Als 2012 ‚Imperium‘, der vierte Roman des Schriftstellers Christian Kracht, veröffentlicht wurde, löste eine Literaturkritik zu besagtem Buch eine große Debatte im deutschen Feuilleton aus. Als der Literaturkritiker Georg Diez wirft dem Autoren in seiner Rezension vor, rechtes Gedankengut zu verbreiten. Er schreibt unter anderem: „Wenn man genau hinschaut, ist ‚imperium‘ von anfang an durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht.“ Im weiteren Verlauf seiner Kolumne versucht Diez anhand von Zitaten aus dem Roman sowie aus dem 2005 publizierten Werk ‚Five Years‘, einem Briefwechsel zwischen Christian Kracht und dem US-amerikanischen Komponisten David Woodard, Krachts Nähe zu rechtsradikalen Ideologien nachzuweisen. Mehrere Stimmen reagierten empört auf Diez‘ Buchbesprechung. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Rezension unprofessionell vorzugehen, da unter anderem die Trennung von Autor und Erzähler missachtet wird. Die Kritikerin Felicitas von Lovenberg beispielsweise bezeichnet Diez‘ Methode als „unliterarische Lesart“ .
Deutlich wird, dass der hauptsächliche Diskussionsgegenstand der Debatte nicht der potentielle rechte Inhalt des Buches „Imperium“ ist, sondern dass vor allem die aktuellen Methoden der Literaturkritik im Zentrum stehen. Im Rahmen dieser Hausarbeit wird daher der von Diez geäußerten Vorwurf überprüft. Untersuchungsgegenstand sind die vier bis dato veröffentlichten Romane Krachts, die als Hauptwerk des Autors gelten.
Anhand welcher Merkmale lässt sich rechtes Gedankengut feststellen? Ein Indikator von Rechtsextremismus ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Verschiedene Erscheinungsformen von Diskriminierung bestimmter Personengruppen und die Darstellung exemplarischer Figuren aus den zu untersuchenden Texten stehen deshalb im Vordergrund. In welcher Vielfalt treten Charaktere außerhalb der Norm auf? Wie werden diese in den Romanen dargestellt? Sind Homophobie, Rassismus und Antisemitismus erkennbar?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Darstellung von Minderheiten im Werk Christian Krachts
2.1 Homophobie
2.1.1 Der schwulenfeindliche Erzähler in Faserland
2.1.2 Das Brechen mit der Norm in 1979
2.2 Rassismus und Antisemitismus
2.2.1 Der dunkelhäutige Protagonist in Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten
2.2.2 Der wahnsinnige Antisemit August Engelhardt in Imperium
3 Fazit
4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Als 2012 ‚Imperium‘, der vierte Roman des Schriftstellers Christian Kracht, veröffentlicht wurde, löste eine Literaturkritik zu besagtem Buch eine große Debatte im deutschen Feuilleton aus. Als der Literaturkritiker Georg Diez wirft dem Autoren in seiner Rezension vor, rechtes Gedankengut zu verbreiten. Er schreibt unter anderem: ÄWenn man genau hinschaut, ist ‚imperium‘ von anfang an durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht.“1 Im weiteren Verlauf seiner Kolumne versucht Diez anhand von Zitaten aus dem Roman sowie aus dem 2005 publizierten Werk ‚Five Years‘, einem Briefwechsel zwischen Christian Kracht und dem US-amerikanischen Komponisten David Woodard, Krachts Nähe zu rechtsradikalen Ideologien nachzuweisen. Mehrere Stimmen reagierten empört auf Diez‘ Buchbesprechung. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Rezension unprofessionell vorzugehen, da unter anderem die Trennung von Autor und Erzähler missachtet wird. Die Kritikerin Felicitas von Lovenberg beispielsweise bezeichnet Diez‘ Methode als Äunliterarische Lesart“2.
Deutlich wird, dass der hauptsächliche Diskussionsgegenstand der Debatte nicht der potentielle rechte Inhalt des Buches ÄImperium“ ist, sondern dass vor allem die aktuellen Methoden der Literaturkritik im Zentrum stehen. Im Rahmen dieser Hausarbeit wird daher der von Diez geäußerten Vorwurf überprüft. Untersuchungsgegenstand sind die vier bis dato veröffentlichten Romane Krachts, die als Hauptwerk des Autors gelten. Anhand welcher Merkmale lässt sich rechtes Gedankengut feststellen? Ein Indikator von Rechtsextremismus ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Verschiedene Erscheinungsformen von Diskriminierung bestimmter Personengruppen und die Darstellung exemplarischer Figuren aus den zu untersuchenden Texten stehen deshalb im Vordergrund. In welcher Vielfalt treten Charaktere außerhalb der Norm auf? Wie werden diese in den Romanen dargestellt? Sind Homophobie, Rassismus und Antisemitismus erkennbar?
2 Die Darstellung von Minderheiten im Werk Christian Krachts
Zunächst ist zu klären, was unter ‚Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF)‘ zu verstehen ist. Der Begriff wurde von dem Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmann geprägt. In der von Heitmann geleiteten Langzeitstudie ‚Deutsche Zustände‘ wird GMF als Syndrom definiert, das sich aus zehn Elementen zusammensetzt: ÄRassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, die Abwertung von Obdachlosen, Homosexuellen, Behinderten und Langzeitarbeitslosen, die Einforderung von Etabliertenvorrechten sowie Islamophobie und Sexismus.“3 In dieser Arbeit stehen die Elemente Abwertung von Homosexuellen, Rassismus und Antisemitismus im Fokus.
2.1 Homophobie
Homophobie wird als Äeine starke Abneigung gegen Homosexualität“4 definiert. In Krachts Romanen treten zahlreiche schwule Figuren auf. Ist anhand der Darstellung dieser Figuren eine negative Einstellung gegenüber Homosexualität erkennbar?
2.1.1 Der schwulenfeindliche Erzähler in Faserland
In einem Rückblick berichtet der namenlose Ich-Erzähler des ersten Romans, Faserland, von einem versehentlichen Besuch eines Strandes, den er als ÄAltherren-Homosexuellen- Strand“5 und dessen Besucher er als Äganz, ganz harte Schwuletten“6 bezeichnet. Durch abwertende Äußerungen wie ÄSchwuletten“7 oder Ätuntig“8 scheint die Homophobie des Erzählers bereits im früheren Verlauf des Romans durch. Sie ist in der Strand-Episode aufgrund seiner ÄPanik wegen den Schwulen“9 und der Aussage Ä[H]inter einem liegen nackte alte Männer starren einem auf den Arsch“10 eindeutig nachgewiesen. Einige Reaktionen des Erzählers im bisherigen Verlauf des Romans werden nun besser verständlich. Als er beispielsweise seinen Freund Nigel bei sexuellen Handlungen mit einer Frau und einem Mann entdeckt, fühlt dieser sich Ärichtig vor den Kopf geschlagen“11 und verlässt die Stadt.
Zusätzlich zur Schwulenfeindlichkeit des Erzählers fällt der überwiegend negative Einsatz von homosexuellen Personen im Roman auf. Der Erzähler wird entweder sexuell belästigt (Ä[D]ann greift Eugen vorne an meinen Hosenbund und legt seine andere Hand auf meinen Hintern“12 ) oder er trifft auf absurd dargestellte Figuren (Äein dicker Mann in einem schwarzen durchsichtigen Body, der auf seinen Arschbacken zwei Barockengel tätowiert hat“13 ). Die in Faserland beschriebene Homosexualität beschränkt sich somit auf Klischees und Vorurteile.
2.1.2 Das Brechen mit der Norm in 1979
Konträr zur Darstellung von Homosexualität in Faserland steht Krachts zweiter Roman, 1979. Erneut ist der Protagonist ein namenloser Ich-Erzähler, dessen Charaktereigenschaften sich im Verlauf der Geschichte zusammensetzen. Eine Beziehung zwischen dem Erzähler und seinem Begleiter Christopher wird mit Passagen wie Ä[I]ch hielt mich an Christophers Knie fest“14 oder ÄIch wollte seine Hand nehmen, […] ließ es dann aber doch sein“15 zunächst nur angedeutet, sie wird schließlich mit Ä[I]ch liebte Christopher“16 deutlich. Die Annahme, der Erzähler sei weiblich, erscheint plausibel, denn ein heterosexuelles Paar im Jahr 1979, dem Zeitpunkt der Handlung, ist vollkommen gewöhnlich. Die eindeutige Bestimmung des Geschlechts des Erzählers als männlich könnte für den Rezipienten daher eine Überraschung darstellen (ÄIch mochte es nicht, wenn mir die Enden meines Schnauzbartes in die Mundwinkel hingen“17 ).
Doch ist das Auftreten eines homosexuellen Paares allein deshalb ungewöhnlich, weil der Roman in einer Zeit spielt, in der die Homosexuellenrechte kaum bis gar nicht etabliert waren, oder hängt die Überraschung mit der persönlichen Einstellung des Lesers zusammen?
In der ‚Queer Theory‘ wird dieses Phänomen als Heteronormativität bezeichnet. Der Begriff Äbenennt Heterosexualität als Norm der Geschlechterverhältnisse, die […] das Gefüge der gesellschaftlichen Organisation strukturiert“18. Das bedeutet, dass eine fremde Person von den meisten Menschen zunächst als heterosexuell eingeordnet wird und diese Mutmaßung bis zu deren Coming-Out beibehalten wird.
[...]
1 Georg Diez: Die Methode Kracht. In: Der Spiegel 7 (2012), S. 100-103.
2 Felicitas von Lovenberg: Kein Skandal um Christian Kracht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/faschismus-vorwurf-kein-skandal-um-christian-kracht-11649346.html . Datum des Zugriffs: 21. August 2013.
3 Wilhelm Heitmann (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 8. Berlin 2010, S. 2.
4 Homophob [Art.]. In: Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Hg. vom wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. Bd. 4. Mannheim 1999, S. 1862.
5 Christian Kracht: Faserland. Roman. 14. Aufl. München 2012, S. 136.
6 Christian Kracht: Faserland, S. 135.
7 Christian Kracht: Faserland, S. 131.
8 Christian Kracht: Faserland, S. 41.
9 Christian Kracht: Faserland, S. 137.
10 Christian Kracht: Faserland, S. 137.
11 Christian Kracht: Faserland, S. 49.
12 Christian Kracht: Faserland, S. 103.
13 Christian Kracht: Faserland, S. 135.
14 Christian Kracht: 1979. Ein Roman. 2. Aufl. Frankfurt am Main 2010, S. 17.
15 Christian Kracht: 1979, S. 25.
16 Christian Kracht: 1979, S. 42.
17 Christian Kracht: 1979, S. 22.
18 Peter Wagenknecht: Was ist Heteronormativität? Zu Geschichte und Gehalt des Begriffs. In: Heteronormativität. Empirische Studien zu Geschlecht, Sexualität und Macht. Hg. von Jutta Hartmann, Christian Klesse, Peter Wagenknecht, Bettina Fritzsche und Kristina Hackmann. Wiesbaden 2007, S. 17-34.
- Arbeit zitieren
- Dennis Wegner (Autor:in), 2013, Rechtes Gedankengut im Werk Christian Krachts?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265166