gibt es keine Parallelinformationen für das Gesprochene.
2. Der Sprachlerner
2.1. Die Unterschiede der Lerner nach Neuner und Hunfeld
Im Klassenunterricht sind viele Lerner, die unterschiedliche Eigenschaften haben. Wenn es richtig ist, dass der Lehrer je nach Unterschiedlichkeit anders unterrichten muss, dann ist dies eine gewaltige Aufgabe. Aber im Einzelunterricht gibt es nur einen Lerner, so kann der Lehrer den Unterricht für diesen Lerner planen. Diese Punkte sind nach Neuner und Hunfeld (vgl. 1993: 7) wichtig: Alter, Geschlecht, Ziel, Lernbiografie (oder was für Vorstellungen er von Lernen hat), Vorwissen, Veranlagung. Nun werden diese beschrieben.
2.1.1. Alter: Das Alter ist eine wichtige Variable und wird in vier didaktisch-wichtige Stufen eingeteilt: Kinder (Vorschul- und Primarschulalter), Jugendliche (Sekundarschulalter), Erwachsene und senioren (ab 60 Jahren). Diese haben jeweils eigene Besonderheiten, denen der Lehrer beim Lehren Aufmerksamkeit schenken muss. Je älter man wird, erwirbt man differenziertere interkulturelle Fähigkeiten, die Fremdsprachenlernbedürfnisse ändern sich, kognitiv-analytische Fähigkeiten werden hervorgehoben, so fragen die Lerner öfter nach Regeln. Die Muttersprache wird entwickelter, wobei zwischen der Entwicklung der Muttersprache und einer Fremdsprache ein positiver Zusammenhang besteht (vgl. Dörnyei 2005: 55). D.h. je kompetenter man in seiner Muttersprache ist, desto besser kann man eine Fremdsprache lernen. Mit dem Fortschreiten des Alters wird das Weltwissen umfangreicher womit die Lernautonomie immer notwendiger wird (vgl. Bausch/Helbig 2003: 460) (siehe auch Unterkapitel 2.5.12.). Lerner mit beruflichen Zielen nehmen eher Einzelunterricht, während Senioren eher zum Kleingruppenunterricht neigen (vgl. Abendroth-Timmer 2003: 259)
- Kinder: Kinder (Vorschul- und Primarschulalter) müssen erst Sprachbewusstheit (language awareness) erlangen, d.h. sie sollen zuerst begreifen, dass andere Menschen, andere Sprachen sprechen. Der Lehrer soll Freude am Umgang mit der Fremdsprache wecken und sprachliche Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit fördern. Das Kind lernt handelnd und spielerisch mit allen Sinnen. Das Fremdsprachenlernen ist von Kind zu Kind, je nach Lernbiografie und Begabung, sehr unterschiedlich, auch der mündliche und schriftliche Ausdruck entwickelt sich in individueller Weise (vgl. Christ 2003: 451). Kindliche Formen des Lernens sollen im Mittelpunkt des Unterrichts stehen. Der Input soll durch die Situation und Handlung verständlich sein, die Sprache soll spielerisch vermittelt werden und die Inhalte sollen kindgemäß sein. Es soll häufiger wiederholt werden, das Gelernte soll immer wieder vorkommen. Der Lernstoff soll in nicht abstrakter Form, also z.B. visuell, motorisch oder situationell durch Bilder, Zeichnungen, Texte, mündliche oder szenische Präsentation wie Vorführungen, Tanz, Gedichte, Liedern, Reimen, Geschichten usw. vermittelt werden. Nach entsprechenden Fortschritt der Kinder soll auch schriftliche Produktion verlangt werden. Auf Regelbildung oder –formulierung wird im Allgemeinen vezichtet.
- Jugendliche und Erwachsene: Jugendliche, die eine erste Fremdsprache lernen werden darauf aufmerksam, dass manche Wörter, die sie in der Muttersprache benutzen, aus einer anderen Sprache stammen und dass sie anders ausgesprochen werden. Sie lernen, dass die Struktur der Sätze nicht in allen Sprachen gleich ist und dass z.B. Artikel keine Selbstverständlichkeiten sind, d. h. sie werden auf ihre Muttersprache und so auf ihre eigene Kultur aufmerksam. Sie lernen auch, wie man strategisch an eine Fremdsprache herangehen kann (vgl. Knapp-Patthoff 2003: 457). Das Lernen einer Fremdsprache fällt in dieser Gruppe in die Pubertätsphase und dies hat in der Forschung zu einigen Thesen geführt. Die vorpubertäre Phase steht demnach der nachpubertären Phase kontrastiv gegenüber, nach diesen Thesen soll in der vorpubertären Phase imitativ und in der nachpubertären Phase kognitiv gelehrt werden. Neuere Untersuchungen lehnen dies in der strengen Form aber ab (vgl. Bausch/Helbig 2003: 460). Die Frage, „Lernen Erwachsene eine Fremdsprache besser oder Kinder?“ hat nicht zu klaren Antworten geführt, selbt, dass Kinder in der Aussprache besser als Erwachsene sind, kann man wissenschaftlich nicht halten. In diesem Feld haben die Forschungen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Nach der Adoleszenz-Maximum-Hypothese nimmt die Lernfähigkeit bis zum vierzigsten Lebensjahr zu und danach ab. Nach Critical Period Hypothesis ist das Sprachenlernen nach biologischen Faktoren determiniert, vom zweiten bis zum zwölften Lebensjahr kann man eine Fremdsprache optimal lernen, danach nimmt die Sprachlernfähigkeit ab. Dies gilt vor allem für die Aussprache. Diese Hypothesen konnten sich nicht halten und Forschungen haben das Gegenteil, dass z.B. eine gute Aussprache nach der Pubertät auch möglich ist und dass phonetisches Training sich bei Erwachsenen noch lohnt, nachgewiesen (vgl. Quetz 2003: 465). Nach Erkenntnissen der Gehirnphysiologie stellt die Pubertät keine natürliche Grenze in gehirnphysiologischer Entwicklung dar. Die Lateralisation der Sprachfunktion in der linken Hälfte wird keineswegs mit der Pubertät abgeschlossen, sondern bereits vor dem fünften Lebensjahr. Das Gehirn eines Erwachsenen ist dichter vernetzt und so kann es auch sein, dass Erwachsene eine Fremdsprache sogar besser lernen als Kinder (vgl. Quetz 2003: 466). Dass Erwachsene die Sprache nicht akzentfrei sprechen können, kann, wenn es keine gehirnphysiologischen Gründe hat, andere Gründe haben, z.B. motorische, dass die Sprachproduktionswerkzeuge nicht mehr in der Lage sind, neue Laute, anders als sie gewöhnt sind, auszusprachen, es kann aber auch soziologische Gründe haben, dass z.B. Erwachsene einen starken Akzent als Schutzmechanismus gebrauchen können, der verhindert, dass Muttersprachler zu hohe Anforderungen an sie stellen (vgl. Quetz 2003: 467), oder dass sie sogar noch stolz auf ihren Akzent sind, weil das ihre Nationalität widerspiegelt. Unterschiedliche und kontrastive Ergebnisse können aber auch darauf hindeuten, dass die Forschungsverhältnisse nicht die gleichen waren, dass z.B. der Akzent der Erwachsenen in einem Labor untersucht worden ist und nicht in einer natürlichen Situation wie im Alltag (vgl. Quetz 2003: 466). Nach Schumann (1975) (vgl. Quetz 2003: 465) sind Kinder eher in der Lage, mit dem Kulturschock fertig zu werden und sind im Gegensatz zu Erwachsenen offener und haben keine Angst, wenn sie auch mal Fehler machen. Es scheint festzustehen, dass nicht nur Kinder und Jugendliche sondern auch Erwachsene jenseits des dreißigsten Lebensjahres noch mit Erfolg eine Fremdsprache lernen können, auch wenn ab dem dreßigsten Lebensjahr aufgrund biologischer Veränderungen bestimmte Lernschwierigkeiten auftreten, so scheint sich ab diesem Alter vor allem die Wahrnehmung von fremden Lauten und die Fähigkeit, sie zu imitieren, erheblich zu verschlechtern. Nachlassende Sponaneität, Lerngeschwindigkeit und Merkfähigkeit des Kurzzeitgedächtnisses gleichen Erwachsene durch erhöhte Leistungsgenauigkeit aus (vgl. Heyd 1991: 23). Die Untersuchungen von Neufeld (vgl. Klein 1992: 22) haben gezeigt, dass gut motivierte Erwachsene die Aussprache der für sie exotischen Sprachen so perfekt lernen können, dass sie keinen Akzent mehr aufweisen.
- Senioren: Für die Senioren, die über sechzig Jahre alt sind, soll für das Fremdsprachenlernen bestimmte Maßnahmen getroffen werden. Ältere sind von ihrem langen Leben und ihrer Lernbiografie geprägt und zeigen so eine ausgeprägte Individualität. Nach dem Alter von 60 Jahren werden die Sinnesorgane schwächer. Wenn man einem Zwanzigjährigen eine 100%ige Hörfähigkeit beimisst, dann hat ein Sechzigjähriger 80% Hörfähigkeit und ein Achtzigjähriger 57%. Höhere Frequenzen werden umso schwächer wahrgenommen. Hintergrundgeräusche oder hallende Räume tragen für ein schlechteres Gehör bei. Genauso ist es mit den Augen, ein Sechzigjähriger nimmt, im Vergleich zu einem Zwanzigjährigen, 2/3 des Lichtes wahr, so nimmt auch die Kontrastempfindlichkeit ab. Im Alter werden die Reaktionen verlangsamt, die Schreibgeschwindigkeit nimmt daher ab und wenn die Älteren unter Zeitdruck stehen, dann nehmen die Fehlerhäufigkeiten zu. Das Primärgedächtnis als Funktion kurzfristiger Präsentation von Informationen ist schwächer aufgrund verminderter Aufmerksamkeit; Wenn neue Informationen unter Zeitdruck vermittelt werden, dann reagiert es störanfälliger und kann weniger lange aufrechterhalten werden. Mit dem Alter nimmt die kognitive Geschwindigkeit ab, so werden alle De- und Enkodierungsvorgänge verlangsamt, und das führt dazu, dass auch das aktive Sekundärgedächtnis, das für das langfristige Behalten von neuen Informationen zuständig ist, wie das Lernen einer Fremdsprache, Defizite aufweist. Das passive Sekundärgedächtnis, das für das Behalten von lange eingespeichertem Wissen zuständig ist, bleibt weitgehend altersstabil. Wenn der Lehrer Lernende über 60 Jahre hat, sollte er relativ laut sprechen und seinen Standort wenig wechseln. Texte sollten mit großem Druck geschrieben sein, der Tafel soll den Lernenden nah positioniert sein, Hörverstehensmaterialien sollten ohne Hintergeräuche sein und eine klare Aussprache haben. Wenn der Lehrer unbekannte Lern- und Lehrmethoden einführt, dann sollte er dies den Lernenden transparent machen, da die Lernerfahrungen der Älteren, entsprechende Erwartungen nach sich ziehen, die bei Nichterfüllen zu Irritationen führen können. Auf das Erzählen im Unterricht soll mehr Wert gelegt werden, das kann ein Teil des Unterrichts sein (vgl. Berndt 2003: 471ff).
2.1.2. Das Geschlecht des Lerners: Das Geschlecht des Lerners kann eine wichtige Variable im Einzelunterricht sein. Das weibliche Geschlecht ist im Fremdsprachenlernen dem Männlichen überlegener (vgl. Düwell 2003: 347). Nach Oxford (1996) benutzen Mädchen in verschiedenen Kulturen normalerweise mehr Lernstrategien als Jungen (vgl. Dörnyei 2005: 171f). Das Geschlecht kann auch den Inhalt des Unterrichts festlegen. Das Geschlecht kann auch die Interessen des Individuums, durch Normen, die es in der Gesellschaft gibt, festlegen, so kann der Lehrer Themen wählen, die dem Geschlecht angepasst sind und den Lernenden interessant erscheinen. Das führt dann auch zu hoher Motivation im Unterricht. Die Tehmen müssen dem Alter, das Geschlecht und dem Ziel angepasst werden.
2.1.3. Die Lernbiografie des Lerners: Die Lernbiografie des Lerners zeigt, wie er gewöhnt ist zu lernen. Und was er als Lernen empfindet. Die vorliegende Arbeit erläutert in einem Unterkapitel die Sprachlernbiografie der Schüler im Iran.
2.1.4. Das Ziel des Lerners: Das Ziel des Lerners ist das wichtigste, auf das der Lehrer achten muss. Die Frage: „Warum Lernen Sie diese Sprache?“, führt den Lehrer zum Ziel des Lerners. Die Fertigkeiten (Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben) können als Ziele gelten, das Ziel kann aber auch eine Kombination von diesen Fertigkeiten sein. Das Ziel legt die Methode fest (Siehe hierzu Unterkapitel 3.4.).
2.1.5. Das Vorwissen: Wenn der Lehrer weiß, was der Lerner als Vorwissen im Unterricht mitbringt, dann kann er, wenn er nach dem Modell der Didaktischen Analyse unterrichtet, die Einführungsphase des Unterricht verkürzen (siehe hierzu Unterkapitel 3.4.).
2.1.6. Veranlagung: Wenn der Lehrer das Verhalten des Lerners kennt, und einigermaßen voraussagen kann, dann weiß er, wie er sich verhalten muss. In dieser Arbeit steht die Veranlagung unter dem Begriff der Persönlichkeit des Lerners, und wird im Unterkapitel „Die Persönlichkeit des Sprachlerners“ erläutert.
Fazit: Es gibt noch andere Eigenschaften der Lerner, die Neuner und Hunfeld nicht genannt haben, wie die Sprachlernfähigkeit, Lernstile und Motivation, diese werden in den folgenden Unterkapiteln erläutert.
2.2. Die Unterschiede der Lerner auf sprachlicher Ebene
Außer den im vorigen Abschitt genannten Unterschieden, gibt es auch Unterschiede, die sprachspezifisch sind:
2.2.1. Welche Muttersprache spricht der Lerner? Für den Lehrer ist es wichtig zu wissen, welche Muttersprache der Lerner spricht, denn nach Newmark/Reibel (vgl. Heyd 1991:20) ist die Muttersprache das Bezugssystem, auf das der Lerner zurückgreifen muss, falls er etwas sagen will, wofür ihm fremdsprachliche Kategorien fehlen. Der Lerner erwirbt diese Kategorien am Besten, wenn ihm geholfen wird, diesen Bezug in angemessener Weise herzustellen. Wenn man weiß, welche Muttersprache der Lerner spricht, dann weiß man von Anfang an, wo in der Phonologie Schwierigkeiten auftreten werden. Tests zeigen, dass nach grammatiklosem Unterricht, der Lerner genau dort versagt, wo die Muttersprache als still funktionierender Kategoriemittler versagt, wie z.B. bei Lernern mit deutscher Muttersprache bei der englischen Progressivform (vgl. Heyd 1991: 20), oder für persische Lerner bei der deutschen Konjunktivform. Butzkamm stellt fest, dass wir gleichsam von unserer Muttersprache besetzt sind und zunächst gar nicht anders können als die fremde Sprache durch unsere Muttersprache zu erfassen (vgl. Heyd 1991: 20).
2.2.1.1. Interferenz und Transfer: Wenn der Lehrer die Muttersprache des Lerners sprechen kann, dann kann er über Interferenz und Transfer, also dem Einfluss der Muttersprache auf die Fremdsprache, im Voraus Bescheid wissen und sich darauf einstellen. Interferenz und Transfer beeinflussen alle linguistischen Bereiche (vgl. Huneke/Steinig 2002: 25), wie z.B. Phonetik, Pragmatik, Syntax und Semantik. Am deutlichsten kann man die Transfer/Interferenz im phonetischen Bereich erkennen, denn die Sprechorgane gewöhnen sich früh an die Aussprache der Muttersprache und können später schwer die Laute der Fremdsprache aussprechen. Bei Pragmatik könnte man Höflichkeitsfloskeln nennen, die sich zwischen Sprachen unterscheiden, z.B. gibt es bei uns Persern „Tarof“, was die Deutsche Sprache in der Art nicht hat und was zu großen Missverständnissen führen kann. Das hat aber auch mit der Kultur des Lerners zu tun, was bei der interkulturellen Methode Wichtigkeit gewinnt. Wortstellungen im Satz gehören zum syntaktischen Bereich, die sich von Sprache zu Sprache unterscheiden. Im semantischen Bereich könnte man über ähnliche oder gleichlautende Wörter mit verschiedenen Bedeutungen sprechen (z.B. das Wort Gift im Deutschen und im Englischen). Man kann aber nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass stark differierende Erst- und Fremdsprachen schwieriger zu lernen seien, als ähnliche. Diese Untersuchungen fanden meist im Zeiten der Behaviorismus statt, in der man die kognitive Dimension des Lerners außer Acht gelassen hatte. Nach dem Kognitivismus versucht der Lerner einzuschätzen, in wie weit linguistische Einheiten seiner Muttersprache für den Erwerb der Fremdsprache hilfreich sein können (vgl. Huneke/Steinig 2002: 25f).
2.2.2. Wie gut spricht der Lerner seine Muttersprache? Untersuchungen haben gezeigt, dass es eine enge Beziehung zwischen dem Fremdsprachenlernerfolg und dem muttersprachlichen Niveau gibt, d.h. die Lerner, die Muttersprachlich besser sind, sind mit großer Wahrscheinlichkeit auch besser beim Fremdsprachen-erwerb/-lernen (vgl. Dörnyei 2005: 53) (siehe hierzu auch Unterkapitel 2.4.10.).
2.2.3. Deutsch als erste oder als zweite Fremdsprache: Im Einzelunterricht ist es wichtig zu wissen, ob der Lerner Deutsch als erste Fremdsprache lernt oder als weitere Fremdsprache, z.B. nach Englisch oder einer anderen Sprache, die institutionell gesteuert ist oder als Selbstlernkurse. Das Wissen einer Fremdsprache nach der Muttersprache kann dem Lerner ein neues Vergleichssystem geben. Hier können die Phänomene Interferenz und Transfer auch beobachtet werden.
2.2.4. Wie wurde die erste Fremdsprache gelernt? Es ist auch wichtig zu wissen, wie die erste Fremdsprache gelernt worden ist und mit welcher Methode der Lerner Erfahrung gesammelt hat. Rösler (vgl. 1994: 16) hat in diesem Bereich drei Wissenschaftler zitiert: Nach Hufeisen (1991) haben Lernende die erste Fremdsprache überwiegend mit dem traditionellen Grammtikmodell gelernt. Deutsch als zweite Fremdsprache sollte darauf Rücksicht nehmen, weil sonst der Brückenschlag verhindert wird. Nach Krumm (1990) sollten sich die grammatischen Terminologien der ersten und zweiten Fremdsprache einander entsprechen, damit keine Probleme auftreten. Nach Bausch (1990) sollte nicht immer auf Interferenz, also die negativen Auswirkungen der ersten Fremdsprache auf die zweite Fremdsprache, geachtet werden, sondern auf positive Lern- und Kommunikationtransfers und man sollte Lernzeitverkürzende Methoden entwickeln und auf Lernerfahrungen des Lerners eingehen.
2.2.5. Wird die Fremdsprache wieder erworben? Der Lehrer soll wissen, ob der Lerner die Sprache zum ersten Mal lernt oder er die Sprache wieder erwirbt (vgl. Klein 1992: 15), dass er also die Sprache vielleicht vergessen hat, denn da sollte er im Unterricht anders vorgehen. In diesem Fall sollte der Lehrer die unzugängliche, aber im Prinzip vorhandene Sprache wieder zugänglich machen (vgl. Klein 1992: 34). Wenn der Grund des Vergessens mangelnde Praxis ist, dann kann die Sprache nach allgemeiner Ansicht viel schneller gelernt werden (vgl. Klein 1992: 35) (siehe Unterkapitel 3.1.9.).
2.2.6. Kann der Lerner schon einbisschen Deutsch? Wenn der Lerner schon einbisschen Deutsch kann und sich im Einzelunterricht weiterbilden will, dann ist es wichtig zu wissen, wie der Lerner Deutsch schon gelernt hat. Wenn der Lerner Deutsch mit der audiolingualen Methode gelernt hat, dann sind seine Lesestrategien nicht so ausgebildet, dagegen aber seine Sprech- und Hörfähigkeit. Hat der Lerner Deutsch in einem grammatikalischorientierten Unterricht gelernt, dann ist er bei mündlichen und interaktiven Fertigkeiten schwächer, er ist aber im Bereich der Satzstruktur und das kognitive Sprachwissen stark (vgl. Buhlmann/Fearns 2000: 99). Hat der Lerner Deutsch in Deutschland im Alltag, d.h. als Zweitsprache, gelernt, dann ist er bei der Kommunikation und Kulturwissen (Landeskunde) stark, Er hat aber wahrscheinlich schwaches Regelwisen. Es ist auch wichtig zu wissen wie weit er schon mit dem Lernen gekommen ist. Es wäre angebracht einen Einstufungstest zu machen.
Fazit: Außer den im vorigen Unterkapitel genannten Faktoren (Alter, Geschlecht usw.), müssen diese Sprach(lern)spezifischen Faktoren auch in den Überlegungen des Lehrers einfließen. Die Muttersprache und die weiteren Fremdsprachen, die der Lerner schon kann, beeinflussen die zu lernende deutsche Sprache. Der Lehrer muss sich über den Einfluss dieser Sprachen auf die deutsche Sprache bewusst sein und seinen Vorteil daraus ziehen. Außer der Muttersprache und anderen Fremdsprachen, die der Lerner schon kann, ist es wichtig zu wissen, ob und wieviel er Deutsch kann und ob er die Sprache vielleicht wieder erwerben will, in diesem Fall soll die deutsche Sprache nicht mehr wie bei einem Nullanfänger unterrichtet werden, sondern es muss versucht werden, dass der Lerner sich an die Sprache erinnert. Außer dem ist es wichtig zu wissen wie, d.h. mit welchen Methoden, der Lerner Deutsch und andere Fremdsprachen gelernt hat, denn diese erwecken Erwartungen, die neue Sprache mit gewohnten Methoden zu lernen, jedoch kann dies von Lerner zu Lerner variieren.
2.3. Die Persönlichkeit des Sprachlerners
Neuner und Hunfeld haben „Veranlagung“ als einen Lernerunterschied herausgestellt, hier wird „Veranlagung“ zu dem Begriff „Persönlichkeit des Lerners“ ausgeweitet.
Seit langem hat man im Bereich Sprachwissenschaft beobachtet, dass manche Lerner eine Fremdsprache besser lernen als andere. Man kann eine Reihe Forschungen unter der Überschrift „Der gute/erfolgreiche Sprachlerner” (The good/successful language learner) finden, es sind frühere Forschungen der siebziger Jahre. Damals bestand die Behauptung, dass erfolgreiche Sprachlerner gleicher Persönlichkeitsstruktur wären. Diese Behauptung wurde auch von Sprachlehrern geteilt. 83% der Lehrer glaubten, dass erfolgreiche Sprachlerner über gehobene persönliche Eigenschaften verfügen und elf Eigenschaften wurden von allen genannt: Sorgfalt, Durchhaltevermögen, kommunikativ, unabhängig von anderen, neugierig, engagiert, ordentlich, aktiv, flexibel, zielorientiert (assertive) und phantasievoll (vgl. Dörnyei 2005: 26).
Die individuellen Unterschiede führen zu verschiedenen Lernstilen, Schwächen oder Stärken und beeinflussen sogar den Muttersprachenerwerb (vgl. Dörnyei 2005: 2). Sie sind die konsequentesten Vorhersager des Fremdsprachenlernerfolgs und können bis zu 50% richtig den Lernerfolg vorhersagen (vgl. Dörnyei 2005: 2). Seit 1960 hat man die individuellen Unterschiede beim Lernen einer Fremdsprache zu meist im Bereich Sprachlenfähigkeit (language aptitude) und Motivation untersucht (Sprachvermögen und Antrieb, vgl. Klein 1992: 45, 49). Die Forschungen der siebziger Jahre haben noch das aktive und kreative Mitmachen im Lernprozess berücksichtigt und 1991 im Buch Peter Skehans “Individual differences in second language learning” sind die „Lernstile“ zu dieser Kategorie hinzugefügt worden. Die wichtigsten individuellen Unterschiede sind demnach Motivation, Sprachlernfähigkeit und Persönlichkeit. Persönlichkeit lässt sich in zwei Bereichen, Temperament und Stimmung (Modus), einordnen. Temperament ist konstant und Stimmung (mood) veränderlich. Es ist für den Lehrer im Einzelunterricht wichtig diese voneinander zu trennen. Wenn der Lehrer ein Verhalten von dem Lerner beobachtet, dann muss er sich fragen, „ist der Lerner immer so, oder ist er nur heute so?“, damit er sich dann richtig verhält. Drei Wochen Beobachtungszeit reichen aus, um viele Persönlichkeitsdispositionen eines Individuums zu identifizieren (vgl. Asendorf 2005: 37).
Die Persönlichkeit ist der Bereich der Psychologie, der die Menschen einerseits als einzelne Personen sieht und andererseits den Menschen als eine komplexe Ganzheit sieht. Im Duden Universal Wörterbuch steht geschrieben (vgl. Drodowski 1989), dass die Persönlichkeit die Gesamtheit der persönlichen (charakteristischen, individuellen) Eigenschaften eines Menschen ist.
Die Interaktion zwischen Erbschaft, also den genetisch festgelegten Persönlichkeitsanteilen und den von der Umwelt beeinflussten Anteilen führt zur Ausbildung der Gesamtpersönlichkeit (vgl. Mangal 1998: 68). Die Situation, in der sich die Person befindet, beeinflusst die Persönlichkeit und damit das Verhalten des Einzelnen. Pervin und John (2001) schreiben:
„To a certain extent people are the same regardless of context, and to a certain extent they also are different depending on the context” (Dörnyei 2005: 13).
Also ist die Persönlichkeit hauptsächlich etwas Stabiles, während sie sich von Situation zu Situation auch etwas verändern kann. Der Lernertyp ist untrennbar mit der Persönlichkeit verbunden (vgl. Aguado 2001: 759). Wenn man annimmt, dass die Persönlichkeit keine einzige Einheit ist und aus einzelnen Merkmalen zusammengesetzt ist, dann kann man Modelle entwickeln, die die einzelnen Persönlichkeitsmerkmale bemessen sollen, im folgenden werden zwei dieser Modelle beschieben.
2.3.1. Zwei Modelle für die Bestimmung von Persönlichkeitseigenschaften: Es gibt verschiedene Modelle wie man die Persönlichkeit der Individuen bestimmen kann eine davon ist das Big Five Modell[3]. Die für den Fremdsprachenunterricht wichtigsten Personalitätsypen, die das Big Five Modell identifiziert, sind Erfahrungsoffenheit (openness to experience) und Pflichtgefühl (conscientiousness). Eins der meistgebrauchten Modelle für die Fremdsprachenunterrichtsforschung ist der MBTI[4] (Myers-Briggs Type Indicator). Der MBTI ist wertneutral, d.h. er besagt nicht welcher Typ besser und welcher schlechter ist und er ist deskriptiv, man kann 16 verschiedene Typen damit identifizieren. Der MBTI kann die Lernstile des jeweiligen Sprachlerners ausmachen und er besagt, dass jeder erfolgreich sein kann nur in einer anderen Art und Weise. Im Bereich der angewandten Sprachwissenschaft nennt man die MBTI Werte auch Lernstile. Ehrman (1996) hebt hervor, dass bestimmte Persönlichkeitsgebilden Bezüge auf das Lernen haben und Lawrence (1997) hebt das Verhältnis des Psychotyps zu den Lernstilen hervor (vgl. Dörnyei 2005: 27). Aber insgesamt in der Empirie haben die MBTI basierten Untersuchungen sehr unklare Ergebnisse erbracht und es sind keine Verhältnisse zwischen Lernstile und Evaluationswerte gefunden worden. Auch Ehrman und Oxford (1990) konnten nur sehr schwachen oder keinen direkten Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Spracherwerb finden (vgl. Dörnyei 2005: 28). Eine sehr interessante Untersuchung ist die von Moody (1998), er hat durch die Analyse der MBTI Persönlichkeitstypen der amerikanischen Studenten herausgefunden, dass Sprachstudenten sich im großen und ganzen von Studenten anderer Wissenschaften unterscheiden, anschließend hat er davor gewarnt, dass Sprachexperten unbewusst Sprachlehrprogramme für eigenspezifische Persönlichkeitstypen entwickeln, sodass sich ein System standardisiert, das die anderen Persönlichkeitstypen vernachlässigt und so die Lehrer-Lerner Lernstile nicht zu einander passen (vgl. Dörnyei 2005: 28). Hier muss auch dies beachtet werden: Lehrer unterrichten mehr so, wie sie selbst am besten gelernt haben und weniger, wie sie unterrichtet worden sind (vgl. Dörnyei 2005: 156). D.h. sie lehren nach dem eigenen Lernertyp, so werden andere Lernertypen außer Acht gelassen.
2.3.2. Die Zeit als Persönlichkeitsmerkmal: Die Frage nach der Zeit (wann und wieviel Zeit) ist sehr wichtig, denn die Höchstleistungen der Menschen differieren mit der Zeit, manche lernen Morgens (Morgentypen) am besten, andere Abends oder Nachts (Abendtypen). Die Lerner sollten auch die Zeiten kennen, die für sie ungünstig sind (Bimmel/Rampillon 2000: 20). Manche brauchen für manche Aufgaben länger (mehr Zeit) andere werden schneller (weniger Zeit) fertig. Die Zeit ist einer der individuellen Unterschiede, dass der Lehrer im Einzelunterricht beachten soll.
2.3.3. Erfahrungsoffenheit und Kompromissbereitschaft: Nach Farsides und Woodfield (2003) gibt es zwischen den Elementen der Persönlichkeit und akademischem Erfolg folgende Beziehung: Personen mit hoher Erfahrungsoffenheit (Openness to Experience) sind in Fächern, die mit kritischem Denken zu tun haben erfolgreich, aber nicht in Fächern, in denen es vor allem darum geht das hergeleitete Wissen zu erlernen. Studenten mit hoher Kompromissbereitschaft (agreeableness) sind bei Fächern erfolgreich, bei denen das Lernen vor allem in sozialer Interaktion stattfindet, also bei Fächern wie Sprache. Studenten mit weniger Kompromissbereitschaft sind in Universitätsfächern erfolgreich, bei denen es weniger soziale Abhängigkeit gibt, bzw. es eine negative soziale Abhängigkeit gibt (vgl. Dörnyei 2005: 22).
2.3.4. Introvertiertheit und Extrovertiertheit: Introvertiertheit und Extrovertiertheit sind die am meisten erforschten Bereiche der Persönlichkeit, dabei hat man herausgefunden, dass die Extrovertierten mehr Bereitschaft für das Sprechen zeigen und beim Sprechen wenig Pausen machen, die Introvertierten sprechen formal und denken über Grammatik mehr nach. Der Lehrer sollte also die Introvertierten mehr zum Sprechen motivieren. Die Meinung welche der beiden persönlichkeitstypen für den Spracherwerb besser ist, hat sich im Laufe der Zeit verändert, weil sich die Bedeutung des Begriffs „Erwerb/Lernen“ inzwischen gewandelt hat. Früher hat es ausgereicht, lesen und schreiben zu können und die Grammatik war sehr wichtig (wie z.B. in der Grammatik-Übersetzungs Methode), also hat man die introvertierten Schüler bevorzugt. Später ging es vielmehr um Sprechen und Hören (die Audio-Linguale Methode) so waren die Extrovertierten bevorzugt, denn diese sprechen flüssiger sowohl in der Mutter- als auch in der Fremdsprache, sie benutzen auch umgangssprachliche Ausdrücke, die die Introvertierten vermeiden. Also ist es wichtig, wie man das Lernen einer Fremdsprache interpretiert, denn wie Skehan 1989 meint (vgl. Dörnyei 2005: 27), im Bereich der Fremdsprachenerwerb kann man der Extrovertiertheit im Vergleich zu anderen Fächern eine eher positive Rolle zurechnen, aber wie wir gesehen haben waren früher die Introvertierten bevorzugt. Weiter schreibt Skehan aber, dass das Sprachrwerb weit mehr ist als lernen durch Sprechen oder lernen durch Handeln, hier scheinen die Introvertierten gut abzuschneiden.
Fazit: Wenn man die Persönlichkeit als Zusammensetzung von Eigenschaften sieht, dann können gute Sprachlerner ihre persönlichen Eigenschaften so miteinander verbinden, dass ein gutes Ergebnis dabei herauskommt (vgl. Dörnyei 2005: 24). Es gibt aber auch eine andere Sichtweise, die die Persönlichkeit als eine ganze Einheit sieht und meint, dass sie nicht aus einzelnen Elementen besteht, demzufolge ist die Persönlichkeit also eine Zusammensetzung aus verschiedenen Eigenschaften, die aufeinander zusammenwirken und sie besteht nicht aus isolierten Eigenschaften. Aiken meint 1999 (vgl. Dörnyei 2005: 22), dass alles was wir in der Persönlichkeitspsychologie wissen, nur einzelne Aussagen sind und wir noch nicht eine systematische Struktur haben entwickeln können, auf deren Grundlage wir eingehend Voraussagen und Beschreibungen anstellen können. Obwohl empirische Untersuchungen zu sehr schwachen Ergebnissen geführt haben, sieht das Bild im Großen und Ganzen nicht so trüb aus, denn die Persönlichkeitspsychologie scheint die Hauptdimensionen der Persönlichkeit in ein Konzept zu bringen und das wird das Benutzen von Persönlichkeitsfaktoren in Untersuchungen einfacher machen. Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Beziehung zwischen Persönlichkeit und Spracherwerb besteht. Nur dass es bis jetzt zu keinen großen Ergebnissen in einzelnen Untersuchungen der Forschung gekommen ist, liegt vermutlich an den sehr unterschiedlichen Methodologien, die in den Forschungen angewandt worden sind.
2.4. Sprachlernfähigkeit
Welche Fähigkeiten soll man besitzen, um eine Fremdsprache zu meistern? Und meistern Menschen Fremdsprachen auf unterschiedlichem Niveau? Dieses Unterkapitel geht diesen Fragen nach.
Wenn man den Begriff Sprachlernfähigkeit genauer untersucht, dann sieht man, dass er nicht eindeutig definierbar ist, denn es ist nicht eine Einheit sondern ein Komplex von Fähigkeiten, eine Zusammensetzung von vielen kognitiven Faktoren, die dem Menschen die Fähigkeit geben, eine Fremdsprache zu meistern, aber dennoch, wegen seiner guten Sprachlernindikatoren, genießt dieser Begriff immernoch eine weite Verbreitung.
2.4.1. Die Hauptaufgabe der pädagogisch orientierten Sprachlernfähigkeitsforschung: Die Hauptfrage dieser Forschungsrichtung ist es, die individuellen Unterschiede in verschiedene kognitive Fähigkeiten einzuordnen und diese mit effektiven Lehroptionen, sowie Techniken und weitdefinierten Lernsituationen zu verbinden. Segalowitz (1997) schreibt, dass wir unter dem Begriff Sprachlernfähigkeit keineswegs eine konstante Charakteristik verstehen, sondern eine komplexe Reflektion der ganzen Lernsituation. Der Lerner ist in einer komplexen, dynamischen und kommunikativen Situation situiert, die die Erfüllung verschiedener kognitiver Ansprüche forciert. Er argumentiert weiter, dass Individuen die Fremdsprache unterschiedlich abschließen, weil ihre kognitiven Prozesse die Anforderungen verschiedentlich erfüllen (vgl. Dörnyei 2005: 60).
2.4.2. Zwei Sprachlernfähigkeitstests (MLAT und PLAB): Die wichtigsten Sprachlernfähigkeitstests sind MLAT (Modern Language Aptitude Test) und PLAB (Pimsleur Language Aptitude Battery): MLAT wurde 1959 von Carroll und Sapon und PLAB 1966 von Pimsleur vorgestellt. MLAT war nicht auf Theorie basiert sondern auf aufgestellte Untersuchungen, also hat man z.B. untersucht, was die guten Sprachlerner von den schlechten unterscheidet, und dann hat man dafür Tests konzipiert. Hierfür haben Carroll und Sapon ein dreistufiges Verfahren benutzt, das in der Psychologie schon Tradition war. Sie haben zuerst zwei Gruppen gefunden, die erste Gruppe war im Untersuchungsstoff gut und die andere schwächer. Zweitens sollten diese zwei Gruppen unterschiedliche, dem Unterrichtsstoff untergeordnete Aktivitäten verrichten. Drittens hat man die Aktivitäten ausgesucht, die am besten zwischen beiden Gruppen unterschieden und nicht die, die hohe Gemeinsamkeiten miteinander hatten, denn sie würden nicht zu reinen Ergebnissen führen und würden sie nur duplizieren. Die Prinzipien von MLAT und PLAB waren die gleichen. Um Theorie zu gewinnen haben Carroll und Pimsleur, die Ergebnisse ihrer Tests in Form von statistischen Daten untersucht. Carroll meint, dass die Sprachlernfähigkeit aus vier Fertigkeiten besteht: Erstens, die Fähigkeit Bedeutung in phonetischen Codes auszudrücken; zweitens, Grammatische Empfindsamkeit; drittens, die Fähigkeit auswendig zu lernen und viertens, die Fähigkeit, die Sprache induktiv zu erfassen. Pimsleur hat die Sprachlernfähigkeit in drei Faktoren unterteilt: Erstens, verbale Intelligenz. Zweitens, Motivation und drittens, Hörfertigkeit.
Skehan (1986) hat die vier Fertigkeiten Carrols auf drei reduziert, indem er die zwei Komponenten Grammatische Empfindsamkeit und die Fähigkeit Sprache induktiv zu erfassen, unter dem Begriff „linguistische Fertigkeit“ zusammangefasst und diese einer Natur zugehörig erklärt hat. Die weiteren zwei Punkte Skehans sind Hörkomponente und Gedächtniskomponente (vgl. Dörnyei 2005: 40).
2.4.3. Die Unterschiede von MLAT und PLAB: PLAB legt auf das Hören viel mehr Wert, während MLAT mehr Wert auf das Gedächtnis legt. PLAB hat zwei Teile mehr als MLAT: Erstens Durchschnittsnote von vier Schulfächern (Englisch, Mathematik, Geschichte und Sachfachunterricht) und zweitens das Interesse fürs Lernen der Fremdsprache, zur Berechnung der Motivation. Die Unterschiede der beiden Tests sind nach Skehen (1989) dadurch entstanden, dass Carroll mehr im Bereich von Lernpsychologie und Pimsleur im Bereich der Sprachwissenschaft spezialisiert waren. So fehlt die Motivation bei MLAT völlig und PLAB hat keine Gedächtniskomponente. Und obwohl Carroll die induktive Lernfähigkeit identifiziert hat, bemisst MLAT, im Gegensatz zu PLAB, diese Komponente nur indirekt (vgl. Dörnyei 2005: 40).
Laut einer Studie von Curral und Kirk (1986) ist der erste Teil der PLAB, also die Durchschnittsnote der vier Schulfächer, der beste Sprachlernfähigkeitsvoraussage beim Fremdsprachenlernen und eine Analyse hat gezeigt, dass in manchen Hochschulen das erste Teil der PLAB (die Durchschnittsnote der vier Fächer) sogar treffsicherer als das Totalergebnis der PLAB ist (Rees, 2000) (vgl. Dörnyei, 2005: 36).
Im Jahre 1990 sieht Carroll nochmal zurück auf das Jahr 1959, das Entstehungsjahr von MLAT, und meint, dass seit 1959 viele Untersuchungen gemacht worden sind, die Licht in die Komponenten des Fremdsprachenerwerbs gebracht haben, aber man kann sagen, dass im Großen und Ganzen keine großen Veränderungen mit den ersten identifizierten Komponenten gemacht worden sind. Z.B. gehört die Motivation nach unserem Wissensstand zu den Kategorien der Sprachlernfähigkeit. Trotzdem fand MLAT wenig Popularität (vgl. Dörnyei 2005: 41f).
Die MLAT fand wenig Popularität denn: es herrschten im Fremdsprachen-unterricht die Audiolingualen und kommunikativen Methoden, die schüler-zentriert waren, es war nicht demokratisch, auf Grund eines Tests einige wegen schlechter Testergebnisse vom Unterricht auszuschließen, MLAT war im Konzept überholt und war von niedrigem explanatorischen Wert.
2.4.4. Was sagen die Sprachlernfähigkeitstestergebnisse aus? Im allgemeinen sind die Wissenschaftler davon überzeugt, dass Sprachlernfähigkeitstestergebnisse nicht aussagen können, ob ein Lerner die Fremdsprache lernen kann oder nicht. Carroll und Sapon (1959) schreiben, was ihre MLAT aussagen kann: wenn man mit Hilfe dieses Tests des Lerners Stufe der Sprachlernfähigkeit kennt, dann kann man sagen wieviel er von Motivation und Strebsamkeit hervorbringen muss, um die Fremdsprache erfolgreich zu lernen. Der Lerner mit wenigen Punkten sollte härter arbeiten als ein Lerner mit mehr Punkten.Wenn die Punktzahl sehr niedrig ist, dann wird der Lerner nicht in der Lage sein, Erfolg zu erzielen (vgl. Dörnyei 2005: 43). Lernern mit niedriger Punktzahl könnte im Einzelunterricht besonders geholfen werden.
2.4.5. Wozu werden Sprachlernfähigkeitstests benutzt? Sprachlernfähigkeitstest können bei fünf Punkten hilfreich sein:
- aus Forschungsgründen;
- um gute Lerner von den Schwächeren zu trennen;
- um die zur Verfügung stehenden oder benötigten Mittel einzuschätzen, also um zu sehen wieviel man für Lerner mit geringen Testpunkten investieren muss;
- Evaluation des Lehrprogramms, also um zu sehen wie effizient das Lehrprogramm abgelaufen ist;
- um das Lehrprogramm den Testpunkten anzupassen.
2.4.6. Welches Verhältnis haben Sprachlernfähigkeit und Alter (siehe hierzu auch Unterkapitel 2.1.)? Manche Forschungen haben zu Ergebnissen geführt, dass die Sprachlernfähigkeit durchs Alter nicht beeinflusst werden könne, wie die Forschungen von Carroll und Sapon im Jahre 1959 und Skehan im Jahre 1989 (vgl. Dörnyei 2005: 44). Skehan hat bei Kindern im Alter von drei bis vier Jahren und zehn Jahre später, wenn diese dreizehn- bis vierzehnjährig waren, den gleichen Sprachlernfähigkeitstest durchgeführt und die Ergebnisse waren fast gleich. Man kann sagen, wenn Sprachlernfähigkeit eine Persönlichkeitseigenschaft ist, dann müsste sie relativ stabil sein. Jedoch haben neuere Untersuchungen zu anderen Ergebnissen geführt. Harley und Hart haben 1997 herausgefunden, dass Schüler des siebten und elften Schuljahres bei Sprachlernfähigkeitskomponenten verschieden stark sind. Jüngere waren bei der Gedächtniskomponente stark, während Ältere bei der Sprachanalyse besser waren (vgl. Dörnyei 2005: 45). Es gibt derweilen sehr viel Literatur darüber, die bezeugt, dass es eine Beziehung zwischen Zweitspracherwerb und Alter gibt, daher kann man glauben, dass dieses Verhältnis durch Veränderungen in der Fähigkeit hervorgerufen wird. Wenn man die Sprachlernfähigkeit als eine Eigenschaft sieht, die vom Geburt an in einem ausgeprägt ist, dann ist sie relativ konstant, aber wenn man sie als eine Eigenschaft sieht, die man erwerben muss, dann verändert sie sich im Laufe der Zeit. Alter ist in Zweitsprachenerwerbs-forschung grundsätzlich als neurologische oder neurolinguistische Variable gesehen worden. Die Untersuchungen von Neufeld (1979) haben gezeigt, dass gut motivierte Erwachsene die Aussprache von für sie ganz exotischen Sprachen so perfekt lernen können, dass sie von Muttersprachlern am Akzent nicht mehr erkannt werden. Dies beweist, dass ein perfekter Zweitspracherwerb nach Pubertät biologisch durchaus möglich ist (vgl. Klein 1992: 22). Dies besagt allerdings nicht, wie schwer es ist, eine Fremdsprache nach der Pubertät akzentfrei zu lernen. Dass es schwierig ist, eine Fremdsprache nach der Pubertät zu lernen, kann auch daran liegen, dass man die bis dahin erworbene soziale Identität aufgeben muss (vgl. Klein 1992: 22). Das lässt sich aus Aussagen verstehen, dass man stolz auf seinen Akzent ist und dass man diesen nicht aufgeben möchte, und dies führt zur Fossilierung der Aussprache (vgl. Klein 1992: 62).
2.4.7. Sprachlernfähigkeit und Intelligenz: Am Anfang sei gesagt, dass man in der Psychologie, wenn von Intelligenz die Rede ist, diese als Ergebnis, das aus Intelligenztests hervorgegangen ist. Alfred Binet (1857-1911), der Vater der Intelligenztests, sagt: Intelligenz ist das, was man im Test misst (vgl. Nyborg 2003: 494). Sprachlernfähigkeit und Intelligenz sind beide aus Teilfertigkeiten zusammengesetzt und manche dieser Teile überschneiden sich. Wenn man über das Verhältnis der beiden spricht, dann meint man das nicht im qualitativen Sinne sondern im quantitativen, man spricht also von dem Verhältnis der Testpunkte und hier ist man wieder zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Carroll und Sapon (1959) berichten vom Verhältnis von MLAT und verschiedenen Intelligenztests, das zwischen 0,34 und 0,52 liegt[5]. Sie haben herausgefunden, dass der Einfluss der Intelligenz auf den Spracherwerb geringer ist als auf andere Schulfächer. Bei späteren Forschungen ist man zu Ergebnissen gekommen, die sich von 0,17 bis o,44 erstrecken (vgl. Dörnyei 2005: 46f).
2.4.8. Werden Sprachen mit Hilfe der Intelligenz gelernt, oder gibt es einen spezifischen Mechanismus dafür (z.B. Language accuisition device, LAD) dafür? Nach dem Stand der Wissenschaft gibt es wahrscheinlich einen anderen Mechanismus dafür. Denn warum machen intelligente Lerner, denen man deutlich erklärt, wie beispielweise die Wortstellung im deutschen Aussagesatz aussehen muss, dennoch über einen relativ langen Zeitraum Wortstellungsfehler? Warum beherrschen sie die einfachsten sprachlichen Muster nicht, kurz nachdem man sie doch in einer Lektion ausführlich besprochen und lange geübt hat und sie deshalb eigentlich sitzen müssten? Eine aktuell eingeübte sprachliche Form wird zwar meist kuzzeitig korrekt gelernt, aber wenn sie nicht mehr „frisch“ im Gedächtnis ist, greift offensichtlich ein sprachspezifischer Verarbeitungsmechanismus, der -zumindest was Form und Struktur einer Sprache betrifft- mit Intelligenz und Gedächtnis kaum etwas zutun hat (vgl. Huneke/Steinig 2002: 32). Nach wie vor ist der Streit nicht entschieden, ob unser Gehirn sprachspezifische Prozesse grundsätzlich anders verarbeitet als generelle kognitive Prozesse (vgl. Huneke/Steinig 2002: 34). Es gibt zwei berühmte Fallstudien, der Fall Laura und der Fall Christopher, beide mit geringer IQ (Intelligenz Quotient) – der IQ von Laura liegt zwischen 41 und 44 und der von Christopher zwischen 60 und 70, die aber hohe Sprachfähigkeit aufweisen. Laura konnte nicht 2 mit 2 zusammenrechnen und wusste nicht, wieviel eine Stunde ist, konnte aber grammatikalisch korrekte Sätze bilden und Sätze mit Fehlern korrigieren. Christopher konnte nicht auf sich selbt aufpassen, deswegen lebte er in einer Institution, das Staubsaugen des Teppichs war zu schwer für ihn, er konnte seine Muttersprache aber genau so gut wie andere normale Sprecher, konnte außerdem 15 bis 20 Sprachen in seine Muttersprache übersetzen, er hatte diese Sprachen von Menschen gelernt, die in seiner Gegenwart waren und auch mit Hilfe von Grammatikbüchern (vgl. Fromkin 2003: 49f).
2.4.9. Welches Verhältnis gibt es zwischen Sprachlernfähigkeit und Lehrmethoden? Verschiedene Methoden lehren verschiedene Konzepte von der Sprache unterschiedlich gut z.B. die Grammatik-Übersetzungs Methode legt auf das Auswendiglernen von Grammatikregeln viel Wert und die kommunikative Methode auf das induktive Erfassen von Grammatikregeln und diese Fähigkeiten entsprechen jeweils andere untergeordneten Fähigkeiten der Sprachlernfähigkeitstests. Es gibt jedoch in diesem Bereich entgegengesetzte Ergebnisse, Sawyer und Ranta (2001) konnten feststellen, dass Sprachlernfähigkeit keine Abhängigkeit von der Situation und Lehrmethode zeigt (vgl. Dörnyei 2005: 48). Sternberg (2002) konnte im Gegensatz einen stark situations- und methodenabhängigen Charakter von Sprachlernfähigkeitstests ausfindig machen (vgl. Dörnyei 2005: 48). Wesche (1981) untersuchte ein französisches Lehrprogramm in Kanada, dort wurde seit langem ein Sprachlernfähigkeitstest (eine Kombination von MLAT und PLAB) durchgeführt und Lerner in Gruppen unterteilt, in denen mit verschiedenen Unterrichtsmethoden unterrichtet wurde. Diejenigen, die bei Aussprache und Syntax gut waren, besuchten die Klasse mit der analytischen Methode, und die, die über gutes Gedächtnis und Hören verfügten, besuchten die Klasse mit der funktionalen Lehrmethode. Nach Wesche fühlten sich die Lerner im Unterricht sehr zufrieden und wohl. Skehan (1986) ist mit Wesche einverstanden und schreibt, dass wenn man den Lernern den richtigen Input (analytisch, Gedächtnisorientiert) gibt, dann würden beide Typen erfolgreich sein (vgl. Dörnyei 2005: 49).
2.4.10. Das Verhältnis von muttersprachlicher Kompetenz und Fremdsprachenlernerfolg: Untersuchungen haben gezeigt, dass erfolgreiche Fremdsprachenlerner über entsprechend bessere Lese- und Schreibfertigkeiten in der Muttersprache verfügen. Sie sind im syntaktischen Bereich besser, aber nicht im semantischen und sie haben auch einen höheren MLAT-Punkt. Dufva und Voeten (1999) haben 160 finnische Grundschüler von der ersten bis zur dritten Klasse untersucht und herausgefunden, dass die muttersprachliche Lese- und Schreibfähigkeit den Fremdsprachenerwerb positiv beeinflusst (vgl. Dörnyei 2005: 54). Desweiteren werden Unterschiede in der Zweitsprachenfertigkeit von der Perpektive der Affekte gesehen: Ist der Lerner so selbstbewusst, dass er sicher ist, dass er über Fähigkeiten verfügt eine Fremdsprache zu meistern? Diejenigen, die im Fremdsprachenunterricht wenig motiviert oder ängstlich sind, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei ihren muttersprachlichen Fähigkeiten Schwierigkeiten (vgl. Dörnyei 2005: 55). Sparks und Ganschow schreiben: „One’s capacity to learn an L2 is closely related to the individual’s L1 learning skills, and L2 learning difficulties stem in part from native language difficulties” (vgl. Dörnyei 2005: 53).
Fazit: Die angeführte Forschung von Wesche ist für den Einzelunterricht ausschlaggebend, wie berichtet, wurde in diesem Sprachinstitut zuerst ein Sprachlernfähigkeitstest von Lernern genommen, so wurden die Lerner in zwei Gruppen mit verschiedenen Unterrichtsmethoden eingeteilt. Die Lerner fühlten sich mit diesen, auf ihnen abgetimmten, Methoden wohl. Die Ergebnisse vom Wesche lassen sich zwar gut für dei Methodik des Einzelunterrichts einsetzen, aber es kommt noch die wichtige Frage des individuellen Lernziels für die Unterrichtsplanung dazu.
2.5. Motivation
Lerner unterscheiden sich mit dem Grad der Motivation. Die Lerner, die Einzelunterricht nehmen, haben meist sehr hohe Motivation, da sie aus eigenem Interesse diese Unterrichtsform auswählen.
2.5.1. Welche Funktion hat die Motivation? Motivation besorgt den ersten Schub um mit dem Erlernen einer Fremdsprache anzufangen und auch strebsam weiterzumachen (vgl. Dörnyei 2005: 65). So ist die Motivation der wichtigste Lernerunterschied, die den Lerner entweder zum Erfolg führt oder ihn dazu bringt das Lernen frühzeitig abzubrechen.
2.5.2. Drei Perioden der Motivationsforschung im Feld des Fremdspracherwerbs: Motivationsforschung kann nach Dörnyei (vgl. 2005: 66f) in drei Perioden eingeteilt werden: die sozial-psychologische Periode (1959-1990), die kognitive Periode (die Neunziger Jahre) und die prozessorientierte Periode (ab 2000). Nun werden diese Perioden beschrieben um die unterschiedlichen Facetten der Motivation aufzuzeigen, damit der Lehrer die Motivation des Lerners identifizieren kann und Mittel in die Hand bekommt diese weiterhin zu verstärken.
2.5.2.1. Die sozial-psychologische Periode der Motivationsforschung: Die ersten Forschungen im Feld der Motivation im Fremdsprachenerwerb kamen von Seiten der Sozialpsychologen, diese haben den Fremdspracherwerbserfolg mit Einstellung zu der jeweiligen Sprachgesellschaft (in unserem Fall, Einstellung zu den Deutschen) in Verbindung gesetzt (vgl. Dörnyei 2005: 67). So haben Gardner und Lambert 1972 das Fach Fremdsprache nicht wie die anderen Fächer soziokulturell-neutral gesehen, sondern brachten es mit Einstellungen, Stereotypen und sogar geopolitischen Überlegungen in Verbindung (vgl. Dörnyei 2005: 67). Gardner hat eine Motivationstheorie und daraus einen Motivationstest entwickelt, die beide im folgenden berschrieben werden. Gardners Motivationstheorie, die integrative Motivation, setzt sich aus drei Untergruppen zusammen:
- Die integrative Orientation: Interesse zu Fremdsprachen, Einstellungen zu der jeweiligen Sprachgesellschaft und ob der Lerner bereit und interessiert ist mit Mitgliedern der jeweiligen Sprachgesellschaft sozial zu interagrieren.
- Einstellungen zu der jeweiligen Lernsituation, die sich aus Einstellungen zu dem Lehrer und dem Sprachunterricht zusammensetzt.
- Motivation, die sich aus Wille, Wunsch und Einstellung zum Lernen zusammensetzt (vgl. Dörnyei 2005: 67).
Gardner hat 1985 (vgl. Dörnyei 2005: 68) einen Motivationstest entwickelt: die AMTB (Attitude/Motivation Test Battery). Sie ist zusammengesetzt aus über 130 Testfragen, es operationalisiert all die Items in Gardners Theorie und noch zusätzlich Fremdsprachbesorgtheit (anxiety), instrumentelle Orientation und Unterstützung von Seiten der Eltern. Gardner hat auch Items in die AMTB eingebaut, die das auf Motivation gegründete Verhalten des Lerners erfragen, wie die Frage nach freiwilligen Antworten im Kurs oder die Frage nach der Mühe, die sich der Lerner beim Hausaufgabenerledigen gibt. Man soll also auch vom Verhalten des Lerners auf seine Motivation schließen können.
2.5.2.2. Die kognitive Periode der Motivationsforschung: Diese Periode kam in den neunziger Jahren unter Einfluss von kognitiven Lerntheorien zustande (vgl. Dörnyei 2005: 66). In der kognitiven Periode wurde das Denken über sich selbst wichtig, wie der Lerner über seine eigene Fähigkeiten, Möglichkeiten, Beschränkungen, sein eigenes Potenzial, seine eigene Vergangenheit und sein Ziel denkt, wurde als ein wichtiger Aspekt der Motivation gesehen (vgl. Dörnyei 2005: 74).
2.5.2.3. Die prozessorientierte Priode der Motivationsforschung: In der prozessorientierten Periode wurden die Forscher auf den dynamischen Charakter der Motivation und ihre Veränderung auf Zeit aufmerksam. Wenn man die Beziehung von Motivation zu Lernverhalten untersucht, dann werden prozessorientierte Untersuchungen wichtig.
2.5.2.3.1. Drei Phasen der Motivation (in der prozessorientierten Periode): Nach Williams und Burden (vgl. Dörnyei 2005: 83) gibt es drei Phasen, um eine Aktivität anzufangen und zu Ende zu bringen:
a. Man hat Gründe, etwas zu machen.
b. Man muss sich dazu entscheiden, etwas zu machen und drittens
c. Man muss auch darauf bestehen, die Sache zu Ende zu bringen.
Die ersten zwei Phasen brauchen eine anfängliche Motivation und die dritte Phase braucht eine dauerhafte Motivation.
2.5.3. Drei Gründe eine Fremdsprache zu lernen: Nach Noels (2003) (vgl. Dörnyei 2005: 105) gibt es drei Hauptgründe eine Fremdsprache zu lernen:
- intrinsische Gründe, ob das Lernen einer Fremdsprache Spaß macht oder herausfordernd ist.
- extrinsische Gründe, ob der Lerner mit dem Lernen der Fremdsprache mehr Geld verdienen will oder eine hohe Stellung bekommt -Gardners instrumentelle Orientation fällt unter dieser Kategorie.
- Als dritten Grund nennt Noels Integrationsgründe, z.B. um Kontakte mit der Fremdsprachengruppe zu knüpfen und sich eventuell mit dieser Gruppe zu identifizieren.
2.5.4. Wie man die intrinsische Motivation des Lerners erhöht (Die Meinungen von zwei Wissenschaftlern):
- Die Meinung von Noels: Noels (2001) (vgl. Dörnyei 2005: 77) hat herausgefunden, dass je mehr der Lehrer den Schülern Autonomie gibt und je weniger er als Kontrolleur dasteht, d.h. je mehr er die Rolle des Partners hat, desto mehr sind die Lerner intrinsisch motiviert und desto weniger demotiviert. Wenn der Lerner aber von Anfang an extrinsisch motiviert ist, dann hat dieses Lehrerverhalten wenig Wirkung auf des Lerners intrinsische Motivation. Also kann man daraus einen Zusammenhang zwischen dem Lehrerverhalten und der Motivation des Lerners feststellen.
- Die Meinung von Wu: Wu schreibt 2003 (vgl. Dörnyei 2005: 79), dass man die intrinsische Motivation erhöhen kann, in dem man dem Lerner eine klare Lernathmosphäre schafft, ihm mittelschwere Aufgaben aufgibt, den Lerner mit sich selbst vergleicht (diese erhöhen das Können des Lerners), dem Lerner Freiheit gibt den Lehrstoff, die Lehrmethode und das Ziel selbst auszuwählen (offener Unterricht siehe hierzu Unterkapitel 2.7.4.) und mit dem Lerner die Lernstrategien zu trainieren (diese geben dem Lerner Autonomie). Erhöhtes Können und erhöhte Autonomie führen zu erhöhter intrinsischer Motivation.
2.5.5. Methoden für die Erhöhung der Motivation im Einzelunterricht: Um die extrinsische Motivation im Einzelunterricht zu erhöhen (in dieser besonderen Form von Unterricht gibt es keine Angst vor Prüfungen oder Noten, oder dass der Lerner das Gesicht vor anderen Mitschülern verliert), kann der Lehrer im Voraus dem Lerner mitteilen, dass wenn er sich beim Lernen Mühe gibt, er für diese Stunde weniger Geld verlangen wird, da Einzelunterrichtsstunden meistens teuer sind, kann dies als eine extrinsische Motivation gesehen werden (doch hier ist das Alter des Lerners wichtig, siehe die Unterkapitel 2.5.13. und 3.1.8.).
2.5.6. Die Attributiostheorie: Die Attributionstheorie (Attribution Theory), deren wichtigster Befürwörter Weiner (1992) war, besagt, dass unsere vergangenen Erfolge und Niederlagen bei unseren zukünftigen Erfolgen und Niederlagen entscheidend sind. Z.B. wenn wir unsere Niederlagen auf unsere geringen Fähigkeiten zurückführen, dann trauen wir uns nicht zu, die Aktivität zu wiederholen, wenn wir aber unseren Misserfolg darauf zurückführen, dass wir uns nicht genügend angestrengt haben oder unpassende Strategien angewandt haben, dann sind wir eher bereit und motiviert die Aktivität nochmal zu wiederholen. Also wenn man den Blickwinkel ändert, kann man mehr Motivation gewinnen und damit auch Erfolge erzielen (vgl. Dörnyei 2005: 79). Wenn man nun die Attributionstheorie auf den Einzelunterricht überträgt, kommt man zu dem folgenden Ergebnis: Im Einzelunterricht findet die Vergangenheit und die Lernbiografie des Lerners Wichtigkeit. Wenn der Lehrer Motivationsverlust bemerkt, so kann er dem Lerner seine Erfolge vor Augen führen.
2.5.7. Die Motivation in zwei Unterteile zu gliedern ist unzureichend: In der Forschung wurden meist nur zwei Dimensionen der Motivation aufgegriffen (vgl Dörnyei 2005: 70), die affektiv-interpersonale Dimension und die instrumental-nützliche Dimension, die dem Lerner berufliche Vorteile verschafft. Es ist jedoch schwer alle Sprachlerngründe unter diesen Kategorien einzuordnen, z.B. Gründe wie das Verstehen englischer Popmusik, japanischer Computerspiele, oder Chinesisch zu lernen nur um damit anzugeben eine schwierige Sprache zu beherrschen. Man sieht, dass diese Theorien noch unzureichend sind. Im Einzelunterricht ist es die Motivation des Lerners, die das Ziel ausmacht (siehe Kapitel 3.4.).
2.5.8. Demotivation: Es gibt auch eine negative Motivation oder Demotivation, also eine Motivation, die die Energie, eine Aktivität zu verrichten, mindert. Demotivation im Fremdsprachenunterricht kommt relativ häufig vor. Wenn zwischen Kräften von innen und außen Widersprüche entstehen und die äußerlichen Kräfte dominieren, mit anderen Worten die Motivation des Individuums durch diese unterdrückt oder kontrolliert wird, dann entsteht Demotivation. Demotivation heißt aber nicht, dass alle inneren Kräfte für die Aktivität ausgelöscht sind. Das Interesse an der Fremdsprache bleibt meist erhalten. Demotivation kann z.B. aus schlechten Erfahrungen mit der Klasse entstehen. Im Fremdsprachenunterricht können die äußeren Kräfte institutionelle Bedingungen oder die sozial-dynamischen Kräfte der Klasse sein (vgl. Dörnyei 2005: 89f). Im Einzelunterricht fällt ein Großteil davon weg, aber hier kann der Lehrer selbst ein noch schwerwiegenderer Grund für Demotivation sein. Der Einzelunterricht sollte möglichst den Vorstellungen des Lerners entsprechen, damit es nicht zu Widersprüchen zwischen der Motivation des Lerners und dem Unterricht kommt.
2.5.9. Der Lerner als Beschützer seiner Motivation: Wenn man die Motivation als etwas Dynamisches sieht, das sich immer wieder schwächt und verstärkt, dann sollte man diese Motivation bewusst regulieren, negative Einflüsse auf diese vermindern und positive verstärken. In diesem Rahmen sollte man die Motivation als etwas Vergängliches sehen und sich selbst als Beschützer der Motivation. Dies gelingt, wenn man sich selbst für sein Lernen verantwortlich fühlt und es selbst in die Hand nimmt (vgl. Dörnyei 2005: 90f). Der Lerner nimmt am Einzelunterricht meist mit verstärkter Motivation teil, so sollte der Lehrer besonders auf die Motivation des Lerners eingehen und diese stärken.
2.5.10. Ein anderes Selbst zu haben motiviert: Es kann auch so gesehen werden, dass Motivation deswegen entsteht, weil man sich wünscht in Zukunft ein anderes Selbst zu haben und sich dann zu diesem Selbst hinarbeitet (vgl. Dörnyei 2005: 98f). Praktisch kann man ein gewünschtes Selbst beim Lerner stimulieren und ihm dieses vor Augen führen.
2.5.11. Der Zusammenhang zwischen Motivation und Sprachlernfähigkeit: Wie Gardner und Lambert (vgl. Dörnyei 2005: 65) hervorheben, kann der Grad der Motivation den Effekt der Sprachlernfähigkeit verändern. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Motivation und Sprachlernfähigkeit, hohe Motivation kann die Effekte geringer Sprachlernfähigkeit ausschalten und geringe Motivation kann die Effekte hoher Sprachlernfähigkeit schwächen.
2.5.12. Motivation und Alter in der Praxis: Nach Storch (vgl. 1999: 336) sind Motive und motivierende Faktoren altersabhängig. Hier werden diese bei jüngeren und älteren Lernern beschriben:
- Bei jüngeren Lernern soll die Motivation von außen gesteuert werden, d.h. durch Lehrer und Lernsituation. Konkrete Belohnungen wie Gummibärchen sind motivierend. Die Schülermotivation wird mit Nahzielen, wie z.B. Fleißkärtchen oder Zuwendung durch den Lehrer beeinflusst. Jüngere Schüler fühlen sich weniger eigenverantwortlich für ihr Verhalten. Meist motiviert ein Lächeln der Lehrerin und des Lehrers.
- Bei älteren Lernern geht die Motivation auf inneren Faktoren über, d.h. die Lerner wollen von Innen heraus lernen. Konkrete Belohnungen, die für jüngere Lerner motivierend waren, verlieren an Wirksamkeit, so werden mehr abstrakte Verstärker wichtig, wie z.B. dass der Lerner versteht, wo er das angeeignete Wissen anwenden kann, bzw. wie nützlich es für ihn werden kann. Fernziele, wie z.B. Zeugnis oder Berufswunsch beeinflussen die Motivatoin. Die Fremdverantwortlichkeit der jüngeren Lerner sollte zu Eigenverantwortlichkeit übergehen, d.h. der Lerner sollte sich selbst für sein Verhalten verantwortlich fühlen.
2.5.13. Die sechs festgestellte Motivationssyndrome von Edmondson: Nach Emondson (vgl. 2004: 12ff) gibt es sechs verschiedene Wege, wie Lerner ihre motivationalen Konflikte lösen. Motivationale Konflikte sind bei Edmondson Widersprüche, die entstehen, wenn die inneren Motive mit äußeren demotivierenden Gegebenheiten zusammentreffen. Er stellt sechs Syndrome fest:
- „Press On Regardless“ Syndrom (P.O.R.), das die Ausdauer und andauernde Strebsakeit des Lerners zeigt. P.O.R. kann z.B. entsehen, wenn sich der Lerner hohe Ziele bei der Arbeit oder dem Studium gesetzt hat oder aber Angst vor die Auswirkungen des Nicht-Lernens hat.
- „Take Over Yours“ Syndrom (T.O.Y.), eine schwächere Version des P.O.R. Syndroms, dass entsteht, wenn der Unterricht, die Lernmaterialien oder Lernaktivitäten dem Lerner demotivierend erscheinen, aber trotzdem akzeptiert werden und der Lerner weiterlernt.
- Das „Ich weiß besser“ Syndrom (I know best, I.K.B.), das Autonomitätssyndrom, das mit Selbstvertrauen verbunden ist.
- Das „ Zähne zusammenbeißen“ Syndrom (Grit Your Teeth, G.Y.T.) ist eine positive Reaktion gegen demotivierende Verhältnisse, so wird der Lerner nicht geschwächt, sondern versucht es besser zu machen.
- Das „Ich brauche Druck“ Syndrom (I Need Pressure, I.N.P.), hier muss Druck von Seiten der Umwelt ausgeübt werden, damit der Lerner weiterkommen kann.
- Das „kein Druck von Außen“ Syndrom (No External Pressure N.E.P.) das Individuum ist hier auf seine eigenen Kräfte angewiesen und wird durch äußeren Druck demotiviert.
Die Motivationssyndrome I.N.P. und N.E.P. sind sehr wichtig, denn diese zeigen Lernerunterschiede auf, so lernen manche Lerner nur wenn der Lehrer auf sie Druck ausübt, aber mache Lerner brauchen keinen Druck von Außen und lernen von selbt, es kann sein, dass Druck sich sogar hemmend auswirkt. Der Lehrer sollte also herausfinden, welches Motivationssyndrom der Lerner hat und entsprechend unterrichten. Edmondson schreibt weiter, dass diese Syndrome zu den individuellen Unterschieden gehören, jedoch zum Teil den motivationalen Aufbau des Lerners gestalten.
Fazit: In diesem Unterkapitel ist versucht worden von verschiedenen Blickwinkeln die Motivation des Individuums zu betrachten, es ist wichtig diese bei dem Lerner zu identifizieren und von diesen Erkenntnissen, für die Erhöhung der Motivation, Gebrauch zu machen. Wenn der Lehrer den Grad und die Art der Motivation des Lerners identifiziert, kann er sich diese Erkenntnisse sinnvoll in seine Unterrichtsvorbereitung integrieren, damit die Motivion nicht sinkt und sich sogar erhöht.
2.6. Lernstile
Ein weiterer Bereich, indem sich die Lerner voneinander unterscheiden, sind die Lernstile.
2.6.1. Was sind Lernstile? Reid 1995 (vgl. Dörnyei 2005: 121) schreibt, dass sie des Lerners natürliche bevorzugte (prefered) Gewohnheiten bei Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung neuer Informationen und Fähigkeiten sind. Mit anderen Worten bezeichnen Lernstile, wie der Lerner sich zum Lernen hinbewegt. Sie sind ein Entwurf davon, wie der Lerner es gewohnt ist oder bevorzugt mit der Lernumwelt zu interagieren. Lernstile sind nicht wie die Sprachlernfähigkeit angeboren (wenn diese überhaupt angeboren ist). Und werden nicht benutzt, um Lerner voneinander zu trennen, sondern zeigen den Lernweg des Individuums.
2.6.2. Welcher Lernstil ist besser? Es ist nicht möglich zu sagen, welcher Lernstil besser ist, denn sie sind nicht auf ein Kontinuum von gut bis schlecht, sondern sind bipolar und reichen von einem Extrem zu einem anderen. Jeder kann mit jedem Lernstil erfolgreich sein. Kinsella 1995 (vgl. Dörnyei 2005: 122) schreibt, dass das Konzept von Lernstilen im Idealfall wertneutral ist und schafft einen Weg die individuellen Unerschiede zwischen Lerner verschiedener Sprachen und Kulturen zu verstehen.
2.6.3. Lernstile und kognitive Stile: In der Literatur sind die beiden Begriffe Lernstile und kognitive Stile (Cognitive Styles) meist gleichbedeutend verwendet worden, obwohl diese einen Bedeutungsunterschied aufweisen.Wenn man die Situationskomponente von den Lernstilen wegnimmt, dann hat man kognitive Stile. Man kann die kognitiven Stile einfacher untersuchen, da der Einfluss von Situation wegfällt. Man kann die kognitiven Stile so definieren: der vom Lerner gewohnte und bevorzugte Weg, Informationen wahrzunehmen, zu merken, zu organisieren, zu verarbeiten und zu repräsentieren (vgl. Dörnyei 2005: 124). Doch damit ist das Problem immer noch nicht gelöst, denn kognitive Stile haben immernoch Korrelationen mit Persönlichkeitsdimensionen und kognitiven Fähigkeiten. Kognitive Stile sind ein Teil der kognitiven Prozesse. Kognitive Prozesse sind aus zwei Faktoren zusammengesetzt: Fähigkeit (ability) und kognitive Stile. Fähigkeiten beziehen sich auf den Inhalt und Grad der Kognition (die Frage nach was? Und wieviel?) und kognitive Stile beziehen sich auf die Frage „wie?“ z.B. manche Lerner bevorzugen es, Informationen auf visuellem Weg zu verarbeiten und manche auf auditivem Weg (z.B. eine Vorlesung zu besuchen). Ein anderer Unterschied zwischen Fähigkeiten und kognitiven Stilen ist, dass Fähigkeiten einpolig sind (von schwach bis stark) und kognitive Stile zweipolig. Fähigkeiten werden bevorzugt, wenn sie stärker sind, während bei den kognitiven Stilen keine der beiden Enden des Kontinuums besser als der andere ist (z.B. analytisch-global). Die Untersuchung der Kognitiven Stile geht zurück auf das Ende des 19. Jahr-hunderts, als Forscher darauf aufmerksam wurden, dass manche Lerner die Informationen verbal und manche visuell im Gedächtnis repräsentierten. Aber einen großen Fortschritt auf diesem Feld gab es erst in den 40er und 50er Jahren, wenn Witkins und seine Kollegen die Feldabhängigkeit/Unabhängigkeit (fielddependent/ -independent) studierten (vgl. Dörnyei 2005: 125). In diesen zwanzig Jahren haben die Forscher über 20 kognitive Stile entdeckt. Aber wegen fehlender Validität konnten sie nicht erhalten bleiben und wurden wenigen Kategorien untergeordnet (zu den Begriffen kognitive Stile und Lernstile siehe auch Grotjahn 2003: 326).
2.6.4. Kognitive Stile von Riding: Riding hat 2002 kognitive Stile in zwei Gruppen eingeordnet, die analytisch/globale Dimension und die verbal-visuelle Dimension (vgl. Dörnyei 2005: 127):
2.6.4.1. Die analytisch-globale Stildimension (wholist-analytic): Die analytisch-globale Stildimension beschreibt, ob der Lerner Informationen als ganzes sieht oder als zusammengesetzte Teile. Lerner, die „global“ sind, tendieren dazu die Situation als Ganzes zu sehen, Dinge von oben zu betrachten und den Kontext zu beachten, dafür können sie aber das Detail außer Acht lassen. Wenn sie also einen Text lesen, um ihn dann wiederzugeben, sollte ein Titel über diesem Text stehen, da ein Titel eine thematische Orientierung zur Verfügung stellt. Analytische Lerner sehen eine Situation als Zusammensetzung von kleineren Teilen, sie sind meist auf einige Aspekte der Situation aufmerksam. Den Titel für einen Text anzugeben, verbessert ihr Können nicht wesentlich. Deren Stärke liegt darin, eine Situation in Teilen zu zerlegen und so jedem Problem auf den Grund zu gehen. Sie können ganz leicht Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Sachen finden. Der Nachteil der Analytiker liegt darin, dass sie meist einigen Teilen mehr Aufmerksamkeit schenken und so keine ausgeglichene Perspektive von der ganzen Situation erhalten.
2.6.4.2. Die verbal-visuelle Stildimension: Die verbal-visuelle Stildimension beschreibt, ob der Lerner in Wörtern denkt oder in Bildern. Lerner, die eher verbal sind, sind besser bei der Verarbeitung sprachlicher Informationen und visuelle Lerner sind besser bei der Verarbeitung visueller Informationen. Die Verbalen fokussieren sich mehr nach außen und mögen eine stimulierende Umwelt, während die Bildlichen (imagers) zu Passivität tendieren und nach innen gerichtet sind. Menschen liegen meist irgendwo in der Mitte dieses Kontinuums und machen von Vorteilen beider Extreme Gebrauch.
2.6.5. Die Feldabhängigkeit/-unabhängigkeit: Die analytisch-globale Dimension ist ein Unterglied einer höheren Kategorie: Die Feldabhängigkeit/-unabhängigkeit. feldabhängige Lerner werden von dem ganzen Feld beeinflusst im Gegensatz zu feldunabhängigen, die unbeeinflusst von dem ganzen Feld bleiben. Wenn feldunabhängige Lerner sich auf die zusammensetzenden Glieder des Ganzen konzentrieren, können sie Details sehen, die die feldabhängigen nicht sehen. Beim Fremdsprachenlernen, sind feldabhängige nicht immer im Nachteil, weil sie auf die Gesellschaft sensiblisiert sind. Die Untersuchungen von Johnson und Mitarbeiter im Jahre 2000 haben zu diesem Ergebnis geführt, dass feldabhängige Lerner im Gegensatz zu Feldunabhängigen, bei Aufgaben besser waren, bei denen der Schwerpunkt mehr auf kommunikativen Fähigkeiten lag als bei formalen Aspekten der Sprache (vgl. Dörnyei 2005: 137). Jedoch ist es schwer auszumachen, wer genau wo auf der Skala dieses Kontinuums liegt, da es situationsgebunden und auf Personalität basiert ist und einen Zusammenhang mit den Strategien aufweist.
2.6.6. Auf Sinne basierte Lernstile: Sinne sind Kanäle, durch die der Lerner Informationen aufnimmt. Es gibt vier Lernstile dieser Art (sensory preferences): Visuell, auditiv, kinetisch und taktil. Die kinetischen und die taktilen Lerner stehen in der Literatur meistens unter der haptischen Gruppe, denn sie sind miteinander verwandt. Nach Oxford sind etwa 50 bis 80 Prozent der Lerner visuell (vgl. Dörnyei 2005: 140). Die auf den Sinnen basierten Lernstile schließen sich gegenseitig nicht aus, d.h. der Lerner kann z.B. gleichzeitig visuell und auch auditiv sein.
- Visuelle Lerner: Visuelle Lerner können Informationen besser verarbeiten, wenn sie durch den Sinneskanal Auge präsentiert werden, sie bevorzugen Leseaufgaben und benutzen farbige Textmarker um Wörter visuell hervorzuheben, sie mögen Filme und Videos und wenn der Unterricht mehr aus Vorlesung besteht, können Handouts oder Slides die Vorlesung visualisieren.
- Auditive Lerner: Auditive Lerner lernen am effektivsten, wenn der Unterrichtsstoff in sprachlicher Form präsentiert wird, sei es nun durch Vorlesung oder Audiokassetten. Wenn sie etwas lernen möchten, lesen sie meist laut vor sich hin, das Lesen mögen sie weniger als das hören.
- Kinetische Lerner: Die kinetischen Lerner lernen meist durch vollen Körpereinsatz. Sie können schwer für Stunden sitzenbleiben und bevorzugen beim Lernen sich zu bewegen. Bei kinetischen Lernern sollte der Lehrer regelmäßig Pausen einlegen, anders werden sie unruhig, es ist eine Herausforderung für sie für Stunden ruhig zu sitzen.
- Taktile Lerner: Die taktilen Lerner mögen mit den Händen etwas bauen, Collagen oder Poster gestalten oder Kunstwerke herstellen und im Labor Experimente durchführen.
2.6.7. Wie kann man Lern- und kognitive Stile messen? Obwohl Lernstile psychologische Einheiten darstellen, konnte die Messtheorie noch nicht die richtige Methode entwickeln, um diese zu messen (vgl. Dörnyei 2005: 131). Die meisten Tests sind für praktische Zwecke geeignet und weniger für wissenschaftliche Zwecke. Es gibt zwei Verfahren die Lernstile eines Lerners zu messen:
- Der Lerner berichtet, mit einem Fragebogen, über sich selbst, wie er Informationen behandelt (self-report);
- der Lehrer gibt dem Lerner kleinere Informationsverarbeitungsaufgaben und beobachtet, wie der Lerner diese Aufgaben behandelt.
Da der Lerner die Lernstile unbewusst benutzt, kann das erste Verfahren, der Selbstbericht, nicht so genau sein, denn bei Fragebögen antwortet man nicht immer realitätsgetreu, sondern oft so, wie man lieber sein will, und beim Antworten kann der Lerner auch Fehler machen. Der Lehrer kann auch verschiedene Lernstrategien lehren und dann beobachten, mit welcher Lernstrategie der Lerner am besten zurechtkommt. Um Lernstile zu messen, sind sehr viele Fragebögen konzipiert worden, die meist dazu dienen, im Unterricht gebraucht zu werden, also um Lerner zuerst auf Lernstile insgesamt und dann auf ihre eigenen Lernstile aufmerksam zu machen. Die folgenden Beispiele für Lernstiltests untersuchen sehr unterschiedliche Lernstile.
2.6.8. Zwei Beispiele für Lernstiltests: Hier werden zwei Tests für das Messen von Lernstilen genannt, der erste von Reid bemisst die auf Sinne basierten Lernstile und der zweite von Oxford bemisst auch andere Lernstile.
- Reids PLPSQ: Reids (1995) (vgl. Dörnyei 2005: 142) PLSPQ (Perceptual Learning Style Preference Questionnaire) untersucht sechs Lernstile: visuell, auditiv, kinetisch, taktil und ob der Lerner bevorzugt vielmehr allein oder in einer Gruppe zu lernen.
- Oxfords SAS: Oxfords (1993) Style Anaysis Survey untersucht elf Lernstile: visuell, auditiv, taktil, Introversion/extroversion, intuitiv/konkret, planmäßig/offen, global/analytisch (vgl. Dörnyei 2005: 143f).
2.6.9. Lernstile von Skehan: Skehans (1998) (vgl. Dörnyei 2005: 152) Konzept von Sparchlernstilen ist nicht wie die anderen Konzepte auf Psychologie gegründet, sondern auf Linguistik. Um eine Sprache zu lernen, müssen zwei Systeme vorhanden sein, die erstens auf Regeln (rule-based) und zweitens auf Gedächtnis (memory-based) basiert sind. So zieht Skehan den Schluss, dass es zwei Lernstile gibt: Analyseorientierung und Gedächtnisorientierung. Diese zwei Orientierungen bilden ein Kontinuum. Lerner, die analytisch orientiert sind, bilden eine Repräsentation von der Sprache, die organisiert und gesetzmäßig ist. Lerner, die gedächtnisorientiert sind, bilden zwischen Wortphrasen und bestimmten Situationen Beziehungen. Lerner mit gutem Gedächtnis werden sicher viele Wörter und Wortphrasen auswendig lernen und diese bei passenden Situationen wiedergeben. Die regelorientierten Lerner ziehen es vor, auf formale Struktur und Regeln der Sprache zu achten, während die gedächtnisorientierten es bevorzugen, auf Kommunikation und Wortphrasen zu achten. Die gedächtnisorientierten Lerner sprechen schneller, geben nicht Acht auf Fehler und korrigieren ihre Fehler nicht. Die regelorientierten Lerner sprechen langsamer, regelbasiert und genau und versuchen ihre Fehler zu korrigieren. Diese beiden Orientierungen sind deshalb berechtigt mit Lernstilen in Verbindung gesetzt zu werden, weil sie zur Gewohnheit werden können und der Lerner diese beim Lernen bevorzugt.
2.6.10. Vier Punkte zu denen die Lernstile des Lerners passen müssen: Bei den Lenrnstilen mussen die folgenden Punkte beachten werden:
- Es müssen die Lernstile des Lerners zu den Lehrstilen des Lehrers und zu den Lernstilen des Lehrplans passen, z.B. wenn der Lerner einen analytischen Lernstil besitzt und der Lehrplan die Grammatik nicht systematisch abbildet, kann es zu einem Konflikt kommen. Wenn es einen Konflikt zwischen den Lehr- und Lernstilen gibt, dann könnten Lernschwierigkeiten entstehen und diese werden meist nicht als Lehr- und Lernstilkonflikte erkannt sondern als Fähigkeitsmangel interpretiert (vgl. Grotjahn 2003: 330)
- Es müssen die Lernstile des Lerners zu den Lernstilen der Aufgabe (language task) passen, z.B. wenn der Lerner visuell ist und die Aufgabe auditiv.
- Es müssen die Lernstile des Lerners zu seinen eigenen Vorstellungen von Sprachlernen passen, z.B. wenn der Lerner analytisch ist aber glaubt, dass die Fremdspache nur durch Auswendiglernen gelernt werden kann.
- Es müssen die Lernstile des Lerners zu Lernstrategien passen, die von dem Lerner benutzt werden, z.B. wenn der Lerner global orientiert ist aber bottom-up-strategien benutzt (Dörnyei 2005: 155).
In einer Klasse sollte der Lehrer möglichst von vielen Stilen und Strategien Gebrauch machen, damit sich alle Lerner gleichermaßen angesprochen fühlen. Man kann in der Klasse einen Fragebogen über Lernstile durchführen und dann über Lernstile diskutieren, damit die Lerner über ihre Lernstile bewusst werden und effektiver lernen können. Der Lehrer kann die Lerner zuerst über ihre eigenen Lernstile bewusst machen und sie dann mit anderen Lernstilen vertraut machen (Style stretching), damit sie sich in verschiedenen Situationen flexibler verhalten können. Der Lehrer könnte mit Lernstrategien bekannt machen, die zu den Lernstilen des Lerners passen. Verschiedene Lerner haben individuelle Lernstile, die von den standardisierten Lernstilen abweichen und so sollte der Lehrer, des Lerners spezifische Lernstil herausfinden. Um die Lehr- und Lernstile aufeinander zu bewegen, ist es machbar, dass der Lehrer den Lerner motiviert und Gelegenheit gibt den Lehrplan mitzugestalten (vgl. Dörnyei 2005: 155), d.h. der Lehrer sollte einen offenen Unterricht führen. Der Lehrer könnte auch den Lerner offen sagen lassen, was er am Unterricht gut und was er schlecht gefunden hat.
2.6.11. Die Beziehung zwischen Lernstilen und Lernstrategien: Snow und Mitarbeiter schreiben 1996 (vgl. Dörnyei 2005: 122), dass der wichtigste Unterschied zwischen Lernstilen und Lernstrategien in deren Stabilität liegt. Lernstile sind Lernstrategien, die stetig benutzt werden. Lernstile sind auf physiologischem Grund verankert, während Lernstrategien gelernt und ausgebaut werden können. Grigorenko schreibt 2001 (vgl. Dörnyei 2005: 122), dass Lernstile unbewusst benutzt werden, während der Lerner Lernstrategien bewusst wählen und benutzen muss. Manche Lerner sind nicht in der Lage, ihre Lernstile situationsgemäß zu ändern und das bringt sie in Schwierigkeiten (vgl. Dörnyei 2005: 123). Solchen Lernern kann im Einzelunterricht geholfen werden. Wenn dies bei einem Lerner beobachtet wird, dann sollte schnellstens der Lernstil identifiziert und der Unterricht diesem angepasst werden.
2.6.12. Die Beziehung zwischen Lernstilen und Persönlichkeit: Manche Dimensionen der Persönlichkeit sind Lernstile genannt worden, z.B. Extroversion und Introversion. In den letzten Jahren haben die Forscher entdeckt, dass Persönlichkeit einen starken Einfluss auf Lernstile ausübt, sie haben manche Lernstile „auf Persönlichkeit basierte Lernstile“ (personality-based learning styles) genannt. Dörnyei (vgl. 2005: 123) schreibt, dass Lernstile sehr kontrovers sind, sie werden von Lerner bevorzugt aber verschieden stark, sie sind mit Lernstrategien verwandt, aber sie können nicht mit ihnen gleichgesetzt werden, weil sie irgendwo zwischen innere Fähigkeiten und Strategien fallen. Sie scheinen situationsunabhängig zu sein, aber sie sind nicht ganz frei von Situationseinflüssen und manche Lernstile sind unter Persönlichkeitsdimensionen zu sehen.
Fazit: Fragebogen für Lernstile beinhalten Fragen wie z.B. „wie lerne ich Wortschatz? a) durch Gruppierung von ähnlichen Wörtern, b) durch Bilder, c) durch das laute Aufsagen von Wörtern, d) durch Wiederholung“, solche Fragen kann nur ein Lerner beantworten, der auch viel Wortschatz gelernt hat und verschiedene Wege ausprobiert hat und weiß, wie er am effektivsten lernt. Da Lernstile mit Situation zusammenhängen, können an verschiedenen Zeiten verschiedene Stile angewandt werden und so kann man diese Frage nicht beantworten. In der ersten Unterrichtsstunde, kann keiner solche Fragen beantworten. Der Lerner soll mit vielen Strategien experimentieren, um erstens seinen Lernstil finden zu können und zweitens sich für komplizierte Situationen aufrüsten zu können (style stretching). Der Lernstil der Lerner, die bei ihrem Lernstil nicht flexibel sind, d.h. mit einer anderen Strategie nicht lernen können (dies kommt bei älteren Lernern häufig vor), soll schnellstens identifiziert werden und der Lehrstil diesem angepasst werden.
2.7. Lernstrategien und Lernerautonomie
Verschiedene Lerner benutzen für die bewältigung von Aufgaben verschiedene Lernstrategien.
2.7.1. Was sind Lernstrategien? Bimmel hat 1993 Lernstrategien so definiert: „ Eine Lernstrategie ist ein Plan (mentalen) Handelns, um ein Lernziel zu erreichen“ (Bimmel/Rampillaon 2000: 53). Hier wird das Konzept der Lernstrategien, anhand dieser Definition, ausgeweitet: Lernstrategien sind Pläne, die von dem Lerner bewusst eingesetzt werden um das Ziel zu erreichen, erst nach längerem Üben können sie auch unbewusst eingesetzt werden und zu Lernstilen werden (vgl. Dörnyei 2005: 162).
2.7.2. Wie Lernstrategien zu Lernerautonomie führen: Das Konzept der Lernstrategien ist eng mit der Lernerautonomie verbunden. Mit Hilfe der Lernstrategien kann der Lerner darauf schließen, wie sein Gedächtnis funktioniert und so kann er auf seinen Lernertyp schließen. D.h. er soll aufmerksam beobachten können mit welcher Art von Lernstrategien er am erfolgreichsten lernt und so kann er wissen welcher Lernertyp er ist. Und so kann er autonom am effektivsten lernen.
2.7.3. Wie der Unterricht den Lerner zum autonomen Lernen befähigen kann: Aus der oben geschilderten Definiton von Lernstrategien geht hervor, dass, wenn der Lerner geeignete Lernstrategien auswählen will, er das Ziel gut kennen muss. Hier kann man zwischen dem Plan und der Ausführung des Plans unterscheiden. Also kann man sich eine Instanz im Kopf vorstellen (einen Manager), die plant und eine Instanz, die den Plan ausführt. Der Manager soll das Ziel bestimmen können, soll dazu passende Strategien finden. Während der Ausführung überwacht der Manager, ob die richtige Strategie gefunden und angewandt worden ist und zum Schluss überprüft er, ob das Ziel erreicht worden ist. Im Unterricht übernimmt der Lehrer die Aufgabe des Managers, wenn aber der Lerner zum autonomen Lernen befähigt werden soll, sollte die Managerfunktion an ihm übergeben werden (vgl. Bimmel/Rampillon 2000: 55f). Dazu soll das Lernziel am Anfang der Stunde angegeben werden und der Unterricht offen gehalten werden, d.h. es wird den Lernenden relativ viel Freiraum gelassen, selbst zu entscheiden was sie wie lernen wollen. Im folgenden wird eine Unterrichtsform beschrieben, die dem Lerner zum autonomen Lernen befähigen soll: der offene Unterricht.
2.7.4. Offener Unterricht: Das Konzept des offenen Unterrichts hat vieles mit Lernerautonomie gemeinsam und kann als übergeordnetes Ziel für den Fremdsprachenunterricht gelten. Die Lernerautonomie ist für den Einzelunterricht auch von Bedeutung, denn hier wollen die Lernenden den Unterricht meist (wegen zu hoher Kosten) als einen Anfang für das spätere autonome Lernen benutzen (wie eine Abschussrampe), dies kann auch ein Ziel des Lerners sein. Die Planung des offenen Unterrichts ist nach Papst 1977 (vgl. Schwerdtfeger 2001: 106) nicht wie die eines normalen Unterrichts, in dem der Lehrer für eine Unterrichtsstunde eine gradlinige Planung, in der es mit Zeitangabe genau feststeht, was die Lerner machen sollen, um das von Anfang an festgelegte Ziel zu erreichen. Vielmehr stehen bei dem Planungsentwurf des offenen Unterrichts Varianten und Alternativen des Unterrichtsverlaufs, den die Lerner zuerst durch Diskussion entweder modifizieren oder ohne Veränderung übernehmen. Vom Lehrer werden Alternativen für das Lernziel oder die Lernziele, Lerninhalte, Methoden und Medien vorgeschlagen, aus denen die Lerner auswählen können. So kann der Lerner nach seinem Interesse diese auswählen und denkt nicht mehr, dass ihm z.B die Lerninhalte aufgezwungen sind und nimmt auch mit verstärkter Motivation am Unterricht teil. Er kann auch Lerninhalte auswählen, die seinem Niveau entsprechen, d.h. nich so einfach und nicht so schwer sind, dass er sich gelangweilt oder überfordert fühlt. Dass Lernziele am Anfang der Stunde betont werden, ist sehr wichtig, denn so versuchen Lerner sich bewusst zu diesen hochzuarbeiten und so werden die Lernstrategien wichtig, denn der Lerner fragt sich, wie er denn das Lernziel erreichen kann. Wenn er sich einem Problem gegenübersieht und versucht es selbständig - selbständig bedeutet hier nicht allein - zu lösen, gewinnt er an Autonomie. Es werden von dem Lehrer Angaben über weitere (oder andere) Informationsquellen gemacht, damit Lerner Unzulänglichkeiten abschaffen oder ihr Wissen erweitern können. Es werden vom Lehrer Angaben über Sozialformen gemacht, die geeignet sind, Schülerinitiativen und Schülermitbestimmungen zu realisieren. Beim offenen Unterricht werden Lernmaterialien, die so ausgewählt sind, dass sie verschiedene Meinungen wecken, zu Meinungsäußerung provozieren, alternative Fragestellungen anbieten und Weiterführungen der Problemaspekte aufzeigen, vom Lehrer nicht kommentiert, damit die Lerner von ihren eigenen Vorkenntnissen und Erfahrungen im Unterricht Gebrauch machen. Die Lernmaterialien selbst sind auch offen, d.h. sie enthalten wenig einengende Arbeitsanweisungen des Lehrers und sie enthalten Hinweise, mit deren Hilfe der Lerner Probleme eigenständig lösen kann. Und sie sind so zahlreich, dass die Lerner auch wirklich eine große Auswahl haben, auszuwählen, was sie bearbeiten möchten und sie sind z.B. durch ein Inhaltsverzeichnis klar gegliedert und übersichtlich, damit der Lerner von Anfang an weiß, was er bearbeitet. Im offenen Unterricht ist auch eine Auswertungsphase eingebaut, in der die Lerner berichten wie sie bei der Lösung des Problems vorgegangen sind und in dieser Phase werden auch die Ergebnisse beurteilt.
2.7.5. Die Kategorisierung der Lernstrategien: Lernstrategien haben kognitive Funktionen, wie das Einprägen von neuem Wortschatz, emotionale oder affektive Funktionen, wie das Vermeiden von Stress oder Angst und soziale Funktionen, wie das gemeinsame Lernen mit einem Partner oder in einer Gruppe. Mit den Lernstrategien kann der Lerner planen, wie er lernt. Man kann Lernstrategien unterschiedlich kategorisieren. Hier wird die Kategorisierung von Dörnyei und Bimmel/Rampillon vorgestellt.
2.7.5.1. Die Kategorisierung von Dörnyei: Dörnyei teilt Lernstrategien in vier Kategorien (vgl. Dörnyei 2005: 169):
- Kognitive Strategien: diese Strategien dienen dazu den zu lernenden Stoff zu manipulieren, zu transformieren und im Gedächtnis zu speichern.
- Metakognitive Strategien: diese Strategien analysieren den Lernprozess, kontrollieren, evaluieren und planen.
- Soziale Strategien: anhand dieser Strategien verhält sich das Individuum so, dass in einer Gruppe mehr Kommunikation stattfindet und mehr in der Fremdsprache geübt wird.
- Affektive Strategien: diese Strategien kontrollieren die Emotionen.
2.7.5.2. Die Kategorisierung von Bimmel und Rampillon: Bimmel und Rampillon unterscheiden drei Arten von Lernstrategien (vgl. Bimmel/Rampillon 2000: 55f):
- Direkte oder kognitive Strategien: Direkte Strategien befassen sich direkt mit dem Lernstoff, also mit der Verarbeitung, Strukturierung und der Speicherung im Gedächtnis. Mnemotechniken gehören zu dieser Kategorie. Das Ergebnis dieser Stratgien ist beobachtbar, z.B kann der Lerner die Bedeutung neuer Wörter auswendig oder kann einen Lückentext mit grammatischen Wörtern richtig ausfüllen. Diese Strategien werden in zwei Gruppen unterteilt (vgl. Bimmel/Rampillon 2000: 69):
a. Die Gedächtnisstrategien: Mit Hilfe der Gedächtnisstrategien, können neue Inhalte leichter abgespeichert und leichter wieder abgerufen werden. D.h. wenn man die Funktionen des Gedächtnisses kennt, kann man effektiver lernen.
b. Die Sprachverarbeitungsstrategien: Sprachverarbeitungsstrategien sind Strategien, die dazu benutzt werden die Sprache auf unterschiedlichsten Zugangsweisen zu verarbeiten. Die Fremdsprache wird mit ihrer Hilfe, analysiert, manipuliert, strukturiert und transformiert.
- Indirekte Strategien: Indirekte Strategien befassen sich mit der Art und Weise des Lernens, mit den Gefühlen, die beim Lernen auftreten (affektive Strategien) und mit sozialen Verhaltensweisen. Also befassen sich die indirekten Strategien mit der Frage: „Wo, wann, mit wem (und wie, d.h. wie man sich in einer Gruppe verhalten soll) und wie (emotionen) soll was gelernt werden.“ Die indirekten Strategien haben keinen direkten Bezug zum lernen aber ihre Anwendung trägt dazu bei, dass das Lernen effektiv statt fendet.
- Sprachgebrauchsstrategien: Sprachgebrauchsstrategien sind Strategien für den Sprachgebrauch, wie z.B. die Frage „Wie bitte?“ oder das Benutzen von Gestik und Mimik, um Verständigung besser zu ermöglichen.
2.7.6. Beispiele für Lernstrategien: Hier werden einige Lernstrategien nach Bimmel und Rampillon (vgl. 2000: 65f) vorgestellt:
- Beispiele für direkte Strategien: Mentale Bezüge herstellen (z.B. Wortgruppen bilden, Assoziationen mit dem Vorwissen verknüpfen u.a.), Bilder und Laute verwenden (Wortigel herstellen u.a.), regelmäßig und geplant wiederholen, handeln, strukturieren (markieren, sich Notizen machen u.a.), analysieren und Regeln anwenden (Sprachen miteinander vergleichen, Wörter und Ausdrücke analysieren u.a.), üben (die Fremdsprache kommunikativ gebrauchen u.a.), Hilfsmittel anwenden (Wörterbücher verwenden u.a.).
- Beispiele für indirekte Lernstrategien: sich auf das eigene Lernen konzentrieren, das eigene Lernen einrichten und planen, das eigene Lernen überwachen und auswerten, Gefühle registrieren und äußern, Stress reduzieren, sich Mut machen, Fragen stellen, zusammenarbeiten, sich in andere hineinversetzen.
- Beispiele für Sprachgebrauchsstrategien: Vorwissen nutzen (Bedeutung aus dem Kontext erraten u.a.) und „mit allen Mitteln wuchern“ (zur Muttersprache wechseln, Gestik und Mimik einsetzen, um Hilfe bitten, das Thema wechseln u.a.).
2.7.7. Der Gebrauch von Lernstrategien im Unterricht: Bimmel und Rampillon (2000: 64) schreiben: „Nicht jede Strategie ist für jeden Lernenden passend, und oft können Lernende aus mehreren Strategien diejenigen auswählen, die für sie am effektivsten und angenehmsten ist, um ihre Ziele zu erreichen“, deswegen sollen sie möglichst viele Lernstrategien kennenlernen, um selbständig entscheiden zu können, wie sie ihr Lernen gestalten. So sollte der Lerner die Gelegenheit bekommen die Strategie selbst auszuwählen, damit er lernt das eigene Lernen selbständig weiterzuführen, so sind das nicht nur die Lehrer, die das Wissen vermitteln, sondern auch die Lerner, die in vielen Fällen ihre persönlichen Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse einbringen. Nach Bimmel und Rampillon (vgl. 2000: 48) sollte der Lehrer die folgenden Punkte beachten:
- Der Lehrer sollte die von den Schülern schon eingesetzten Lernstrategien bewusst machen.
- Der Lehrer sollte den Lernern verschiedene Lernstrategien beibringen, und sie auch dazu veranlassen, diese zu benutzen. Am Anfang wird wohl eine gewisse Abneigung gegenüber neugelernten Strategien bestehen, denn es ist für Lernende einfacher die Lernstrategien einzusetzen, an die sie gewohnt sind, es ist aber wichtig neue Lerntrategien auszuprobieren und sich dann für oder gegen sie zu entscheiden.
- Der Lehrer sollte im Unterricht Lernformen zulassen, bei denen die Lerner selbständig handeln können.
Wenn der Lehrer Lernstrategien geschickt vermitteln kann, dann werden, nach Dörnyei (vgl. 2005: 173) die Lerner motivierter und so entwickeln sich Lerner, die mehr Geschick und Selbsvertrauen haben.
Manche Lernstrategien sind für manche Lernertypen besonders passend. Z.B. können visuelle Lernertypen die Lernstrategie „mit Bildern verbinden“ benutzen, oder haptische Lernertypen können z.B. neue Wörter mit Handeln verbinden. Im Einzelunterricht kann der Lehrer, nachdem er den Lernertyp (d.h. den Lernstil des Lerners) identifiziert hat, dem Lerner passende Lernstrategien anbieten, um Zeit zu sparen und zu bezwecken, dass der Lerner schneller autonom wird.
2.7.8. Lernbiografie und Lernstrategien: Man kann dieses Konzept auch an die Lernbiografie des Lerners ausweiten, und sagen wenn ein Lerner immer bestimmte Lernstrategien benutzt hat, können diese später zu Lernstile werden, mit anderen Worten, wenn die Lehrer eines Schülers, in seiner schulischen Laufbahn, immer auf die gleichen Strategien verweisen, so gibt es eine Generation, die mehr oder weniger ähnliche Lernstile hat. So könnte man auch darüber in einer Gesellschaft forschen um zu wissen, wie eine Generation zu lernen am komfortabelsten ist; dies kann auch für den Einzelunterricht vom Wert sein, denn hier könnte der Lehrer mit dem Wissen über des Lerners Lernbiograhie, von Anfang an mehr oder weniger seinen Lernstiel erraten.
Fazit: Den Lerner autonom zu machen, kann als eins der Ziele von Einzelunterricht gelten. So bekommen Lernstrategien hohen Wert, demnach sollte der Unterricht möglichst offen gehalten werden und es sollte sehr viele Lernstrategien vermittelt werden, die auch geübt werden müssen. Wenn der Lerner mit der Zeit darauf aufmerksam wird, mit welchen Lernstrategien er besser und schneller lernen kann, kann er auf seinen Lernstil schließen und von weiteren Lernstrategien Gebrauch machen, die zu seinem Lernstil passen, so wird er mit der Zeit autonom.
2.8. Die Sprachlernbiografie des Lerners am Beispiel Iran
Die Lernbiografie der Lerner kann deren Lerngewohnheiten (siehe Unterkapitel 2.7.8.) und deren Erwartungen vom Lernen bestimmen, deshalb scheint es sinnvoll darauf einzugehen. Durch eine Lehrwerkanalyse von Sprachfächern in der Schule kann die Sprachlernbiografie verdeutlicht werden.
Im Iran werden in der Schule zwei Fremdsprachen gelernt, Arabisch und Englisch. Die beiden Fächer fangen von der sechsten Klasse (der ersten Klasse Rahnamaee) an. Arabisch wird bis zur elften Klasse und Englisch bis zur zwölften Klasse gelernt. Rahnamaee ist die Schulstufe von der sechsten Klasse bis zur achten und Dabirestan umfasst die Klassen 9 bis 11. Jahrgang zwölf ist die voruniversitäre Klasse und wird „Pishdaneshgahi“ genannt. In dieser Arbeit wird eine Lehrwerkanalyse von fünf Schulbüchern, des Jahres 1388 (=2010) durchgeführt, die in Rahnemae und Dabirestan unterrichtet werden: Englisch der ersten Klasse Rahnamaee (die sechste Klasse) (بیرجندی/سهیلی:1388), Englisch der dritten Klasse Dabirestan (die elfte Klasse) (بیرجندی/نوروزی/محمودی:1388), Arabisch der ersten Klasse Rahnamaee (die sechste Klasse) (متقی زاده/میرحاجی/کریمی:1388), Arabisch der zweiten Klasse Rahnamaee (die siebten Klasse) (متقی زاده/میرحاجی/کریمی:1388) und Arabisch der dritten Klasse Dabirestan (die elfte Klasse) (متقی زاده/ میرحاجی: 1388). Es wird bei der Analyse auf die Lehrwerkgliederung, Texte, Wortschatz, Grammatik und Übungen besonders geachtet.
2.8.1. Arabisch: Arabisch fängt von der sechsten Klasse (erste Klasse Rahnamaee) an und wird bis zur elften Klasse (dritten Klasse Dabirestan) gelernt. Die Lehrwerke für Arabisch für Rahnamaee (von der sechsen bis zur achten Klasse) und für Dabirestan (von der neunten Klasse bis zur elften Klasse) folgen alle dem gleichen Prinzip: Am Anfang des Lehrwerks für die siebte Klasse steht, dass das übergeordnete Ziel für Arabisch ist den Koran und religiöse Texte zu lesen und zu verstehen. Also wird von dem Ziel schon klar, dass Arabisch nicht für die Kommunikation unterrichtet wird, sondern für das Leseverstehen, deshalb wird die Aussprache nicht besonders betont und es wird gar nicht auf das Hörverstehen eingegangen. Was wichtig wird, ist die Grammatik und der Wortschatz. Die Schriftzeichen des Arabischen sind mit dem Persischen gleich und es gibt im Wortschatz sehr viele Gemeinsamkeiten. Persisch und Arabisch unterscheiden sich aber in deren Grammatik.
2.8.1.1. Lehrwerkgliederung für das Fach Arabisch: Die Lehrwerke für Rahnamaee bestehen aus zwölf Lektionen. Jede Lektion fängt mit einem Text an, danach gibt es einen Grammatikteil, in dem das neue Grammatik beschrieben wird, danach kommen die Übungen, diesem Teil schließt sich ein Teil an, der (الدراسات القرآنیه) (übersetzt: Lektionen aus dem Koran) genannt wird, und indem einige Übungen mit Koranischen Versen vorkommen, dieser Teil umfasst meist nur eine Seite. Die erste Lektion ist Wiederholung der Grammatik des vergangenen Jahres und die letzte enthält zusammenfassende Übungen der in dem Lehrwerk gelernten Grammatik. Am Ende des Lehrwerks befindet ein Verzeichnis von neuen Wörtern mit persischer Übersetzung, geordnet nach den Lektionen. Die Lehrwerke für Dabirestan haben ungefähr den gleichen Aufbau, die größte Änderung ist, dass es sehr viel mehr auf Übersetzung Wert gelegt wird, nach dem Übungsteil schließt sich ein Text an, der übersetzt werden muss und danach kommt ein Gebetstext (دعا), der auch übersetzt werden muss.
2.8.1.2. Texte: Die Texte sind auf Basis des zu lernenden Grammatik erstellt worden, und enthalten bewusst Elemente der neuen Grammatik. Es sind keine authentischen Texte. Die Texte sind wenig ansprechend oder interessant, es sind meist sehr kurze Geschichten oder Dialoge. Die neuen Wörter sind mit Rot geschrieben, diese kommen im Wörterverzeichnis am Ende des Lehrwerks mit der persischen Übersetzung vor, die neue Grammatik ist mit Blau geschrieben, die nach dem Text erklärt wird. Es ist versucht worden mit sehr vielen Zeichnungen die Texte ansprechend zu machen. Die Texte werden von dem Lehrer gelesen und übersetzt und die Schüler schreiben die Übersetzung auf und müssen in der nächsten Stunde den Text mit der Übersetzung lesen oder auswendig aufsagen. In Lehrwerken für Dabirestan werden die Texte länger und neue Wörter und Grammatik werden nicht mehr mit anderen Farben gekennzeichnet.
2.8.1.3. Wortschatz: Die Bedeutung der Texte ist leicht durch begleitende Comics zu verstehen, in den Übungen sind Wörter mit Zeichnungen zu verbinden (solche Wortschatzübungen kommen aber nur in Rahnamaee vor) und die neuen Wörter stehen mit persischer Übersetzung am Ende des Buches. Es steht am Anfang des Lehrwerks für die sechste Klasse, dass der Wortschatz des Korans in den Texten häufig vorkommt. Bei den koranischen Versen, die am Ende jedes Kapitels stehen, werden in den Prüfungen (in Rahnamaee) nur die Bedeutungen der Wörter abgefragt und nicht die Bedeutung des ganzen Verses.
2.8.1.4. Grammatik: Die Grammatik setzt sich fort wie ein herkömliches Grammatikbuch. Das Lehrwerk lehrt die Grammatik schwach induktiv (stark zur deduktiv neigend), d.h. es wird von den Lernern nicht verlangt, die Regel selbst zu erschließen. Die Lehrer unterrichten die Grammatik meist deduktiv, d.h. nach dem Text wird die Regel von dem Lehrer aufgesagt und die Lerner müssen sie auswendig lernen. Die grammatischen Erscheinungen sind in Tabellen übersichtlich angeordnet. Die Regeln werden im persischen erklärt. Die Unterrichtssprache ist Persisch. Der Lehrer analysiert die Texte auch Wort für Wort in Bezug auf deren Grammatik, in Dabirestan wird dies mehr.
2.8.1.5. Übungen: So wie am Anfang des Lehrwerks angegeben, spielen die Übungen eine große Rolle beim Lernen. Nach dem Grammatikteil jedes Kapitels folgen die Übungen. Jedes Kapitel hat ugf. sieben Übungen, Leseverstehensübungen, Wortschatzübungen und Grammatikübungen. Die Leseverstehensübungen sind Ankreuzübungen, d.h. die Schüler müssen nur ja/nein oder richtig/falsch ankreuzen. Die Wortschatzübungen sind z.B. Lückentexte auf Arabisch, nach jeder Lücke steht in Klammern ein persisches Wort, das in die arabische übersetzt werden muss. Ein anderes Beispiel für Wortschatzübungen ist eine Übung, in der Wörter mit Bildern verbunden werden sollen. Die Grammatikübungen sind beispielsweise Übungen, in denen Verben konjugiert werden sollen, oder Sätze, in denen Veben, die in maskulin stehen auf feminin umformuliert werden sollen, oder arabische Fragesätze, die vollständig auf arabisch beantwortet werden sollen. Es gibt auch Übersetzungsübungen, in denen persische Sätze auf Arabisch übersetzt werden sollen. Die Übungen sind meistens stark gesteuert und haben eine einzige Antwortmöglichkeit. In Dabirestan werden die Übersetzungsübungen sehr viel mehr, in jeder Lektion gibt es einige Texte, die übersetzt werden müssen.
2.8.2. Englisch: Der Englischunterricht fängt von der sechsten Klasse (erste Klasse Rahnamaee) an und erstreckt sich bis zur zwölften Klasse (Pishdaneshgahi). Mit dem Lehrwerk gibt es auch eine Kassette (muss aber extra gekauft werden, und in der Klasse wird die Kassette (oft) nicht benutzt) und ein Übungsheft, das der Lehrer selbst bestimmen soll. Die Lehrwerke sind in Rahnamaee nach der audiolingualen Methode konzipiert, es wird nicht Kommunikiv gelernt. Nur in den Lehrwerken in Dabirestan gibt es einen Teil, der Musterdialoge enthält, in denen die Schüler angegebene Wörter einsetzen können und so in Partnerarbeit Dialoge führen können. In Dabirestan nimmt die Audiolingualität ab und die Methode wird nur geringfügig kognitiv, d.h. die Übungen sind meistens Drills.
2.8.2.1. Lehrwerkgliederung: Am Anfang jeder Lektion kommt ein Text, diesem schließen sich zahlreiche Übungen an und am Ende der Lektion sind einige Tabellen aufgeführt, die in Kürze die Grammatik und die neuen Wörter der Lektion veranschaulichen. Am Ende des Lehrwerks kommen die Vokabeln, die ohne persische Übersetzung sind. Dieses Konzept bleibt für Rahnamaee und Dabirestan gleich.
2.8.2.2. Texte: in den Lehrwerken für Rahnamaee sind die Texte meist kurze Dialoge, eine Zeichnung zeigt die Situation für den Dialog. Die Texte sind nach der Grammatik verfasst. In Dabirestan sind die Texte länger und sind dem Authentischen nah, d.h. es kommt einem nicht vor, als seien die Texte für einen grammatikalischen Zweck gefasst worden.
2.8.2.3. Wortschatz: Der Wortschatz ist in den Texten und auch in den Übungen gegeben. In Rahnamaee sind die Bedeutungen der neuen Wörter mit Zeichnungen verdeutlicht. In den Lehrwerken in Dabirestan sind wenige Zeichnungen vorhanden. Und es wird das Erschließen der Bedeutung von neuen Wörtern aus dem Kontext betont, denn am Anfang jeder Lektion werden Wörter in mehreren Sätzen und mit mehreren Bedeutungen vorgeführt.
2.8.2.4. Grammatik: Die Grammatik bestimmt die Texte und die Übungen. Sie wird induktiv durch viel Wiederholung (Drill) gelernt. Am Ende jedes Kapitels sind die Regeln in einer Tabelle übersichtlich dargestellt. In Dabirestan kommt die Grammatik in den Übungen vor, es ist aber nicht einfach die neue Grammatik auch in den Texten zu identifizieren.
2.8.2.5. Übungen: Die Übungen sind hauptsächlich Drills. Am Anfang jeder Übung ist ein Muster vorgegeben. Die Übungen sind aufbauend angeordnet, so werden Fehler vermieden. Es sind auch in Dabirestan Drills vorhanden, aber nicht so stark wie in Rahnamaee.
Fazit: Iranische Schüler lernen nicht nach der kommunikativen Methode, sie kennen diese Form von Unterricht nicht. Die Unterrichtsstunden sind nicht lernerzentriert, sondern lehrerzentrierter Frontalunterricht, so kommt es den Schülern auch nicht normal vor, in einer Gruppe zu lernen, dies gilt nicht nur für Fächer wie Fremdsprachen, sondern auch für andere Schulfächer, es kommt fast ausschließlich im Fach Sport vor, dass Schüler Gruppen bilden. Sprachenlernen ist für sie identisch mit Grammatik und Vokabelnlernen. Aber Schüler, die neben der Schule auch ein Sprachinstitut besuchen –und es sind nicht wenige-, lernen mit modernen englischen Lehrwerken, und wenn der Lehrer kompetent ist, auch mit neueren Methoden, denn Sprachinstitute geben vor den Englischunterricht kommunikativ zu gestalten.
3. Einzelunterrichtsplanung
3.1. Erkenntnisse der Lernpsychologie und der pädagogischen Psychologie auf den Einzelunterricht
Die Lernpsychologie befasst sich mit dem Thema „wie man lernt“ und „was beim Lernvorgang im Gehirn passiert“ und hat zum Ziel Lerntheorien zu entwickeln. Die pädagogische Psychologie befasst sich mit der Anwendung von Psychologie auf die Pädagogik und ihr Ziel ist die Optimierung von Unterricht. Diese beiden Forschungsrichtungen sind verwandt miteinander, deshalb werden sie zusammen aufgeführt.
3.1.1. Zwei Personalitätstypen: Unser Gehirn hat zwei Hemisphären, die linke und die rechte Hemisphäre. Die linke Hemisphäre dient zur Erkennung systematischer Konstrukte, wie die Sprache. Die rechte Hemisphäre dient dazu Gefühle auszudrücken. Aus diesem Erkenntnis kann man zwei Typen unterscheiden, denn Menschen unterscheiden sich bei dem Ausmaß der Aktivierung beider Hemisphären. Manche Menschen neigen dazu Dinge eher linkshemisphärisch-analytisch oder rechtshemisphärisch-intuitiv zu erkennen und entsprechend zu handeln. Um einen Inhalt einmal für die Linke und einmal für die rechte Hemisphäre anzupassen, werden Techniken der „Multiple Repräsentation” aufgegriffen (vgl. Edelmann 2000: 13).
3.1.2. Lernen durch Handeln: Wenn Inhalte nicht vergessen werden sollen, sollten sie mit Handeln verbunden werden, sie sollten also eine Handelnskomponente aufweisen.
3.1.3. Kann die Lernpsychologie aussagen, wie man am effektivsten verschiedene Lerner unterrichten kann? Eysenck hat 1965 festgestellt, dass extrovertierte Versuchspersonen einen bedingten Lidschlagreflex[6] langsamer erlernen als introvertierte Versuchsteilnehmer. Das hieße, dass Extrovertierte weniger leicht konditionierbar wären. Diese Befunde seien jedoch nicht unumstritten. Wir sind noch weit von einer differentiellen Lenpsychologie entfernt, die den Einfluss von Persönlichkeitsvariablen, wie Alter, Intelligenz, Extroversion/Introversion oder Angstbereitschaft auf die verschiedenen Formen des Lernens erklären könnte. D.h. wir können noch nicht mit unserem Wissen durch Tests voraussagen, wie wir einen Lerner am effektivsten lehren sollen (vgl. Edelmann 2000: 40). Dies bedeutet aber nicht, dass wir noch gar nichts über die Beziehung zwischen Persönlichkeits-merkmalen und Lernerfolg aussagen können, denn einige Fakten sind klar erwiesen. Z.B., dass es bei komplexen Aufgaben, wie das Problemlösen, eine Abnahme der Informationsverarbeitungskapazität bei ängstlichen Schülern eintritt.
3.1.4. Wie kann der Lehrer Angst löschen? Angst hat positive aber auch negative Effekte. Die positven Effekte veranlassen den Lerner härter zu arbeiten, während die negativen Effekte die intellektuelle Leistungsfähigkeit herabsetzen (vgl. Mietzel 2001: 385). Manche Lerner sind von Natur aus ängstlich (trait anxiety). Angst sollte nicht immer mit Phobie oder Furcht gleichgesetzt werden (vgl. Dörnyei 2005: 198). Um Angst auszulöschen, sollte der Lehrer dem Lerner Sicherheitsreize darbieten. Eine weitere angstvermindernde Maßnahme ist es, die Angtquelle, also die Bedrohung zu finden, sie zu vermeiden, und eine Atmosphäre der Sicherheit und des Gelingens schaffen. Der Lehrer sollte durch emotionale Wärme, Höflichkeit und Freundlichkeit, Wertschätzung und verständnisvolle Zugewandtheit, Sicherheit und Ruhe, Ängste und emotionale Beeinträchtigungen des Lerners vermindern.
Nach Spielmann und Radnofsky (vgl. Dörnyei 2005: 201), fühlen Lerner wenn sie eine Fremdsprache benutzen, ein anderes Ich in sich selbst und das führt zu Unruhe (tension) und Angst. Dweck und Wortmann berichten 1982, dass sich hochängstliche Lerner relativ häufig Gedanken über die Bewertung ihrer Leistungen im Vergleich zu anderen Lernern machen (vgl. Mietzel 2001: 386). Im Einzelunterricht braucht sich der Lehrer darüber aber keine Sorgen zu machen, denn hier kann der Lerner nicht mit einen Anderen verglichen werden, deshalb könnte man diesen Lernern raten Einzelunterricht zu nehmen. Die Teilnahme an Einzelunterricht reicht aber nicht aus, um mit der eigenen Angst umgehen zu lernen. Im Gegenteil damit würde man eher problematischen Situationen ausweichen und die Angst eher noch verstärken.
Die Rivalität unter den Lernern fällt im Einzelunterricht weg, dies wirkt für manche fördernd für manche nicht. Rivalisierende Verhältnisse ziehen die Aufmerksamkeit der Lerner auf sich, so antwortete eine Schülerin auf die Frage, welche Gedanken sie beim Lösen einer Mathematikaufgabe hatte, sie hätte hauptsächlich daran gedacht, wie sie im Vergleich zu einer guten Schülerin abschneiden würde und dass sie besorgt war, dumm dazustehen (vgl. Mietzel 2001: 387). Vermutlich wirkt aber nicht die Anwesendheit anderer Schüler bei ängstlichen Schülern leistungsmindernd, sondern vielmehr die Sorge, mit ihnen verglichen zu werden und dabei schlechter abzuschneiden. Bimmel und Rampillon schreiben (2000: 24):
„Manche Schülerinnen und Schüler kennen die Angst davor, Fehler zu machen und sich zu blamieren. Keine(r) von ihnen möchte gerne das Gesicht vor den Mitschülerinnen und Mitschülern verlieren. In solchen Situationen ist der Einsatz sozialer und kooperativer Lernformen zu empfehlen, wobei gemeinschaftlich dasselbe Ziel angestrebt wird.“
Man kann durch gemeinsame Erarbeitung von Aufgaben in der Gruppe dem Entstehen von Angstgefühlen vorbeugen.
3.1.5. Maßnahmen zur Verminderung von Angstreaktionen:
- Zeitdruck ist angstauslösend, ängstliche lerner sollten unter recht entspannten Bedingungen die Lernaufgaben lösen.
- Wenn Lerner ihr Selbstwertgefühl bedroht sehen, steigt ihre Ängstlichkeit, deshalb sollte mehr Kooperation als Wettbewerb gefördert werden.
- Ängstlichen Lernern entgehen viele Einzelheiten, deshalb sollten sie die Gelegenheit bekommen, sich z.B. Texte mehrfach durchzulesen und das Gelesene in eigenen Worten zu wiederholen.
- Lehrer sollten mehrfach an bereits früher Dargestelltes erinnern, häufiger Pausen einlegen und den Lerner ermahnen sich voll auf die Aufgabe zu konzentrieren.
3.1.6. Der Vorbildcharakter des Lehrers im Einzelunterricht: Die Effekte der erzieherischen Aktivitäten des Lehrers sind im Einzelunterricht viel stärker als im Klassenunterricht, denn im Einzelunterricht wird der Vorbildcharakter des Lehrers deutlich hervorgehoben, während dieser Eindruck im Klassenunterricht durch die Beziehung der Schüler miteinander und die Klassenatmosphäre gedämpft wird. Im Einzelunterricht ist auch die Aufmerksamkeit der Lerner voll auf den Lehrer gerichtet und die Beziehung zwischen Lehrer und Lerner sehr viel intensiver. Deswegen sollte der Lehrer über genaue pädagogische und lerntheoretische Kenntnisse verfügen.
3.1.7. Wie soll die Beziehung zwischen Lehrern und Lernern sein? Nach Bimmel und Rampillon (vgl. 2000: 24) kann die Beziehung zwischen Lehrern und Lernern besonders dann lernförderlich sein, wenn:
- eine gute zwischenmenschliche Beziehung vorhanden ist,
- die Unterrichtenden eine positive Ausstrahlung haben und Überzeugungskraft besitzen,
- wenn Motivation und Offenheit für die fremde Sprache, für fremde Kulturen und für das Fremde überhaupt vorhanden sind.
3.1.8. Wie kann der Lehrer lernpsychologisch die Motivation des Lerners erhöhen? Die Motivation hat zwei Pole: einen internen Pol, den Personenfaktor und einen externen Pol, den Situationsfaktor, der durch den Lehrer, die Eltern oder den Lerner selbst geschaffen wird und auf den internen Pol abgestimmt sein muss. Der Lehrer kann die Motivation des Lerners erhöhen, indem er die Attraktivität des Unterrichts, des Lernstoffes, in unserem Fall der Sprache und was man damit alles erreichen kann, erhöht. Diese Attraktivität sollte wahrheitsgemäß sein, den Interessen des Lerners entsprechen und ihm keine leeren Versprechungen geben. Die Interessen des Lerners sollten im Einzelunterricht auch methodisch interessant und lernergemäß dargeboten werden.
3.1.9. Neues Wissen basiert auf Vorwissen: Im Einzelunterricht ist es nützlich Themen und Inhalte zu wählen, über die der Lerner schon Vorwissen hat, sie sollten mit den Erfahrungen des Lerners im Einklang sein. Im Klassenunterricht, im Gegensatz zum Einzelunterricht, ist dies viel schwieriger. Aber auch hier sollte man das Gleichgewicht halten, also erstens keine Inhalte mit hohem Bekanntheitsgrad dem Lerner anbieten, sodass Langeweile entsteht und die Motivation sinkt, und zweitens sollte der Lehrer keine Inhalte wählen, die dem Vorwissen des Lerners in hohem Maße widersprechen oder ihm zu schwierig erscheinen (vgl. Mietzel 2001: 96). Dass man neues Wissen auf Basis des Vorwissens lernt, wird schon oft gesagt, aber es wird nicht so oft gesagt, dass das Vorwissen sehr zählebig ist und sich nicht so leicht löschen lässt. Im Fremdsprachunterricht kann der Lerner Vorwissen über die Sprache oder Landeskunde des jeweiligen Landes haben. Wenn es dem Lehrer nicht gelingt diesen Widerstand im Vorwissen, gegenüber Veränderung, zu durchbrechen, ist die Entwicklung eines neuen, veränderten Verständnisses beim Lerner grudsätzlich in Frage gestellt (vgl. Mietzel 2001: 30).
Wenn der Lerner die Fremdsprache wiedererwerben möchte, kann es sein, dass die Sprache fossilert ist und gegen Veränderungen Widerstand leistet, so ist es schwer, diesen Widerstand zu durchbrechen (vgl. Roche 2001: 60). Im Einzelunterricht ist es viel einfacher das Vorwissen beim Individuum festzustellen und falls es fehlerhaft ist, es zu verbessern. Durch Fehler kann der Lehrer auf Missverständnisse aufmerksam werden, denn sie (die Fehler) sind die Grundlagen für neues Lernen.
3.1.10. Verschiedene Interessen: Neuheit, Komplexität und Ungewissheit lösen Neugiermotivation aus, z.B. das Lesen von Kriminalromanen oder das Lösen von Kreuzworträtseln, in unserem Fall das induktive Erfassen von Grammatikregeln. Wenn sich Neugier auf bestimmte Bereiche konzentriert, sozusagen kanalisiert, spricht man von Interessen. Es gibt Menschen mit vielfältigen Interessen, Menschen, die an einem Gebiet interessiert sind und solche mit sehr wenig Interessen (vgl. Edelmann 2000: 246).
Einer der Nachteile des Klassenunterrichts ist der sogenannte kumulative Leistungsdefizit. Der Sprachunterricht ist, nach der kommunikativen Methode, hierarchisch aufgebaut, also gibt es Elemente, die immer wieder vorkommen und im Laufe der Zeit komplizierter werden, man kann nicht immer prüfen, ob wirklich alle Teilnehmer den Lernstoff verstanden haben. Im Einzelunterricht kann sich aber der Lehrer einfacher dessen versichern.
Ein Merkmal des guten Lehrers ist die Begeisterungsfähigkeit, der Lehrer muss den Lerner in hohem Maße mitreißen können, damit der Lerner Interesse an dem Fachgebiet entwickeln kann und er sollte davon überzeugt werden, dass das, was er lernt, wichtig ist.
Die Leistungsmotivation ist aus Erfolgsorientierung und Anstrengungsbereitschaft zusammengesetzt, wer keine Erfolge erwarten kann und keine Erfolge erzielt, kann nicht leistungsmotiviert sein.
3.1.11. Lehrer als Erfolgsmotiv: Im Klassenunterricht kann der Lerner andere Klassenkameraden als Erfolgsmotiv nehmen und sich so verbessern. Im Einzelunterricht aber entfällt dies, und so nimmt der Lehrer einen hohen Platz und kann als Erfolgsmotiv gelten. Damit der Lehrer als Vorbild gilt, sollte er bei seinem Lerner den Eindruck erwecken, dass er sein Fachgebiet gut beherrscht und dass er in seinem Beruf erfolgreich ist, der Lehrer sollte auch gute Beziehungen zu seinem Lerner aufbauen (siehe hierzu Unterkapitel 3.1.7.).
Erfolgsmotiv, Erfolgswahrscheinlichkeit und Erfolgsanreiz beeinflussen sich wechselseitig und bilden die Tendenz „Hoffnung auf Erfolg“ (vgl. Edelmann 2000: 260). Im folgenden wird dies beschrieben.
3.1.12. Misserfolgserwartung und Hoffnung auf Erfolg: Misserfolgserwartung geht einher mit Gefühlen wie Ärger, Scham und Angst, diese Gefühle sollen vermieden werden. Denn z.B. Angst bewirkt, dass die intellektuelle Leistungsfähigkeit sinkt. Verhalten wie Flucht- und Vermeidungsverhalten kann der Lehrer leicht bemerken, z.B. wenn der Lerner den Unterricht immer wieder abbricht oder sich angstmotiviert aggressiv verhält. Wenn diese Gefühle oder Verhalten beim Lerner bemerkt werden, kann der Lehrer auf Misserfolgserwartung schließen und es ist gleichgültig ob Leistungshandeln gesehen wird oder Leistung vermieden wird, es wirkt demotivierend (siehe auch 2.5.8.). Der Lehrer sollte in diesem Fall Hoffnung auf Erfolg aufbauen und Angst reduzieren. Erfolge sollten weniger auf innere Begabung und mehr auf Anstrengung bezogen werden, Misserfolge auf Umstände wie Aufgabenschwierigkeit oder Pech und nicht auf die eigene Person des Lerners, denn wenn Erfolg auf Sprachlernfähigkeit (auf die Begabung) des Lerners zurückgeführt wird, besteht eine geringere Bereitschaft zur Anregung von Aktivitäten und Sichanstrengen (vgl. Mietzel 2001: 67). Anstrengung und Begabung haben ein kompensatorisches Verhältnis. Es ist klar, dass sich lobende und tadelnde Stellungnahmen des Lehrers auf den Grad der Anstrengung auswirken. Das Lob des Lehrers ist besonders für jüngere Lerner ein wichtiger Leistungsansporn. Auch die meisten Erwachsenen haben ein Bedürfnis nach Anerkennung ihrer Leistungen durch die soziale Umwelt (siehe auch Unterkapitel 3.5.13.). Das Lob des Lehrers sollte planvoll eingesetzt werden, um die Hoffnung auf Erfolg (Erfolgserwartung) zu erhöhen. Der Lehrer sollte mit stärkstem Lob reagieren, wenn er herausfindet, dass sich der Erfolg des Lerners aus hoher Anstrengung ergibt, er sollte jedoch den Lerner nicht loben, wenn er einfache Aufgaben löst, denn es könnte das Missverständnis entstehen, der Lehrer schriebe dem Lerner geringe Fähigkeiten zu und so verliert der Lerner Selbstvertrauen. Wenn der Lehrer tadelt, dann weiß der Lerner, dass er nicht mit voller Befähigung die Aufgabe gelöst hat und dass er mehr leisten könnte (vgl. Mietzel 2001: 157f). Bei Lob oder Tadel sollte der Lehrer immer hervorheben, was der Lerner gut oder schlecht gemacht hat; einfach nur „sehr gut“ zu sagen hilft nicht viel und zeigt nur den kontrollierenden Charakter des Lehrers. Der Lerner sollte möglichst keinen Zwang empfinden, denn Zwang geht meist einher mit Angst und dies könnte die Furcht vor Misserfolg erhöhen (vgl. Edelmann 2000:261).
Lob und Tadel haben andere Wirkungen im Einzel- und Klassenunterricht. Im Klassenunterricht haben sie verstärkte Wirkung, denn der Lerner wird vor seinen Klassenkameraden gelobt oder getadelt und rückt sich so in den Vordergrund und wird angesprochen.
Lerner mit sehr hoher Lernmotivation werden wenig von Qualitätsunterschieden des Unterrichts beeinflusst (vgl. Mietzel 2001: 23). Solche Lerner verfügen offenbar über ziemlich gute Möglichkeiten, ihre Lernprozesse in verstärktem Maße selbst zu steuern.
3.1.13. Lernen Schüler besser von Gleichaltrigen oder von Erwachsenen? Nach Piaget sollten vor allem Gleichaltrige Gelegenheit zur Zusammenarbeit erhalten, denn nur zwischen ihnen könne ein ausgeglichenes Geben und Nehmen stattfinden. „Kritik“, so erklärte Piaget 1932 einmal „entsteht aus der Diskussion, und Diskussionen sind nur zwischen ebenbürtigen möglich: Kooperation ermöglicht deshalb etwas, was intellektuelle Beschränkungen (der unerschütterliche Glaube an das umfangreichere Wissen des Erwachsenen) nicht zustande bringen“ (Mietzel 2001: 76). Dies stellt einen Nachteil für Einzelunterricht dar, es muss aber Wege geben den Lehrer zu einer, dem Lerner ebenbürtigen, Person herabzusetzen, damit Diskussionen entstehen können, bei denen sich der Lehrer und der Lerner gegenseitig helfen können und der Lehrer nicht mehr die Rolle des Alleswissenden trägt. Wer Unterstützung bietet, muss sich sehr gut in das aktuelle Lern- oder Verständnisniveau des Empfängers hineinversetzen können, denn es wäre nicht hilfreich dem Lerner Informationen zu vermitteln, die weit über seinen Verarbeitungsmöglichkeiten liegen (vgl. Mietzel 2001: 108). Es gibt aber auch eine andere, entgegengesetzte, Meinung, nämlich die von Wygotski. Nach Wygotski sind es vor allem Erwachsene, die am besten geeignet sind eine Entwicklung beim Lerner zu fördern, denn das Wissen des Lehrenden sollte von höherem Niveau als das des Lerners sein (scaffolding)[7], und den-Inhalt-zu-vermitteln sind Gleichaltrige nicht in der Lage. Aber wenn man zwischen Einzellernern und mit gleichaltrigen Partnern Lernenden vergleicht, dann sind die kooperativen Lernerfolge häufig denen der Alleinlernenden überlegen (vgl. Mietzel 2001: 106).
3.1.14. Belohnung und Bestrafung: Belohnung soll an den Lerner angepasst werden, denn eine Reise zum Beispiel kann für den Einen Belohnung, für den Anderen aber Bestrafung sein; Der Lehrer sollte auch keine aversiven Reize (wie Schimpfen) benutzen, denn diese haben Nebeneffekte wie Gleichgültigkeit, Angst und Verärgerung, die das Lernen behindern. Schimpfen kann für manche aversiv sein für manche nicht (vgl. Mietzel 2001: 151).
3.1.15. Direkte und Stellvertretende Belohnung/Bestrafung: Im Klassenunterricht gibt es sowohl direkte als auch stellvertretende Belohnung/Bestrafung und es gibt für den Lerner Bezugspersonen (andere Lerner), die den Charakter der stellvertretenden Verstärkung haben. Wenn also schwierige Anforderungen an den Lerner gestellt werden, kann er sagen, wenn die anderen das können, dann kann ich das auch. Im Einzelunterricht aber fehlen die stellvertretenden Bezugspersonen. Wenn der Lehrer diese Direktheit lindern will, dann sollte er über seine Reaktion beim Verhalten anderer Lerner sprechen, z.B. kann er sagen, wie er sich verhalten hat, wenn er dieses oder jenes Verhalten bei einem anderen Lerner gesehen hat. Die stellvertretende Belohnung/Bestrafung kann die gleichen eventuell sogar noch stärkere Effekte nach sich ziehen (vgl. Mietzel 2001: 162).
3.1.16. Operationalisierte Lernziele: Nach Ralph Tyler (vgl. Mietzel 2001: 151) sollte der Lehrer im Unterricht operationalisierte Lernziele, also Lernziele, die sich auf beobachtbares Verhalten beziehen, verwenden und das ist im Klassenunterricht zeitaufwändig, d.h. der Lehrer kann aus Zeitmangel, nicht jeden Lerner einen Text lesen lassen oder eine Aufgabe machen lassen und dann beobachten, ob das Lernziel erreicht worden ist oder nicht, im Einzelunterricht ist dies viel einfacher und jeder Schritt kann kontrolliert werden.
3.1.17. Die Zeit im Unterricht: John Carrol hat gemeint (vgl. Mietzel 2001: 152), dass jeder Lerner in der Lage ist, die Lernziele im Unterricht zu erreichen nur brauchen manche mehr und manche weniger Zeit. Er hat vorgeschlagen jedem die benötigte Zeit zur Verfügung zu stellen. Nur im Einzelunterricht ist dies machbar, in der Klasse hat man beschränkte Zeit zur Verfügung. „Ein Arzt“, so argumentiert Bloom 1976, „behandelt doch auch nicht alle Patienten gleich; er wird einen Patienten mit einer Erkältung anders behandeln als einen zweiten mit einer doppelten Lungenentzündung, und er wird selbstverständlich davon ausgehen, dass letzterer mehr Zeit benötigt, bis er wieder gesund ist“ (vgl. Mietzel 2001: 153). Im Klassenunterricht ist meist nicht die Zeit vorhanden, auf den Prüfungsergebnissen einzelner Lerner einzugehen, obwohl es sehr wichtig ist, dies zu tun, denn spätere Einheiten bauen auf frühere auf, im Einzelunterricht kann man das aber berücksichtigen.
3.1.18. Die Norm der Gruppe: Der Lerner im Einzelunterricht kann keinen sozialbezogenen Maßstab entwickeln (kann sich also nicht mit anderen Mitschülern vergleichen). Er vergleicht sich mit sich selbst, er setzt Ziele und versucht diese zu erreichen. Als Lehrer sollte man dem Lerner auch die Möglichkeit geben, sich mit sich selbst zu vergleichen: z.B. Leseaufnahmen machen, damit der Lerner sieht, wie flüssig er vor und nach der Übung gelesen hat usw. Wenn er bemerkt, dass er Fortschritte gemacht hat, wird er motivierter weitermachen und wenn er sieht, wie er vorankommt, kann er sich realistische Ziele setzen und die Anforderungen bestimmen, die er sich selbst stellt und die mindestens für ihn erfüllt sein müssen, damit er mit seinen Leistungsergebnissen zufrieden sein kann. Ein Beispiel dafür, dass der Lehrer den Lerner mit sich selbst vergleicht: „Peter ist in diesem Halbjahr in Mathematik sehr viel besser geworden“. Nun ein Beispiel, dass der Lehrer den Lerner mit anderen in der Klasse vergleicht: „Peters Leistungen im Mathematik waren ausreichend“. Der erste wirkt sehr viel motivierender. Wenn sich der Lehrer im Klassenunterricht an eine individuelle Bezugsnorm-Orientierung hält (also den Lerner mit sich selbst vergleicht), dann orientiert sich die Leistungserklärung weniger an der Fähigkeit und mehr an der Anstrengung (vgl. Mietzel 2001: 362). Als Gegensatz dazu, kann die Gruppe dem Individuum eine Norm an die Hand geben, die zeigt, wo er verglichen mit der Gruppe steht und wo er sein kann, und dieser Vergleich fehlt im Einzelunterricht.
3.1.19. Selbstwirksamkeitsgefühl: Die früheren Erfahrungen des Lerners sind wichtig, also wenn er früher mit dem Lernen Erfolg hatte, hat er eine hohe Selbstwirksamkeits-erwartung, so wird das Vertrauen gestärkt, auch bei aktuellen oder zukünftigen Anforderungssituationen Erfolg zu haben und so wird der Erfolgsoptimismus erhöht. Um die Selbstwirksamkeit zu fördern, sollte der Lehrer dem Lerner überzeugend vermitteln, dass er echtes Vertrauen in seine Fähigkeiten hat und er sollte dem Lerner gut zureden, er sollte z. B. sagen: „du schaffst das schon, ich weiß, dass du das kannst.“ Routiniert und floskelhaft zu sagen „du schaffst das schon“ hat keine oder eine negative Wirkung (vgl. Mietzel 2001: 171). Selbstwirksamkeit wird durch innere Erregung vermindert, deshalb sollte die innere Aufregung abgeschafft oder vermindert werden (vgl. Mietzel 2001: 172).
3.1.20. Wie kann man Aufgaben so gestalten, dass sie motivierend wirken? John Atkinson meint 1964 (vgl. Mietzel 2001: 334), Aufgaben mittlerer Schwierigkeit hätten die höchste Attraktivität, denn die Bewältigung leichter Aufgaben erzeugt kein Gefühl des Stolzes und zu schwierige Aufgaben versprechen keinen Erfolg. Diese Forderung Atkinsons lässt sich im Einzelunterricht am besten realisieren, denn es gibt keine mittelmäßig schwierigen Aufgaben losgelöst von dem Kontext, d.h. mittelmäßige Aufgaben sind in der Klasse für manche zu einfach und für manche schwer. Im Klassenunterricht kann der Lehrer diese Situation dadurch lösen, dass er Gruppen bildet, denn jeder hat seine eigenen Stärken und Schwächen, die in der Gruppe kompensiert werden. Im Einzelunterricht kann man die mittelmäßig schwierigen Aufgaben dadurch identifizieren, dass diese nach Kloep (1985) mit Erfolg assoziiert sind und Spaß machen. Die Aufgaben, die mit Misserfolg assoziiert werden, machen Angst (vgl. Mietzel 2001: 294). Jeder weiß von seinen eigenen Erfahrungen, dass beim Induktiven Erfassen von Regeln, diese besser im Gedächtnis haften, als die Regeln, die man vorgesagt bekommt. Dieses Vorgehen erfordert im Unterricht für einen Lehrer jedoch ein höheres Maß an Vorbereitung. Fremdsprachenunterricht im Einzelunterricht ist ja etwas unnatürliches, denn Sprache sollte in Gesellschaft gelernt werden, deswegen sollte der Lehrer nicht als Alleswissender dastehen, sondern als jemand, der mit dem Lerner zusammenarbeitet und mit ihm kooperiert, hierzu sollten die Aufgaben entsprechend gewählt werden. Nach Egbert (vgl. Dörnyei 2005: 82) sollte man diese vier Punkte beachten, damit die Aufgaben beim Lerner motivierend wirken:
- Es sollte zwischen dem Können des Lerners und der Herausforderung der Aufgabe ein Gleichgewicht bestehen.
- Die Aufgabe sollte dem Lerner Gelegenheit bieten, sich zu konzentrieren und dem Ziel der Aufgabe Aufmerksamkeit zu schenken, d.h. der Lehrer sollte immer vorher das Ziel der Aufgabe angeben.
- Der Lerner sollte die Aufgabe interessant und authentisch finden
- Der Lerner sollte ein Gefühl der Kontrolle über die Aufgabe besitzen.
3.1.21. Einige Unterschiede zwischen Einzelunterricht und Klassenunterricht: Klassenunterricht findet in einem Lernkontext/einer Lernumgebung statt. Einzelunterricht ist ein Unterricht, der im Alltagsleben hineinimportiert wird. Der Lehrer integriert sich in diese Situation hinein, es entsteht nicht die Atmosphäre des Klassenunterrichts. Im Einzelunterricht ist es auch viel einfacher, herauszufinden, was bei dem Lerner als Tabu gilt und was nicht, damit man dies berücksichtigen kann. Der Lehrer begibt sich für den Unterricht in das Haus des Lerners, so kann er schon von Anfang an mehr über den Lerner erfahren, z.B. wie das Haus aussieht, ob er von den Eltern empfangen wird, also ob der Unterricht für den Lerner oder seine Eltern wichtig ist, ob der Lerner Zuhause einen Satellitenfernseher hat, ob der Lerner über finanzielle Mittel verfügt, ob er religiös ist usw. Also sollte der Lehrer relativ aufmerksam sein und von seinen Erfahrungen Gebrauch machen. Z.B. wenn das Haus westlich eingerichtet ist, kann er schließen, dass vieles, was für einen religiösen Menschen Tabu ist, für den Lerner nicht als Tabu gilt.
Der Lehrer kann auch von der National- und Familienkultur des jeweiligen Lerners auf seine Persönlichkeitseigenschaften schließen. Jede Nation hat eine übergreifende Kultur und die Familien, aus denen die Nation besteht, haben eine Kultur, die mehr oder weniger mit der übergreifenden Kultur im Einklang ist, jedoch auch Abweichungen aufweist. In jeder Kultur sind im vergleich zu einer anderen Kultiur manche Eigenschaften beliebter, d.h. sie werden als Werte aufgefasst (vgl. Asendorf 2005: 435).
Es steht fest, dass bei jedem Inhalt, auch mitgelernt wird, wer diesen Inhalt vermittelt und wann und wo das Lernen stattfindet. Dieser Kontext ist mitentscheidend für den Lernerfolg und wird zusammen mit dem Wissensinhalt abgespeichert. Entsprechend kann schon der Lernkontext (Person, Zeit und Ort) förderlich oder hinderlich für das Abrufen eines Wissensinhaltes sein. Lerninhalte, die in schäbigen Klassenzimmern in einer konfliktträchtigen und furchteinflößenden Umgebung von lustlosen Lehrern vermittelt werden, haben deshalb eine geringe Chance, dauerhaft im Gedächtnis verankert zu werden.[8] Und so kann man sagen der Einzelunterricht findet in einer Umgebung statt, die meist nicht für das Lernen bestimmt ist, es kann z.B. im Zimmer des Lerners, oder im Gästezimmer, stattfinden. Der Lehrer wird im Einzelunterricht als Gast betrachtet, und es wird auch entsprechend mit ihm umgegangen.
Im Klassenunterricht wird das, was der Lerner nicht verstanden hat, von seinen Klassenkameraden erklärt, oder er selbst erklärt den anderen was sie nicht verstanden haben, dieses Erklären ist lernfördernd, denn dadurch entsteht ein tieferes Verständnis, das im Einzelunterricht entfällt. Wenn ein Lerner einem anderen erklärt, was er nicht verstanden hat, wird er besser gefördert, als durch die Erklärung vom Lehrer (vgl. Mietzel 2001: 294), diese Kooperation zwischen den Lernern entfällt im Einzelunterricht.
Fazit: Die pädagigische Psychologie und die Lernpsychologie sind für den Lehrer äußerst hilfreich, denn sie vermitteln, wie der Lehrer sich richtig verhalten soll und wie der Unterricht lehrfördernd gestaltet werden kann. Diese Wissenschaften können aber noch nicht im Detail genau aussagen, wie der Lehrer einen bestimmten Lerner unterrichten soll, damit die höchste Lernkapazität ausgeschöpft ist (vgl. Edelmann 2000: 40). Es bleibt noch abzuwarten, wie sich diese Wissenschaften entwickeln.
3.2. Wie der Lehrer im Einzelunterricht den Lernstil des Lerners identifiziert
3.2.1. Wie wichtig ist es, den Unterricht an den Lerner anzupassen? Lernstile reichen von einer milden Bevorzugung (preference) bis zu einem starken Bedürfnis, d.h. es kann vorkommen, dass der Lerner, dem der Lernstoff nicht in seinem bestimmten Lernstil präsentiert wird, diesen nicht lernen kann (vgl. Dörnyei 2005: 123). Im Einzelunterricht sollte der individuelle Lernstil ausfindig gemacht werden anschließend sollte der Unterricht, diesem Lernstil angepasst werden. Dies sollte aber von Seiten des Lerners bewusst geschehen, d.h. der Lerner sollte mit Hilfe des Lehrers seinen eigenen Lernstil identifizieren, damit er dann auch relativ schnell autonom wird, so sollten Lernstrategien gemäß des Lerners Lernstil vermittelt und aktiviert werden. Der Lehrer könnte auch graduell den Lernstil des Lerners ausweiten (style stretching), damit der Lerner flexibler wird und in unterschiedlichen Situationen Erfolg hat (vgl. Dörnyei 2005: 156).
Die Literatur, die in dieser Arbei benutzt worden ist, bezieht sich auf den Klassenunterricht und hier wird versucht diese dem Einzelunterricht anzupassen. Nach Schwerdtfeger (vgl. 2001: 105) kann der Lehrer in der Klasse nach unterschiedlichen Kriterien eine innere Differenzierung (oder Binnendifferenzierung) durchführen (siehe hierzu Unterkapitel 3.6.). Innere Differenzierung bedeutet, dass man in der Klasse die Lernerunterschiede berücksichtigt. Dazu gehören auch individuelle Lernstile.
3.2.2. Drei Möglichkeiten für die Identifizierung von Lernstilen im Einzelunterricht: Die Wissenschaft weiß heute, dass jeder anders lernt und dass der Unterricht diese Andersartigkeit auch ansprechen muss, damit der Erfolg optimiert wird, die Binnendifferenzierung baut auf dieser Erkenntnis auf. Demnach sollte im Einzelunterricht zuerst der Lernstil des Lerners identifiziert werden und dann sollte der Unterricht dem Lernstil des Lerners angepasst werden. Demnach kann man den Einzelunterricht in zwei Phasen gliedern:
a. Die Identifizierung von Lernstilen
b. Die Anpassung des Unterrichts an die identifizierten Lernstile
Für die erste Phase hat der Lehrer drei Möglichkeiten zur Hand. Hier werden diese Möglichkeiten erklärt und anschließend deren Vor- und Nachteile geschildert:
3.2.2.1. Die Identifizierung von Lernstilen durch Tests: Der Lehrer macht am Anfang des Unterrichts zwei Tests, z.B. den Ehrman und Leaver Learning Style Questioner (oder den Learning Style Questioner von Oxford), und den Learning Style Preference Questioner von Reid, der die auf Sinne basierten Lernstile (z.B. auditive, visuelle usw.) identifiziert, und unterrichtet anhand der Ergebnisse dieser Tests. Diese Methode hat den einen Vorteil, dass der Lehrer relativ schnell ab der ersten Unterrichtsstunde auf den Lernstil schließen kann und dem Lerner sofort angemessene Aufgaben stellen kann. Der Nachteil liegt aber darin, dass erstens diese Tests nicht immer und jedem zur Hand liegen und der Lehrer muss wissen wie er diese auswerten soll, zweitens sind die Fragestellungen dieser Tests meist so, dass der Lernende schon Erfahrung mit dem Lernen einer Fremdsprache haben muss, um die Fragen oder Items richtig zu beantworten. Drittens sind die Lernstile meist unbewusst und ein Fragebogen kann das schlecht identifizieren. Viertens kann auch bei dem Beantworten der Fragen Fehler gemacht werden, z.B. der Lernende antwortet so wie er sein will und nicht wie er ist.
3.2.2.2. Die Identifizierung von Lernstilen durch Beobachten: Der Lehrer gibt dem Lernenden während des Unterrichts unterschiedliche Aufgabentypen, beobachtet den Lernenden beim Lösen der Aufgaben genau und testet den Lernenden anschließend, um zu sehen, bei welchem Aufgabentyp er besser gewesen ist und schließt daraus auf seinen Lernstil. Diese Möglichkeit hat den Vorteil, dass der Lehrer auf den richtigen Lernstil schließen kann, aber sie ist zeitaufwändig und vielleicht wirkt sie auf den Lerner belastend, weil er nach jeder Aufgabe einen Test machen muss. Hier soll der Lerner auch Aufgaben mit Stilen erledigen, die seinen Lernstilen nicht entsprechen. In dieser Methode sollte der Lehrer den Lerner genau beobachten und dann selbst einen Lernstiltest über seinen Lerner ausfüllen, dies gibt dem Lehrer eine Hilfe zur Hand, den Unterricht angemessen zu planen.
3.2.2.3. Die Identifizierung von Lernstilen durch Vermittlung von Lernstrategien: Der Lehrer bringt dem Lerner unterschiedliche Arten von Lernstrategien bei und beobachtet, mit welcher der Lerner am erfolgreichsten gewesen ist, oder überlässt diese Entscheidung dem Lerner. Bei dieser Möglichkeit, werden zuerst sehr viele Strategien im Untrricht angewandt, danach, wenn der Lehrer davon überzeugt ist, mit welchen Lernstrategien der Lerner sich wohl fühlt und erfolgreich ist, werden nur die gleichen Strategien benutzt und so kann der Unterricht nach einiger Zeit eintönig weden, das hängt aber von dem Lerner ab, ob er das als eintönig empfindet oder nicht.
3.2.3. Zwei Möglichkeiten für die Anpassung des Unterrichts an die Lernstile des Lerners: Im Einzelunterricht, kann der Lehrer auch einen ganz anderen Weg beschreiten, in dem er den drei Möglichkeiten zur Identifizierung von Lernstilen nicht nachgeht und dennoch den Unterricht an den Lerner anpasst. Hierzu hat der Lehrer zwei Möglichkeiten:
3.2.3.1. Offener Unterricht: Der Lehrer gestaltet einen offenen Unterricht (siehe hiezu Unterkapitel 2.7.4.) und lässt den Lernenden, das nehmen, was er begehrt. Diese Möglichkeit scheint am angemessensten zu sein uns sie wird auch von den neueren Lerntheorien vorgeschlagen. Diese Möglichkeit macht den Lerner auf schnellstem Wege autonom.
3.2.3.2. Die freie Meinungsäußerung des Lerners: Nach dem Unterricht soll der Lehrer dem Lerner frei seine Meinung über dem Unterricht sagen lassen, was er an dem Unterricht gut oder schlecht gefunden hat, damit der Lehrer, dann in der nächsten Stunde diese Meinungen in seiner Planung mit einbringt. Diese Möglichkeit kann der Lehrer immer benutzen und muss hier aber beachten, dass manchmal der Lernende eine Lerntechnik oder Strategie vorzieht, die aber seinem Lernstil nicht entsprechen (siehe hierzu Unterkapitel 2.6.10.), der Lernende das aber nicht weiß und so wenig Erfolg erzielt.
3.2.4. Die Anpassung des Unterrichts an die identifizierten Lernstile: Verschiedene Lernertypen bevorzugen verschiedene Methoden (Schmidt 1994: 23):
- „Die audiolinguale Präsentation des neuen Lehrstoffs (d.h. über das Hören/Nachsprechen) bevorzugt eindeutig den auditiven Lernertyp und benachteiligt die anderen.
- Die audiovisuelle Methode (d.h. über Ton und Bild) bevorzugt den visuellen Lernertyp und benachteiligt z.B. den verbalen Lernertyp.
- Beim verbalen Lernertyp, der durch Erklärung und Analyse lernt, lässt der Strukturendrill (Pattern drill) als dominierende Übungsform wichtige Lernpotentiale brachliegen [d.h. werden nicht benutzt].
- Der interaktionsorientierte Lernertyp (lernt am besten im Austausch mit anderen) wird durch den kommunikativen Ansatz nachhaltig gefördert“
Es muss aber bedacht werden, dass man diese Methoden geschichtlich sehen muss, d.h. sie sind in einer Zeit entstanden, in der vieles, was wir heute wissen noch nicht bekannt war, deshalb sollte man sich immer nach der neuesten Methode richten und diese dann an den Lerner anpassen. Dies ist aber nicht immer machbar, denn jede Methode verfolgt ein bestimmtes Ziel und es ist nicht möglich mit der aktuellen Methode jedes Ziel zu erreichen. Das Wie der Anpassung des Unterrichts an die Lernstile sollte sich aus Praxis und Empirie herausbilden, da die Theorie diesen Stand noch nicht erreicht hat und keine konkreten Aussagen zu machen in der Lage ist.
Fazit: Eine der Schwierigkeiten, die sich nach der Identifizierung der Lernstile ergibt, (diese Schwierigkeit besteht auch für die Durchführung von offenem Unterricht) ist, dass eine Aufgabentypologie vorhanden sein muss, damit die Aufgaben dem Lernstil angepasst werden können.
3.3. Methoden im fremdsprachlichen Einzelunterricht
Verschiedene Ziele sind mit verschiedenen Methoden zu erreichen, deshalb wird in diesem Unterkapitel den Methoden Aufmerksamkeit geschenkt.
In diesem Kapitel geht es vor allem um Methodenauswahl und -ausarbeitung im Einzelunterricht. Hier werden Kriterien genannt, nach denen der Lehrer den Unterricht an den Lerner anpassen kann.
3.3.1. Was ist eine Methode? Der Terminus Methode, kommt nach Duden Universal Wörterbuch (vgl. Drodowski 1989) aus dem spätlateinischen Wort „methodus“, und die spätlateinische Sprache hat dieses Wort aus dem Griechischen, in dem es „methodos“ hieß, und bedeutete „Weg oder Gang einer Untersuchung“ eigentlich „Weg zu etwas hin“. Aus dieser Definition kommt hervor, dass eine Methode, einen Weg beschreiben soll, der zu einem Ziel führt. In der Fremdsprachendidaktik wird „Methode“ unterschiedlich gedeutet.
3.3.2. Definitionen von „Methode“ im Fremdsprachenunterricht: Nach Neuner und Hunfeld (vgl. 1993: 14), gibt es für „Methode“ zwei Definitionen, eine enger gefasste und eine weiter gefasste. Im engeren Sinn bezieht sie sich nur auf „die konkreten unterrichtlichen Prozesse auf der Ebene des Fachunterrichts“. Methode im weiteren Sinn „umfasst auch Faktoren der Lernstoffauswahl, -abstufung und -gliederung“. In der Bundesrepublik Deutschland wurde zwischen Didaktik und Methodik unterschieden. Mit der Didaktik war die Frage nach „was“ verbunden, d.h. was wird gelehrt. Methodik beschäftigte sich mit dem „Wie“ des Lehrens, die Frage „wie soll gelehrt werden“ (vgl. Neuner/Hunfeld 1993: 14).
3.3.3. Zwei Modelle für Methoden: Hier werden zwei Modelle für Methoden vorgestellt, das Modell von Anthony und das Modell von Richards und Rodgers.
3.3.3.1. Das Modell von Anthony: Im englischen Sprachraum hat Edward Anthony 1963 drei Ebenen für den Unterricht vorgeschlagen: „approach“, „method“ und „technique“. Diese drei Ebenen sind hierarchisch gegliedert:
„The organizational key is that techniques carry out a method which is consistent with an approach […]. […] An approach is a set of correlative assumptions dealing with the nature of language teaching and learning […]. […] Method is an overall plan for the orderly presentation of language material, no part of which contradicts, and all of which is based upon, the selected approach. An approach is axiomatic, a method is procedural. Within one approach, there can be many methods […]. […] A technique is implementational – that which actually takes place in a classroom. It is a particular trick, stratagem or contrivance used to accomplish an immediate objective. Techniques must be consistent with a method, and therefore in harmony with an approach as well (Zitat von Edward Anthony vgl. Richards/Rodgers 2001: 19).”
Also ist „approach“ nach Anthony eine Ebene, in der unser Wissen, unsere Theorien und Definitionen von der Sprache und Sprachenlernen untergebracht sind. Methode ist nach Anthony eine Ebene, in der die Theorie aus der Approach-ebene zum praktischen übergeht. In dieser Ebene wird entschieden, welche Fähigkeiten sich der Lerner aneignen soll und welche Inhalte mit welcher Reihenordnung gelehrt werden sollen. „Techniques“ sind die Tätigkeiten,die im Klassenraum vollzogen werden (vgl. Richards/Rodgers 2001: 19). Dieses Modell hatte den Vorteil, dass es zeigte, wie die Vorstellungen über Sprache und Sprachenlernen auf den Unterricht Einfluss haben, es hatte aber auch Nachteile. Die Nachteile des Modells von Anthony waren, dass es keine Aussagen über die Lehrer- und Lernerrolle auf „method“-Ebene machte. Es sagte nicht aus, wie „approach“ in „method“ realisierbar sein kann und gab auch keine Angaben, welcher Natur „method“ ist (vgl. Richards/Rodgers 2001: 19).
3.3.3.2. Das Modell von Richards und Rodgers: Richards und Rodgers haben Anthonys drei Begriffe (approach, method und technique) reformuliert (vgl. Brown 2001: 14). Sie haben ihrem Modell den Oberbegriff „method“ gegeben, dem sich drei Begriffe zuordnen lassen: „approach“, „design“ und „procedure“. In dieser Arbeit wird unter „Methode“, die Definition von Richards und Rodgers verstanden.
3.3.3.2.1. Approach: Der Terminus „approach“ bezieht sich, wie in Anthonys Modell, auf zwei Punkte:
- die Definition von Sprache (die Theorie der Sprache)
- die Spracherwerbstheorien
Auf die Frage, was die Sprache ist (Die Theorie der Sprache), kann man nach Richards und Rodgers (vgl. 2001: 20f) drei Antworten bekommen (siehe hierzu auch Unterkapitel 1.1.1.):
a. Die Sprache ist ein System, das aus Regeln besteht (struktureller Ansatz);
b. Die Sprache ist etwas, das eine Funktion erfüllt, d.h. wenn man spricht, dann tut man etwas und man kann den Einfluss der Sprache auf die Umwelt beobachten (Funktionaler Ansatz);
c. Die Sprache ist ein Kommunikationsmittel (interaktionaler Ansatz).
3.3.3.2.2. Design: „Design“ ist ein Entwurf, in der ein „approach“ zu einem Unterrichtssystem wird. Sechs Punkte sollen in der „design“-Ebene beachtet werden:
- Was sind die Ziele der Methode?
- Wie ist der Inhalt des Unterrichts bestimmt und angeordnet, d.h. wie sieht der Lehrplan der Methode aus? Der lehrplan kann nach dem Inhalt, kann aber auch nach Wortschatz oder Grammatik ausgerichtet sein;
- Die Lehrer- und Lerneraktivitäten, die die Methode befürwortet;
- Die Lernerrolle;
- die Lehrerrolle;
- die Rolle der Lernmaterialien
3.3.3.2.3. Procedure: „Procedure“ ist eine Ebene, in der sich die Methode im Klassenraum realisiert. Sie fasst Techniken und Verhalten zusammen, die unmittelbar in der Klasse angewandt werden. In dieser Ebene können die Lehrstile den Lernstilen angepasst werden.
3.3.4. Übertragung des Modells (Richards und Rodgers) auf den Einzelunterricht: Jede Methode verfolgt ein bestimmtes Ziel und bei jeder Methode unterscheiden sich Lehrer- und Lernerrollen und deren Aktivitäten in der Klasse von einander. Im Einzelunterricht kann deshalb nicht immer von nur einer einzigen Methode Gebrauch gemacht werden. Methoden müssen vielmehr nach den Bedürfnissen des Lerners ausgesucht, modifiziert oder ausgearbeitet und ihm angepasst werden, dabei sollen die folgenden Punkte beachtet werden:
- Das Ziel des Lerners beeinflusst die design-Ebene der Methode: Die Frage nach dem Ziel, ist das wichtigste Kriterium, das der Lehrer bei Methodenauswahl oder -Ausarbeitung berücksichtigen muss. Wenn das Ziel nicht berücksichtigt wird, verliert der Lerner seine Motivation und ohne Motivation kann nicht(s) gelernt werden. Wenn das Ziel des Lerners „ die Sprache natürlich zu lernen“ ist, so beeinflusst dies auch die approach-Ebene der Methode. D.h. es muss eine „Theorie von der Sprache“ und eine „Sprachlerntheorie“ gesucht werden, die zu diesem Ziel führt, in diesem Fall kann der funktionale und der interaktive Ansatz gewählt werden, die Input-Hypothese könnte zum Beispiel als Sprachlerntheorie gewählt werden, es können auch die Affective-Filter, Input-hypothese und die Kontrastiv-Hypothese zusammen als Sprachlerntheorie gewählt werden.
- Das Geschlecht und Alter des Lerners und seine Lernbiografie können die Lernerrolle, die er im Unterricht übernehmen muss beeinflussen und den Lehrer veranlassen geeignete Materialien zu benutzen.
- Der Lernertyp des Lerners, sein Alter, Geschlecht, seine Sprachlernfähigkeit, seine Lernbiografie und seine zur Verfügung stehende Zeit beeinflussen die Lerner- und Lehreraktivitäten der Methode. Z.B. wenn der Lerner ein Kind ist, sollte im Unterricht viel gespielt werden.
- Die Ausbildung verschiedener Fertigkeiten können durch verschiedene Eingaben, im Sinne von Klein (vgl. 1992: 54) (siehe hierzu auch Unterkapitel 1.6.), erreicht werden, verschiedene Eingaben brauchen verschiedene Materialien. Um an passende Materialien heranzukommen, kann der Lehrer diese selbst erstellen oder aus verschiedenen Lehrwerken herausziehen, z.B. kann der Lehrer alle Hör-verstehensaufgaben aus einem Lehrwerk herausnehmen und im Einzelunterricht gebrauchen. So wäre auch eine Aufgabentypologie wichtig. Die Materialien sollen möglichst authentisch sein, d.h. sie sollen dem Ziel des Lerners entsprechen.
- Die Lernstile des Lerners können bei der procedure Ebene der Methode beachtet werden. D.h. wenn es darauf ankommt Wortschatz zu lernen, dann kann jeder nach seinem Stil oder nach einer Strategie dies tun.
3.3.4.1. Ziele des Lerners: In der Sprache kann man vier Fertigkeiten voneinander unterscheiden: Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören (vgl. Huneke/Steinig 2002: 109). Man kann jedes Ziel auf einer von diesen Fertigkeiten oder eine Kombination von diesen zurückverfolgen. Die vier Fertigkeiten, lassen sich in Teilfertigkeiten gliedern, die zusammen die übergeordnete Fertigkeit ergeben.
- Sprechen: Um sprechen zu können, muss man die Ausspache, die Grammatik, Wortschatz und die Kultur der Zielsprache beherrschen.
- Schreiben: Um schreiben zu können, muss man den Wortschatz, die Grammatik, die Kultur des Lesers, die Rechtschreibung und die formalen Aspekte des Geschriebenen (die Schreibnormen, z.B. wie ein Brief oder ein E-Mail aussehen muss) beherrschen.
- Lesen: Um Lesen zu können, muss man die Aussprache, den Wortschatz, die Grammatik, die Rechtschreibung, die Zielkultur und die formalen Aspekte des Textes beherrschen.
- Hörverstehen: Um das Gehörte verstehen zu können, muss man die Aussprache, die Grammatik, den Wortschatz und die Kultur des Zielsprachenlandes beherrschen.
Man sieht, dass Grammatik, Wortschatz und Kultur des Zielsprachenlandes bei allen Teilfertigkeiten vorhanden sind. Im Unterricht, also in der „procedure“-Ebene, kann der Lehrer diese Teilfertigkeiten dem Ziel, der Lernbiografie, dem Lerntyp, Alter, Geschlecht und Talent gemäß unterrichten.
3.3.5. Imitative oder kognitive Methoden? Man kann die Methoden des Fremdsprachenunterrichts grob in zwei Kategorien einteilen, kognitive und imitative. Welche Methode für den Unterricht geeignet, ist hängt einerseits vom Alter des Lerners, andererseits aber auch von seiner Lernbiografie ab, d.h. von seinen Lerngewohnheiten, von der Dauer des Schulbesuchs, von der Art seiner Berufstätigkeit. Der Lehrer sollte die Lerngewohnheiten des Lerners berücksichtigen und das Gewicht im Unterricht je nach Lernergruppe mehr auf imitative oder kognitive Verfahren legen (vgl. Heyd 1991: 23f). Die kognitiven Methoden lehren die Sprache auf kognitiver Art, d.h. es werden Regeln gefunden und nach Regeln Sätze gebildet. Die imitativen Methoden verinnerlichen die Regeln durch ständige Wiederholung und Nachahmung.
3.3.6. Methodenvorschläge für den Einzelunterricht für einzelne Teilfertigkeiten: Bei diesen Vorschlägen wird nach dem Modell von Richards und Rodgers (vgl. 2001: 33) vorgegangen. Dieses Modell ist für die Beschreibung von Methoden entwickelt worden, in dieser Arbeit wird aber davon Gebrauch gemacht Methoden zu entwickeln. Denn Methoden werden mit der Zeit komplementiert und sie werden nach den Bedürfnissen der Mehrheit entwickelt. Im Einzelunterricht ist man mit dieser Ausnahmesituation konfrontiert, in der Lerner ganz verschiedene Ziele verfolgen, denen der Lehrer gerecht werden muss. Bei den Methodenvorschlägen für rezeptive Fertigkeiten wird nach der Input-Hypothese vorgegangen (siehe hierzu Unterkapitel 1.5.2.), da in dieser Hypothese diese Fertigkeiten am Anfang kommen. Wenn man die Input-Hypothese für die Entwicklung von Schreibfertigkeit nimmt, dann soll man mit Hören und Lesen anfangen, damit sich die Schreibferigkeit automatisch ausbildet. Es gibt keine Methoden, die sich nur auf das Lesen oder Schreiben oder Hörverstehen beziehen, wenn diese den Wunsch des Lerners darstellen, dann sollte der Lehrer Methoden selbst ausarbeiten. Für eine Kombination von diesen Fertigkeiten und die Fähigkeit im Alltag zu kommunizieren, wird die kommunikative Methode vorgeschlagen.
3.3.6.1. Methode für Kommunikation: für die Kommunikation wird die kommunikative Methode vorgeschlagen. Diese Methode kann für das Kommunizieren im Alltag (d.h. sprechen, hören, lesen und schreiben im Alltag) verwendet werden.
3.3.6.1.1. Die kommunikative Methode (KM): In der zweiten Hälfte den 20. Jahrhunderts (die 70er Jahre) hat sich in Europa vieles geändert. Nach dem zweiten Weltkrieg ist der Bedarf an Fremdsprachenkenntnissen, wegen zunehmender Mobilität, Tourismus, der allmählichen Vereinigung europäischer Staaten gewachsen. In den 60. Jahren wird in der Bundesrepublik Englisch als Fremdsprache in allen Schultypen für alle Schüler eingeführt. Hauptschüler, Erwachsene, Teilnehmer an beruflicher Fortbildung wollten jetzt auch Fremdsprachen lernen, diese hatten unterschiedliche Zielsetzungen und so mussten neue zeitgemäße Methoden entwickelt werden (vgl. Schwerdtfeger 2001: 106). Die Theorie von der Sprache war funktional und interaktiv (siehe hierzu Unterkapitel 1.1.1.). Die Pragmalinguistik (oder die Sprechakttheorie) hatte grundlegenden Einfluss auf die kommunikative Methode, demnach wurde versucht mit der Sprache etwas zu machen bzw. sie in einer authentischen Situation einzubetten, damit die Lernenden die Wirkung der Sprache besser nachvollziehen können (funktionaler Ansatz). Nach Pragmalinguistik bezwecken wir etwas wenn wir sprechen und wir verfolgen Ziele damit. Die Pragmalinguistik, im Gegensatz zu Strukturalismus, sieht in der Sprache kein System von Formen sondern sieht sie als ein Aspekt menschlichen Handelns (hat also ein sprachfunktionales Konzept und kein Sprachformales). Ziel dieses sprachfunktionalen Konzepts ist die möglichst rasche und zuverlässige Anwendung des im Unterricht gelernten auf Kommunikationssituationen des Alltags (vgl. Neuner/Hunfeld 1993: 88). Die grammatischen Formen werden nach Sprechabsichten (Sprechintentionen) angeordnet und sie werden je nach Häufigkeit ihres Auftretens in der Alltagssprache früher oder später gelernt, z.B. kommt das Perfekt früher als Präteritum vor, da es in der Alltagssprache viel mehr gebraucht wird. Die Grammatik wird von den Sprechabsichten abgeleitet und sie wird induktiv gelernt, d.h. man geht vom Beispiel zur Regel. Der Wortschatz wird von den Themen und Inhalten bestimmt. Die Texte sind authentische Texte, d.h. es sind Texte, denen man jeden Tag im Alltagsleben begegnen kann.
3.3.6.2. Methode für die Fertigkeit Lesen: Um die Lesefertigkeit auszubilden, sollte sich der Lerner mit Lesematerial beschäftigen, (d.h. die Eingabe sollte nach Klein (vgl. 1992: 54) in Lesematerialien bestehen) und der Lehrer soll dann Fragen zum Text stellen, die helfen sollen das Gelesene tiefgehender zu verstehen. Beim Leseverstehen spielen Übersetzungen eine große Rolle. Es sollen Strategien vermittelt werden, die das Lesen und das Vestehen erleichtern. Die Frequenz der Wörter soll nach deren Vorkommen in geschriebenen Materialien vorkommen. Der Lehrer kann nach dem Muster von Büchern wie: Developing Reading Skills (Markstein/Hirasawa 1981), Select Readings (Linda/Gundersen 2001), Reading Through Interaction (Wegmann/ Knezevic/Bernstein 2006) oder das Deutsche Lehrwerk „Unterwegs“ (Bahlmann u.a. 1998) vorgehen.
3.3.6.2.1. Approach: Für die approach-Ebene müssen zwei Theorien bestimmt werden, Theorie von der Sprache (d.h. die Definition von Sprache) und Theorie von Spracherwerb:
- Die Definition von Sprache: Die Sprache wird als ein System gesehen, das aus Regeln besteht (kognitiv, formal), denn um lesen zu können, braucht der Lerner nicht die Sprache interaktiv oder funktional zu lernen, es reicht aus die Regeln, d.h. die Struktur und die Wörter zu lernen. Die Lernmaterialien sollen aus Texten bestehen, für die er Interesse hat. Das „Wie“ des Lernens ist von Lerner zu Lerner unterschiedlich, hier müssen die Lernstile beachtet werden.
- Spracherwerbstheorien: Mit den Erkenntnissen der Input-Hypothese kann der Lehrer immer die richtigen Lesetexte aussuchen und im Unterricht bearbeiten. Es müssen aber auch andere im Kapitel eins beschriebene Spracherwerbstheorien beachtet werden, damit der Lehrer erkennt wann Fehler gemacht werden könnten oder wo Schwierigkeiten bestehern werden (die kontrastive Erwerbstheorie) und wie er sich verhalten soll (Affectiv-Filter-Hypothese).
3.3.6.2.2. Design: Diese Ebene beinhaltet das Ziel, den Lehrplan, Lehrer- und Lernerrollen, Lehrer- und Lerneraktivitäten und Materialien:
- Das Ziel: Zwei Ziele können bestimmt werden: 1. Alles lesen können; und 2. Etwas spezifisches lesen können (wie z.B. nur philosophosche Texte lesen können)
- Lehrplan: Wenn das Ziel ist alles lesen zu können, sollte der Lehrplan inhaltsbasiert sein, d.h. mit dem Festhalten von Inhalten geht der Unterricht voran. Inhalte sollen nach Alter, Geschlecht, Erziehung, Interesse und Sprachniveau des Lerners angeboten werden. Nach dem Prinzip des offenen Unterrichts sollte der Lerner in der Lage sein, Texte aus einer Auswahl selbst auszusuchen. Wenn der Lerner etwas Spezifisches lesen möchte, dann sollte der Lehrplan nach Grammatik und Wortschatz angeordnet werden. Beim Lesen wird das Verfügen über Wortschatz mit hoher Frequenz sehr wichtig, wenn der Lerner etwas Spezifisches Lesen will, (d.h. wenn der Lerner nur z.B. deutsche Literatur oder nur Fachzeitschriften für Physik lesen möchte) dann werden in den Texten bestimmte Wörter immer wieder erscheinen, das was sich vielleicht weniger wiederholt, sind bestimmte grammatische Strukturen, die den Schreibstil der Authoren ausmachen, so sollte man den Unterrichtsinhalt nach Grammatik und Stil (des Autors) anordnen.
- Lehrer und Lernerrollen: Hierbei sollte der Lehrer beachten, welche Lernbiografie der Lerner gehabt hat und was er von der Lehrer- Lernerrolle hält. Wenn der Lerner nicht so fest in seinen Vorstellungen verankert ist, so dass er, wenn der Unterricht nicht nach seinen Vorstellungen läuft, er nicht lernen kann, kann der Lehrer von den neuesten Lerntheorien dem Konstruktivismus und die Prinzipien des offenen Unterrichts Gebrauch machen, denn eins der Ziele des Einzelunterrichts ist es, den Lerner autonom zu machen.
- Lehrer- und Lerneraktivitäten: Beim inhaltsorientierten Unterricht sollte der Lehrer anders als beim formorientierten Unterricht vorgehen. Beim ersten hebt er das gemeinte hervor, beim letzten die Form und die Grammatik.
- Materialien: Um Lesen und Verstehen zu unterrichten, ist das Hauptmaterial der Text. Beim formorientierten Unterricht wird die Grammatik und das Schreibstil des Textes wichtig. Beim Inhaltsorientierten Unterricht wird der Wortschatz und der Inhalt wichtig. Beim Lesen wird die Aussprache wichtig, so kann der Lehrer Materialien wie Hörbücher benutzen.
3.3.6.2.3. Procedure: Vorschläge für die Procedure-Ebene, zur Anpassung der Methode an den Lernstil des Lerners: 1)Texte lesen; 2) Texte hören; 3) Aussprache trainieren (das Gelesene auf Tonband aufnehmen und kontrollieren); 4) Texte analysieren (Grammatik, Inhalt, Stil, Textvariante); 5) Mit unterschiedlichen Texten bekannt werden; 6) Zielsprachige Texte in die Muttersprache übersetzen; 7) Texte mit anderen Worten erklären (in der Zielsprache oder in der Muttersprache); 8) Zwei verschiedene Übersetzungen von einem Text lesen; 9) (theatrale) Texte spielen usw.
3.3.6.3. Methode für die Fertigkeit Hörverstehen: Dieses Ziel haben vor allem Lerner, die Fernseh- oder Radioprogramme sehen oder hören möchten.
3.3.6.3.1. Approach: für diese Ebene müssen zwei Theorien bestimmt werden:
- Die Definition von Sprache: Sprache wird als ein System gesehen.
- Spracherwerbstheorien: Input-Hypothse
3.3.6.3.2. Design: Fünf Untergruppen gliedern diese Ebene:
a. Ziel: Ziel kann sein, etwas Bestimmtes zu hören und zu verstehen (z.B. nur Nachrichten), oder alles in der Fremdsprache zu hören und zu verstehen.
b. Lehrplan: Wenn der Lerner alles verstehen will, dann sollte der Lehrplan nach Inhalt angeordnet werden. Wenn der Lerner etwas bestimmtes in der Fremdsprache verstehen möchte, dann sollte der Lehrplan nach Wortschatz und Grammatik angeordnet sein, denn bei gleichbleibender Inhalt und Stil werden wahrscheinlich die gleichen oder ähnliche Wörter und Satzbau verwendet.
c. Lerner- und Lehrerrollen: Offener Unterricht, der Lehrer ist ein Partner. Wenn aber der Lerner in seinen Vorstellungen fest verankert ist, dass in der Klasse Frontalunterricht herrschen soll, und sich nicht von dieser Vorstellung losreißen kann, dann sollte der Unterricht nach seinen Vorstellungen laufen.
d. Lehrer- und Lerneraktivitäten: Der Lerner sollte z.B. viele Radio- und Fernsehprogramme hören und sehen. D.h. die Eingabe sollte nach Klein (vgl. 1992: 54) (siehe hierzu Unterkapitel 1.6.3.1.) vor allem aus Hör- und Sehmaterialien bestehen, um die Fertigkeit Hörverstehen auszubilden. Der Lehrer sollte z.B. Radio- und Fernsehprogramme aufnehmen und abspielen. Diese Programme sollten möglichst der Zielkultur entsprechen und keine Übersetzungen sein. Es sollte auch die richtige Aussprache trainiert werden, denn wenn der Lerner die Sprache richtig ausspricht, dann kann er auch aufmerksam Laute richtig hören und die richtigen Wörter erkennen.
e. Materialien: Aufgenommene Fernseh- und Radioprogramme, Kassetten, Videos, Hörbücher, Hörspiele usw.
3.3.6.3.3. Procedure: Vorschläge für die procedure Ebene: 1) Fernseh- Radioprogramme sehen, hören und das Gehörte wiedergeben oder spielen; 2) Die neu gehörte Grammatik aus dem Gehörten induktiv erfassen; 3) Die Grammatik des gehörten Textes analysieren; 4) Den neuen unbekannten Wortschatz aus dem Gehörten erfassen und zu deuten versuchen; 5) Schwierige Hörtexte hören und mitlesen; 6) Filme mit Untertiteln abspielen, um das Verstehen einfacher zu machen; 7) Verschiedene Varianten von Programmen hören oder sehen z.B. Filme, Nachrichten, Talkshows Zeichentrickfilme usw.; 8) Transkribierte Hörtexte aus den Lehrwerken verwenden; 9) Einen Film oder einen Song sehen oder hören und dann versuchen ihn zu transkribieren; 10) Diktate schreiben, d.h. der Lehrer diktiert und der Lerner versucht das Gehörte zu schreiben, dies erhöht die (Hör-)aufmerksamkeit des Lerners; 11) Das Gehörte genauso wiedergeben; 12) Einen geeigneten Film nicht sehen nur hören und dann versuchen es zu spielen; 13) Aussprache trainieren, damit auch das Hören richtig funktioniert; 14) Das Gehörte transkribieren.
3.3.6.4. Methode für die Fertigkeit Schreiben: Das Ziel des Lerners, wenn es diese Fertigkeit umfasst, kann sein, dass der Lerner z.B. mit einem Brieffreund kommunizieren will, wenn dies das Ziel des Lerners ist, dann sollte der Lehrer mit der Methode des Sprechens vorgehen, denn dies ähnelt eine Kommunikation, nur hier wird die Aussprache weniger beachtet. Das Ziel des Lerners kann aber auch sein, etwas spezifisches schreiben zu können, z.B. Briefe im Bereich der Wirtschaft. Hiefür gibt es folgenden Methodenvorschlag:
3.3.6.4.1. Approach: Diese Ebene umfasst zwei Theorien:
- Die Definition von Sprache: Funktional (d.h. mit der Sprache kann man etwas verrichten), die Sprache als eine Struktur, und Interaktion zeischen zwei Menschen (der Interaktionale Ansatz im Falle von Brieffreunden)
- Theorie des Spracherwerbs: Inputhypothese, d.h. der Lehrer soll mit dem Lesen von Texten anfangen, Texte, die der Lerner sie zu schreiben befähigt sein wird.
3.3.6.4.2. Design: Gliedert sich in fünf Punkte:
- Ziel: Etwas Spezifisches (z.B. wirtschaftliche Briefe) schreiben zu können.
- Lehrplan: Briefe können nach dem Inhalt angeordnet werden, können aber auch nach Grammatik oder Wortschatz angeordnet werden. Da der Lerner hier meist das Ziel hat bestimmte Briefe zu schreiben, so werden sich grammatische Strukturen und Wortschatz wiederholen.
- Lerner- und Lehrerrollen: Konstruktivismus, wenn der Lerner keine festen Vorstellungen von andersartigen Lehrer- Lernerrollen hat, die ihn beim Einsatz von Konstruktivismus irritieren.
- Lehrer- und Lerneraktivitäten: Lesen und schreiben
- Materialien: Geschriebene Materialien wie Briefe und E-Mails
3.3.6.4.3. Procedure: Vorschläge für die procedure-Ebene: 1) Geschriebene Materialien lesen und analysieren (Inhalt, Grammatik, Norm, aussehen); 2) Gelesene Texte übersetzen; 3) Gelesene Texte mit eigenen Worten wiedergeben; 4) Auf Briefe, E-Mails schriftlich antworten; 5) Briefe lesen und dann anders schreiben; 6) Texte zusammenfassen; 7) Rechtschreibregeln (anhand von Diktaten) lernen; 8) Briefe von der Muttersprache in die Fremdsprache übersetzen.
3.3.7. Das „Was“ und das „Wie“ des Unterrichts: Zwei Fragen werden beim Einzelunterricht wichtig: „Was wird gelehrt?“ und „Wie wird etwas gelehrt“? Die erste Frage kann so beantwortet werden: es wird etwas unterrichtet, dass dem Ziel des Lerners entspricht, denn wenn dies nicht so ist, dann verliert der Lerner Motivation und will nicht meht weiterlernen. Bei der Zweiten Frage hat das „Wie“ Zweideutigkeit, einmal die Frage nach der Methode und einmal die Frage nach den Spezifiken des Lerners (Siehe Kapiel 2). Damit der Unterricht nach Prinzipien läuft und ein Ziel angestrebt wird, braucht man eine Methode, wonach man den Unterricht planen kann. Das „Wie“, das nach den Spezifiken des Lerners fragt, kann mit der Zeit oder durch Tests identifiziert werden, damit der Unterricht dem Lerner angepasst werden kann. Man kann eine Methode so verändern, dass sie den Spezifiken des Lerners entspricht, so wäre die Zweite Frage mit der Zweideuigkeit des „Wie“s gelöst.
3.3.8. Ein Beispiel für die Einzelunterrichtsplanung: Ein Beispiel um den Unterricht einen Lerner mit folgenden Spezifiken und Ziele zu unterrichten. Diese Spezifiken sind deshalb so ausgesucht worden, weil sie mit einer Vielzahl von Iranern, die Deutsch lernen möchten, identisch sind. Der Lerner ist ein Mann, der 23 Jahre alt ist. Er lernt Deutsch als zweite Fremdsprache, Er hat English und Arabisch als erste Fremdsprache in der Schule gelernt und hat außerdem ein Sprachinstitut für Englisch besucht, hat also Erfahrung mit einer ähnlichen Methode wie die Gramatik-Übersetzungs-Methode (Arabisch in der Schule), mit der Audiolingualen Methode (Englisch in der Schule) und der kommunikativen Methode (Englisch im Institut). Er hat einen visuellen Lernstil, Er möchte nach Deutschland gehen und dort deutsche Literatur studieren, deswegen muss er Test DaF bestehen. er ist ein guter Schüler und Student gewesen und hat auch gute Noten bei Englisch in der Schule gehabt. Seine Muttersprache ist Persisch und Türkisch (Azeri) (er stammt aus der iranischen Provinz Azerbaijan), d.h. er hat diese als Erstsprache und nicht systematisch gelernt. Er hat noch nie Deutsch gelernt. Er hat an der Universität persische Literatur studiert, er war auch in der Schule ein guter Schüler in persischer Literatur gewesen. Er arbeitet manchmal bei seinem Vater, der ein Möbelgeschäft hat, d.h. er bringt Vorwissen von seinen Muttersprachen, Literatur und Möbeln mit. Er benutzt Lernstrategien, wie das laute Wiederholen von neuen Wörtern und er bildet Sätze mit neuen Wörtern, damit sie in der Gedächtnis haften bleiben. Grammatik lernt er so, indem er Lückentexte ausfüllt und Texte unterstreicht. Persönlich ist er ein ruhiger Mensch aber hat Angst vor Test DaF. Er möchte wegen finanzielle Mängel nur ein Semester Einzelunterricht nehmen und möchte danach autonom werden. Er ist ein Abendtyp, d.h. lernt abends konzentrierter. Morgens soll er zum Geschäft seines Vaters, deshalb nimmt er Einzelunterricht nach dem Mittagessen. Und hat Abends nur zwei Stunden Zeit, um seine Hausaufgaben zu machen. Der Einzelunterricht findet im Haus des Lerners (im Gästezimmer) statt. Nach dem Mittagessen wird er meist schläfrig, hat aber nur dann Zeit Einzelunterricht zu nehmen. Die Wichtigsten Informationen sind:
- das Ziel des Lerners: Studium von Literatur in Deutschland und Test DaF;
- das Alter des Lerners 23;
- seine Muttersprache und die Fremdsprachen, die er schon kann;
- wie er die Fremdsprachen gelernt hat;
- dass er bei seiner Muttersprache hochkompetent ist (siehe Unterkapitel 2.4.10.)
- dass er in der Schule im Fremdsprachenunterricht gute Noten gehabt hat (hohe Sprachlernfähigkeit);
- die Methoden, die er kennt;
- seine Lernbiografie (Schule, Sprachinstitut und Universität)
- sein Lernstil;
- dass er Lernstrategien verwendet, die seinem Lernstil nicht entsprechen;
- Die Zeit, die er zur Verfügung hat, seine Hausaufgaben zu machen;
- Die Angst, die er vor Test DaF hat;
- Dass er nach einem Semester autonom werden will;
- Dass er während des Unterrichts müde von der Arbeit bei seinem Vater ist;
- Dass der Unterricht im Gästezimmer stattfindet;
3.3.8.1. Wie der Lehrer einen Unterricht für dieses Beispiel planen kann: Der erste Schritt, den der Lehre vornehmen muss, nachdem er diese Informationen vom Lerner bekommen (rausgefunden) hat, ist, dass er eine Methode aussuchen, modifizieren oder ausarbeiten muss. Da das Ziel des Lerners Studium in Deutschland und das Bestehen von Test DaF ist, wird die kommunikative Methode ausgesucht. Nun muss diese Methode modifiziert und dem Lerner angepasst werden. Hier ist der Lerner männlich und 23 Jahre alt, d.h. bei ihm ist das nichtsprachliche Wissen (das Weltwissen) ausgebildet und es können im Vorwissen fehlerhafte Erkenntnisse über Deutschland und die deutsche Sprache vorhanden sein, die aufgebrochen werden müssen. Er kann Türkisch (Azeri), d.h. er wird keine Probleme in der Phonetik des Deutschen, wie die Phoneme z,üundöhaben. Er wird Probleme bei der Aussprache von ch (wie „ich“) haben, denn es gibt dieses Phonem bei der Persischen, Türkisch und Englischen Sprache nicht. Er wird kein Problem bei der Wortstellung des Adjektivs in deutschen Sätzen haben, denn die Türkische Sprache ist genauso wie die Deutsch Sprache (stellt das Adjektiv vor das Substantiv). Der Lehrer kann dem Lerner auch auf Wörter, die im Englischen und im Deutschen ähnlich sind aufmerksam machen, damit sie leichte gelernt werden. Der Lerner kennt viele Methoden des Fremdsprachenunterrichts, auch die kommunikative Methode, so kann der Lehrer ohne Bedenken diese Methode für den Unterricht wählen. Da der Lerner schon Fremdsprachenlernerfahrungen hat, kann der Lehrer einen Lernstiltest machen. Der Lerner hat den visuellen Lernstil aber die Strategien, die er benutzt sind nicht visueller Art, so kann der Lehrer dem Lerner passende Lernstrategien beibringen. Er möchte autonom werden, so sollte der Lehrer den offenen Unterricht einbringen. Also wählt der Lehrer die kommunikative Methode und wählt ein Lehrwerk, das dieser Methode entspricht. Er hat vor der Prüfung Test DaF Angst, so sollte sich der Lehrer richtig verhalten, damit die Angst geringer wird. Man kann diese Methode im Bereich des „procedure“s, im letzten Schicht der Methode, modifizieren, um die spezifiken des Lerners gerecht zu werden. Da der Lerner in der Zeit des Unterrichts schläfrig ist, muss der Unterricht spannend und nicht eintönig sein.
Fazit: Beim Ausarbeiten von Methoden ist das Ziel des Lerners der wichtigste Faktor, der beachtet werden muss. Die Eingabe, im Sinne von Klein (vgl. 1992: 54), muss das Ziel entsprechen, damit die gewünschte Fertigkeit möglichst schnell entwickelt werden kann.
3.4. Das Modell „Didaktische Analyse“ übertragen auf den Einzelunterricht
Das Modell Didaktische Analyse (DA) kann sich jeder Methode anpassen und erleichtert die Unterrichtsplanng. Es kann auch mit Veränderung im Einzelunterrcht gebraucht werden.
Nach dem Modell der Didaktischen Analyse (vgl. Bimmel u.a. 2003: 29), hat der Unterricht vier Phasen: Einführungsphase, Präsentationsphase, Semantiserungsphase und Übungsphase und jede Phase hat sechs Teile. Diese Phasen werden geschildert und auf den Einzelunterricht übertragen.
3.4.1. Die vier Phasen des Unterrichts:
3.4.1.1. Die Einführungsphase: Im Allgemeinen wird in der Einführungsphase versucht, das Vorwissen der Lerner über das Thema des Unterrichts zu aktivieren. Im Einzelunterricht ist alles viel individueller, so kann der Lehrer je nach Ziel und Interesse des Lerners ein Thema auswählen und dem Vorwissen des Lerners gemäß den Unterricht beginnen. Der Lehrer kann auch je nach Vorwissen des Lerners diese Phase verkürzen oder verlängern.
3.4.1.2. Die Präsentationsphase: In dieser Phase wird der Unterrichtsstoff vorgeführt. Meist geht es um das globale oder selektive Verstehen, dies wird auch überprüft, der Lehrer kann dies im Einzelunterricht viel einfacher überprüfen als im Klassenverband.
3.4.1.3. Die Semantisierungsphase: In dieser Phase wird alles viel tiefgehender erklärt. Im Einzelunterricht braucht der Lehrer das, was der Lerner schon verstanden hat, nicht mehr zu erklären. So könnte man sagen, dass die Präsentationsphase und die semantisierungsphase im Einzelunterricht ineinander übergehen und eine Phase bilden.
3.4.1.4. Die Übungsphase: Diese Phase nimmt die meiste Zeit in Anspruch. In dieser Phase wird der in den vorigen Phasen gelernte Stoff geübt und gefestigt. Im Einzelunterricht sollte der Lehrer in dieser Phase geduldig sein und Fehlertoleranz zeigen, denn der Lerner wird von seinen Fehlern lernen. Der Lehrer sollte nicht nach jedem Fehler eine Reaktion zeigen. Der Einzelunterricht unterscheidet sich vom Klassenunterricht auch daran, dass der Fehler und das Gutgemachte genau vor dem Lehrer passieren. Wenn der Lehrer erkennt, dass der Lerner etwas schon gelernt hat, sodass es Zeitverschwendung ist das noch zu üben, kann er diese Phase kürzen.
3.4.2. Die sechs Teile jeder Phase:
3.4.2.1. Ziel: Die Frage danach, warum der Lerner die Fremdsprache lernen will, führt zum Globalziel, das die Teillernziele jeder Unterrichtsstunde bestimmt. Z.B. das Ziel „mit einem Brieffreund korrespondieren“, kann nach Bimmel und Rampillon (2000: 20) folgende Teiltätigkeiten zugeordnet werden: Briefe/Postkarten schreiben, Telegramme/Telefaxe/E-Mails schreiben, Briefe/Postkarten/Telegramme/Telefaxe/E-Mails lesen. Im Unterricht sollte der Lehrer die Lernenden veranlassen, ihre Ziele aufzuschreiben und diese in Teiltätigkeiten zu teilen.
Die Ziele sollen operationalisierte Lernziele sein, d.h. sie müssen beobachtbar sein (siehe hierzu Unterkapitel 3.1.16.). Ein Ziel kann z.B. lauten, der Lerner soll sich nach der Unterrichtsstunde vorstellen können, oder ein anderes Lernziel kann sein, der Lerner soll in der Lage sein in der Fremdsprache, andere zu begrüßen. Nun gibt es im Klassenunterricht dieses Problem, dass der Lehrer, aus Zeitmangel, nicht in der Lage ist, jeden zu prüfen, das aber im Einzelunterricht sehr gut möglich ist. Das Ziel wird im Einzelunterricht von dem Lerner bestimmt. Hier gibt es einen Unterschied zum Unterricht im Klassenverband, in dem das Ziel von dem Institut bestimmt wird. Die Lerner können sehr unterschiedliche Ziele haben, die einzelnen Fertigkeiten (Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben) oder eine Kombination von diese könnten Ziele darstellen. Aber auch Deutsch für verschiedene Zwecke, wie z.B. Wirtschaftsdeutsch. Ein Ziel kann aber auch sein, aus sprachwissenschaftlicher Perspektive die Deutsche Sprache zu studieren. Ein Ziel des Lerners kann sein, die Kultur im deutschsprachigen Raum zu studieren (wie z.B. Klassen, die für Touristentourleiter veranstaltet werden). Sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, kann auch ein Ziel sein, denn sich verständlich zu machen, ist etwas anderes als sich zu integrieren (vgl. Klein 1992: 46f). Für jedes dieser Ziele gibt es verschiedene Methoden, oder sollen entwickelt werden, um den Unterricht am effektivsten zu gestalten. Beim Wählen verschiedener Methoden, sollte auch stets der Lernertyp berücksichtigt werden. Zwischen Ziel und Interesse soll unterschieden werden. Wenn der Lehrer beim Auswahl von Inhalten das Interesse des Lerners berücksichtigt, kann eine höhere Motivation erreicht werden.
3.4.2.2. Lerneraktivitäten: Die Frage danach, was soll der Lerner machen, um das Ziel zu erreichen. Im Einzelunterricht verlieren manche Aktivitäten, wie Projektarbeit, Wandzeitung, Kollage usw., ihren Sinn.
3.4.2.3. Sozialformen: Verglichen mit dem Klassenunterricht gibt es im Einzelunterricht wenig Sozialformen. Der Lehrer kann nur die Sozialformen Einzelarbeit, Frontalunterricht, Klassengespräch oder Partnerarbeit (mit dem Lehrer) benutzen. Die Partnerarbeit, ist dann eine modifizierte Sozialform, die sich der Form nach, mit der Partnerarbeit im Klassenunterricht unterscheidet. In Partnerarbeit im Klassenverband kommen das Hören von falschen oder fehlerhaften Sätzen und das Korrigieren dieser, das Raten und das Spielen mit Gleichaltrigen, vor, was im Einzelunterricht wegfällt. Der Lehrer kann aber Situationen schaffen, in der diese trotzdem vorkommen, z.B. kann er beim Sprechen bewusst Fehler machen, damit der Lerner immer aufpasst und , dass er dazu Gelegenheit hat, Fehler zu korrigieren. Oder der Lehrer kann fehlerhafte Texte, z.B. von anderen Lernern, zum Korrigieren geben. Der Lehrer kann auch Situationen schaffen, in denen er wirklich nicht die Antwort weiß, damit der Lerner ihn mit sich auf gleicher Ebene sieht und auch mal raten kann, wie z.B. in einem Memory Spiel. Im Einzelunterricht, kann man auch keine Rollenpiele mache, die mehr als zwei Leute benötigen, das Rollenspiel ist aber sehr wichtig, denn es kommt der Situation des ungesteuerten Spracherwerbs am nächsten (vgl. Klein 1992: 56).
3.4.2.4. Materialien: Die Materialien unterscheiden sich von denen im Klassenunterricht nicht. Materialien hängen stark mit den Medien zusammen, wenn es z.B. keinen Cd-player gibt, kann man keine CDs verwenden. Materialien können nach dem Ziel den Lernstilen und der Sprachlernfähigkeit, Geschlecht und Alter angeordnet weden. Verschiedene Lerner sollten deshalb mit verschiedenen Materialien lernen.
3.4.2.5. Medien: Der Einzelunterricht findet im Zimmer des Lerners oder im Gästezimmer statt und da hat der Lehrer meist nicht die Medien, wie Fernsehen mit Videorekorder zur Hand, aber die Medien im Einzelunterricht unterscheiden sich von denen im Unterricht im Klassenverband, manche werden gar nicht gebraucht, wie der Overheadprojektor, den man meistens dazu benutzt um die Aufmerksamkeit aller auf die Wand zu lenken, oder z.B. einen Text für allen anschaulich zu machen. Die Tafel braucht man auch nicht, denn man sitzt ja vor dem Lerner und ist nicht von ihm entfernt. Man könnte im Einzelunterricht aber den Laptop benutzen um von Wörterbüchern Gebrauch zu machen, oder wenn es Internetanschluss gibt, dann kann man von der Kollektiven Intelligenz Gebrauch machen (siehe Unterkapitel 3.5.3.), die im Einzelunterricht, im Gegensatz zum Unterricht im Klassenverband, fehlt.
3.4.2.6. Lehreraktivität: Bei der Lehreraktivität, kann der Lehrer natürlich keine Gruppen bilden. Alle anderen Aktivitäten des Lehrers sind wie im Klassenverband.
Fazit: Das Modell Didaktische Analyse, lässt sich sehr gut auf den Einzelunterricht übertragen und stellt eine große Hilfe für den Lehrer dar. Die Einführungsphase kann je nach dem Vorwissen des Lerners gekürzt oder verlängert werden. Die Präsentationphase und die Semantisierungsphase können eine Phase bilden. Im Einzelunterricht sind nur wenige Sozialformen vorhanden und der Gebrauch von allen Medien scheint nicht sinnvoll zu sein. Die Materialien sollten dem Lerner angepasst werden.
3.5. Gruppenarbeit und Einzelunterricht
Im Einzelunterricht entfällt die Gruppenarbeit und damit die Vorteilhafte dieser Sozialform. Nun werden einige Vorteile der Gruppenarbeit nach Scwerdtfeger (vgl. 2001: 40) beschrieben (siehe auch 3.1.18.).
3.5.1. Vorteile der Gruppenarbeit:
- Im Gruppenarbeit können die Mitglieder mehr sprechen und demensprechend mehr hören.
- Sie produzieren redundantere Sprache füreinander und das führt zu größerer Flüssigkeit des Sprechens und besseren Verstehens der Umgangssprache.
- Die Sprachproduktion führt dann auch zu einer höheren Sprechgenauigkeit der Lernenden.
- Es werden dem Lernstand jeweils angemessenere linguistische Einheiten von den Lernenden für die Lernenden produziert.
- Die Qualität der Äußerungen der Lernenden verändert sich, sie fühlen sich ermutigt auch in Unreine zu sprechen und auch versuchen „ihre Gedanken tastend“ in der Fremdsprache zu formulieren.
- Die Lernenden können in Gruppenarbeit verschiedene Rollen annehmen, demnach verändert sich auch deren Sprachgebrauch. Sie benutzen mehr Sprechakte, wie die eigene Meinung verteidigen, andere Meinungen zustimmen/ablehnen, um etwas bitten, sich entschuldigen, etwas versprechen usw.
- In Gruppenarbeit zeigen die Mitglieder ein gegenseitiges Korrekturverhalten (sie korrigieren auch sich selbst), was im Einzelunterricht nur von Seiten des Lehrers geschieht, der Lerner kann den Lehrer nicht korrigieren, der Lehrer könnte aber bewusst beim Sprechen einige Fehler machen, damit es die Gelegenheit entsteht, dass auch der Lernende korrigiert.
3.5.2. Die Vorteile der Gruppenarbeit übertragen auf den Einzelunterricht: Die Vorteile der Gruppenarbeit zu wissen, ist für den Einzelunterricht sehr wichtig, denn der Lehrer könnte sich so verhalten, dass einige Vorteile auch in den Einzelunterricht fließen, obwohl es diesen Form im Einzelunterricht nicht gibt. Der Lehrer sollte sich so verhalten, dass der Lerner ihn als Partner betrachtet, der Lehrer wird nicht als „Alleswisser“ dastehen, sondern als Partner, der auch inhaltlich vom Lerner lernt. So bekommt der Lerner Mut, das Gesagte inhaltlich zu korrigieren. Wenn der Lehrer auch bewusst Fehler macht, und der Lerner über diese Methode informiert ist, so korrigiert der Lerner den Lehrer auch formal. Wenn der Lerner den Lehrer als einen Partner sieht, so produziert er auch eine redundantere Sprache. Im Einzelunterricht kann intensiv mit dem Lerner gesprochen werden, da verglichen mit der Klasse mehr Zeit zur Verfügung steht. So kann die Situation im Einzelunterricht, die der Gruppensituation angenähert werden. Aber die Beziehung zwischen Lehrer und dem Lernenden kann nicht so sein, wie mit einem (gleichaltrigen) Klassenmitglied in Gruppenarbeit. Hierfür gibt es kulturelle, religiöse erzieherische und lernbiografische Beschränkungen.
3.5.3. Die Gruppe als neuronales Netz: In neueren didaktischen Modellen wie etwa „lernen durch Lehren“ wird die Klasse als ein neuronales Netz gesehen. Die Informationen von einzelnen Neuronen werden gesammelt um zu einer Lösung zu gelangen. Im Einzelunterricht kann mit dem Gebrauch von Internet auch von einer Art Neuronalem Netz profitiert werden. Dies ist einer der Unterschiede zwischen dem Einzelunterricht und dem Klassenunterricht: Im Klassenunterricht, wenn der Lehrer in der Einführungsphase ein Bild vorhält und fragt, was die Lerner denn sehen, sagt jeder ein Wort und so kommen Wortgruppen zustande, im Einzelunterricht aber sagt der Lerner ein oder zwei Wörter, die er kennt und es kann keine Wortgruppe gebildet werden, um z.B. das Vorwissen zu aktivieren.
Fazit: Dass es Gruppenarbeit im Einzelunterricht nicht gibt, ist ein großer Nachteil, man kann auch sagen es ist ein Defizit, dass das Ziel „flüssiges Sprechen“, schwer erreichen lässt. Es muss aber geforscht werden, in wie weit die Lerner, die Einzelunterricht erhalten haben, von Lernenden im Klassenverband, bei der Sprechfertigkeit benachteiligt sind.
3.6. Der Einzelunterrich: eine Art Binnendifferenzierung
Die Binnendifferenzierung ist die Berücksichtigung der Lerner in der Klasse und sie führt auch zur Lernerautonomie. Man könnte von Erkenntnissen dieses Feldes im Einzelunterricht Gebrauch machen.
Die Berücksichtigung des Individuums im Klassenverband wird „Binnendifferenzierung“ oder auch „innere Differenzierung“ genannt. Unter diesem Begriff versteht man die Möglichkeit, den Lernprozess für verschiedene Lernende unterschiedlich zu gestalten.
„Eine übergeordnete Zielvorstellung für die innere Differenzierung ist die Berücksichtigung der unterschiedlichen Voraussetzungen der Lernenden, ihre optimale Förderung durch Lernverfahren, mit denen die Lernenden am erfolgreichsten sind, und „die selbstbestimmte Gestaltung der Inhalte und Formen des Lernens unter ständiger Reflexion der kognitiven und sozialen Prozesse“ (vgl. Schwerdtfeger 2001: 105).
3.6.1. Vier Voschläge, die bei der inneren Differenzierung beachtet werden können: Vier Punkte könnten nach Schwerdtfeger (vgl. 2001: 105) bei einer Differenzierung in der Klasse beachtet werden:
- Sprachniveau der Lernenden
- Die Berücksichtigung unterschiedlicher Lernertypen
- Verschiedene Aufgabenstellungen
- Es sollen unterschiedliche Sozialformen durchgeführt werden
Am bekanntesten ist die Differenzierung nach dem Sprachniveau, dass Fortgeschrittenere Lernende kompliziertere oder extra Aufgaben erhalten, es gibt jedoch auch andere Differenzierungsmöglichkeiten, wie die Berücksichtigung verschiedener Lernstile, dass mehrere Varianten einer Aufgabe den Lernenden zur Verfügung gestellt wird, damit sie aussuchen können, mit welcher Art sie die Aufgabe bearbeiten möchten. Der Lehrer kann verschiedene Aufgabenstellungen den Lernenden zur Verfügung stellen und die Lernenden beim Aussuchen der Sozialform frei lassen (vgl. Schwerdtfeger 2001: 105f). Da es verschiedene Lernertypen gibt, sollten den Lernenden verschiedene Materialien zur Verfügung gestellt werden, z.B. sollten neben Texten auch Bilder, Hörmaterialien, Filme, Nachschlagwerke usw. enthalten sein (vgl. Schwerdtfeger 2001: 113). Die Zahl der Lernertypen in einer Klasse entsprechen nach Vester (1975) der Zahl der Schülerinnen und Schüler (vgl. Bimmel/Rampillon 2000: 22).
„‚Im Prinzip geht es bei der Differenzierung nach Lernwegen um mehr Lernerautonomie, die zunehmend etwa im Bereich der Grammatik, beim Wortschatzlernen bzw. allgemein beim Lernen Lernen im neueren Lehrwerken zu finden ist. Für die Praxis der Binnendifferenzierung ist es daher wichtig, „ob es gelingt, bei der curricularen Planung ‚offener‘ Lernmaterialien unterschiedliche Lernwege für einzelne Schüler oder Lerngruppen bereitzustellen und offen zu halten‘“ (Zitat von Papst 1977) (Schwertfeger 2001: 114).
Damit wird ein wesentlicher Aspekt angesprochen, nämlich die „Lernökonomie“ – jeder lernt am besten nach seinen eigenen Wegen und dann auch am effektivsten und hat damit „Lernzeit [für andere Bereiche] gewonnen“ (Zitat von Papst 1977)“‘ (vgl. Schwerdtfeger 2001: 114). Also wird es klar, dass die Konzepte Lernautonomie und Binnendifferenzierung sehr vieles gemeinsam haben. Nun kann man sagen, dass der Einzelunterricht eine Art innere Differenzierung darstellt, denn es gibt nur einen Lernenden, den der Lehrer berücksichtigen muss und zwar noch weiter als im Klassenunterricht, denn das Ziel wird hier ausschließlich von ihm bestimmt. Das Ziel kann bei sprachlichen Fertigkeiten liegen, kann aber auch etwas ganz anderes sein, nämlich dem Lernenden die Lernerautonomie beizubringen, damit er sich relativ schnell von dem Lehrer unabhängig machen kann und selber weiterlernt.
Fazit: Die Methoden für Binnendifferenzierung sind für Klassenunterricht entwickelt worden, bei Binnendifferenzierung wird auf Individuen und deren Unterschiedlichkeiten geachtet und es wird im Verlauf des Unterrichts für Individuen differenzierte oder bei stärkeren Lernern auch eine extra Aufgabe gestellt. Der Verlauf bleibt aber für alle Lerner gleich. Im Einzelunterricht sollte es so sein, dass der Verlauf des Unterrichts dem Individuum angepasst wird und hier könnte man von den Methoden der Binnendifferenzierung Gebrauch machen, diese reicht aber nicht aus, denn bei Binnendifferenzierung wird nach den vier Punkten von Schwerdtfeger, die am Anfang dieser Abschnitt vorgestellt worden sind (Unterkapitel 3.6.1.), das Ziel der einzelnen Lerner nicht beachtet, denn das Ziel des Unterrichts ist für alle Lerner gleich, Im Einzelunterricht aber baut der ganze Unterricht auf das Ziel des Lerners auf. Im Klassenverband sind immer Lerner zu finden, die ein anderes Ziel als das Globalziel der Klasse haben, so muss der Lehrer dies auch in seinen Überlegungen miteinbeziehen und auch danach eine Binnendifferenzierung durchführen.
4. Offene Fragen und Forschungsvorschläge
4.1. Offene Fragen
- Das Konzept dieser Arbeit ist so aufgebaut, dass zuerst die individuellen Unterschiede bearbeitet werden, d.h. der Lehrer sollte im Einzelunterricht zuerst auf die individuellen Unterschiede des Lerners achten, und um den Unterricht optimieren zu können, sollte der Lehrer diese Unterschiede in den Unterricht einbeziehen. Eine offene Frage ist diese: „Wie sollte der Lehrer die einzelnen individuellen Unterschiede in den Unterricht einbeziehen?“ Mit anderen Worten: „Wie sollen verschiedene individuelle Unterschiede den Unterricht beeinflussen?“ Der Lehrer beobachtet im Einzelunterricht sehr viel Verhalten, wie kann er diese Verhalten auf passende Konzepte zurückführen, die für den Unterricht relevanten von den unwichtigen unterscheiden und den Unterricht nach diesen planen, damit der Unterricht dem Lerner interessant, angenehm und fördernd vorkommt?
- Wie sollte die Methode modifiziert werden, damit ihre theoretischen Grundlagen unberührt bleiben und dennoch diese den Bedürfnissen des Lerners entspricht?
- Wie soll das Lehrwerk ausgewählt und den Bedürfnissen des Lerners angepasst werden?
- Wie kann der Lehrer im Einzelunterricht von kollektiver Intelligenz Gebrauch machen?
- Welche Materialien und Medien sind für den Einzelunterricht brauchbar?
- Wie können im Einzelunterricht Aufgaben gelöst werden, die unbedingt in Partner- oder Gruppenarbeit gelöst werden sollen?
- Wie können im Einzelunterricht am effektivsten Spracherscheinungen wie die dritte Person (er. sie) beigebracht werden?
- Kann das Ziel Kommunikation im Einzelunterricht besser erreicht werden oder im Klassenunterricht?
- Wie können Ziele, wie z.B. das Hörverstehen, am effektivsten erreicht werden, für die noch keine Methoden ausgearbeitet sind?
- In wie weit ist die kommunikative Methode für den Einzelunterricht sinnvoll?
4.2. Forschungsvorschläge
- Für die Empirie sollen die wichtigsten individuellen Unterschiede ausgearbeitet werden und dann Vorschläge für die Methodenmodifizierung/-ausarbeitung gemacht werden und diese sollen sich im praktischen bewähren.
- Es soll eine große Lehrwerkanalyse durchgeführt werden, um zu bestimmen, welches Lehrwerk, Lernern mit welchen Eigenschaften zugute kommt.
- Es soll eine Feldstudie im Iran durchgeführt werden, in der die Bedürfnisse und Ziele der iranischen Deutschlerner analysiert werden und dann eine effektive Methode mit einem effektiven Lehrwerk ausgearbeitet wird.
- Es soll eine Feldstudie von den Lehrern des Einzelunterrichts gemacht werden, um zu sehen, wie sie verschiedene Lerner unterrichten.
- Es soll eine Studie durchgeführt werden, um für verschiedene Ziele treffende Methoden auszuarbeiten, die Methoden, die in dieser Arbeit aufgeführt worden sind, sind als Vorschläge zu betrachten.
- Es soll geforscht werden, wie man im Einzelunterricht einen Einstufungstest gezielt verwendet, wenn der Lerner vorher Deutsch gelernt hat.
- Aus den, in dieser Arbeit erarbeiteten Kriterien, kann für den Einzelunterricht ein Fragebogen konzipiert werden, um die Lernerunterschiede und Bedürfnisse in Zahlen ausdrücken zu können.
- Wie kann man die Vorterile der Gruppenarbeit auf Einzelunterricht übertragen und die Interaktion erhöhnen?
Schluss
Die zuerst gestellte Frage, ob die Wissenschaft konkret darüber Aussagen machen kann, wie einem bestimmten Individuum eine Fremdsprache am effektivsten beigebracht werden kann, muss verneint werden (vgl. Edelmann 2000: 40), d.h. die Wissenschaft ist noch nicht soweit, darüber konkrete Aussagen zu machen. Jedoch veranschaulicht diese Aussage am Besten die Grundaussage dieser Arbeit (Bimmel/Rampillon 2000: 19):
„Lehrerinnen und Lehrer sollten dieses Wissen nutzen und sich bewusst machen, dass nicht jede Lehrmethode und auch nicht jedes Lernverfahren für jede Schülerin und jeden Schüler in gleicher Weise wirksam ist. Der klassische Frontalunterricht hat daher weitgehend ausgedient. Unterschiedliche Zugangsweisen zum Lernstoff unter Einsatz verschiedener Lernstrategien sind erfforderlich, um erfolgreiches Lernen zu ermöglichen. Dabei entscheiden sich verschiedene Lernertypen für unterschiedliche Lernwege“.
Dörnyei (2005: 157) schreibt:
„Of course, in an ideal world in which teacher training would include a much more prominent psychological component, teachers could follow Ehrman’s (1996) own practice: She believes that different individuals make different style dimensions important and therefore when she decides which style model to apply as a conceptual tool with an individual she takes into account the particular learners features“.
Im Einzelunterricht findet die Identifizierung von Lernertypen und die Anpassung des Unterrichts an deren Besonderheiten doppelte Bedeutung: einmal um an Zeit zu sparen, dass ein Ziel des Einzelunterrichts darstellt, und den Lerner zum autonomen Lernen zu veranlassen.
Auf der anderen Seite aber muss man auch bedenken, dass ein Mensch kein Computer ist, der nur eine Programmiersprache versteht, und wenn man ihn anders als gewohnt anredet, er die Anweisungen nicht befolgen kann, denn der Mensch kann sich an verschiedene Situationen und Verhältnisse anpassen. Ellis schreibt 1989: „[...] learners do benefit if the instruction suite their learning style, but, if it does not, they may be able to adopt, at some cost to their own ease of mind and the type of proficiency they develop“(Riemer 2001: 712).
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http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/LerntheorienKonstruktive.shtml, Stand 9.4.2010
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[1] Der Sprachverarbeiter ist eine Instanz im Kopf, der für die Sprachverarbeitung und Sprachproduktion zuständig ist.
[2] Lernervarietät, nach der interlanguage Hypothese, bedeutet die Sprachstufe, auf der sich der Lerner, zu dieser Zeit befinbdet (vgl. Rieken 2010: 8).
[3] Das Big Modell ist ein Modell, das fünf Faktoren der Persönlichkeit misst (man nennt sie deshalb Faktoren, wiel sie viele Persönlichkeitseigenschaften beinhalten): Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Erfahrungsoffenheit. Dieses Modell wurde von vielen Wissenschaftlern mit der Zeit entwickelt, jedoch die Skalen, die im Anglo amerikanischen Raum bestehen, haben Costa und Mc Crea 1992 vorgelegt (vgl. Sader/Weber 1996:110).
[4] Der MBTI ist von Katharine Myers und Isabel Briggs Anfang der 60er Jahre veröffentlicht worden. Dieses Modell identifizlert sechzehn Typen, die durch zweitkombination der folgenden Eigenschaften enstehen: Introversion und Extroversion, Urteilen und Wahrnehmen, sensitives Empfinden und Intuition, Denken und Fühlen (vgl. Hedwig 2009: 27).
[5] Diese Zahlen beschreiben die Korrelation zwischen einem Intelligenztest und einem Sprachlernfähigkeitstest. Null bedeutet, dass es keine Korrelation besteht und eins zeigt dass die Testpunkte völlig miteinander identisch sind.
[6] Es wird angenommen, dass der Lidschlagreflex von Augen reflexartig geschieht und man keine Kontrolle darauf hat (vgl. Robinson 2004: 96). So erscheint es konditionierbar, wenn man Luft in die Augen bläst, um den Lidschlag auszulösen, und gleichzeitig einen Ton, der normalwerweise keinen Lidschlagreflex auslöst, aussendet (vgl. Woodruff-Pak /Steinmetz 2000: 2).
[7] Für ein Beispiel über scaffolding siehe (Hansen 2010: 19). Hier bedeutet dieses Wort soviel wie ein Gerüsst auf dem man noch weitere Gerüsste aufbauen kann, nur dies muss nacheinander geschehen, d.h. nachdem eine bestimmte Stufe erreicht worden ist, kann der Lehrer zur nächsten Stufe übergehen.
[8] Vgl. {http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/LerntheorienKonstruktive.shtml}, Stand 9.4.2010.
- Arbeit zitieren
- Mohammad Hossein Khameneh (Autor:in), 2010, Zum Problem des Einzelunterrichts im Bereich Deutsch als Fremdsprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265345
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